Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

- Ich weiß. Lobe ich meine Bundesregierung oder kritisiere ich sie ?

(Zurufe von der CDU - Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie doch mal, dass Sie die Fehler gemacht haben!)

Die Laster benutzen die Straßen, die Kommunen haben den Aufwand vor Ort.

(Unruhe)

- Meine Güte! Halte ich einen Redebeitrag oder Sie? Die Zahlung der Gewerbesteuer muss vor Ort stattfinden. Gewerbesteuerliche Organschaften stellen das Instrument der Gewerbesteuer - als Beteiligung der Wirtschaft an den Kosten der Infrastruktur der Kommunen - auf den Kopf. Die Bundesregierung spricht bei der neuen Reform von einer zukünftigen Entlastung der Kommunen von 4,5 bis 5 Milliarden €. Die Kommunen haben für sich aber schon ausgerechnet, dass sie durch die geplante Reform Mindereinnahmen hätten. Ich kann dies nicht nachvollziehen. Hier bedarf es in Berlin dringend einer Klärung, damit es eine gemeinsame Grundlage für neue Entscheidungen

gibt. Deshalb fordern wir auch die Einbeziehung ertragsunabhängiger Elemente bei der Berechnung der Gewerbesteuer. Zumindest darf die Hinzurechnung von Zinsen nicht hinter den Status Quo zurückfallen.

Der Bundesfinanzminister führt an, dass das Gewerbesteueraufkommen im zweiten Quartal 2003 um 15 % gestiegen ist. Die Kommunen halten auch hier gegen. Hannover bilanziert im ersten Halbjahr ein Minus von 20 %. Andere Städte bilanzieren ein noch größeres Minus. Auch hier muss es einen einvernehmlichen Sachstand geben. Außerdem müssen wir berücksichtigen, dass allein die schleswig-holsteinischen Kommunen durch das Vorziehen der Steuerreform in 2004 mit 140 bis 160 Millionen € zusätzlich belastet werden.

Bei der Ausgestaltung des zukünftigen Arbeitslosengeldes II ist noch nicht abschätzbar, wie sich die Anzahl derjenigen Personen entwickelt, die zukünftig als arbeitsfähig gelten und damit nicht mehr berechtigt sind, Sozialhilfe zu erhalten. Es kann gut sein, dass es nach den ersten Erfahrungen mit dem neuen System wieder ein Rollback in die Sozialhilfe gibt. Hier muss es für die Kommunen die Sicherheit geben, dass sie am Ende nicht die Dummen sind, wenn es eine dann wieder steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern gibt.

Noch ist nicht geklärt, wie der Bund sein Ziel sicherstellen will, dass es zukünftig mehr Krippenplätze gibt. Auch hier muss es eine klare Vereinbarung geben, die zukunftstauglich ist, damit klar ist, für welche Leistungen der Bund bezahlt. Wer bestellt, der bezahlt. Das heißt auch, dass der, der bezahlt, ein nachprüfbares Ergebnis erhalten muss.

Der letzte - aber nicht unwichtige - Punkt ist pures landeseigenes Interesse. Hier unterscheiden wir uns sehr deutlich von der FDP. Herr Garg sagt: Es tut den Ländern gut, wenn sie weniger Geld haben. Herr Garg, ich sage Ihnen gerade auch nach der gestrigen Debatte: Die Gemeindefinanzreform darf nicht dazu führen, dass die Länder die Kommunalreform bezahlen. Schon mit dem Vorziehen der Steuerreform überschreiten wir die Grenze dessen, was wir uns leisten können.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist Ihre gan- ze Motivation!)

Städtebund und Städtetag Schleswig-Holstein haben den heutigen Landtagsantrag begrüßt. Es wäre mehr als hilfreich, wenn sich nun auch die schleswigholsteinische Opposition zu unserem Antrag bekennen würde. Auch Frau Volquartz, Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel und Mitglied der CDU in Schles

(Monika Heinold)

wig-Holstein, fordert die Politik auf, den Vorschlägen der kommunalen Spitzenverbände zu folgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie Recht hat, hat sie Recht!)

Es kann doch für Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nicht so schwer sein, unserem Antrag zuzustimmen. Springen Sie im Interesse der Kommunen hier im Lande über Ihren eigenen Schatten. Herr Garg, Sie haben es sich ganz einfach gemacht: Sie haben gesagt, Sie haben studiert und seien somit sowieso qualifiziert.

