Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Auch dass Sie einen Beirat schaffen wollen, kann ich im Kern nicht nachvollziehen. Wenn einzelne Museen im Land - wie Sie schreiben - aus dem Themenkatalog eines Hauses der Geschichte Ausstellungen machen wollen, haben wir genügend Fachleute im Land, die das machen können, dafür brauchen wir wahrlich keinen neuen Beirat.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD], Günter Neugebauer [SPD] und Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Schließlich findet in Ihrem Antrag das Stichwort der „virtuellen Begleitung“ Erwähnung. Bei allem Respekt vor den verschiedenen Geschichtshomepages, die es in unserem Land gibt, und den Informationen, die dort gesammelt werden und gesammelt worden sind - ein virtuelles Museum, virtuelle Geschichte ist doch ein bisschen etwas anderes und keineswegs zum Nulltarif zu haben. Deswegen sehen wir keine Veranlassung, Ihrem Antrag zuzustimmen.

Zu Ihren Ausführungen zur aktuellen Kieler Entwicklung will ich gern ein paar Klarstellungen vornehmen. Natürlich bleibt es bei meinem Eingangssatz: Wir werden in dieser Legislaturperiode kein Haus der Geschichte des Landes verwirklichen können. Aber ob und wie die Stadt Kiel ihr Historisches Zentrum ausbaut, in eigener Verantwortung und Zuständigkeit, ist in der Tat etwas, das wesentlich ist und das wir, Kollege Fischer und ich, deutlich präferieren und auch in der kommunalpolitischen Diskussion so eingeführt haben. Dass das natürlich auch ein Stück Basisorganisation für das ist, was später einmal Haus der Geschichte sein könnte, ist selbstverständlich. So haben wir uns eingelassen. Wie sich die anderen Bewerberstädte positionieren wollen, ist ein anderes Thema; ich möchte hier nicht die Standortdebatte aufs Neue ansprechen.

Sehr gespannt sind wir - wenn Sie das unerträglich finden, was wir tun - auf Ihre Haushaltsanträge zur Errichtung eines Hauses der Geschichte in SchleswigHolstein. Sie müssen sich vorher nur noch klar werden, welchen Standort Sie wollen, ob Sie die 200.000 € für Kiel oder die 6 Millionen für Rends

(Jürgen Weber)

burg oder die 70- oder 80-prozentige Förderquote aus dem Regionalprogramm für Schleswig wollen. Sagen Sie das kurz! Stellen Sie schnell Ihren Finanzierungsantrag! Dann glaube ich Ihnen sofort, dass sie das Museum mit Herzblut wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Reden wir hier eigentlich über das Haus der Geschichte oder über das Haus der unendlichen Geschichte?

(Heiterkeit)

Ein schleswig-holsteinisches Haus der Geschichte zu schaffen, ist einerseits ohne Zweifel ein sehr wichtiges kulturpolitisches Ziel. Eine solche Einrichtung könnte als Symbol der Landesidentität, als Beitrag zu einer stärkeren Beachtung der Landesgeschichte und natürlich auch als ein touristischer Anziehungspunkt dienen. Eine gute Sache also, mit der wir auch dem Beispiel anderer Länder folgen würden, die solche Einrichtungen geschaffen haben, zuletzt, Ende des vergangenen Jahres, das Land BadenWürttemberg mit einem Haus der Geschichte in Stuttgart.

