Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Insel Helgoland als einzige deutsche Hochseeinsel ist mit ihrer einmaligen Landschaft für Schleswig-Holstein eine maritime Besonderheit. Sie ist in unserem an touristischen Attraktionen so reichen Land aufgrund ihrer Lage ein echtes Highlight.

Helgoland steht aber auch vor einem wichtigen und entscheidenden Strukturwandel. So muss die Infrastruktur der Insel teilweise erneuert werden. Helgoland braucht ein abgestimmtes Hafenkonzept mit dem Bau einer Marina, dem Neubau des Schwimmbades, dem Ausbau der Landungsbrücke und dem Bau eines Dünendorfes. Wir müssen in diesem Zusammenhang auch Gespräche mit dem Bund aufnehmen, um die Verhältnisse im Südhafen möglichst schnell den Notwendigkeiten und den Bedürfnissen der Insel anzupassen.

In der Gesamtbetrachtung dürfen wir dabei auch die schwierige Situation des Helgoländer Frachtverkehrs nicht außer Acht lassen und müssen diese komplizierte Frage einer umfassenden Lösung zuführen.

Für Helgoland ist aber auch dringend mehr Flexibilität bei behördlichen Entscheidungen, zum Beispiel beim Denkmalschutz, geboten. Dies ist für die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Insel von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Letztlich entscheidend für die weitere Entwicklung sind aber die Gästezahlen, einerseits die der Tagesgäste, die mit ihrem Besuch auf Helgoland oftmals einen ersten Kontakt mit der Insel haben und mit ihren Einkäufen für die notwendigen Umsätze im örtlichen Handel und damit für eine für Helgoland dringend notwendige, auskömmliche Gemeindeeinfuhrsteuer sorgen. Andererseits gilt es, die Grundlagen zu schaffen und vorhandene Stärken zu fördern, um für die Gäste, die das besondere Flair Helgolands

(Peter Lehnert)

schätzen und das gute Klima zur Erholung nutzen, ein attraktives Urlaubsangebot vorhalten zu können.

Die Insel hat einiges zu bieten. Voraussetzung für ausreichende Besucherzahlen ist allerdings eine ganzjährige zuverlässige Verkehrsanbindung. Hierzu wurden bereits im Vorfeld zahlreiche Gespräche geführt. Ich bin insbesondere dem Wirtschaftsministerium sehr dankbar, dass unter anderem am Freitag eine große Runde von Vertretern des Landes und des Kreises Pinneberg unter Beteiligung der Helgoländer zustande kommt, um endlich konkrete Lösungen in Angriff nehmen zu können.

An dieser Stelle möchte ich einen herzlichen Dank an den Reeder Cassen Eils sagen, der bisher die Zuverlässigkeit des Winterverkehrs trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse auf freiwilliger Basis sichergestellt hat, während seine Mitbewerber ihre Schiffe nur nach rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten einsetzen. Trotz seiner Verbundenheit zur Insel Helgoland ist absehbar, dass Cassen Eils, der mit seinen mittlerweile 82 Jahren immer noch selber am Ruder steht, diese Fahrten nicht unbegrenzt aufrechterhalten kann. Deshalb brauchen wir auch für die Zukunft eine tragfähige und verlässliche Lösung.

Bedanken möchte ich mich auch bei unserem neu gewählten Kollegen Thomas Hölck, der anlässlich unseres letzten Besuches Anfang dieses Monats auf Helgoland großes Interesse für die Anliegen der Insel gezeigt hat und unsere Arbeit nachhaltig unterstützt. Wir haben eine Reihe von wichtigen und zielbringenden Gesprächen geführt, die in die richtige Richtung weisen.

Von der heutigen Debatte sollte ein Signal in Richtung Helgoland ausgehen, dass der Landtag die Insel und ihre Menschen nicht aus den Augen verliert, ihre Sorgen und Ängste kennt, sie ernst nimmt und dass wir uns dafür einsetzen werden, dass Helgoland weiterhin eine zukunftsgerichtete Entwicklung nehmen kann.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert. - Ich erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Thomas Hölck das Wort. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist heute die erste Rede von Thomas Hölck in diesem Plenum.

