Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

die Auflösung der Reiterstaffel bei der Polizei in Lübeck zu verhindern.

(Holger Astrup [SPD]: Kollege Geißler! - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, in finanzpolitisch schwierigen Zeiten wird es keinen Raum für Wahlgeschenke geben, aber - das sage ich an die Adresse der Opposi

tion - es wird auch keinen Raum für Wahlversprechen geben.

Da der Herr Kollege Hentschel heute Morgen die Zusammenarbeit mit Hamburg angesprochen hat und dabei meine ansonsten ja sehr geschätzte Kollegin Heinold gelobt hat, will ich doch für das Geschichtsbuch festhalten, dass dies keine Erfindung der Grünen ist, sondern auch ein langjähriges Anliegen der SPD in diesem Hause gewesen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD] - Lachen bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Der Haushalt ist jetzt im Parlament und ich hoffe, dass die Opposition irgendwann den Zustand der Heiterkeit und des Lachens aufgibt und sich der konstruktiven Mitarbeit stellt. Bisher haben wir ja keine Vorschläge gehört, sondern nur Allgemeinplätze. Jetzt haben Sie endlich die Gelegenheit, dem Landtag und der Regierung, den sie tragenden Fraktionen zu sagen, wie Sie es konkret besser machen wollen.

Aber, meine Damen und Herren, machen Sie es nicht so wie in den vergangenen Jahren mit völlig unsoliden, unseriösen Gegenfinanzierungsvorschlägen und globalen, abstrakten Ausgabenkürzungen, mit denen in diesem Lande niemand etwas anfangen kann. Der Appell an Sie lautet also: Verändern Sie die Ergebnisse der Haushaltsberatungen, wie wir sie aus den letzten Jahren gekannt haben, und beteiligen Sie sich - vielleicht auch mit uns - daran, dass die Blockade von CDU und FDP im Bundesrat aufgegeben wird, denn die Ausgaben- und Einnahmenprobleme sind nicht allein in Schleswig-Holstein lösbar. Die Ausgabenprobleme, insbesondere aber die Einnahmenprobleme, sind nur lösbar, wenn wir im Bundesrat - aufgrund Ihrer Mehrheit dort - gemeinsam große Reformgesetze auf den Weg bringen. Wenn Sie sich wenigstens da konstruktiv zeigten, wären wir Ihnen dankbar.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf erst seit knapp zehn Jahren in diesem wunderschönen Land leben und habe tiefen Respekt vor den Kollegen, die diesem Landtag schon sehr lange angehören. Der Kollege Neugebauer gehört zu diesen

(Dr. Heiner Garg)

Kollegen. Daher will ich Sie alle wissen lassen, dass ich heute etwas gelernt habe. Ich habe gelernt, dass diese Landesregierung in der Tat zu großartigen Leistungen fähig war. Die größte dieser Leistungen seit 1988 war offensichtlich die Auflösung der Polizeireiterstaffel in Lübeck. Ich räume es gern ein: Das war eine tolle Leistung.

Ansonsten kann ich für dieses Jahr nur sagen: Sehr geehrter Herr Finanzminister, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, die Landesregierung legt dem Parlament für den ersten Doppelhaushalt einen überaus schlampigen Entwurf vor. Das allein wäre gar nicht so schlimm. Viel schlimmer finde ich es, dass sich die die Regierung tragenden Fraktionen vor Lobhudelei vor dieser schlampigen Arbeit auch noch überbieten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ahnungslos, verunsichert und - wenn ich den Finanzminister heute Morgen vor Augen habe - auch niedergeschlagen sieht dieser nur noch eine einzige Chance für 2005, nämlich diesen Doppelhaushalt. Das gilt nicht für die Frau Ministerpräsidentin. Die hat sich sowieso verabschiedet. Die interessiert das alles nicht mehr. Sie erzählt hier, dass sie keine Geschichten vom Dorf erzählt. Dafür erzählt sie uns Anekdoten vom Pferd.

Herr Minister Stegner, wenn Sie glauben, keiner merkt, welchen Mist Sie da angehäuft haben, dann sage ich Ihnen: Im Mai haben Sie uns noch erklärt, es sei sinnlos, beim Nachtrag noch eine Woche auf die Steuerschätzung zu warten, weil die Steuerschätzung im November sowieso alles über den Haufen werfen würde. Jetzt behaupten Sie, genug Übersicht zu haben, um drei bis vier Steuerschätzungen voraus schauen zu können, freilich ohne die NovemberSteuerschätzung zu kennen.

