Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Das ständige Hin und Her der Agrarpolitik führt auf den Höfen zu Entscheidungen, die nur für den Moment gültig sind und viel Flexibilität erfordern. Das belastet insbesondere junge Betriebsleiter, die Zukunftsinvestitionen planen. Wenn es gelingt, die neuen Modulationsmittel zu binden - und davon gehe ich aus -, dann müssen sie für eine planbare und nachhaltige Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist auch von der Politik abhängig. Das zu leisten, sind wir aufgerufen. Ich beantrage daher die Überweisung der beiden Anträge an den Umwelt- und Agrarausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 20. November dieses Jahres hat der EU-Agrarministerrat in einer Nachtsitzung die im Vorfeld heiß diskutierten Beschlüsse zum sogenannten Health Check - auf Deutsch heißt das: die Überprüfung der Gesundheit der gemeinsamen Agrarpolitik - gefasst.

Nun hat sich der Nebel über den Äckern und Wiesen gelegt, und die kontroverse Kommentierung der Beschlusslage über die Inhalte lässt den Schluss zu, dass mit diesen Kompromissbeschlüssen ein tragfähiges Ergebnis erzielt wurde.

Wer mehr für die Landwirtschaft oder den ländlichen Raum erwartet hat, der sei daran erinnert, dass immerhin noch rund 43 % des EU-Haushalts in die Agrarpolitik fließen. Von den Etats der Landwirtschaft und der ländlichen Räume mit zusammen 53 Milliarden € gingen im letzten Jahr 6,8 Milliarden € an deutsche Bauern. Angesichts der erforderlichen Verlässlichkeit für die Landwirtschaft konnte daher nur eine Weiterentwicklung und keine Kehrtwende in der Agrarpolitik vollzogen werden.

Der Weg in eine zukunftsfähige Landwirtschaft und eine bessere Infrastruktur in den ländlichen Räumen ist klar und wird durch die Beschlüsse unterstrichen: Direktzahlungen werden entkoppelt und mit konkreten Umwelt- und Naturschutzstandards gekoppelt. Das nennen die Fachleute „Cross Compliance“. Der Aufwand für die Betriebe und Behörden wird weiter vereinfacht.

Die Umverteilung der Direktzahlungen der ersten Säule in die Entwicklung des ländlichen Raumes, also in die zweite Säule, wird durch neue Modulationssätze, gestuft nach Größe der Betriebe, verstärkt. Hier stehen neue Mittel bereit, um in den Bereichen Klimawandel, Wassermanagement, Schutz der biologischen Vielfalt und Erzeugung von Bioenergie und als Mittel für den sogenannten Milchfonds eingesetzt werden zu können.

Diese neuen Modulationsmittel müssen durch Bund und Land kofinanziert werden. Für Schleswig-Holstein sind im Schnitt 16 Millionen € zu 25 % von Bund und Land kozufinanzieren, damit die Gelder im Land gehalten werden können. Das ist angesichts unserer Haushaltslage keine einfache Aufga

(Claus Ehlers)

be. Der Appell im Antrag des SSW ergeht aber auch in unserem Namen.

Weiter entsteht durch die in letzter Minute getroffene Entscheidung, den geplanten sanften Milchquotenausstieg in den benachteiligten Regionen mit Mitteln aus der zweiten Säule zu fördern, eine Konkurrenz zu den Zielen Biodiversität, Klimaschutz, Wasserhaushalt und erneuerbare Energien. Diese Konkurrenz darf bei allem Verständnis für die schwierige Situation der Milcherzeuger auch in Schleswig-Holstein nicht dazu führen, dass alle anderen Ziele vergessen werden. Wir wollen eine zukunftsfähige Milchproduktion und Landwirtschaft in einem intakten ländlichen Raum mit guter Infrastruktur.

Angesichts der großen Probleme für unsere Milchbauern dürfen bei dem Weg raus aus der Milchquote bis zum Jahr 2015 mit dem Milchfonds von über 300 Millionen € bundesweit keine zu großen Hoffnungen genährt werden. Der „Spiegel“ spricht in seiner aktuellen Ausgabe bei einem Zuschuss von 0,5 ct/l - wenn Sie das nachrechnen, stellen Sie fest, dass das bei einer 500-l-Kuh, die wir haben, ungefähr 42,50 € pro Euter und Jahr wären; das ist natürlich keine Größenordnung - etwas spöttisch von einem sogenannten Sterbegeld für die Milchbauern. Dies ist angesichts der Schwankungen auf dem Milchmarkt keine wesentliche Stütze.