(Zurufe)

- Er war seefest, wie der Fraktionsvorsitzende bestätigt. Ich bitte Sie um Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland ist ein touristisches und ökologisches Aushängeschild Schleswig-Holsteins. Die Insel gehört zu den zehn beliebtesten Ausflugszielen Deutschlands. Auf Helgoland ankommen, bedeutet, in einer anderen Welt ankommen, Oase der Ruhe. Ein einzigartiges Naturdenkmal, kein Autolärm und nette Helgoländer prägen diese andere Welt.

Diese ökologische Oase, frei von Staus, hat, so paradox es auch klingen mag, ein Verkehrsproblem. Es fehlt eine verlässliche Winterfährenanbindung und es fehlen im Sommer Schiffskapazitäten, um alle reisewilligen Tagestouristen auf die Insel befördern zu können.

Helgoland ist die einzige Gemeinde im Kreis Pinneberg, die über keine garantierte verbindliche Verkehrsanbindung verfügt. Das Personenbeförderungsgesetz, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, das Regionalisierungsgesetz und das Gesetz über den ÖPNV in Schleswig-Holstein befassen sich in verschiedenster Weise mit Verkehrsverbindungen und mit dem öffentlichen Nahverkehr. Aus keinem dieser Gesetze lässt sich nach meinem Kenntnisstand ein Anspruch der Helgoländer Bürgerinnen und Bürger auf die Einrichtung einer regelmäßigen Verkehrsanbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ableiten.

Es ist daher eine gesamtstaatliche Aufgabe, den Inselbewohnern, dem Forschungsstandort Helgoland und der Inselwirtschaft eine solide, auskömmliche Lebensgrundlage zu verschaffen. Lebensgrundlage bedeutet für Helgoland, 70 km Nordsee bis zum nächsten Festland überqueren zu können. Die gesamtstaatliche Verantwortung definiert sich über die Staatszielbestimmungen und die Grundrechte. Allein das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gebietet ein Mindestmaß an Mobilität, um an Orten außerhalb der Insel an Veranstaltungen teilnehmen zu können.

In Artikel 20 Abs. 1 GG ist das Sozialstaatsprinzip verankert. Danach soll der Staat für die realen Bedingungen der Freiheitsentfaltung sorgen und die faktischen Chancen gleichmäßig verteilen. Diese verbindliche Verfassungsnorm richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, dem für die Umsetzung des Sozialstaatsprinzips ein weiter gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Gestaltungsspielraum zusteht. Der Staat hat die Pflicht und das Recht, vor allem dann ordnend und gestaltend einzugreifen, wenn sich Fehlentwicklungen zeigen. Das gilt vor allem, wenn die Selbstregulierung im wirtschaftlichen Prozess

(Thomas Hölck)

nicht mehr funktioniert. Nachteile wie fehlende Versorgung mit Lebensmitteln und Gebrauchsgütern, mangelnde medizinische Versorgung, Abwanderung der Inselbevölkerung, eingeschränkte Teilhabe der Bürger an sozialen Einrichtungen des Staates und fehlende Ausbaumöglichkeiten des Wirtschaftsstandortes sind Gründe genug, an die gesamtstaatliche Verantwortung aller Beteiligten zu appellieren.

Die Fakten sprechen für sich: 56 % weniger Transportkapazitäten im Fahrgastbereich, circa 55.000 weniger Tagesgäste, bis zu 1 Million € Verlust für die Gemeindekasse, hohe Verluste für die Helgoländer Wirtschaft, eine Reederei, die vom Festland den Helgolandfährverkehr dominiert, ein Reeder und Kapitän Cassen Eils, der die Insel im Winter 82-jährig freiwillig, aber verlässlich ansteuert, und Helgoländer, deren Zukunftsperspektive genommen wird, wenn die schlechte Fähranbindung an das Festland nicht verbessert wird.

Dies alles zeigt: Alle Beteiligten müssen sich für eine dauerhafte und wirtschaftlich tragfähige Lösung der Verkehrsanbindung Helgolands einsetzen. Dabei sollte die Wirtschaft das gesamte Jahr in eine Wirtschaftlichkeitsberechnung einbeziehen und die Verluste im Winter durch gute Erträge im Sommer kompensieren. Gewinne im Sommer für die Privatwirtschaft und Verluste im Winter für den Staat sind inakzeptabel.