Andererseits sind natürlich - das ist hier schon zu Recht gesagt worden - die finanziellen Rahmenbedingungen für solche Neugründungen heute schlechter denn je. In einer Zeit, in der öffentliche Fördermittel für kulturelle Belange tendenziell rückläufig sind, zusätzlich ein neues Museum zu finanzieren, fällt schwer. Die Kultusministerin hat bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich gemacht, dass für diese Einrichtung, insbesondere was den laufenden Betrieb angeht, aus ihrem Ressort kein Finanzierungsbeitrag zu erwarten ist. Vergangene Woche hat der Amtschef der Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, Knut Nevermann, auf einer übrigens sehr bemerkenswerten Veranstaltung der Studien- und Fördergesellschaft der schleswig-holsteinischen Wirtschaft in Schloss Gottorf zum Thema Kulturförderung dargelegt, dass die Ausgaben der Länder und Kommunen für kulturelle Belange in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt deutlich gesunken sind, dass wir jetzt auf einem Niveau angekommen sind, wo es auch für die bestehenden Einrichtungen sehr schwierig ist, auf diesem Level vernünftig weiterzuarbeiten. Mit Landesmitteln, mit öffentlichen Geldern

etwas Neues aufzubauen, ist in der Tat schwer vorstellbar.

Unter solchen Voraussetzungen halte ich es nicht für richtig, für ein eventuell später einmal zu schaffendes Haus der Geschichte jetzt Organisationsstrukturen und Beiräte einzurichten, quasi eine Art „organisatorische Hülle“ zu schaffen

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

und das dann auch noch mit dem Auftrag zu versehen, Gelder zu sammeln. Das ist schlicht und ergreifend unsolide.

Anders sieht die Sache aus - das hat auch Jürgen Weber angesprochen -, wenn sich im Lande ein Träger fände - ob im kommunalen Bereich oder mithilfe privater Geldgeber -, der eine landesgeschichtlich relevante Einrichtung, ein Historisches Zentrum, wie man es in Kiel diskutiert, zu unterhalten bereit wäre und der „nur“ auf einen Investitionskostenzuschuss für den Start angewiesen wäre. Und da ist ja mit dem viel zitierten 100 Millionen-Investitionsprogramm in jüngster Zeit eine neue Möglichkeit ins Spiel gekommen.

Nachdem die Landtagsfraktion der SPD im Mai durch die Kollegen Weber und von Hielmcrone den betrüblichen Ausstieg aus dem Projekt Haus der Geschichte verkündet hatten, hat die Ministerpräsidentin Mitte Juli der Landeshauptstadt ein Angebot für einen Investitionszuschuss zum Historischen Zentrum in Kiel unterbreitet. Damit ist die Sache, was eine solche Angelegenheit anbetrifft, neu ins Rollen gekommen. Es geht - wie gesagt - nicht um die Förderung des laufenden Betriebes durch das Land, sondern um einen Investitionskostenzuschuss für etwas, das von jemand anderem zu betreiben sein wird.

Zu dem Hin und Her - erst Weber, von Hielmcrone, dann Simonis - hat es ein paar kritische, bissige Presseerklärungen anderer Fraktionen und Parteien gegeben. Mit Blick auf die Absage durch die beiden SPDKollegen und das Angebot der Ministerpräsidentin kann man in Abwandlung eines bekannten Sprichwortes sagen: Eine Tante, die ein Geschenk anbietet, ist nun einmal beliebter als ein Onkel, der bloß den Trauermarsch auf dem Klavier spielt. - Das werden die Kollegen mit großer Gelassenheit ertragen können.

Falls das Investitionsprogramm einen Ausweg aus der Sackgasse bietet, in die die Bemühungen um das Haus der Geschichte in den letzten Monaten gelangt sind - es droht wirklich, ein Haus der unendlichen Geschichte zu werden -, sollte man diesen Ausweg

(Dr. Ekkehard Klug)

