Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

(Thorsten Geißler)

satz, der in komprimierter Form die für einen Vergleich notwendigen Daten enthält und üblicherweise keine unmittelbaren Rückschlüsse wie etwa ein Foto auf die beschriebene Person erlaubt. Es geht um Verifikation und Identitätssicherung. Das ergibt sich nicht nur aus dem Gesetz, sondern übrigens auch aus allen Anträgen, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hierzu gestellt worden sind. Das ist auch sachgerecht.

Es ist richtig, dass einige biometrische Merkmale neben der Nutzung zur Identifizierung auch völlig andere Auswertungen zulassen. Diese sind in der Regel nur aus den biometrischen Rohdaten ableitbar - diese müssen zügig vernichtet werden; da haben Sie Recht -, nicht aber aus den daraus gewonnenen bereits erwähnten so genannten Templates. Diese lassen solche Rückschlüsse nicht zu. Sie sind jedoch für die Identifizierung völlig ausreichend.

Auf erhebliche verfassungsrechtliche Probleme wird nur derjenige stoßen, der eine zentrale Speicherung der gewonnenen biometrischen Daten will und damit jedenfalls bei einer entsprechenden Anzahl von Lesegeräten zu der Bildung eines einheitlichen Personenkennzeichens gelangen könnte, das nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts unzulässig ist. Aber das schließt die gegenwärtige Rechtslage auf Bundesebene aus. Das ist ausdrücklich so geregelt. Ich sehe auch nicht, wie man das ändern könnte, ohne in Kollision zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu geraten.

Die Biometrie bietet große Chancen, und zwar nicht nur im Hinblick auf die von mir geschilderte Behebung von Sicherheitsdefiziten bei der Identitätssicherung in Zeiten terroristischer Bedrohung. Anwendungsbereiche sind auch die Zutrittssicherung, die Rechnerzugangskontrolle, die Schließfachsicherung und der Einsatz biometrischer Verfahren bei Geldautomaten. Alles lässt sich datenschutzgerecht realisieren, weil Daten nicht gespeichert, nicht protokolliert und nicht übermittelt werden. Die Identifikation findet so statt, dass die Daten im Herrschaftsbereich desjenigen verbleiben, der diese Daten preisgibt. Der Innenminister nickt zustimmend. Ich freue mich über dieses Maß an Übereinstimmung. Es geht nicht um Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, die von der Verfassung nicht gedeckt sind; solche werden vermieden.

Der Antrag der FDP gibt uns Gelegenheit, dass wir uns in diesem Landtag sachgerecht und in sehr differenzierter Form mit der komplexen Materie auseinander setzen. Aber ich fürchte, die FDP hat es sich bis jetzt ein bisschen zu einfach gemacht. Ich hoffe, dass die Ausschussberatungen uns Gelegenheit geben, den

Antrag ein bisschen zu verändern, die Zielrichtung umzudrehen, sodass er mit breiter Mehrheit verabschiedet werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Januar 2002 ist das damals viel diskutierte Sicherheitspaket II in Kraft getreten; wir können uns alle erinnern. Es sieht unter anderem die Aufnahme biometrischer Merkmale in Ausweispapieren vor.

In der Folge hat das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages dem Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein den Auftrag erteilt, Anforderungen an solche Verfahren aus Sicht des Datenschutzes darzustellen. Ich finde, das kann uns ein bisschen stolz machen. Unser Datenschutzzentrum hat anscheinend einen guten Ruf.

(Beifall bei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kurzum: Der Sachverstand ist direkt hier im Land. Das Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein ist der Auffassung, dass die Frage nach dem Datenschutz bei der Erhebung biometrischer Daten nicht pauschal zu beantworten sei, da die Verfahren im Hinblick auf ihre Datenschutzfreundlichkeit sehr unterschiedlich seien. Es komme zum einen darauf an, ob die entsprechenden Merkmale anderweitig, eventuell sogar unbemerkt erhebbar seien; das sind beispielsweise Fingerabdrücke, die wir überall hinterlassen, oder die Gesichtsgeometrie, die durch Videokameras erfasst werden kann. Noch wichtiger aus Sicht des Datenschutzes ist zum anderen, dass keine zentrale Referenzdatei eingerichtet wird. Dies ist bereits in die bestehenden Gesetze auf Betreiben von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des bereits zitierten Volker Beck aufgenommen worden.