In diesem Zusammenhang ist mir die zuständige Behörde, die Kreisverwaltung Pinneberg einschließlich Landrat, zu passiv. Der Landrat hätte als zuständige Verkehrsbehörde die Möglichkeit, über § 139 Landeswassergesetz die Unterversorgung der Insel festzustellen, um eine Konzessionierung der Seeverkehrsleistung anzustreben. Natürlich sind auch rein privatwirtschaftliche Lösungen oder eine Kombination von Fracht- und Personenverkehr im Winter denkbar. Es gibt ernst zu nehmende Signale, dass sich die Helgoländer Wirtschaft an Schiffsfährverbindungen beteiligen will. Privatwirtschaftliche Lösungen sind, wie man an der bisherigen Entwicklung erkennen kann, aber auch keine Garantie für eine verbindliche Fähranbindung auf Dauer. Eine verlässliche Lösung wird nach meiner Auffassung nur über eine Kombination aus staatlichem und privatwirtschaftlichem Handeln zu erreichen sein.

Alle Akteure - die Landesregierung, der Kreis Pinneberg, die Gemeinde Helgoland, aber auch die Reedereien und die Helgoländer Wirtschaft - müssen die Fähranbindung der Insel sichern und für die Zukunft verlässlich gestalten. Die Helgoländer Bürgerinnen und Bürger sowie die Inselwirtschaft haben Anspruch darauf, dass sich die Landesregierung aktiv für die

Zukunftsperspektiven der Insel einsetzt. Helgoland, 54 Grad, 10 Minuten und 57 Sekunden nördlicher Breite und 7 Grad, 53 Minuten und 1 Sekunde östlicher Länge darf nicht abgehängt werden.

(Beifall)

Wir danken dem Herrn Abgeordneten Thomas Hölck, der sich jetzt noch bei dem Herrn Ministerpräsidenten erkundigt, wie es nun wohl richtig ist. - Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Frage vorweg: Wer kann beantworten, warum Helgoland zum Kreis Pinneberg gehört?

(Lothar Hay [SPD]: Die Frage habe ich mir auch schon gestellt! Nordfriesland wäre bes- ser!)

- Herr Ministerpräsident, Se weet doch sünst ümmer allens! - Ich will meine Redezeit nicht ganz verstreichen lassen. Ich komme sonst gar nicht mehr zu Wort.

(Zurufe)

Ich bin in der Lage, die Frage zu beantworten. Insofern nimmt vielleicht jeder etwas von diesem Tag mit nach Hause. Helgoland gehörte seinerzeit schon zum Land Schleswig-Holstein. Es ging nun darum, wie die Helgoländer am schnellsten eine Kreisstadt und eine Verwaltung erreichen können, die letztlich mit für die Insel Helgoland verantwortlich ist. Man hat dann festgestellt, dass die Helgoländer mit dem Schiff von Helgoland nach Altona gefahren sind. Insofern hat das schon etwas mit diesem Thema zu tun. In Altona sind sie dann zum Bahnhof gegangen und in den Zug gestiegen. Die erste Kreisstadt, die außerhalb der Hamburger Grenzen auf schleswig-holsteinischem Gebiet lag, war Pinneberg. Daher hat man gesagt, dann gehört Helgoland eben zu Pinneberg, denn diese Kreisstadt ist am schnellsten zu erreichen. Das ist also der Grund dafür. Das ist doch eine gute Sache, oder?

(Beifall)

Helgoland ist die einzige Hochseeinsel Deutschlands. Obwohl die Insel inmitten der hohen See liegt, haben die Helgoländerinnen und Helgoländer einen Anspruch darauf, regelmäßig das Festland erreichen zu können. Das gehört aus unserer Sicht zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

(Günther Hildebrand)

Seitdem es die Bundesrepublik Deutschland gibt, ist die privatwirtschaftliche Fährverbindung nach Helgoland allerdings noch nie für längere Zeit unterbrochen gewesen. Warum müssen wir uns also überhaupt mit diesem Thema beschäftigen? Wir müssen uns damit beschäftigen, weil die Wahrscheinlichkeit gewachsen ist, dass die Verbindung reißen könnte. Sie könnte reißen, weil immer weniger Schiffe im regelmäßigen Fährverkehr eingesetzt werden. Von 2004 auf 2005 ist die Zahl der Plätze auf den Fahrgastschiffen um 56 % gesunken, weil ein Schiff wegen eines Motorschadens ausfiel und weil zwei Verbindungen aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben wurden.