Schleswig-Holstein hat als guter Milchproduktionsstandort mit seinem Produktionswert von knapp 800 Millionen € jährlich gute Chancen und muss seinen eigenen Weg gehen, um die Milchproduktion zu steigern. Dazu gehören einzelbetrieblich betrachtet erhebliche Anstrengungen und strukturelle Anpassungen in überbetriebliche Kooperationen, dies selbstverständlich auch bei den Meiereien. Dieser Weg des aktiven Wachstums wird durch die leicht erhöhten Milchquoten gestützt, denn er macht die Milchquoten als solche billiger.

Wir beantragen, beide vorliegenden Anträge dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen und auf besondere Bitte der Kolleginnen und Kollegen aus dem Europaausschuss auch dorthin.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht muss man Zyniker sein, um angesichts der jüngsten Berichterstattung in den Medien über die „Reform der gemeinsamen Agrarpolitik“ nicht die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. In der Berichterstattung heißt es, dass Europas Landwirte bis 2012 auf weitere 5 % ihrer Direktbeihilfen verzichten müssen und ab 2013 insgesamt 10 % weniger Direktzahlungen erhalten.

Jedenfalls darf man kein Landwirt sein oder - wie ich - deren Leistungen wertschätzen. Denn wer Belastungen allein für die deutschen Bauern in dreistelliger Millionenhöhe als „Verbesserung des Bestehenden“ vermarktet - genau das heißt das Wort „Reform“ -, der missachtet wahrlich jegliche Wertvorstellungen unserer Landwirte.

Ich kann daher auch die Begeisterung für den jüngsten EU-Kompromiss zum Umbau der Agrarsubventionen, wie sie der SSW und die Grünen heute oder die neue Bundeslandwirtschaftsministern Ilse Aigner von der CSU äußern, in dieser Form nicht teilen. Dabei stimme ich der Grundidee, die seinerzeit mit der Einführung der Modulation verfolgt und für die Gegenwart zuletzt 2006 in den sogenannten strategischen Leitlinien schwerpunktmäßig festgelegt wurde, durchaus zu.

Schwerpunkt der Förderung kann heute infolge der Entwicklungen auf dem Nahrungsmittelmarkt nicht mehr die Sicherstellung der allgemeinen Versorgung mit Lebensmitteln sein. Heute liegen die neuen gesellschaftlichen Herausforderungen neben der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft ohne Frage auch beim Klimawandel, der Bioenergieerzeugung, der Wasserbewirtschaftung oder dem Erhaltung der Biodiversität.

Gleichwohl müssen wir berücksichtigen, dass wir in Deutschland und in Schleswig-Holstein den Weg weg von den betriebsindividuellen und produktionsabhängigen Prämien hin zu einheitlichen Flächenprämien schon sehr konsequent gegangen sind. Die aktuellen Zugeständnisse an die europäischen Partner betrachte ich daher eher kritisch. Denn durch die aktuelle Reform werden die Agrarsubventionen tatsächlich insgesamt nicht gesenkt. Sie sollen nur nicht mehr wie bisher beim Landwirt ankommen, sondern bevorzugt für eine ländliche Entwicklung im Allgemeinen eingesetzt werden.

Dafür mag es im Einzelfall gute Gründe geben. Nur, in der Summe fehlt dieses Geld den Landwirten - und das in einer Zeit, in der sich die Agrarmärkte weltweit ohnehin in einer äußerst schwieri

(Dr. Henning Höppner)

gen Absatzlage befinden, und das nicht nur, wenn auch im besonderen Maß bei der Milch.

Insbesondere der Forderung des SSW, „die Mittel sollen... für die Regionalentwicklung... zur Verfügung gestellt werden“, muss ich an dieser Stelle bereits deutlich widersprechen. Wir brauchen, gerade in einem Agrarland wie Schleswig-Holstein, die Förderungen dicht bei den Landwirten. Das schließt mögliche Anreizprogramme beispielsweise für umweltschonendere Bewirtschaftungsformen nicht aus.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU] und Klaus Klinck- hamer [CDU])

Es sollte aber Programme ausschließen, die allenfalls geeignet sind, einer Form des idyllischen Landlebens Vorschub zu leisten, bei dem der realen Landwirtschaft nur eine Statistenrolle, im besten Fall noch eine Nebenrolle zukommt.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Landwirte sind Unternehmer, kleine und mittelständische Betriebe. Sie brauchen Planungssicherheit. Sie müssen auf die Rahmenbedingungen, wie sie zuletzt 2006 für den Zeitraum bis 2012 festgelegt wurden, als verlässlich und sicher vertrauen können.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU] und Klaus Klinck- hamer [CDU])

