Wenn ein Ministerpräsident Kulturpolitik zur Chefsache macht und seinen ersten Bericht darüber abgibt, dann fragt sich das staunende Publikum: Was ist neu? - Der einzige neue Absatz im Koalitionsvertrag war, dass diese Landesregierung sich in der Kulturpolitik die Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen auf die Fahnen geschrieben hat. Im vorliegenden Bericht heißt es dann etwas verschroben, aber schon bemerkenswert deutlich:
„Wenn Teile der bisherigen öffentlichen Kulturfinanzierung künftig von anderen Partnern aufgebracht werden sollen, wird es eine staatliche Alleinbestimmung kulturpolitischer Ziele nicht mehr geben können.“
Was mag das wohl für die Zukunft bedeuten, Werbepausen im Konzertsaal? Da bekommt so mancher eine Gänsehaut.
Unsere Kultur, von der Hochkultur über die traditionelle Volkskunst, die moderne Popularkultur, die Soziokultur bis hin zur Avantgarde, das sind die
Symbolwelten unserer Gesellschaft. Kulturdialoge sind auch immer Dialoge über das Selbstverständnis einer Gesellschaft und einer Epoche. Dass Private von Microsoft bis e.on das gern nutzen, dass sie Geld ausgeben, um die Symbolwelten ihren kommerziellen Interessen dienstbar zu machen, ist nicht neu. Ich bin auch gar nicht dagegen, wenn man sagt, Dritte sollten Geld geben. Ziel staatlicher Kulturförderung kann es aber nicht sein, dass andere Einfluss auf das nehmen, was in dieser staatlichen Kulturpolitik geschieht. Das wäre ein falscher Weg.
Meine Damen und Herren, es war und ist gerade die Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik, Inseln der geistig-kulturellen Freiheit zu schaffen, um neue Impulse setzen zu können. Wenn wir die staatliche Kulturpolitik beschreiben, geht es deswegen nicht um Volksmusik, es geht auch nicht um Popular-Kultur, sondern es geht um das Besondere: um die Bewahrung des historischen Erbes von Haithabu, um die Enddeckung kultureller Schätze in der Welt des SchleswigHolstein Musik Festivals, um die Stärkung von kulturellen Selbstfindungsprozessen, um Entdeckungen in der Soziokultur, um die Schaffung von Spielräumen für avantgardistische Experimente. Das ist Aufgabe der staatlichen Kulturpolitik.
Von all dem kommt im Bericht leider nur das Erste vor. Das Stichwort Soziokultur zum Beispiel ist aus dem Koalitionsvertrag genauso eliminiert worden wie aus dem Bericht. Die Bedeutung der Entwicklung einer Kultur des Zusammenlebens von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen stößt offensichtlich auf Desinteresse. Konsequenterweise wurde der entsprechende Titel im Haushalt drastisch zusammengestrichen.
Zum Schluss eine Bemerkung zum Thema Qualität. Sie schreiben so schön, dass Kulturförderung die Prüfung der Qualität geradezu fordere. Das ist richtig. Aber im Ernst: Keiner Regierung ist es je erfolgreich gelungen, einen Van Gogh zu entdecken. Die schon fast tragische deutsche Schubladentrennung von E- und U-Kultur ist Ausdruck der Anmaßung nicht nur der Politik, sondern auch vieler Kritiker, denen die Politik leichtgläubig folgt, so wie die politischen Journalisten den Meinungsumfragen in diesem Sommer gefolgt sind.
Herr Carstensen, ich schwinge gerne das Tanzbein und bin da, wo die Musi spielt. Nur zu! Ich tanze sogar mit Ihnen.
Haben Sie Mut, offen zu sein für Experimente, für das Ungewohnte, für das Schräge. Das garantiert zwar keine Qualität. Diese kann niemand garantieren. Es gibt aber dem Zufall die Chance, dass hier in Schleswig-Holstein etwas entsteht, was vielleicht sonst nicht entstanden wäre und keinen Mäzen gefunden hätte. - Es leben die Musen!