(Zurufe von der FDP)

Das ist verkürzt. Dann hat er das nicht gesagt. Herr Garg, ein Satz noch zu Ihrem Beitrag: Wenn das Land weniger Steuereinnahmen hat, was Sie vorhin begrüßt haben, dann leiden darunter über den kommunalen Finanzausgleich auch die Kommunen, die ja mit 19,7 % an unseren Einnahmen beteiligt sind. Insofern vervollständigen Sie Ihren Satz und sagen Sie: Sie finden es nicht nur richtig, dass Bund und Länder weniger Einnahmen haben, sondern sagen Sie auch, dass es den Kommunen zumutbar ist, weniger Einnahmen zu haben. Sagen Sie es, wenn Sie so denken. Alles andere ist in dieser Diskussion unehrlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der Tribüne begrüße ich unsere nächste Besuchergruppe, nämlich aus dem Technischen Gymnasium in Meldorf. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Frau Abgeordnete Spoorendonk hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Juni haben wir uns ausführlich mit den Eckpunkten der Gemeindefinanzreform auseinander gesetzt, die damals auf der Tagesordnung der vom Bund eingesetzten Arbeitsgruppe standen. Deshalb werde ich heute nicht noch einmal grundlegend und im Einzelnen auf die verschiedenen Modelle oder auf die katastrophale Finanzlage der Kommunen eingehen. Es ist aber wichtig festzuhalten, dass sich die Eckdaten der kommunalen Finanzen seit der damaligen Debatte im Wesentlichen nicht geändert haben. Das sage ich vor dem Hintergrund, dass in der vergangenen Woche seitens des Bundesfinanzministeri

ums verlautbart wurde, die Einnahmen der Gewerbesteuer seien im ersten halben Jahr angestiegen.

Der Städteverband Schleswig-Holstein und auch andere kommunale Landesverbände haben sehr deutlich gemacht, dass diese Meldung eine Ente sei, da die Prognosen auf der Basis einiger Städte und Kommunen beruhen. Der Städteverband hält daran fest, dass sich auf dieser Grundlage keine Schlussfolgerung über die generelle Entwicklung der kommunalen Finanzsituation für das gesamte Jahr 2003 ziehen lässt. Solange keine neuen verlässlichen Zahlen vorliegen, muss man davon ausgehen, dass das Gewerbesteueraufkommen in diesem Jahr um 5 Milliarden € unter dem des Jahres 2000 liegen wird. Zu diesem Schluss waren die Steuerexperten auch bei der MaiSteuerschätzung schon gekommen.

Das heißt, die Notwendigkeit einer Reform der Gemeindefinanzen, die den Kommunen Mehreinnahmen sichert, ist heute wie gestern unverändert groß. Die Mehrheit des Hauses - einschließlich des SSW - hatte sich im Juni für das Modell der Kommunen ausgesprochen. Dieses Modell sieht eine Verbreiterung und Verstetigung der Einnahmen aus der heutigen Gewerbesteuer vor. Kernstück dieses Modells ist zum einen - ich sage es noch einmal - eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen durch die Einbeziehung von Freiberuflern in die Gewerbesteuer. Zum anderen wollen die Kommunen die Bemessungsgrundlage durch ein konjunkturunabhängiges Element - die in der Vorlage genannte Substanzbesteuerung - verbreitern. Gedacht ist an eine Hinzurechnung sämtlicher Zinsen und Zinsanteile der Mieten, Pachten und Leasingraten zu dem Gewerbeertrag. Das Ziel dieses Teils der kommunalen Vorschläge ist es, dass insbesondere größere Unternehmen oder Konzerne, die sich sehr leicht durch verschiedene legale Steuertricks arm rechnen können, auch zur Finanzierung der Kommunen beitragen sollen.

(Beifall des SSW)

Das ist natürlich der umstrittene Punkt. Hier hat sich die Bundesregierung gegen die Forderungen der Kommunen entschieden. Ansonsten will die Bundesregierung das Modell der Kommunen übernehmen. Die Entscheidung der Bundesregierung hat erhebliche Kritik der kommunale Spitzenverbände ausgelöst, und zwar parteiübergreifend. Es wird sogar mit einem heißen Herbst gedroht, wenn die Bundesregierung ihre Entscheidung nicht widerruft. Wieder einmal hat sich die Bundesregierung zwischen alle Stühle gesetzt.

Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung und die die Regierung tragenden Fraktionen bei ihrer Position

(Anke Spoorendonk)

aus dem Juni geblieben sind und die kommunalen Spitzenverbände in dieser Frage unterstützen. Aus unserer Sicht geht es einfach darum, dass den Kommunen so schnell wie möglich geholfen wird, indem zum 1. Januar 2004 eine vernünftige Lösung gefunden wird.

