Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/2834 (neu), sowie den Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 15/2921, zur Beratung an den zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist vom Hause einstimmig so beschlossen und damit ist Tagesordnungspunkt 11 erledigt.
Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dem ist nicht so. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der FDP, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag meiner Fraktion mag so manche überrascht haben, ist doch die Aufnahme biometrischer Daten in Ausweispapiere bereits nach den geltenden Bestimmungen als Folge der beiden „Schily-Pakete“ grundsätzlich möglich. Die diesbezügliche Begeisterung des Kollegen Geißler ist mir noch in Erinnerung. Nun macht sich der Bundesinnenminister aber an die Umsetzung dieser Regelung. Er plant die konkrete Auf
nahme von biometrischen Daten in Personalausweise und Reisepässe. Es ist Aufgabe dieser Papiere, die Ermittlung der Identität des Inhabers zu ermöglichen. Wir bestreiten auch nicht grundsätzlich, dass eine Aufnahme biometrischer Daten einen höheren Grad an Zuverlässigkeit bei der Prüfung der Identität haben kann. Stellen wir uns aber überhaupt noch die Frage der Notwendigkeit dieser Maßnahme? Haben wir den Anlass aller Regelungen, nämlich die Terrorgefahr von innen und außen, überhaupt schon hinreichend analysiert? Meine Fraktion und ich selbst meinen, nicht. Bevor dies nicht geschehen ist, sollten wir uns vor weiterem gesetzgeberischem Aktionismus hüten beziehungsweise diejenigen Regelungen, die bei „Schily II“ praktisch ohne große Diskussion durchgerutscht sind, kritisch überprüfen.
Eines scheint nämlich sicher: Die Anschläge vom 11. September in New York hätten auch ohne die Aufnahme biometrischer Daten in Ausweis- und Visapapiere verhindert werden können und müssen. Wenn die Geheimdienste in den USA - übrigens extrem gut dotiert - wirkungsvoll zusammengearbeitet und bestehende Informationen genutzt hätten, dann wären diese Anschläge mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert worden. Vor diesem Hintergrund muss man sich in einem freiheitlich-liberalen Rechtsstaat bei jeder einzelnen Maßnahme, die eine weitere Einschränkung dieser Freiheitsrechte bedeutet, die Frage nach der Notwendigkeit stellen und auch auf die Folgegefahren hinweisen.
So hat der hessische Datenschutzbeauftragte darauf hingewiesen, dass die Geeignetheit der Aufnahme biometrischer Daten in Ausweispapiere zur Terrorismusbekämpfung im parlamentarischen Verfahren nicht ausreichend diskutiert worden sei. Die Auswirkungen, die die Aufnahme derartiger Merkmale, betreffend das Recht der informationellen Selbstbestimmung, haben kann, seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Die Datenschutzbeauftragten aller Länder konnten vielmehr gerade noch verhindern, dass eine bundesweite Datei für diese Daten eingerichtet wird. Ob das künftig so bleiben wird, ist die nächste Frage.
Als Argument pro Aufnahme biometrischer Daten wird durchgehend die Fälschungssicherheit angeführt. Durch die Aufnahme insbesondere von Fingerabdrücken und der Iris sei eine einwandfreie Identifikation der überprüften Person möglich. Dies ist nicht unumstritten. So führt erneut der hessische Datenschützer aus, die Fälschungssicherheit durch biometrische Merkmale sei kaum zu erhöhen, da schon heute
die Ausgestaltung der Bundespersonalausweise das Risiko gen Null gehen lasse. Auch die Aufnahme von Fingerabdrücken in Ausweispapiere bringt keine 100prozentige Sicherheit bei der Identitätsfeststellung. Die Fehlerquote bei den angewandten Leseverfahren liegt nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts bei 5 %. Die Aufnahme der Augeniris, bei der das Muster des Gewebes rund um die Pupille mittels eines Laserstrahls gemessen wird, bringt auch keine absolute Sicherheit. Krankheiten und Schädigungen der Hornhaut können hier zu Veränderungen führen. Es kann also dazu kommen, dass die Daten im Ausweis nicht mehr mit den gemessenen Daten einer Person übereinstimmen.