Im Februar brach Ihr Haushalt 2003 zusammen, weil Hans Eichel mit seinen unsinnigen Gesetzesvorlagen abschmierte, die zur Bilanzverschönerung schon rechtswidrig in unserem Haushalt - also eigentlich in Ihrem Haushalt - veranschlagt waren. Angekündigt werden uns jetzt die angeblich größten, reinsten und waschkräftigsten Steuer- und Sozialreformen aller Zeiten. Auf den Weg gebracht ist noch nichts. Die wirtschaftliche Entwicklung ist nach wie vor nicht einfacher vorherzusagen als im Mai. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Es wird schlimmer kommen, als in der Mai-Steuerschätzung angenommen.

Herr Dr. Stegner, Sie stehen ganz offensichtlich über den Dingen. Sie beschweren sich zwar, dass die Konjunkturprognosen kein Quartal mehr halten würden, aber Ihre Kristallkugel zeigt Ihnen offensichtlich schon die Konjunkturprognosen für das Jahr 2005.

Wir wissen: Das ist selbstverständlich Augenwischerei. Der Beweis ist Dr. Stegners Anwesenheit hier. Würde er in das vertrauen, was er uns heute Morgen vorgegaukelt hat, und so handeln, dann wäre er - ohne Insidergeschäfte zu tätigen - schon so reich, dass er sich seine Trauervorstellungen als Finanzminister hier sicherlich nicht mehr antun würde. Also, Herr Dr. Stegner, ich frage Sie: Wenn Sie so schlau sind, warum sind Sie dann nicht unendlich reich?

Der Haushaltsentwurf für 2005 ist ganz und gar überflüssig. Der Bund und die Europäische Union haben überhaupt keine Haushalte für 2005, sodass nächstes Jahr alles nachgearbeitet werden muss. Die Arbeit und das Papier hätten Sie sich dieses Jahr wahrlich sparen können. Jeder gute Planer weiß: Je höher die Unsicherheit, desto weniger genau und desto weniger weit voraus sollte man sich festlegen. Bei Rot-Grün gibt es aber keine guten Planer an den entscheidenden Stellen. Das ist eines Ihrer größten Probleme.

Sehr geehrter Herr Dr. Stegner, die von Ihnen oft und gern zitierten Erfahrungen anderer Bundesländer - egal von wem regiert - rechtfertigen noch keinen rotgrünen Politikmüll hier in Schleswig-Holstein. Der einzige Grund für diesen Doppelhaushalt ist die Landtagswahl 2005, auch wenn die Ministerpräsidentin uns gern etwas anderes erzählt. Rot-Grün ist zu feige und will sich nächstes Jahr vor den Menschen verstecken. Sie haben Angst vor der Haushaltsdebatte im nächsten Jahr!

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf des Ab- geordneten Holger Astrup [SPD])

- Lieber Holger, ich habe vor gar nichts Angst. Die Abgeordneten möchten die Schuld für Unangenehmes auf die Landesregierung schieben können, und zwar mit diesen Ausreden: Das sah letztes Jahr noch ganz anders aus! Ich kann da gar nichts für Sie tun! Wir haben doch jetzt einen Doppelhaushalt! Die Landesregierung sieht ihre letzte Hoffnung in dem kläglichen Versuch, irgendeinen - wie auch immer gearteten - politischen Konjunkturzyklus anzuschieben. Sie trauen sich nicht, den Subventionsrasenmäher zu starten. Das fordern Sie immer nur von anderen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hentschel?

Nein, selbstverständlich nicht!

(Dr. Heiner Garg)

Sie trauen sich noch nicht einmal, nach Ihren eigenen Überzeugungen zu handeln. Herr Dr. Stegner, das ärgert mich ganz besonders. Sie halten hier ständig vor, dass Sie eine höhere Mehrwert- und Erbschaftsteuer haben wollen. Das sei die Lösung für sämtliche Sozialversicherungsprobleme. Sie sind aber zu feige, diese Steuererhöhungen endlich in einem ganz normalen parlamentarischen Verfahren vorzuschlagen. Bringen Sie Ihre Bundesratsinitiative doch ein, wenn Sie das alles so klasse finden. Mit der schuldgefüllten Gießkanne durchs Land zu gehen, um rot-grüne Blütenträume zu schüren, dafür reicht Ihr Mut gerade noch.