aus der Sackgasse vielleicht beschreiten. Das wäre ein Weg, den man gehen könnte. Es wäre für die Landeshauptstadt, wenn sie sich entscheidet, ein solches Historisches Zentrum einzurichten, mit Sicherheit nicht nur kulturpolitisch, sondern auch wirtschaftlich insbesondere mit Blick auf den Tourismus eine interessante Entwicklungsperspektive. Ich kann mir vorstellen, dass es in dem Investitionsprogramm andere Förderzwecke gibt, die weniger sinnvoll sind als dieses Projekt. Das sollte man wirklich ausloten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Jürgen Weber [SPD])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Vor allem liebe Caroline Schwarz, ich kann schon verstehen, dass hier eine gewisse Leidenschaft mit im Spiel ist, auch Frust mit im Spiel ist. Das kann ich alles gut verstehen. Aber wenn man sich um ein Haus bemüht, darf man der Debatte um den Ort nicht ausweichen. Ich glaube, dass der Versuch des Ausweichens den Zickzackkurs verursacht hat. Wir haben alle miteinander eine ganze Zeitlang so getan, als könnten wir über ein Haus diskutieren, ohne uns gleichzeitig mit irgendeinem Ergebnis auch um den Ort zu streiten. Ich glaube, das ist eines der Probleme.

Ich persönlich habe mich sehr frühzeitig festgelegt. Ich gehöre mit zu denjenigen, die sich sozusagen schon in grauer Vorzeit für das Haus der Geschichte stark gemacht haben. Ich hatte die erste Historikerrunde hier eingeladen. Ich habe darüber in diesem Haus ein hochinteressantes Gespräch geführt. Dieses hat allen Leuten viel Mut gemacht und Ideen auf den Weg gebracht.

Insofern weiß ich, mit wie viel Sehnsucht man ein solches Projekt begleitet. Aber im Moment sind uns tatsächlich die Hände gebunden. Das läuft auf das hinaus, was Herr Dr. Klug am Ende beschrieben hat. Ich komme in meiner Rede darauf noch zu sprechen. Aber ohne einen Ort zu benennen, wird man ein solches Haus nicht errichten können; das erscheint doch ziemlich logisch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Alle sind sich einig, dass ein Haus der Geschichte als Landesmuseum für die Geschichte der letzten

150 Jahre sinnvoll ist. Nach unserer Überzeugung - daraus machen wir kein Hehl und haben das auch noch nie getan - kommt als Standort dafür nur Kiel infrage. Kiel ist der zentrale Ort der Zeitgeschichte des Landes in dieser Zeit. Die Industrialisierung Schleswig-Holsteins ist mit dem Aufbau der Werften eng verbunden. Kiel ist der Ausgangspunkt der demokratischen Revolution von 1918 in Deutschland gewesen. Kiel ist der Standort der Regierung Schleswig-Holsteins seit 1948.

Auch standortpolitisch macht die Wahl Kiels Sinn. Schließlich hat eine umfangreiche Museenlandschaft in Schleswig etwas bewirkt. Durch ein zusätzliches Museum sind mehr Besucher nicht zu erreichen. Da sind wir uns ziemlich sicher.

Stattdessen sollten in Schleswig die bestehenden Einrichtungen attraktiver gestaltet werden. Dazu gehören dann wieder andere Lieblingsideen, zum Beispiel der Ausbau von Haithabu als Freilicht-Wikingermuseum. Das wollen wir auch gern unterstützen.

Dagegen hat Kiel als Anlaufstelle Nummer eins für Kreuzfahrtschiffe und nicht nur dadurch wichtiges Tourismuszentrum einen Bedarf nach einem attraktiven Museum im Zentrum der Stadt.

Wenn ich einmal auf den Weg zum Bahnhof bin, denke ich immer wieder an die Frage: Was sehen eigentlich die Touristen aus Skandinavien als Erstes, Einziges und Übersehbares? Das Kasino! Das finde ich immer sehr schade. Ich finde, es wäre wirklich besser, man hätte in Kiel noch ein bisschen mehr zu bieten, etwas, was ein bisschen plakativer ist und als Schaufenster des Landes dient. Damit könnte man etwas Gutes tun.