Die Gefahren, die die Aufnahme dieser Daten in Ausweispapiere bringen, müssen wir beachten. So kann nicht nur die Augeniris durch Krankheiten ihr Muster verändern. Es ist auch für Fachleute erkennbar, welche Krankheit die betreffende Person hat, und dies ist übrigens auch abspeicherbar. Ich glaube auch nicht, dass sich die Datenschützer künftig erneut erfolgreich gegen eine bundesweite Referenzdatei wehren können. Mit welcher Begründung eigentlich? Wenn die Daten erst einmal existieren, dann wird auch die bundesweite Datei zur Nutzung der Daten bei der Strafverfolgung hinzukommen, ja hinzukommen müssen.
Abschließend - das ist für uns das entscheidende Argument - möchte ich aus einer denkwürdigen Rede der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Professor Limbach, zitieren, die sie dieses Jahr vor dem Deutschen Anwaltsverein gehalten hat. Frau Professor Limbach wird übrigens bei einigen Sozialdemokraten als potenzielle Kandidatin für das Bundespräsidentenamt gehandelt.
- Frau Kollegin Schümann, ich habe überhaupt keine Bedenken zu erklären, dass Frau Professor Limbach eine gute Frau und auch eine geeignete Kandidatin ist beziehungsweise wäre. Sie hat erklärt:
„Auch in einer stabilen Demokratie bedarf es treuer Wächter, die der Politik Paroli bieten, wenn diese in Zeiten der Krise versucht, den liberalen Rechtsstaat in seinem Kernbestand einzuengen.“
An die Anwälte, aber auch an uns als Parlamentarier gewandt, die wir ja die Gesetze schaffen, für die die Richter und Anwälte anschließend die Zuständigkeit erhalten, hat sie gesagt:
Sie niemals müde zu betonen, dass die Menschen- und Bürgerrechte noch immer die besten Garanten der inneren Sicherheit sind.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss, um die zugrunde liegende Problematik noch einmal ausführlich zu erörtern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank zunächst einmal an Herrn Kubicki, der uns über die Zielrichtung seines Antrages informiert und aufgeklärt hat. Diese war nämlich nicht ganz klar.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz wurde bereits am 9. Januar 2002 im Bundestag beschlossen, wenn auch ohne die Stimmen von FDP und PDS. Dieses Terrorismusbekämpfungsgesetz umfasst in den Artikeln 7 und 6 eine Änderung des Passgesetzes und des Gesetzes über die Personalausweise mit der gleichlautenden Formulierung in vierer Absätzen, dass das Ausweispapier neben dem Lichtbild und der Unterschrift weitere biometrische Merkmale von Fingern oder Händen oder Gesicht enthalten darf. In den Absätzen fünf wird dann geregelt, dass die Arten der biometrischen Merkmale, ihre Einzelheiten, die Einbringung von Merkmalen und die Angaben in verschlüsselter Form sowie die Art ihrer Speicherung und ihrer sonstigen Verarbeitung und Nutzung durch ein weiteres Bundesgesetz geregelt werden. Und ganz wichtig: Eine bundesweite Datei wird nicht eingerichtet.
Dieses weitere Bundesgesetz gibt es noch gar nicht, nicht einmal im Entwurfsstadium. Es muss noch international abgestimmt werden, welche Daten letztlich aufgenommen werden. Denn nur so würde das Ganze letztlich auch einen Sinn ergeben. Gerade mit der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation laufen zurzeit die Verhandlungen darüber; dies ist dabei eine wichtige Institution. Wann der Gesetzesentwurf vorgelegt wird, ist noch völlig offen.
