In den letzten Jahren haben wir in Deutschland Erhebliches getan, um die Eltern direkt zu fördern, besser zu fördern, sei es durch die Erhöhung des Kindergeldes, sei es durch die Umstrukturierung der Elternzeit, sei es beim Wohngeld oder beim BAföG. - Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Aber im internationalen Vergleich sind wir immer noch schlecht, wenn es um Fragen der Infrastruktur geht. Insofern müssen wir handeln, damit wir 2010, wie im Tagesstättengesetz vorgesehen, ein angemessenes, bedarfsgerechtes Angebot haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist Ziel unserer Politik. Dazu gehört selbstverständlich auch ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot, das die unterschiedlichsten Betreuungsmodelle umfasst. Die Bundesregierung hat dazu das Tagesbetreuungsausbaugesetz auf den Weg gebracht. Die Union hätte sich in diesem Bereich sicherlich auch andere Wege vorstellen können. Das ist heute allerdings nicht das Thema. Heute geht es um den Stand der Umsetzung eines Gesetzes.
Das Tagesbetreuungsausbaugesetz ist bekanntermaßen zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten und damit gerade neun Monate alt. Es steckt also sozusagen noch in den Kinderschuhen. Somit kann der Bericht, der vorgestellt wurde, nur eine erste Momentaufnahme sein. Für die Umsetzung des Gesetzes hat die Bundesregierung einen Zeitrahmen bis 2010 vorgesehen.
In dieser Zeit soll ein bedarfsdeckendes Betreuungs- und Förderangebot auch für die unter 3-jährigen Kinder und für die Kinder im schulpflichtigen Alter vorgehalten werden. Finanziert werden soll das Ganze durch die bei den Kommunen vermuteten Entlastungen von 2,5 Milliarden € im Rahmen der Umsetzung von Hartz IV.
Bis jetzt weiß noch keiner, wie diese Entlastungen tatsächlich aussehen werden. Damit wissen die Kommunen auch noch nicht, wie groß - so überhaupt vorhanden - die Ressourcen für die Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes sein werden. Hier wird auch vonseiten der Landesregierung sehr scharf darauf zu achten sein, dass der Bund im Rahmen der Revisionsklausel zu Hartz IV den Kommunen die Entlastung tatsächlich zuteil werden lässt.
An dieser Stelle beklagen die Kommunen zu Recht, dass ihnen der Bund Aufgaben überstülpt, ohne gleichzeitig zu sagen, wie sie finanziert werden sollen.
So ist auch nicht anders zu erwarten, dass in der kurzen Zeit der Gültigkeit dieses Gesetzes die Umsetzung in den Kommunen höchst unterschiedlich gehandhabt wird. Dass es bei der Bedarfsermittlung der Betreuungsplätze zu Schwierigkeiten gekommen ist, hängt zum einen mit deren Komplexität zusammen. Zum anderen bitte ich zu berücksichtigen, dass die Kommunen auch mit der Umsetzung der Vorgaben nach Hartz IV beschäftigt waren, was durchaus nicht immer reibungslos abgelaufen ist.
Umso erfreuter entnehme ich Ihrem Bericht, Frau Ministerin, dass die Mehrheit der Jugendämter signalisiert hat, dass sie ein bedarfsgerechtes Angebot vorhalten. Inzwischen haben sich alle Kreise auf den Weg gemacht. Es laufen zahlreiche Bestrebungen, dieses Betreuungsangebot auszubauen, zum Beispiel durch die Ausbildung von Tagespflegepersonen, die flexibel und bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Das zeigt, wie verantwortungsbewusst die kommunalen Familien mit diesem Auftrag umgehen.
Was die Finanzierung von Landesseite angeht, so wissen wir, dass die Kinderzahlen rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung trotz der angespannten Haushaltslage den Kommunen Zahlungssicherheit gegeben mit der festen Zusage für diese Legislaturperiode von 60 Millionen € jährlich für die Kinderbetreuung. Damit ist eine Steigerung der Mittel, bezogen auf die Anzahl der Kinder, verbunden, die für die Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes genutzt werden sollen. Das gilt insbesondere für den Bereich der unter 3-Jährigen.