Die Einnahmen sollen 2004 um 3,2 % steigen und 2005 um 0,3 % sinken. Laut Finanzplan unterstellt Herr Dr. Stegner die Wachstumsannahmen der MaiSteuerschätzung. Das bedeutet für 2003 nominal 2 % und für 2004 bis 2007 jährlich 3 %. Die Schätzungen der Forschungsinstitute für 2003 und 2004 sind dabei niedriger. Folglich werden dieses Jahr weniger Steuern eingenommen als erwartet. Die würden nächstes Jahr um grob 3 % steigen, wohlgemerkt ohne Steuerreform. Die Steigerung der bisherigen Ansätze um 3,2 % ist also durch nichts untermauert. Das ist keine vorsorgliche Finanzplanung, das sind Wunschfundamente für rot-grüne Luftschlösser. Im Übrigen wird hier bereits die nächste Haushaltskrise produziert.

Wenn die Einnahmen nicht so fließen, wie es gewünscht ist, dann wird Rot-Grün wieder einen dramatischen Steuereinbruch beklagen. Die Frau Ministerpräsidentin hat das vorhin schon angekündigt. Dem kann man dann nur mit neuen Schulden begegnen. Tatsächlich schuld sind in dieser Form aber nur die Rosinen in den Köpfen dieser Regierungskoalition.

2005 sinken die Einnahmen im Entwurf; wahrscheinlich wegen der Steuerreform. Deren Vorziehen wurde erst nach der Steuerschätzung angekündigt. Nimmt man Gerhard Schröder einmal beim Wort, was an sich schon eine verwegene Vorstellung ist, dann sind die rot-grünen Einnahmenpläne für 2004 und 2005 in Kiel schon wegen Rot-Grün in Berlin Makulatur. Ein guter Planer würde in der jetzigen wirtschaftlichen und politischen Lage strikt das Niederstwertprinzip anwenden, um seine Einnahmen zu schätzen. Ich weiß, dass Sie das ganz anders machen.

Bei Rot-Grün gibt es als Ersatz für gute Pläne globale Minderausgaben. Die steigen von 2003 auf 2004 um 3,3 Millionen € oder 3,9 %, insgesamt auf 1,1 % der Nettoausgaben. Das hört sich nicht viel an, ist aber schon das Zweieinhalbfache des Durchschnitts der Anteile der globalen Minderausgaben an den Nettoausgaben im Haushaltsentwurf von 1996 bis 2003. Dieser betrug im Durchschnitt 0,4 %.

Von 2004 auf 2005 steigen die globalen Minderausgaben um 123 Millionen € oder 138 % auf 2,7 % der Nettoausgaben, also auf das Sechsfache des eben genannten Durchschnitts von 0,4 %. Das wäre nach der herrschenden Meinung ein klarer Verstoß gegen die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Hiernach dürfen die globalen Minderausgaben höchstens 1 % bis 2 % betragen.

2006 sollen die globalen Minderausgaben erneut um 97 Millionen € oder 46 % steigen, nämlich auf 3,9 % der Nettoausgaben. Das ist fast das Neunfache des langjährigen Durchschnitts. Erst 2007, also dann, wenn Sie schon zwei Jahre lang nicht mehr in der Verantwortung sind, sollen sie wieder auf 3,5 % der Nettoausgaben sinken. Das ist dann immer noch fast das Achtfache des Durchschnitts und das Doppelte der Verfassungsgrenze. Dass Sie auf der linken Seite des Hauses darüber so fürchterlich lachen, ist das eigentlich Schlimme an der Sache.

(Holger Astrup [SPD]: Wer lacht denn dar- über?)

- Zum Beispiel Ihr finanzpolitischer Sprecher.

Dr. Stegner will Wiederholungstäter werden und die beiden Landtagsfraktionen Rot und Grün schauen seelenruhig zu, beklatschen das Ganze und freuen sich. Endlich gibt es einen Minister, der ihnen die Last der Kürzungen abnimmt. Dr. Stegner ist der Erlöser. Er erlöst die Regierungsmehrheit von ihrem Haushaltsrecht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir hier in der Kirche?)

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, wenn Sie sich nicht trauen, Haushaltspolitik zu machen, dann sollten Sie Ihren Arbeitsplatz wechseln und nicht das Königsrecht des Parlaments für eine Handvoll erwarteter Stimmen an den Finanzminister verscherbeln.