Deswegen wurden diesbezüglich in der Hochsaison besonders an den Wochenenden die Plätze knapp. Das eigentliche Problem ist aber nicht die Tourismussaison, sondern die Zeit zwischen November und Februar. In dieser Zeit fährt nur noch ein Schiff regelmäßig nach Helgoland. Niemand aber weiß, wie lange noch, und genau das ist das Problem. Es ist schon mehrere Male angekündigt worden, dass sich am Freitag hier im Landeshaus eine Abordnung der Helgoländer trifft, um dieses Problem zu besprechen. Ich hoffe, dass dabei eine mögliche Lösung herauskommt, um abzusichern, dass eine Verbindung aufrechterhalten werden kann.

(Unruhe)

Im nächsten Jahr erwarten wir eine einschlägige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig - -

(Anhaltende Unruhe)

Entschuldigen Sie, Herr Kollege Hildebrand! - Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit im Haus.

Im nächsten Jahr erwarten wir also eine einschlägige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig darüber, welche Gebietskörperschaft bezüglich der Verkehrsanbindung nach Helgoland zur Daseinsvorsorge verpflichtet ist. Für den Fall, dass die beteiligten Gebietskörperschaften - die Gemeinde Helgoland, der Kreis Pinneberg oder das Land SchleswigHolstein - sich nicht einigen können, halten wir es für sinnvoll, zunächst eine zeitlich befristete Regelung zu treffen. Das Land könnte die Aufgabe der Absicherung des Risikos übernehmen, und zwar unter dem Vorbehalt, dass die dafür entstehenden Kosten nach Klärung der Rechtslage durch die zuständige und somit verantwortliche Gebietskörperschaft übernommen werden.

Wir meinen, die öffentliche Hand sollte rechtzeitig darauf vorbereitet sein, dass die Fährverbindung nach Helgoland außerhalb der Saison ausfallen könnte, und zwar losgelöst von der Terminplanung des unabhängigen Gerichts, denn im Fall des Falles können wir die Helgoländerinnen und Helgoländer schließlich nicht in der Nordsee sitzen lassen, weil die verwaltungsrechtliche Zuständigkeit für die Finanzierung der Daseinsvorsorge noch nicht rechtskräftig geklärt ist.

Es gilt zwei Ausfallrisiken zu unterscheiden: das technische Risiko und das wirtschaftliche Risiko. Das technische Risiko, dass das Schiff kaputtgeht, kann die öffentliche Hand kaum mindern. Wir hielten es für übertrieben, wenn die öffentliche Hand ständig eine Ersatzfähre bereithielte. Das wirtschaftliche Risiko, dass die Verbindung aus Kostengründen ausfallen könnte, könnte die öffentliche Hand jedoch vorsorglich abfedern. Dies könnte zum Beispiel durch entsprechend gestaltete Garantien oder Bürgschaften für einen Verlustausgleich geschehen.

Selbstverständlich beantwortet all dies nicht die Frage, wer letztlich welchen Anteil der Daseinsvorsorge bezahlen soll. Angesichts der überall klammen öffentlichen Kassen wird sich wohl freiwillig niemand finden.

Deshalb werden wir zunächst das Urteil des Oberverwaltungsgerichts abwarten müssen. Aber ich sagte bereits, das entbindet uns nicht von unserer Pflicht zur Daseinsvorsorge gegenüber den Menschen, die auf Helgoland leben, denn das Schicksal begünstigt diejenigen, die sich rechtzeitig gegen seine Schläge gewappnet haben und umgekehrt. Nur eines möchte ich sagen, wenn letztlich bei dieser Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts herauskommt, dass die Gemeinde Helgoland selbst diese Kosten zu tragen hat, dann landen sie schließlich doch beim Land, weil das Land verpflichtet ist, das Defizit des Helgoländer Haushaltes jedes Jahr abzudecken oder auszugleichen.

(Beifall bei FDP und SSW)