(Beifall beim SSW)

Deshalb können wir auch den Antrag von SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN unterstützen. Ich sage: Es geht darum, eine schnelle und umsetzbare Lösung zu finden.

Ein Punkt bleibt uns bei der Einbeziehung der Freiberufler in die Gewerbesteuer und der Anrechnung von Zinsen, Mieten, Pachten und Leasingraten auf den Gewerbeertrag wichtig: Es muss gesichert werden, dass diese Reform nicht zulasten kleinerer und mittlerer Unternehmer geht. Deshalb fordern wir in unserem Änderungsantrag angemessene Freibeträge und Verrechnungsmöglichkeiten der Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer für diese Betriebe und Einzelunternehmer.

Wir wissen, dass diese Beträge in den Modellen der Kommunen schon heute eingebaut sind. Es ist uns aber wichtig, dass dieses noch einmal plakativ in dem Entschließungsantrag deutlich gemacht wird. Wir bitten hier um Zustimmung, sodass das aufgenommen wird; der Kollege Puls hat das ja bereits signalisiert.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir diskutieren ja nicht nur für uns, sondern wir müssen das, was wir hier beschließen, der Öffentlichkeit auch verständlich machen.

(Beifall beim SSW)

Auch das will ich sagen: Der SSW bleibt bei seiner Auffassung, dass man sich längerfristig über weitere zukunftsfähige Modelle Gedanken machen muss; denn auch durch die jetzt vorgeschlagene Gemeindefinanzreform bleiben die Einnahmen der Kommunen zum überwiegenden Teil von Entscheidungen auf der Bundesebene abhängig.

In diesem Haus gibt es die einvernehmliche Haltung, dass auch auf der Bundesebene die Einführung des Konnexitätsprinzips nötig ist. Ich kann mir natürlich die Bemerkung nicht verkneifen, dass das eine alte Forderung ist und dass man sie nicht erst seit 1998, sondern auch schon vorher hätte verwirklichen können.

Um ein wenig weiter zu schauen: Als Zukunftsmodell bevorzugen wir weiterhin den Vorschlag, den die angesehene Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh zur

Gemeindefinanzreform gemacht hat. Dieses wurde in der Kommission vorgestellt und ist in deren Arbeit eingeflossen. Dessen Kernstück ist die Einführung einer kommunalen Bürgersteuer nicht als zusätzliche Steuer, sondern anstelle des bisherigen kommunalen Anteils an der Einkommensteuer. Dazu sollen eine modernisierte Gewerbesteuer und die Grundsteuer zur Finanzierung der kommunalen Aufgaben herangezogen werden. Das sind die Elemente des so genannten Bertelsmann-Modells.

Aus der Sicht des SSW ist dies natürlich ein interessanter Ansatz, weil er dem dänischen Modell mit einem eigenen Einkommensteuerhebesatz für die Kommunen sehr ähnelt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Vorteil einer solchen kommunalen Bürgersteuer liegt einmal in der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, die genau sehen können, wofür sie ihre Steuern zahlen und zum anderen auch in der Flexibilität, weil man die Hebesätze vor Ort in den Kommunen bei bestimmten Aufgabenstellungen verändern kann.

Uns ist natürlich nicht entgangen, dass die FDPFraktion in ihrem Antrag genau eine solche Bürgersteuer mit einem eigenen Hebesatz vorschlägt. Das begrüßen wir ausdrücklich. Dennoch unterscheidet sich der FDP-Vorschlag von dem BertelsmannModell dahin gehend, dass die FDP die Gewerbesteuer ganz abschaffen will, während gemäß dem anderen Modell eine modernisierte Gewerbesteuer zusammen mit der kommunalen Bürgersteuer beibehalten werden soll.

Da sich die Unternehmer laut FDP-Vorschlag überhaupt nicht an der Finanzierung der kommunalen Aufgaben beteiligen sollen, können wir diesem Antrag so nicht zustimmen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch dem Antrag der CDU können wir nicht zustimmen. Die Vorschläge werden ja selbst von den kommunalen Landesverbänden als unzureichend zurückgewiesen. Sie bringen den Kommunen definitiv zu wenige zusätzliche Einnahmen. Ich wiederhole es noch einmal: Es geht wirklich um eine schnelle Entlastung der kommunalen Finanzen. Das ist heute unser Anliegen. Darum begrüße ich es, dass wir in der Sache abstimmen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Mir liegen eine ganze Reihe von Meldungen für Kurzbeiträge vor, sodass ich zunächst einmal Herrn Minister Dr. Stegner das Wort erteile.