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Für die Gruppe des SSW hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich würde jetzt gern Herrn Carstensen mit Herrn Hentschel tan- zen sehen! - Heiterkeit)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg. Der SSW begrüßt es ausdrücklich, dass die Landesregierung Kultur nicht als „Kürzungsmasse“ verstehen will. Staatssekretär Maurus hat in den Haushaltsberatungen noch einmal bekräftigt, dass mit der Kürzung des Kulturhaushalts um insgesamt 40 % seit 1994 nun wirklich das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Ich fand, das war gut zu hören.
Aus sehr vielen Medienberichten wissen wir, dass Kultur dem Ministerpräsidenten eine Herzensangelegenheit ist. Ich hoffe, dass sein Herz das aushält; denn es gibt noch viele andere Politikfelder, die der Ministerpräsident dazu erklärt hat, die Landwirtschaft zum Beispiel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wohl dem Land, das einen Mann mit einem so großen Herzen an seiner Spitze weiß.
Doch zurück zu dem vorgelegten Bericht. Kultur ist für die Menschen existenziell, sie ist so wichtig wie das Atmen. Gerade heutzutage, wo einerseits Menschen unter zu viel Stress leiden und andererseits andere erzwungenermaßen viel zu viel freie Zeit haben, kommt kulturellen Angeboten ein nicht zu unterschätzender Wert zu. Aus diesem Grund begrüßt es der SSW, dass die Landesregierung ihre Grundsätze und Schwerpunkte zur Kulturpolitik offen legt. Ich muss aber auch sagen, dass wir uns mehr erwartet hätten, mehr Inspiration.
Denn im Grunde wird dort nur aufbereitet, was schon aus dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien hervorgeht. Der Bericht ist nicht Vogel, nicht Fisch, würde man in meiner anderen Sprache sagen.
Ich will es dennoch positiv formulieren: Ein Konzept für die Kulturpolitik ist erkennbar und der Bericht zeigt, wo die Landesregierung ihre Schwerpunkte setzt: in der Einbindung der Wirtschaft ins kulturelle Leben, in der Nutzung der Kultur als Standortfaktor und in der Kinder- und Jugendpolitik zum Beispiel.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Unterstützung der Breitenkultur durch die Landesregierung präziser dargestellt worden wäre. Damit meine ich keine rückwärts gewandte Betulichkeitskultur, sondern lebendiges Schaffen aus der Mitte der Gesellschaft heraus.
Dazu bedarf es natürlich auch eines Fundaments, das letztlich nur durch eine institutionelle Förderung gesichert ist.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir, dass sich die Landesregierung für die Idee eines Hauses der Kulturverbände einsetzt. Dazu gab es schon in der letzten Legislaturperiode auf Antrag der ehemaligen Kollegin Schwarz eine Debatte. Der SSW unterstützte damals den Antrag. Dazu stehen wir auch heute. Ein solches Haus würde aus unserer Sicht die Verwaltungsarbeit der Kulturverbände erleichtern und mehr Mittel für Kulturprojekte, das heißt für Kultur, frei machen.
Eine ausschließliche Umstellung der Kulturförderung auf Projektfinanzierung lehnen wir aber weiterhin ab, füge ich vorsichtshalber hinzu.
Denn für den SSW gilt immer noch der Grundsatz, dass es zwischen Kultur und Politik immer einen Abstand von mindestens einer Armlänge geben muss.