Die Einführung biometrischer Daten in Ausweispapieren kann also auch in einer Art und Weise erfolgen, die keine Datenschutzprobleme aufweist. Auf den Punkt gebracht: Biometrie ist nicht gleich Biometrie. Daher werden wir uns hüten, eine pauschale Ablehnung solcher Maßnahmen zu beschließen, wie sie dieser Antrag der FDP-Fraktion vorsieht. Vielmehr müssen wir auf die konkrete Ausgestaltung der Regelungen Einfluss nehmen. Wichtig ist es, dass die Aufnahme biometrischer Merkmale in einer Weise

(Irene Fröhlich)

erfolgt, die datenschutzfreundlich, datenschutztauglich ist.

Ein anderer Aspekt muss bei der endgültigen Entscheidung über die Auswahl des Verfahrens berücksichtigt werden: ein vernünftiges Verhältnis von Kosten und Sicherheitsnutzen.

Das Sicherheitspaket II wurde unter dem Eindruck des 11. September 2001 geschnürt. Allerdings ist nach dem Anschlag auch schnell klar geworden, dass sich die Terroristen nicht falscher Identitäten bedient haben. So gesehen ist es fraglich, ob eine neue Generation von Ausweispapieren, die aufgrund der neuen Technologie bestimmt nicht billig werden, wirklich ein angemessenes Mehr an Sicherheit bringen wird.

Zu Ihrem abschließenden Zitat und Ihren Bemerkungen zu Jutta Limbach, Herr Kubicki, möchte ich Folgendes sagen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich kann Ihnen die ganze Rede geben! Die ist wirklich her- vorragend!)

Vielleicht sind Sie so nett und geben dieses wegweisende Zitat - ich kann mich dem voll und ganz anschließen - an Ihre FDP-Kollegen in Niedersachsen weiter, wo CDU und FDP gerade an einem neuen Gefahrenabwehrgesetz basteln, mit dem unter anderem die präventive Telefonüberwachung eingeführt werden soll. Wenn wir zusammen dafür sorgen wollen, dass nicht irgendwelche wild gewordenen Politiker die Verfassung aushöhlen, dann sind Sie an der Stelle auch gefordert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kubicki, herzlichen Dank für Ihre Rede; ich hatte sehr auf sie gehofft. Es wäre schön gewesen, wenn Sie diese Rede heute Morgen hätten halten können.

Heute Morgen hat die FDP einem Antrag der CDU zugestimmt, in dem es unter Punkt 10 heißt, dass bei Sozialhilfebedürftigen, die Anträge stellen, ein Datenabgleich bei allen Behörden auf allen Ebenen untereinander bundesweit erfolgen könne. Ich weise darauf hin, dass Sie das Sozialgeheimnis jedenfalls

nicht in der Beziehung bei Sozialhilfebedürftigen für schützenswert halten. Deshalb bedauere ich es sehr, dass heute Morgen kein Wort dazu gefallen ist. Diesem Antrag ist seitens der FDP uneingeschränkt zugestimmt worden.

Jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt. Der FDPAntrag ist so kurz und prägnant gefasst, dass ich versucht bin, ebenso knapp mit nur zwei Buchstaben zu antworten: Ja. Da mir aber jetzt noch mehr Redezeit zur Verfügung steht, möchte ich trotzdem noch näher ausführen, weshalb der SSW die Aufnahme biometrischer Daten in Ausweispapiere prinzipiell ablehnt.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben jene Law-and-order-Politiker Hochkonjunktur, die schon immer mal gern den lästigen Datenschutz loswerden wollten. Sie werden durch Menschen in den Sicherheitsbehörden geschützt, die den Schutz personenbezogener Daten als Hindernis empfinden, der ihnen den Weg zu Straftätern verstellt.

Ihnen gegenüber stehen aber die Grundrechte, die aus gutem Grund keine ungehinderte Einsicht von Polizei und Geheimdiensten in das Privatleben von Bürgerinnen und Bürgern zulassen. Die Freiheitsrechte sind aus der Einsicht geboren, dass wir nicht immer und nicht dauerhaft garantieren können, dass der Staat immer auf der guten Seite steht und dass er keine Fehler macht.