Wir müssen aber realistisch sein. Zurzeit ist das Land nicht in der Lage, eine laufende Finanzierung für ein solches Museum zu leisten. Eine provisorische Sammlung, ausgelagert an den Standort Schleswig, wie es von der CDU und dem SSW gefordert wird, würde daran nichts ändern. Würden dafür aber durch Anwerbung von Mitteln aus dem Regionalprogramm Investitionen getätigt, dann würde dies einer Vorentscheidung für den Standort Schleswig gleichkommen. Dies ist vermutlich die legitime Intention der Initiatorinnen und Initiatoren des Antrags. Aber, bei aller Liebe zu dem Landesteil, aus dem ich komme, möchte ich dem nicht folgen. Ich halte es aus den genannten Gründen nicht für sinnvoll.

Deswegen werden wir den Antrag ablehnen. Damit machen wir unmissverständlich klar, dass es in dieser Legislaturperiode keine Gelder für ein Haus der Geschichte gibt. Zugleich hat die Stadt Kiel damit Klar

(Irene Fröhlich)

heit und weiß, dass sie ihre Planungen unabhängig vom Land vornehmen kann und muss.

Allerdings: Wenn es in Kiel auf ein Haus der Geschichte hinausläuft, sollten sich der Landtag und auch die Landesregierung erneut damit befassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um ein schleswig-holsteinisches Haus der Geschichte fand in den letzten zwei Jahren sowohl im Plenum als auch im Bildungsausschuss statt. Weiter liegen uns vor: ein Bericht der Landesregierung, der Abschlussbericht einer Expertenkommission, die Dokumentation einer öffentlichen Veranstaltung des Bildungsausschusses, die Bilanz des virtuellen Bürgerforums der Gesellschaft für schleswigholsteinische Geschichte und die Bewerbungen dreier Städte. Schließlich liegen uns viele Briefe von Bürgern vor, die sich für diese Sache engagieren.

Kurz und gut: Die Debatte hat nicht gerade unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Daher haben wir außerordentlich bedauert, dass die Konklusion der SPD am 20. Mai lautete: Außer Spesen nichts gewesen. Aber vielen Dank an alle, die sich an der Projektarbeit und der landesweiten Diskussion beteiligt haben!

Daher haben wir uns sehr gefreut, dass die Kollegin Schwarz die Initiative ergriffen hat, um das Thema „Haus der Geschichte“ in angemessener Weise in den Landtag zurückzuholen. Daher ist es auch ebenso putzig wie interessant gewesen, dass die Kollegen Fischer, Weber und Birk sich am vergangenen Freitag als heiße Verfechter eines Hauses der Geschichte in Kiel geoutet haben.

Das ist auch gut so. Denn wir haben es mit einem unerledigten Arbeitsauftrag zu tun, der sich nicht nur durch eine Pressemitteilung der SPD erledigen lässt.

Ebenso sah es aus, als sie mit Verweis auf die angespannte Haushaltssituation des Landes alle Überlegungen in Sachen Haus der Geschichte bis irgendwann zwischen 2005 und 2010 auf Eis gelegt hat.

Vor dem Hintergrund der intensiven politischen und öffentlichen Diskussion ist es aber nicht im Sinne des Landtages, zu sagen: Schön, dass wir einmal darüber geredet haben. Deshalb haben sich die Sprecher der Fraktionen - das gehört ja zur Geschichte dazu - im

Frühjahr zusammengesetzt, um gemeinsam einen Vorschlag zu erarbeiten. Was in dem Antrag steht, haben wir ja gemeinsam erarbeitet. Der Kollege Ulf von Hielmcrone hat dabeigesessen. Es sollten Strukturen gefunden werden, die trotz der fehlenden Mittel dazu geeignet sind, den Faden nicht abreißen zu lassen. Das war das Ziel der Überlegungen. Das war das, was wir wollten.

(Beifall der Abgeordneten Caroline Schwarz [CDU])

Es war klar, dass es vorläufig nicht möglich sein wird, ein richtiges Museum an einem bestimmten Standort einzurichten. Das war ja unser Problem. Daher war das Ziel unserer gemeinsamen Überlegungen, vorläufige Strukturen zu schaffen, die keine späteren Entscheidungen vorwegnehmen.