Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage dies auch nicht vorrangig deshalb, weil eine internationale Vergleichbarkeit anders gar nicht herstellbar ist. Wie will man die Lehrerausbildung international vergleichen, wenn man sie hier nicht so strukturiert, wie sie überall im Ausland strukturiert wird?

Ich argumentiere mehr inhaltlich. Der entscheidende Punkt ist: Der Unterricht in einer Grundschule unterscheidet sich vom Unterricht in einer 9. Klasse der Hauptschule mehr als der Unterricht in der 9. Klasse der Hauptschule von dem der 9. Klasse eines Gymnasiums. Das Gleiche gilt für den Vergleich zwischen dem Unterricht von 10-jährigen Fünftklässlern und einem Leistungskurs in der Oberstufe.

Abgesehen von den Überresten des wilhelminischen Ständedenkens in einigen Lehrerverbänden gibt es schlicht keinen Grund, dass eine schulartenbezogene Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sachgerecht sein soll, auch nicht bei Beibehaltung des fünfgliedrigen Schulsystems in Schleswig-Holstein.

Meine Damen und Herren, wenn wir die Lehrerausbildung an den Hochschulen auf hohem wissenschaftlichen Niveau gewährleisten wollen, dann müssen auch die Schulen selbst in noch stärkerem Maße als heute Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung sein. Es ist einfach ein Unding, dass häufig noch in den einzelnen Instituten der Universitäten diejenigen, die sich mit Didaktik, mit der Vermittlung der Wissenschaft, beschäftigen, als zweitrangige Wissenschaftler gelten. Wenn die Ausbildung in den Schulen das zentrale Moment ist, um den Reichtum dieser Gesellschaft zu schaffen, dann müssen die Vermittlungsprozesse in viel stärkerem Maße Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Grundlage der Lehrerausbildung sein.

(Karl-Martin Hentschel)

Die bekanntesten wissenschaftlichen Forschungsinstitute sind immer noch jene für Wirtschaft, Medizin, Physik, Meeresforschung und so weiter, nicht aber Institute wie das IPN in Kiel, die sich mit Lernprozessen beschäftigen. In so manchem wissenschaftlichen Institut der CAU gilt der Fachdidaktiker in Wirklichkeit noch als ein Professor zweiter Klasse.

Wenn wir begriffen haben, dass für unseren zukünftigen Wohlstand nichts so entscheidend ist wie das Wissen in den Köpfen unserer Kinder, dann ist die Erforschung der Bildungsprozesse von der Geburt an über die Berufs- und Hochschulausbildung bis hin zur Weiterbildung im Alter die zentrale Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Meine Damen und Herren, die Investitionen in die Ausbildung haben für die Zukunft unseres Landes einen zentralen Stellenwert. Wer die Ausbildung verbessern will, muss auch die Lehrerausbildung verbessern. Ich würde mich deshalb freuen, wenn es uns in diesem Sinne gelänge, eine Zukunftsdiskussion über die Lehrerbildung im Bildungsausschuss zu führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Niclas Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Antragsteller, nachdem Sie zu Anfang ordentlich ausgeteilt und sich angemaßt haben zu beurteilen, wer im Landtag sitzen darf und wer nicht - Sie können gern einmal die Erststimmen vergleichen -,

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

und nachdem Sie geäußert haben, das, was wir dazu gesagt haben, gebe Ihnen Rätsel auf, kann ich nur sagen: Das mag auch an Ihnen liegen. Das muss nicht immer an dem anderen liegen. Aber da kommt das Thema Lehrerbildung zu spät.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP - Zuruf von der CDU: Weiter so!)

Auch wenn ich im Landtag neu bin, habe ich doch erfahren, dass Sie sich mit dem Thema Lehrerausbildung schon häufiger beschäftigt haben, zum Beispiel anlässlich der Terhart-Kommission oder anlässlich der Äußerungen des Wissenschaftsrats. Insofern ist von dem, was Sie gesagt haben, vieles nicht neu. Vieles von dem, was Sie hier teilweise zu Recht an

gesprochen haben, wird in Ihrem Antrag leider gar nicht geregelt. Es ist auch nicht erst diese Regierung, die sich zum Bologna-Prozess bekannt hat. Das hat auch schon die Vorgängerregierung getan. Insofern hätte es dieses Antrages in seiner Grundtendenz nicht bedurft.

Wenn wir uns dem Thema ernsthaft widmen, müssen wir feststellen, dass es in der Praxis ernste Abstimmungsprobleme gibt, insbesondere zwischen Vorbereitungsdienst und Masterstudium.

Man kann auch nicht sagen, dass alle Lehrämter mit dem Master abschließen sollen, wenn gleichzeitig die Regelausbildungszeit verkürzt werden soll. Das wird nämlich schwierig. Das Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts muss dabei beispielsweise genauso beachtet werden, wie die gemeinsamen Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz.