Zu den kulturpolitischen Grundsätzen der Landesregierung gehört auch der Gedanke von mehr Public Private Partnership. Dieser Weg der Kulturförderung ist aus Sicht des SSW nicht unproblematisch, denn er könnte dazu führen, dass nur die ,,Attraktion" oder der ,,sichere Hit" in den Mittelpunkt kulturpolitischer Überlegungen gestellt wird. Das kann es nicht sein; denn Kultur hat auch immer die Aufgabe, innovativ zu sein und Grenzen in den Köpfen von Menschen zu überwinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen. Von einer Landesregierung, die sich die Kulturpolitik auf ihre Fahnen geschrieben hat, hätten wir inhaltlich mehr erwartet. Der Bericht fällt damit auch hinter den Bericht zur Kulturevaluation zurück, auf den verwiesen wird. Zu den offenen Fragen gehört nicht nur der Bereich der Minderheitenpolitik als kultureller Mehrwert unseres Landes, sondern auch die Gedenkstättenarbeit und die Zukunft der Museumslandschaft insgesamt. Dazu gehört auch die vom Kollegen Klug angesprochene Fragestellung der Kultur im Ostseeraum.
Ich will konkret hinzufügen: Letzte Woche hatte ich ein Gespräch mit dem Beirat für bildende Kunst von Storstrøms Amt. Anliegen dieses Beirates war es, Kooperationspartner in Schleswig-Holstein zu finden. Man bot an, Arbeitsgemeinschaften zu bilden, man stellt Werkstätten zur Verfügung und hofft, dass sich Künstlerinnen und Künstler austauschen werden. Damit werde ich auch noch den Staatssekretär für Kultur und den Herrn Ministerpräsidenten belästigen, will dies aber auch in diesem Rahmen anfügen. Denn ich denke, gerade das müsste auch ein Schwerpunkt der Kulturpolitik unseres Landes sein. Für den Ausschuss gibt es also noch genug zu tun.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Zu einem Kurzbeitrag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hans Müller das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In seiner Regierungserklärung hat Herr Ministerpräsident Carstensen die Kulturpolitik als seine Herzensangelegenheit bezeichnet. Er hat sie zu einem seiner politischen Schwerpunkte erklärt. Das begrüßen wir Sozialdemokraten natürlich ausdrücklich. Die kulturpolitischen Schwerpunkte und Grundsätze sind es wert, diskutiert und mit Leben erfüllt zu werden.
Einen wichtigen kulturpolitischen Beitrag möchte ich beisteuern. Er ist mit keinem Wort erwähnt und fehlt mir.
- Genau. - Ich meine den „Leuchtturm“ Kulturstadt Lübeck. Heute möchte ich nicht über Erich Mühsam, die Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und Günter Grass und nicht über den Friedensnobelpreisträger Willy Brandt und deren Gesellschaften und Stiftun
Hervorheben möchte ich Lübeck als Weltkulturerbe. Lübecks Altstadt wurde bereits 1987 zum Weltkulturerbe erklärt. Zum ersten Mal wurde damals eine komplette Altstadt zum Kulturdenkmal erklärt - und das in unserem Bundesland Schleswig-Holstein.
Dr. Siewert, Leiter des Bereichs Denkmalpflege in der Hansestadt, sprach von der hohen Anerkennung für die Bemühungen um den Erhalt der Altstadt. Er unterließ es aber auch nicht, auf die gleichzeitige, überaus große Verpflichtung hinzuweisen, die mit dieser Ehre verbunden ist.
Diese Verpflichtung hat seit 1972 mehrere 100 Millionen € gekostet. Jüngstes Beispiel für die hohen Kosten ist - Sie haben das in den „Lübecker Nachrichten“ gelesen - das Holstentor. Daraus resultiert natürlich auch, dass Lübeck weiterhin auf die Unterstützung von Land, Bund, Stiftungen und so weiter angewiesen ist.
Die qualifizierte Hervorhebung von Lübeck als Weltkulturerbe halten wir für sehr wichtig. Neben dem Wert des Weltkulturerbes an sich seien hier noch einige Argumente genannt, die auch in dem Papier der Landesregierung ausdrücklich genannt sind und in Lübeck bereits praktiziert werden: die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und nicht staatlichen Initiativen wie Stiftungen und Privatpersonen - die Althaussanierer möchte ich hier stellvertretend nennen -;