Die haben investiert und müssen die Finanzierung, also auch die Zinsen, entsprechend sicherstellen. Wenn im Lauf eines Planungszeitraumes die Förderung geändert wird, kommen diese Landwirte in Schwierigkeiten. Weil sie nur dann Eigenkapital bilden können, um investieren zu können, um konkurrenzfähig zu sein, im laufenden Betrieb aber auch in künftigen Generationen. Weil sie nur dann in der Lage bleiben, ihren Kapitaldienst in den kalkulierten Zeiträumen bedienen zu können. Schließlich sind die gesamten Investitionen, die ein Betrieb leistet, um nach den Regeln der guten fachlichen Praxis zu wirtschaften, kein Pappenstiel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Genau diese Planungssicherheit nehmen wir den Landwirten aber, wenn wir nunmehr im Zug der aktuellen Reform der Reform neuerliche Umschichtungen vornehmen - weg vom Landwirt, hin zur Regionalentwicklung. Im Interesse unserer leistungsfähigen Landwirte und im Interesse des Agrarstandortes Schleswig-Holstein hoffe ich daher

sehr, dass wir uns in dieser Frage im Ausschuss einig werden können. Der grundsätzlichen Idee einer soliden Kofinanzierung der EU-Agrarmittel stimme ich ohne Weiteres zu. Das ist Voraussetzung.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU], Klaus Klinckha- mer [CDU] und Manfred Ritzek [CDU])

Für die Landesregierung hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Name „Health Check“ lässt sich vielfach interpretieren. Wenn man ihn anwendet, könnte man in der Analyse am Ende sagen: Die verabreichte Medizin ist bitter, aber nicht ganz so bitter, wie man es beim ersten Löffel erwartet hat. - Der „Health Check“ geht weiter, als der SSW-Antrag das vorsieht. Er bezieht sich auf mehr als nur die Modulation, auch wenn das vielleicht der Kern ist. Es wird die gesamte Agrarreform von 2003 überprüft.

Erinnern wir uns daran, wer damals im Agrarrat für Deutschland die Hand gehoben hat. Das war die offensichtlich auch bei den Grünen in Vergessenheit geratene Frau Künast. Sie hat damals mit dafür gesorgt, dass es zu einer entkoppelten Prämie gekommen ist, dass es zu mehr Marktwirtschaft gekommen ist und dass wir bis 2013 Prämien für Ackerland und Grünland angleichen werden. Das ist ein langfristig angelegter Prozess bis 2013.

Das, was unsere Landwirte heute einfordern, ist nichts anderes als Verlässlichkeit in genau diesem Prozess, den Sie einmal mit der grünen Partei unterstützt haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

350 Millionen € fließen in die schleswig-holsteinische Landwirtschaft, und - ich sage es ganz deutlich - das in einer ganz schweren Zeit. Wir kennen die Milchmarktdebatte. Der eine oder andere kennt auch die Situation auf dem Sauenmarkt. Hinzu kommen niedrige Erzeugerpreise, gestiegene Futtermittel- und Energiepreise. Ich sage Ihnen eines: Diese 380 Millionen € sind nicht irgendwo dumm verteiltes Geld, sondern das ist Geld, das anschließend in unserem Land bleibt.

(Günther Hildebrand)

Im Unterschied zu vielen anderen gehen die Bauern nicht an den internationalen Finanzmarkt. In den meisten Fällen spekulieren sie auch nicht mit Aktien, sondern sie legen das Geld ganz gezielt wieder in ihren Betrieben an. Sie reinvestieren es. Aufträge schreiben sie auch nicht europäisch aus, sondern sie vergeben sie an örtliche Handwerker. Das ist echtes Geld für die Region Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dieses Geld wird nun für den Durchschnittsbetrieb um bis zu 5 % gekürzt. Daran kann ich zunächst einmal nichts Erfreuliches finden; zumindest dann nicht, wenn ich das Geld nur dann zurückerhalte, wenn ich eigenes Geld aus dem Landeshaushalt mit dazugebe.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen zu echtem Geld?

Sehr gern.

Herr Minister, könnten Sie mir einen schleswig-holsteinischen Dünger- oder Treckerhersteller nennen? Ich frage dies, weil Sie sagten, alles Geld würde von den Bauern hier im Lande ausgegeben.

- Nein, wissen Sie, das Wort „alles“ kann ich an dieser Stelle sicherlich einschränken. Es gilt aber für einen sehr großen Anteil des Geldes. Es gilt für den Anteil, der in die Investitionen fließt. Das wird deutlich, wenn Sie einmal gucken, wie Ställe gebaut werden, wo das Handwerk sitzt, wo die Wertschöpfung in diesem Land liegt. Dann sehen Sie, dass zum Glück auch noch nach langer grüner Politik viel Wertschöpfung in der Landwirtschaft in unserem Land liegt.

(Beifall bei CDU und FDP)