Natürlich wollen wir eine enge Abstimmung mit anderen Bundesländern, vor allem - wenn auch nicht nur - mit unseren norddeutschen Nachbarländern. Gerade deshalb kann man dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Er würde Schleswig-Holstein nämlich zu einer unannehmbaren Insellösung zwingen. Welches Modell schließlich gewählt wird, kann sinnvollerweise erst dann entschieden werden, wenn im Rahmen der Kultusministerkonferenz weiter gehende Vereinbarungen getroffen worden sind.

Für diese Koalition gilt: Wir brauchen für SchleswigHolstein ein zukunftsfähiges Modell. Selbstverständlich müssen die Abschlüsse auch in anderen Bundesländern anerkannt werden. Alles andere würde nicht nur die Mobilität der Lehramtsstudenten unnötig einengen, sondern auch bildungspolitischen Unsinn bedeuten.

Der Antrag der Grünen läuft in Sachen Berufsbezogenheit offene Türen ein. Die Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, dass schon in der Bachelor-Phase Erfahrungen mit der schulischen Praxis gemacht werden sollen. Das gilt auch für die Uni Flensburg, die jetzt zum Wintersemester damit anfängt. Sie sieht für den Bachelor-Studiengang einen Praxisanteil vor.

Im Übrigen sollten wir als Landtag - Herr Hentschel, Sie haben gesagt, welche große bildungspolitische Bedeutung wir hier haben - ein bisschen vorsichtig sein. Wenn ich den Antrag lese, finde ich etwas über Lernprozesse, Kompetenzerwerb, Persönlichkeitsbildung, Individualdiagnostik, Bildungsmanagement. Wir können davon ausgehen, dass sich die Leute an den Hochschulen Gedanken darüber gemacht und nicht darauf gewartet haben, dass die Megaimpulse

(Niclas Herbst)

von den Grünen kommen. Die Leute wissen schon, was sie tun. Wir sollten uns an die Rahmenvorgaben halten und uns die Rahmenbedingungen klarmachen, statt das Rad neu erfinden zu wollen. Im Zweifelsfall wissen die Leute an den Hochschulen die Dinge besser als wir.

Die eine oder andere Idee in Ihrem Antrag klingt nicht schlecht. Ich denke an Assistance Teacher oder Trainees. Das ist durchaus diskussionswürdig. Darüber können wir uns im Ausschuss unterhalten. Aber wir dürfen nicht verkennen, dass das Referendariat eine Mindestdauer hat. Wie das alles unter einen Hut gebracht werden soll, verschweigt Ihr Antrag.

Deshalb sollten wir uns in diesem Haus ganz klar darüber sein - ich sage das für meine Fraktion sehr deutlich -, dass wir alle Anstrengungen darauf richten müssen, dass sich die Ausbildungszeiten nicht verlängern.

Einen echten Dissens haben wir im Punkt 4 Ihres Antrags. Sie fordern eine altersbezogene Lehrerausbildung und damit auch die Abkehr vom Schulartenbezug. Uns muss völlig klar sein, dass wir dem im Interesse unseres gegliederten Schulsystems, wie es im Koalitionsvertrag definiert ist, selbstverständlich nicht zustimmen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Um es deutlicher zu sagen: Die Abschaffung des Schulartenbezugs bei der Lehrerausbildung zugunsten eines Einheitslehrers wird es mit der CDU in Schleswig-Holstein nicht geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie heizen damit natürlich auch eine Debatte an, die wir eigentlich hinter uns lassen müssten. Wir haben nun einmal durch das Landtagswahlergebnis einen Auftrag bekommen, für den wir uns in der Schulstrukturdiskussion arrangieren müssen. Ihr Antrag heizt eine Debatte an, die einen Schritt zurück bedeutet. Wir wollen dies nicht. Deshalb ist der Antrag, den wir alternativ zur Abstimmung vorlegen, eine klare Antwort auf Ihren Antrag. Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, den Schulartenbezug auch künftig in der Lehrerausbildung zu verankern.

Wir haben von CDU und SPD einen gemeinsamen Antrag vorgelegt. Wir wollen schnell, aber nicht voreilig und vor allen Dingen auch nicht vorschnell handeln. Wir geben der Landesregierung den nötigen Handlungsspielraum, den sie braucht, um das Ganze bei der Kultusministerkonferenz zu synchronisieren. Wir werden darüber im Ausschuss angemessen und vernünftig beraten.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Herbst. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir sagen lassen und weiß auch aus eigener Erfahrung: Lehrerbildung ist im Landtag ein ständiges Thema. Er hat in den letzten Jahren mehrfach über die Neuordnung der Weiterbildung der Lehrkräfte beraten, da die im Jahr 2003 beschlossene zweite Phase der Lehrerausbildung und der Lehrerbildung gerade in die Praxis umgesetzt worden ist.