Zur Biometrie selbst hat sich die Landesregierung bereits am 26. November 2002 mit der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Datenschutzpolitik für
Schleswig-Holstein auf den Seiten 45 und 46 ausführlich geäußert. Die Landesregierung sieht demnach in der Verwendung von biometrischen Daten eine geeignete Möglichkeit zur Überprüfung der Authentizität von Dokumenten oder zur Identitätsfeststellung von Personen. Das haben wir im Landtag an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen und dort einmütig zur Kenntnis genommen.
Unser Datenschutzbeauftragter - nicht der hessische - hat in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 2001 zum Terrorismusbekämpfungsgesetz festgestellt, dass für eine automatisierte Ausweisprüfung und eine verbesserte Zuordnung von Personen und vorgelegten Ausweisen eine Speicherung der biometrischen Daten allein auf dem Ausweis ausreichend ist. Damit soll vermieden werden, dass diese Daten auch für andere Zwecke genutzt werden können.
Im Terrorismusbekämpfungsgesetz steht in den Sechser-Absätzen zu Pass- und Personalausweisgesetz, dass die im Dokument enthaltenen verschlüsselten Merkmale und Angaben nur zur Überprüfung der Echtheit des Dokuments und zur Identitätsprüfung des Ausweispapierinhabers ausgelesen und verwendet werden dürfen, zu mehr nicht. Datenschutzbezogen ist somit eigentlich alles klar. Es ist auch nicht zu befürchten, dass im neuen Gesetzgebungsverfahren, das irgendwann kommen wird, so etwas durch die Hintertür eingeführt wird und damit bestehende Gesetze unterlaufen werden sollten.
Zurzeit - da haben Sie Recht - ist es wichtig, dass Forschungsvorhaben dazu führen, dass die Manipulation oder missbräuchliche Verwendung der biometrischen Merkmale, die der hessische Datenschützer angesprochen hat, ausschließbar wird. Das ist zurzeit hierbei eigentlich der bedeutende Punkt; denn der Grundsatz, denke ich, steht nicht infrage, auch wenn wir im Innen- und Rechtsausschuss darüber noch einmal reden sollten. Ich gehe davon aus, dass der Innenminister dazu gleich noch etwas sagen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in Bezug auf terroristische Bedrohung heute Entwarnung geben kann.
Sie haben schon selbst festgestellt, dass mit Lichtbild und Unterschrift bereits jetzt zwei biometrische Daten in Ausweispapieren enthalten sind. Das ist also nichts furchtbar Neues. Allerdings ist die Zuverlässigkeit dieser Daten von subjektiver Wahrnehmungsfähigkeit abhängig und sie wird durch zahlreiche Faktoren, wie Qualität des Lichtbilds, Alterungsprozess, Bart- oder Haartracht, beeinträchtigt. Weitere biometrische Daten können die Identifizierungsmöglichkeiten ganz wesentlich verbessern. Mit Fingern, Händen und Gesicht sind alternativ drei Körperbereiche genannt, auf
die sich die neuen biometrischen Daten beziehen können. Der Vergleich von Personen erlaubt dann auch, dass ähnlich aussehende Personen sich nicht mehr mit fremden Papieren ausweisen können. Das ist notwendig und richtig.
Im Hinblick auf das, was Sie hier angeführt haben - von Grundrechtseingriffen bis hin zur Konkretisierung dieser biometrischen Merkmale, die dann aufgenommen werden sollen -, sollten wir das Ganze noch einmal im Innen- und Rechtsausschuss erörtern. Daher bitte ich, den Antrag dorthin zu überweisen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Inhalt des Terrorismusbekämpfungsgesetzes ist von meinen Vorrednern bereits dargestellt worden. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Uns ist aufgefallen - dies will ich noch einmal deutlich machen -, dass seitdem auf Bundesebene eigentlich nichts passiert ist. Das angekündigte Ausführungsgesetz gibt es nicht, noch nicht einmal im Entwurf. Die Verhandlungen mit anderen europäischen Staaten sind offenbar geführt worden. Ein Ergebnis ist jedoch nicht sichtbar. Das Einzige, was wir von Herrn Schily regelmäßig hören, sind Presseerklärungen, in denen er sagt: Nun geht es aber los. Die Bedrohung hat nicht nachgelassen. Deutschland muss Augen und Ohren offen halten, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Deutschland ist erklärtes Feindesland von Terroristen und Teil eines Gefahrenraums. Bei den Anti-Terror-Gesetzen besteht Ergänzungsbedarf. Dies gilt gerade für die Aufnahme von biometrischen Daten wie dem Fingerabdruck in Ausweispapieren.