Was die Bedarfsentwicklung der schulpflichtigen Kinder betrifft, so wird der Ausbau der Verlässlichen Grundschule und der Betreuten Grundschule ebenso wie das Angebot von Ganztagsschulen sicherlich unter dem Gesichtspunkt zu berücksichtigen sein,
Vom heutigen Standpunkt aus insgesamt gesehen gehe ich davon aus, dass wir in Schleswig-Holstein bei der Umsetzung des Gesetzes - das hat der Bericht der Ministerin, der im Übrigen sehr umsichtig war, gezeigt - auf einem guten Weg sind. Ich hoffe, wir werden es schaffen, für Schleswig-Holstein ein bedarfsgerechtes Angebot machen zu können.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen. - Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Astrid Höfs.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz für Kinder unter drei Jahren, das am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, werden in Deutschland die Angebote zur Kinderbetreuung endlich in ausreichender Zahl und in guter Qualität ausgebaut. Bis zum Jahr 2010 werden dadurch in Deutschland voraussichtlich etwa 230.000 Kinder mehr als heute in Kindertageseinrichtungen, von Tagesmüttern und hoffentlich auch von Tagesvätern betreut werden. Internationale Vergleiche zeigen, dass eine gut ausgebaute Kinderbetreuung gut für die Kinder im Sinne einer Förderung ist. Dies ist ein gutes, wirksames Mittel gegen Familienarmut und auch ein gutes Mittel im Hinblick auf die Steigerung der Geburtenrate.
Wir wissen, dass 1 €, der im Elementarbereich ausgegeben wird, so viel bringt wie 4 € in einer späteren Bildungsmaßnahme.
Nun ist dieser Gesamtausbauprozess in den Kommunen noch am Beginn. Dennoch meldet die überwiegende Zahl der schleswig-holsteinischen Kreise bereits jetzt, dass sie den Betreuungsbedarf decken können. Das finde ich recht überraschend, aber auch sehr erfreulich. Sicher werden in den größeren Städten Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren eher vorhanden sein als in den ländlichen Bereichen. In den übrigen Kreisen sollen ja die Ausbaustufen beschlossen werden, mit denen bis 2010 ein bedarfsgerechtes Angebot vorhanden sein wird.
Es ist gut, dass der Betreuungsbedarf jährlich zum 15. März neu ermittelt werden soll. Das ist auch verständlich. Denn die Kinderzahlen sind keine konstante, feste Größe.
Bisher waren Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren in den Kreisen allerdings in sehr unterschiedlichem Maße vorhanden. In Teilbereichen gab es überhaupt keine Angebote für Kinder unter drei Jahren. Noch Ende 2004 hatte in Schleswig-Holstein laut Statistischem Landesamt die frühkindliche Förderung eher Seltenheitswert. Auf 1.000 Kinder kamen lediglich 26 Krippenplätze.
Deshalb ist es mit Sicherheit erforderlich, dass hier genau hingeschaut wird, wie sich die Entwicklung vor Ort gestaltet. Wir wissen aber, dass die Geburtenzahlen sinken. Wenn ein Betreuungsangebot für Kinder vor Ort vorhanden ist, werden Eltern dieses Angebot sicher wahrnehmen, auch öfter annehmen. Ein Angebot muss überhaupt präsent sein. Mir sind jedenfalls Familien bekannt, die in den letzten Jahren sehr gern ein Angebot für Kinder unter drei Jahren wahrgenommen hätten, wenn es überhaupt vorhanden gewesen wäre. Aber in einigen Kommunen war das Verständnis hierfür nicht besonders groß. Zum Teil haben Eltern Umzüge in Kauf genommen, um ihr Kind betreuen zu lassen und damit sie selber ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Ganz besonders schwierig und sogar noch gravierender ist der Bedarf für berufstätige Alleinerziehende. Sie brauchen in jedem Fall einen Betreuungsplatz für ihr Kind, wenn sie einer Arbeit nachgehen wollen.
Qualitativ gute und quantitativ ausreichende Kindertagesstätten sind eine notwendige familienergänzende Förderungsmöglichkeit für Kinder.
Einige Kindertagesstätten haben bereits die Belegungsrückstände beklagt, die in ihren Einrichtungen zu verzeichnen sind. Ich denke, die Träger dieser Einrichtungen wären gut beraten, wenn sie sich zügig daranmachten, die Plätze für unter Dreijährige anzubieten. Ich vermute, realistische Angaben über die vorhandenen Betreuungsangebote werden erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, wenn die Ausbausituation vor Ort weiter fortgeschritten ist. Denn die Ausbauphase bis 2010 kann wirklich noch so lange dauern, wenn man dem tatsächlichen Bedarf wirklich gerecht werden will. Wir werden über derartige Situationen hier sicherlich noch einige Male diskutieren.
Ich danke der Frau Abgeordneten Astrid Höfs. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es waren nicht nur unsere europäischen Nachbarn wie etwa Frankreich, die uns vorgemacht haben, wie man durch entsprechende Angebote Familie und Beruf nicht nur in Parteiprogrammen miteinander vereinbart werden können, sondern auch tatsächlich. Es waren vielmehr auch unsere östlichen Bundesländer, die mit einer entsprechenden Infrastruktur weitaus mehr Erfahrung als die westlichen Länder haben.