Betroffene, Schulpraktiker und Experten haben zum Teil deutliche Kritik an der Reform im Einzelnen geübt. Aus der Kritik muss man im Einzelfall Konsequenzen ziehen. In der Diskussion ist aber eines immer unstrittig gewesen: Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss sich sehr viel stärker als bisher an der beruflichen Praxis orientieren.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt in besonderem Maße für die Gymnasiallehrer, die sicherlich eine hochkarätige fachwissenschaftliche Ausbildung erhalten haben, aber so gut wie gar nicht auf die pädagogischen Herausforderungen ihres Berufs vorbereitet worden sind. Dies gilt aber auch für andere Schularten. Wir wissen alle, wie sehr sich die pädagogischen Probleme an den Hauptschulen bündeln.

(Heiterkeit bei der SPD)

- Einige haben jetzt natürlich gedacht, dass ich nicht weiß, dass ich „kumulieren“ hätte sagen sollen. Aber ich habe mich anders ausgedrückt, um festzustellen, ob Sie aufmerksam zuhören.

Was auf der Tagesordnung steht, ist die Reform der ersten Phase, also des Lehramtsstudiums, zugleich die engere Verzahnung zwischen beiden Ausbildungsabschnitten. Neben der besseren Vorbereitung auf eine pädagogische Tätigkeit muss das Ziel stehen, dass die Entscheidung für den Lehrerberuf frühzeitig überprüft und gegebenenfalls auch korrigiert werden kann. Das liegt im Interesse der künftigen Schüler und Schülerinnen, denen wir auch im Zeichen des Lehrermangels ungeeignete Pädagogen ersparen sollten. Es liegt im Interesse der Hochschulen und des Landes, da wir uns keine Fehlallokationen von Ressourcen leisten können. Es liegt zuallererst auch im Interesse der jungen Menschen, die wir nicht in eine Sackgasse laufen lassen dürfen, wenn sie erst nach

(Detlef Buder)

einem längeren Studium beim Berufseinstieg die bittere Erfahrung machen müssen, dass sie die nötigen Voraussetzungen für diesen Beruf gar nicht mitbringen. Der gute Wissenschaftler ist bekanntlich nicht immer der beste Pädagoge. Das gilt natürlich auch umgekehrt.

Die beiden vorgelegten Anträge orientieren sich an diesen Zielen. Der wesentliche strukturelle Unterschied liegt natürlich auf der Hand und ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ja auch klar benannt worden. Das haben wir eben auch gehört.

Geschäftsgrundlage der Koalition ist, dass das gegliederte Schulwesen derzeit, also in der 16. Legislaturperiode, erhalten bleibt, dass aber auf der anderen Seite der Einstieg in die Gemeinschaftsschule unternommen werden kann. Das ist nach Auffassung der SPD insgesamt natürlich nicht für alle Ewigkeit festgeschrieben. Aber aus dem Koalitionsvertrag folgt zu dem jetzigen Zeitpunkt logischerweise, dass wir die Lehramtsausbildung nicht ohne Bezugnahme auf die Schulart gestalten können. Das ist so logisch.

Zu den Eckwerten für die Neugestaltung des Lehramtsstudiums gehört für uns deshalb die Verbesserung der Berufsvorbereitung durch studienbegleitende Schulpraktika, die in die universitären Curricula eingebettet und von ihnen begleitet sein müssen. Ich nenne weiter: Angleichung an die europäischen Studienstrukturen durch Umstellung auf die konsekutiven Abschlüsse Bachelor und Master, um das Berufsfeld der Absolventen zu erweitern und damit ihr Arbeitslosigkeitsrisiko zu mindern. Wir dürfen uns ja nicht einbilden, dass alle Lehramtsstudienabschlüsse auf alle Ewigkeit dazu führen, dass die Leute im öffentlichen Schulwesen unterkommen, sondern wir müssen uns auch darauf vorbereiten, dass diese Absolventen auf dem zweiten Arbeitsmarkt ihr Einkommen finden. Wir dürfen sie jedenfalls nicht vorsätzlich in die Berufslosigkeit laufen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Eckwerten für die Neugestaltung gehören ferner die Verbindung der theoretischen Ausbildung und der Unterrichtspraxis in der Master-Phase, Betriebspraktika für Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten und die Ausrichtung der lehrerbildenden Hochschulen auf diesen Reformprozess durch Lehrangebote und Forschungstätigkeiten.

Die Verzahnung zwischen der ersten und der zweiten Phase der Lehrerbildung muss natürlich so gestaltet werden, dass die gegenseitige Anerkennung der Lehramtsausbildung mit den übrigen Bundesländern nicht infrage gestellt wird. Das macht keinen Sinn. Das gilt besonders für die Länge der zweiten Phase.