Ich teile diese Sicherheitsanalyse, ich stelle jedoch fest: Der Bundesinnenminister redet viel, aber er handelt nicht. Das kritisieren wir. Dabei hat er doch die Unterstützung seines Koalitionspartners in Berlin. Ich habe mit großem Interesse die Ausführungen des Abgeordneten Volker Beck dazu gelesen, der gerade zu dem Vorschlag, biometrische Daten in Ausweispapiere aufzunehmen, vorsichtige Zustimmung bekundet hat. Gegen mehr Fälschungssicherheit sei nichts einzuwenden, sagte er, insbesondere bei VisaAnträgen. Derselbe Abgeordnete hat am 14. Dezember 2001 im Deutschen Bundestag erklärt:
„Ich bin durchaus offen, was die Frage der Speicherung eines biometrischen Merkmals in Pass- und Personalausweispapieren zur Verbesserung der Identitätssicherung zwischen Passinhabern und Pass angeht.“
An BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann es in Berlin also nicht liegen. Folglich liegt es am Bundesminister, der entweder Schwierigkeiten mit seiner eigenen Fraktion hat oder aber selbst nicht handelt. Das ist angesichts der von ihm zu Recht dargestellten Bedrohungslage ein Fehler, den wir auf das Schärfste kritisieren.
Es geht um eine Verbesserung der Identitätssicherung; denn die bisher in Ausweisen und Pässen enthaltenen biometrischen Angaben, Unterschrift beziehungsweise Lichtbild, sind nicht in ausreichendem Umfang geeignet, eine zuverlässige Identitätsprüfung des Inhabers vorzunehmen. Auch die Datenschutzbeauftragten - ich habe die Stellungnahme aufmerksam gelesen - räumen ein, ein automatischer Vergleich der vorhandenen mit einer bei der Kontrolle geleisteten Unterschrift wäre wenig sinnvoll, weil die zur Erkennung erforderlichen dynamischen Daten der Unterschrift - Druckverlauf, Schreibpausen - im Ausweis nicht gespeichert sind. In derselben Stellungnahme heißt es, es sei zwar grundsätzlich möglich, mit vorhandener Technik das Foto auf dem Personalausweis automatisch mit dem Gesicht der Person zu vergleichen, die den Ausweis vorlegt.
Gleichzeitig wird aber auch eingeräumt, dass die zurzeit verwendeten Passbilder die Qualitätsanforderungen an eine automatisierte Verarbeitung nicht in vollem Umfang erfüllen können.
Ein weiteres Problem, das sich dabei stellt, ist die Gültigkeitsdauer von Personaldokumenten. Reichen Sie Ihren Ausweis einmal weiter und schauen Sie, ob Sie zweifelsfrei erkannt werden!
Biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke, Lichtbilder und Irisfotos, können die Identifikation Einreisender ohne jeden Zweifel verbessern. Damit lässt sich auch ein erheblicher Sicherheitsgewinn erzielen. Die Verfahren werden immer ausgefeilter und die Fehlerquoten, die Sie, Herr Kubicki, dargestellt haben, werden immer geringer. Hier gibt es sachlich gute Lösungen.
Dies lässt sich auch datenschutzgerecht realisieren. Die Erfassung biometrischer Merkmale erfolgt mithilfe von Sensoren. Die so gewonnenen Rohdaten werden weiter verarbeitet und aus ihnen wird ein so genanntes Template erzeugt, ein relativ kleiner Daten