Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

- Ja, wir sind nicht verheiratet. Ja, wir und die FDP kommen uns zwar näher, aber das wäre ein Schritt zu viel, Herr Garg. Bei aller Liebe, so doch nicht.

Brot und Rosen hat es in der Geschichte der Frauenbewegung lange Zeit als Mittel der friedlichen Auseinandersetzung gegeben. Und rote Rosen - ich stehe hier als Botin, um zu übermitteln - hatten auch immer bei der SPD einen eigentlich freundlichen, solidarischen Touch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das waren Nel- ken!)

- Rote Nelken, aber auch rote Rosen. Man kann es in der Geschichte nachlesen; Sie haben ja auch einen Historiker in Ihren Reihen sitzen. Ich als alte Frauenrechtlerin und aus der Frauenbewegung kommend weiß, dass Brot und Rosen das Entscheidende sind und dass die Sozialdemokraten eigentlich wissen müssten, worum es geht.

Frau Präsidentin, ich bitte förmlich um Entschuldigung, dass das beim Präsidium als unfreundlicher und unparlamentarischer Akt angekommen ist. Der Bauernverband ist unmittelbar im Parlament vertreten - sei es drum. Wir haben das nicht als Affront gedacht. Wir wollten Sie darauf hinweisen, dass um 15 Uhr die Demonstration stattfindet. Wir haben gedacht, dass Sie sich freuen würden. Ich bitte noch einmal förmlich um Entschuldigung und bin auch gern bereit, dies im Ältestenrat ausführlich zu besprechen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Nun zur Sache!)

Wir haben hier einen Gesetzentwurf vorliegen, der sich in der Presseerklärung des Innenministers von Anfang der Woche mit einem kleinen Halbsatz wiederfindet. Unter der Überschrift „Klare Regelung für Ehrenamt- und Hauptamtlichkeit“ zeigt sich die Linie des Verwaltungsstrukturgesetzes. Das ist zutreffend. Allerdings gibt die große Koalition die Mindestgröße der Verwaltungen vor. Vor diesem Hintergrund fragen wir uns: Der in der Regel männliche hauptamtliche Bürgermeister ist ab 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern geboten, die in der Regel weibliche hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte ab 15.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wo ist hier eigentlich die Linie? Wo ist hier die Einheitlichkeit?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Worum geht es? Warum liegt hier ein vorgezogener Gesetzentwurf vor, der ein direkter Angriff auf die Frauenpolitik vor Ort ist? - Schleswig-Holstein war jahrelang - und das vor der Mitgliedschaft beispielsweise des Herrn Ministerpräsidenten in diesem Par

lament und nicht erst unter Rot-Grün - Vorreiter in der Frauenpolitik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

1991 erließ dieser Landtag das Gleichstellungsgesetz und es bestimmt in § 1 Abs. 1 Satz 2 die Aufgaben des Gesetzes, insbesondere die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die für beide Geschlechter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, die geschlechtsspezifische Bedingungen und die Kompensation von Nachteilen voranbringen und auf die gerechte Besoldung hinwirken sollen.

Das Gleichstellungsgesetz gibt in Schleswig-Holstein die Selbstbindung der Verwaltungen vor. Das Gebot der Gleichstellung ist zu befolgen, aber das Gleichstellungsgesetz gibt zugleich eine Kontrollfunktion in § 19 vor. Und an diese Kontrollfunktionen wollen Sie heran.

Richtig, meine Damen und Herren: Auch die Grünen wollen Verwaltungsverschlankung, Bürokratieabbau und Transparenz. Aber wieso wird Bürokratie abgebaut, wenn die Gleichstellungsbeauftragten isoliert reduziert werden? Passt das zur Verwaltungsstrukturreform? Geschieht dies im Gleichklang mit der hauptamtlichen Verwaltungsmodernisierung? Wieso gelten eigentlich nicht mehr die Erkenntnisse des zweiten Gleichstellungsberichtes, den das Parlament hier begrüßt hat? Wieso ist der gesetzliche Auftrag des Gleichstellungsgesetzes erfüllt? Warum sind die Kommunen ab dieser Größe nicht mehr zu kontrollieren? - Da ist mir die klare an den Nachtwächterstaat des 19. Jahrhunderts erinnernde Aussage der FDP doch lieber. Denn diese sagt klar, wohin es geht und will nicht einen versteckten Kampf der Kontrollfunktionen. Das ist eine klare Aussage.

Aber, meine Damen und Herren, wieso passiert dies eigentlich im Jahre zehn nach der Pekinger Frauenkonferenz, im Jahre fünf nach der UN-Resolution 1325, die Sie vielleicht kennen? Oder ganz anders gefragt: Warum regen sich die Frauen im Land auf?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das fragen wir uns auch!)