Frau Kollegin Franzen, was Sie im Hinblick auf die Finanzierungsschwierigkeiten aufseiten der Kommunen gesagt haben, ist nach meiner Auffassung der Hauptpunkt bei den Schwierigkeiten, die wir heute bei der Umsetzung haben. Hier liegt der Knackpunkt dafür, wie das Tagesbetreuungsausbaugesetz gestrickt worden ist. Mit diesem Knackpunkt werden wir uns bei der Umsetzung immer wieder beschäftigen. Deswegen will ich den Schwerpunkt meiner Rede darauf legen.
So wie das Tagesbetreuungsausbaugesetz umgesetzt worden ist, besteht die Gefahr, dass der Wunsch nach einer besseren Infrastruktur für mehr Familienfreundlichkeit unerfüllt bleibt, weil hier Wunsch und Wirklichkeit wegen der finanziellen Leistungsfähigkeit mancher Kommunen nicht miteinander in Einklang gebracht werden zu können drohen. Hier wurde es schlichtweg versäumt, die eigentlich Betroffenen vor Ort mitzunehmen. Nur zur Erinnerung: Es wurde ein umfassendes Gesetz vorgelegt, das den Ausbau der Tagesbetreuung für unter Dreijährige quantitativ und qualitativ einfordert. Dabei handelt es sich auch für die Kommunen um einen gesellschaftspolitisch wichtigen Bereich, der von ihnen vom Grundsatz her auch unterstützt wird.
Wenn aber alle dieses Ziel wollen und unterstützen, dann darf man die Kommunen bei der Umsetzung nicht damit allein lassen oder den ursprünglichen Entwurf des TAG in ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz umschreiben, um die berechtigten Einwände, die der Bundesrates geltend gemacht hat, ins Leere laufen lassen, und das ist damit passiert.
Vor dem Hintergrund, dass ein Konnexitätsprinzip zwischen Bundes- und kommunaler Ebene fehlt und die Föderalismuskommission mit dem Ziel gescheitert ist, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entzerren, hätte zumindest eine konkrete Aussage zu einer gesicherten Finanzierung getroffen werden müssen.
Mit der Begründung, dass sich eine Finanzierung der Anforderungen aus dem TAG für die Kommunen aus sinkender Geburtenrate und Einsparungen durch die
Umsetzung von Hartz IV ergibt - das hat schon die Kollegin Heinold angesprochen -, hat es sich die demnächst nicht mehr amtierende Bundesregierung bei dem Entwurf des Gesetzes einfach zu einfach gemacht. Dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, war aus unserer Sicht von Anfang an zu durchschauen.
So wurde lediglich versucht, mit der Hilfe eines Gesetzes in untauglicher Weise Symptome zu kurieren, ohne aber deren Ursachen zu beseitigen. Dass entsprechende Betreuungsangebote fehlen, ist nicht immer unbedingt die Folge eines gesetzlichen Defizits, sondern die der prekären finanziellen Situation in den Städten, Kreisen und Gemeinden.
Denn bereits nach der Regelung des alten § 24 SGB VIII waren Kommunen verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot für Kinder unter drei Jahren vorzuhalten. Dass die durchschnittliche Versorgungsquote in den westlichen Bundesländern bei nur 2,7 % liegt, erklärt uns der Landesrechnungshof in seinem Kommunalbericht 2005 sehr deutlich: Der Ausbau dieser Angebote ist wesentlich kostenintensiver als zum Beispiel der von Elementar- oder Hortgruppen. Denn sie benötigen einen höheren Personalschlüssel bei zugleich kleineren Gruppengrößen. - Und das können sich die Kommunen angesichts ihrer finanziellen Situation schlicht und ergreifend derzeit nicht mehr leisten.
Die kleine Hintertür des TAG - es besteht kein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren und es gibt somit für betroffene Eltern keine Möglichkeit, einen Betreuungsplatz einzuklagen - macht dabei etwas anderes deutlich: Hier soll allen Beteiligten etwas vorgegaukelt werden. Das gewollte Ziel, mehr Familienfreundlichkeit zu erhalten, bleibt dabei zumindest teilweise auf der Strecke.
- Sie haben doch gerade dazwischengequatscht. Ich nehme an, es war ein qualifizierter Dazwischenquatscher, Herr Kollege Nabel.
Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir bei der Forderung nicht nur in unseren Parteiprogrammen stecken bleiben. Es ist umso wichtiger, dass der Umsetzungsprozess jetzt durch das Land so weit begleitet wird, dass den Kommunen tatsächlich unter die Arme gegriffen wird und sie entsprechend begleitet werden.
Wir danken dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg. - Das Wort für die Gruppe des SSW erhält der Herr Abgeordnete Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja kein Geheimnis, dass die Bundesrepublik eine Geburtenrate hat, die weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt.
Man kann natürlich vielfach über die Gründe dieses Geburtenrückgangs streiten, aber in einem sind sich viele Experten einig: Die Kinderbetreuung und damit die Möglichkeit der Eltern, Familie und Beruf unter einem Hut zu bringen, lässt in Deutschland sehr zu wünschen übrig.