Addiert man die absoluten Beträge der Nettokreditaufnahme und der globalen Minderausgaben, erhält man ein gutes Maß für die Deckungslücke des Haushalts, nämlich den Teil der Nettoausgaben, den die Landesregierung nicht aus ordentlichen Einnahmen bestreiten kann. Die Deckungslücke beträgt 2004 684 Millionen € - Kollege Hentschel, das ist peinlich - oder 8,6 % der Nettoausgaben. Der Fehlbetrag steigt 2005 auf 762 Millionen € oder 9,1 % und 2006 auf 809 Millionen € oder 10,1 %.

Erst 2007 soll er auf immer noch 9 % sinken. Nach rot-grüner Rechnung sollen wir dann bereits im vierten Jahr des Aufschwungs stehen, der in diesem Halbjahr ja angeblich begonnen hat. SchleswigHolstein soll dann an der Spitze Deutschlands,

(Dr. Heiner Garg)

Deutschland an der Spitze Europas und Europa in gehorsamer Erfüllung der weltfremden Beschlüsse von Lissabon an der Spitze der Welt stehen. Oder soll das alles nicht mehr gelten? - Das sind doch die frohen Botschaften, die heute Morgen von Ihnen hier verbreitet wurden. Ich erinnere nur an Herrn Hentschel und an Herrn Hay, der nicht mehr da ist. Das war das, was wir - zum Teil auch von Anke Spoorendonk - hier gehört haben.

2005 wird es dann sogar ein Wunder geben, nämlich das Wunder eines Geldregens. Anders kann ich mir die globalen Mehreinnahmen von 200 Millionen €, durch die der Finanzminister seinen Haushaltsentwurf vordergründig verfassungsgemäß gemacht hat, nicht erklären. Wahrscheinlich fehlten ihm nämlich gerade diese 200 Millionen €. Berücksichtigt man diese, wird die Deckungslücke im Jahre 2005 knapp 1 Milliarde € oder 12,1 % der Nettoausgaben betragen. Was für ein Armutszeugnis der verantwortungslosen Verantwortlichen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Entwicklung der Deckungslücke zeigt, dass die Regierungskoalition für ihr offizielles Programm absolut nichts übrig hat.

Eigentlich wollte ich sagen, dass Sie kreischen. Nun sage ich aber, dass Sie ständig, nachhaltig und nachdrücklich nach Nachhaltigkeit rufen und schreien. Das ist ja eines Ihrer Lieblingswörter, obwohl die meisten nicht wissen, was sie damit eigentlich sagen wollen. Sie rufen also überall ganz nachdrücklich nach Nachhaltigkeit. Sie tun es aber immer nur dann, wenn es nachhaltig alle anderen trifft, nur bitte nie Sie selbst.

Für zukünftige Generationen ist in Ihrer Politik kein Platz; denn da könnte ja jeder kommen und Forderungen stellen. Deshalb geben Sie das Geld der zukünftigen Generationen heute schon sehr gerne aus, und zwar selbstverständlich ausschließlich für den Konsum. Bei Rot-Grün sollen die nachfolgenden Generationen gefälligst selbst für sich sorgen und unsere Schulden abtragen. Das ist Ihre Devise, Ihr Politikstil und Ihr Motto.

Die Zahl 200 Millionen übt in diesem Zusammenhang scheinbar eine geradezu magische Wirkung auf den Finanzminister aus. Auch der Ansatz für die erwartete Nachzahlung für die Nutzung der Zweckrücklagen bei der Investitionsbank erhöht sich auf wunderbare Weise von 100 Millionen € im Jahre 2003 auf 200 Millionen € im Jahre 2004. Es bleibt völlig offen, ob der Finanzminister insgesamt 300 Millionen € einzunehmen hofft oder ob er die 100 Millionen € für dieses Jahr schon abgeschrieben hat.

Herr Dr. Stegner, wie kommen Sie zu den angesetzten 200 Millionen €? Haben Sie neue Erkenntnisse zum WestLB-Verfahren oder brauchten Sie auf dem Papier einfach wieder ein wenig Geld? Möglicherweise kann man ja auch zu viel Geld haben. Bei Ihnen ist es aber nie genug. Die Kreditlinie kann ruhig ausgereizt sein. Wenn sie das ist, muss wieder irgendetwas teuer versilbert werden, um dem rot-grünen Rausch des Staatskonsums frönen zu können. In diesem Fall geht es um LEG und Lotto.