Warum regen wir uns auf? - Ja, meine Damen und Herren, wir regen uns auf, weil ohne Not, ohne vernünftigen Grund aus patriarchalischem Machtgetöse frauenpolitische Kontrollfunktionen im Land angegriffen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir regen uns auf, weil Sie nicht verstehen oder Ihr Wissen verdrängen, dass Gleichheit, Freiheit und Differenz nur leben, wenn sich jeder und jede vor Ort der Verantwortung deutlich bewusst werden. Frauen

(Anne Lütkes)

fragen sind weder Häkelkurs noch Bürokratie. Es ist wahrlich nicht sozialdemokratisch, diese infrage zu stellen.

Der Gleichstellungsbericht hat viele Aufgaben unbearbeitet gelassen.

Ich spreche auch einige Kolleginnen von der CDU an: Sie wissen, welch hervorragende Vernetzungsarbeit vor Ort geleistet wird. Sie wissen, was Gleichstellungsbeauftragte vor Ort tun - in der Wirtschaft, in den Kommunen. Ich möchte wissen, warum hier der Angriff gefahren wird.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, unter diesem Aspekt freue ich mich wahrlich auf die Anhörung. Ich entschuldige mich für die Überschreitung der Redezeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war im Bereich des Ertragbaren. Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lütkes. - Für die Gruppe des SSW hat Frau Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich der Schleswig-Holsteinische Landtag mit der Kommunalverfassung von 1990 für die zwangsweise Einführung von kommunalen Gleichstellungsbeauftragten aussprach, geschah dies gegen den Widerstand der kommunalen Landesverbände. Besonders hartnäckig setzte sich damals der Gemeindetag dagegen zur Wehr. Dass drei Gemeinden dagegen Verfassungsbeschwerden einlegten, die durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Herbst 1994 zurückgewiesen wurden, mag mittlerweile in Vergessenheit geraten sein.

Im Ergebnis wischte das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken vom Tisch, die nicht zuletzt immer wieder vom Gemeindetag ins Spiel gebracht worden waren. Dabei äußerte sich das Gericht auch zu dem Punkt, dass laut Kommunalverfassung in Gemeinden mit 10.000 Einwohnern und mehr eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte eingestellt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die 10.000-Einwohner-Grenze eine Grenze ist, die auch sonst im SchleswigHolsteinischen Gemeinderecht zu Unterscheidungen führt - zum Beispiel bei der Einsetzung von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Sie ist damit nicht willkürlich.

Aus Sicht des SSW hat sich seitdem daran nichts geändert. Trotzdem bringen CDU und SPD heute gemeinsam einen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeinde- und der Amtsordnung ein. Einziger Punkt ist, dass die Zahl 10.000 durch die Zahl 15.000 ersetzt wird. Das ist vielleicht nicht ganz, was sich die Herren des Gemeindetages wünschten; ihr langer Atem scheint sich aber dennoch ausgezahlt zu haben. Denn frei nach dem Motto: „Steter Tropfen höhlt den Stein“, haben sie erreicht, dass dadurch nahezu die Hälfte aller hauptamtlichen Gleichstellungsstellen als „Streichungsmasse“ gefährdet ist.

Diesem Schritt vorangegangen ist, dass sich die Rahmenbedingung für die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten über die Jahre immer weiter verschlechtert haben. Der vorliegende Gesetzentwurf ist aber nun wirklich der Gipfel. Nicht nur, weil er inhaltlich ein „Zurück in die Zukunft“ darstellt, sondern auch, weil er die vom Bundesverfassungsgericht als gerechtfertigt charakterisierte Einwohnergrenze von 10.000 Einwohnern aufgibt.

Dass nach Meinung der regierungstragenden Fraktionen künftig nur Gemeinden mit 15.000 Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu berufen haben, ist also sachlich nicht zu begründen. Die Änderung ist politisch gewollt. Von der CDU allemal. Und die SPD? - Sie hat nachgegeben, ist eingeknickt, des lieben Koalitionsfriedens willen oder aus anderen Gründen. Wir werden es nicht erfahren.

Worauf wir aber eine Antwort erwarten, ist eine ganze Reihe von offenen Fragen: Warum zum Beispiel kommt diese Änderung der Kommunalverfassung losgelöst von allen anderen Überlegungen zum Thema Verwaltungsstrukturreform?