Seit dem 11. September 2001 sind diese Grenzen wieder fließender geworden. Zu Recht wird gefragt, ob es nicht richtig ist, dass der Schutz von Menschenleben es rechtfertigt, dass staatlich kontrollierte Behörden etwas mehr Kontrolle ausüben. Diese Frage ist berechtigt. Allerdings gibt es nicht viele Antworten, die zu Markte getragen werden. Denn wenn man Bürgerrechte und Schutz vor Terror gegeneinander in die Waagschale wirft, dann muss man auch berücksichtigen, dass konkret existierende Bürgerrechte gegen potenzielle Gefahren abgewogen werden müssen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Häufig ist nicht sicher, dass die vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen wirklich Terroristen stoppen können. Dafür ist es sicher, dass die Grundrechte von bis zu 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern geschwächt werden.

Bei jeder einzelnen Maßnahme muss daher gefragt werden: Was bringt sie und wie viel schadet sie?

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Silke Hinrichsen)

Eben dies haben unsere Experten in SchleswigHolstein für genau diesen Bereich getan. Das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein hat im Sommer ein Gutachten zu biometrischen Daten auf Ausweispapieren für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag angefertigt.

Das Terrorismusbekämpfungsgesetz sieht vor, biometrische Daten auf Ausweispapieren von In- und Ausländern zu speichern. Das ULD kommt in seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen die biometrischen Daten ausschließlich auf dem Personalausweis und auf dem Reisepass, nicht aber in den Registern oder Archiven gespeichert werden dürften.

Bei der Speicherung dieser Daten auf Ausweispapieren kann es aber nur darum gehen, Pässe, Personalausweise oder Visa zweifelsfrei einer bestimmten Person zuzuordnen. So sieht es auch dieses Gesetz vor. Eine darüber hinausgehende Nutzung der Daten durch die Polizei oder andere Behörden würde gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.

Da die Sicherheit der Ausweise aber nicht davon abhängt, dass biometrische Merkmale darauf gespeichert werden, wiegt der Datenschutz schwerer als eventuelle Vorteile. Bei den ausländerrechtlichen Ausweispapieren kommt noch erschwerend hinzu, dass sämtliche öffentlichen Behörden das Recht haben sollen, auf die Daten zurückzugreifen. Das ist völlig indiskutabel.

Insgesamt lautet das Urteil unserer Datenschützer, dass die Speicherung biometrischer Daten bei Abwägung aller Vor-, Nachteile und Begrenzungen keine sinnvolle Maßnahme darstelle. Diesem Votum können wir uns voll und ganz anschließen.

Es besteht für die Terrorismusbekämpfung wenig Sinn darin, die Daten ausschließlich auf den Ausweispapieren zu speichern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen sehe ich keine dauerhafte Gewähr dafür, dass die Daten in der Verfügungsgewalt des Einzelnen bleiben.

Der 11. September 2001 hat uns schon gezeigt, wozu eine verunsicherte, unter öffentlichem Druck stehende Politik fähig ist. Mit der Erhebung biometrischer Daten überschreiten wir eine Grenze. Im Zuge des Terrorismus der 70er-Jahre haben wir schon einmal erlebt, dass plötzlich Daten erhoben wurden, die vorher nicht gesammelt werden durften.

Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass sich verzweifelte Politiker in einigen Jahren doch dafür entscheiden, die Daten zu speichern und für andere Zwecke als die der Identitätsfeststellung zu nutzen. Wir stimmen deshalb dem FDP-Antrag zu und sind mit der Ausschussüberweisung einverstanden.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Innenminister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist zutreffend, was Herr Rother sagte: Ich kann keine Terrorismusentwarnung geben. Sie alle kennen die Veröffentlichungen von Bundesinnenminister Schily. Ich denke, wir alle sollten sehr froh darüber sein, dass bei uns bisher nichts passiert ist. Die Tatsache, dass bei uns bisher nichts passiert ist, sollte uns nicht sicher wähnen. Wir sollten alle gemeinsam dafür sorgen, dass das, was laut Fachleuten der Sicherheit und Terrorismusabwehr dienen könnte, getan wird. Das sind wir alle unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Ich jedenfalls fühle mich dem verpflichtet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Hinrichsen hat eben gesagt, durch die Aufnahme biometrischer Merkmale würden Grundrechte geschwächt. Das vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen, verehrte Frau Kollegin.

Herr Kubicki sagte, Freiheitsrechte würden dadurch eingeschränkt. Auch das vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen und ich habe mich seit frühester Juristenzeit mit Grundrechten intensiv beschäftigt.