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Welche sachlichen Gründe gibt es gegebenenfalls für die Einwohnergrenze, wo doch gerade im Zusammenhang mit der Verwaltungsstrukturreform davon ausgegangen wird, dass Verwaltungen mit mindestens 8.000 Einwohnern voll funktionsfähig sind? Und nicht zuletzt: Warum wird immer und überall von Aufgabenkritik und Evaluation gesprochen, nur hier nicht?

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gehe davon aus, dass diese Fragen Teil der Ausschussberatung sein werden. Was bleibt, ist also die Feststellung, dass sich mit dieser Gesetzesänderung die Bedingungen für die kommunale Gleichstellungsarbeit weiter verschlechtern - und dies vor dem Hin

(Anke Spoorendonk)

tergrund weiterer struktureller Benachteiligungen von Frauen in unserer Gesellschaft.

Durch Hartz IV zum Beispiel wird die Abhängigkeit von Frauen - durch Zementierung des Ernährermodells - gewollt verstärkt. Denn durch die Anrechnung des Partnereinkommens sind mehrere Hunderttausende erwerblose Frauen aus den Statistiken verschwunden. Sie haben de facto keinen Zugang mehr zu Qualifizierungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen. Kommunale Gleichstellungsbeauftragte sind für viele dieser Frauen die einzige Anlaufstelle, bei der sie sich noch Gehör verschaffen können. Genau wie die Quote stellen sie in schwierigen Zeiten eine institutionelle Hürde dar.

Die Gleichstellungsbeauftragte kann Frauenpolitik und Gleichstellungsarbeit nicht allein durchführen. Sie kann die Anstrengungen aller nicht ersetzen. Es ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Darüber diskutieren wir auch nicht. Die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten sind aber das institutionalisierte schlechte Gewissen auf der kommunalen Ebene, wo Frauen immer noch eine viel zu geringe Rolle spielen - aus vielerlei Gründen, zum Beispiel in den Gemeinderäten. Wie viele hauptamtliche Bürgermeisterinnen gibt es? Wie viele Leitende Verwaltungsbeamtinnen gibt es? Allein schon aus diesen Gründen können wir dem Änderungsantrag der FDP, liebe Kollegen von der FDP, nicht folgen. Man kann ideologisch der Meinung sein, dass es ausreicht, einen solchen gesamtgesellschaftlichen Auftrag mit Leben zu erfüllen. Wir wissen aber, dass das so einfach nicht machbar ist. Wir müssen Strukturen haben. Diese Strukturen werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf - ich will nicht sagen: zerschlagen - verschlechtert.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. - Das Wort für die Landesregierung hat Herr Innenminister Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung sieht die im Kompromiss der Koalitionsvereinbarung vorgesehene Anhebung der Einwohnergrenze für die Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter im Zusammenhang mit dem Prozess der Verwaltungsstrukturreform. Aus diesem Grund haben wir die Regelung in das erste Verwaltungsstrukturreformgesetz integriert. Die Fraktionsanträge und der Regie

rungsentwurf sollen in der Beratung in den Ausschüssen zusammengeführt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gleichstellungsbeauftragten sind diejenigen, die täglich vor Ort für die Gleichstellung, für die Chancengleichheit beider Geschlechter sorgen und eben nicht für den Vollzug von Verwaltungsvorschriften. Deswegen ist der Vergleich mit der Anhebung, was die Verwaltungseckpunkte angeht, ein Vergleich von Rosen und Nelken oder Äpfeln und Birnen, jedenfalls ist das nicht miteinander zu vergleichen.

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Kompromisse haben immer Teile, die man mehr schätzt als andere. Das will ich einräumen. Politik besteht gelegentlich nicht nur aus den Dingen, die man tun will, sondern auch aus den Dingen, die man tun muss. Ich sage aber ganz deutlich: Die Änderung der Kommunalverfassung mit Anhebung der Einwohnergrenze bedeutet keinesfalls, dass die Gleichstellungsarbeit grundsätzlich zur Debatte steht.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegenteil: Aktive Frauenpolitik und aktive Gleichstellungsarbeit bleiben auf allen Ebenen unverzichtbar. Frau Kollegin Todsen-Reese, bei der Frage, wer ins Kanzleramt einzieht, geht es wohl am wenigsten um die Frage der Gleichstellung, wenn ich das richtig sehe.

(Beifall bei der SPD)

Immanuel Kant hat einmal gesagt: „Der Mann ist leicht zu erforschen, die Frau verrät ihr Geheimnis nicht.“ Das Geheimnis, das hinter dem FDP-Antrag steckt, verrät allerdings schon ein Blick auf die Zusammensetzung Ihrer Fraktion, meine sehr verehrten Herren.