Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

nicht mitgerechnet die vielen Pachtverträge, die von Ihren Berufskollegen beurkundet werden, nicht mitgerechnet etwa Firmen, die nur mittelbar damit zu tun haben, und so weiter, und so weiter.

Die Arbeitsplatzproduktivität in der ErneuerbareEnergien-Branche auch in Schleswig-Holstein ist enorm. Die ökologische Energiewende ist ein konjunktur- und arbeitsplatzproduktiver Prozess, wie er im Buche steht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter Matthiesen, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kubicki?

Gern. Ich finde, wir lernen alle von Herrn Kubicki.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Matthiessen, ich bin ja auch dafür, dass alles veröffentlicht wird, was wir hier so treiben. Sie haben allerdings nicht von der Arbeitsplatzproduktivität geredet.

- Ach so. So hatte ich es verstanden.

Sie haben davon gesprochen, wie hoch die Kosten der Errichtung eines Arbeitsplatzes im jeweiligen Gewerbe ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist aber ein Un- terschied, Herr Kollege Matthiessen!)

Das ist ein großer Unterschied. Sie sagen, wir sollten wissen, dass Service und sonstige Leistungen im nachgelagerten Bereich bei Windenergieanlagen eine erhebliche Bedeutung haben. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass das für Kernkraftwerke in noch größerem Ausmaß der Fall ist.

- Nein, Herr Kubicki, die Zahlen liegen ja vor. Wir können das im Ausschuss vertiefen. Das müssen wir jetzt nicht ad extenso hier im Haus machen.

Wir haben aber auch die Zahlen für den Atomsektor nachgefragt. Da sind ungefähr 1.000 Leute beschäftigt, wenn der Betrieb läuft. Das verdoppelt sich durch die Revisionsstillstände. Dem stehen immer noch 7.000 Leute allein in der Windbranche in Schleswig-Holstein gegenüber. Diese Summe wird noch einmal ergänzt um ungefähr 2.000 - vielleicht sind es auch 5.000 - Arbeitsplätze im Bereich Fotovoltaik und so weiter. Das können wir gern im Ausschuss vertiefen. Das ist nämlich ein interessantes Thema, Herr Kubicki.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen voraus: Die fossil-atomare Zeit der harten Energieträger ist vorbei. Sie ist vorbei, weil diese Energieträger unter Arbeitsplatzgesichtspunkten der Holzweg sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/2342 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 20 auf:

Bericht zum PISA-Ländervergleich

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2341

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Diejenigen, die diesen Bericht hören möchten, bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit erhält die Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Schulstudien erzeugen zunehmend Verdruss. Der Politik liefern sie aber wertvolle Hinweise. - So fasst Tanjev Schultz in der „Süddeutschen Zeitung“ die Diskussionen nach IGLU, PISA und TIMSS zusammen.

Ja, er hat recht: Auf nationale und internationale Vergleiche sind wir angewiesen, um Schlussfolgerungen für das eigene Handeln ziehen zu können. Ja, wir wären ohne die intensiven Diskussionen nach PISA 2000 nicht so weit, wie wir heute sind. Sie haben das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung gestärkt, und sie haben erhebliche Impulse für die überfälligen Reformen im Bildungswesen gesetzt. Sie legen immer wieder den Finger in die Wunden, die wir nach wie vor haben.

PISA und IGLU liefern aber keine Erklärungen frei Haus. Sie beschreiben und messen, und sie bedürfen der sorgfältigen Interpretation. Einfache Antworten, zum Beispiel auf die Frage, warum in der PISA-Studie national gesehen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und international gesehen Dänemark, Schweden und Norwegen weit hinter Schleswig-Holstein liegen, gibt es eben nicht. Warum liegen Sachsen, Korea und Japan weit vor

ne? Ist Dänemark nun plötzlich eine Bildungswüste, und ist Korea auf einmal das Bildungsparadies? Werden Kinder dort besser fürs Leben gerüstet?

Zu IGLU. Bis auf Bremen und Hamburg liegen alle deutschen Bundesländer weit über dem internationalen Durchschnitt, und alle Bundesländer bis auf Thüringen - das liegt oben - und Bremen - das liegt unten, und nun zitiere ich aus der Zusammenfassung der vorgelegten Studie - liegen „nicht signifikant vom deutschen Mittelwert“ entfernt. Wie man dann dazu kommen kann, das Ergebnis für Schleswig-Holstein als schlecht zu bezeichnen, bleibt ein Geheimnis. Das tut man doch nur, wenn man auf Faktenkenntnis verzichten will, damit man besser draufhauen kann.

(Beifall bei SPD und SSW)

Was nun die zentrale Kompetenz betrifft, die 2006 bei PISA überprüft wurde, so geht es um die Naturwissenschaften. Hier zeichnet sich zunächst ein ähnliches Bild ab: Schleswig-Holstein liegt im deutschen Ländervergleich auf Platz 10. Es hat sich nach Punkten verbessert, ist aber auf dem Rangplatz nach hinten gerutscht, weil der Zuwachs bei anderen Ländern höher war. Ähnlich geht es übrigens Hessen und Niedersachsen.

International liegt Schleswig-Holstein immer noch vor den bereits genannten Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen. Damit muss man nicht zufrieden sein - das bin ich auch nicht -, aber man muss sich auch nicht verstecken. Das gilt schon gar nicht vor dem Hintergrund der guten und sehr guten Ergebnisse unserer Gymnasien.

Schwer nachvollziehbar und auch enttäuschend ist für mich allerdings, dass die Leistungen in Mathematik und im Lesen zwar zwischen 2000 und 2003 zunächst besser geworden sind, sich danach aber überhaupt nicht bewegt haben. Ich sah in der Veranstaltung mit den Professoren meinen Kollegen aus Baden-Württemberg, der auch ziemlich ratlos war. Dort hatten sich die Leseleistungen von 2000 bis 2003 verbessert - auf einem höheren Niveau als in Schleswig-Holstein, das gebe ich zu -, sind aber zwischen 2003 und 2006 wieder zurückgegangen. Wie kommt das? Hat das vielleicht etwas mit Statistiken und Schätzfehlern zu tun? - Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.

Ich bitte allerdings, genau hinzuschauen. Zum Beispiel liegen im Fach Mathematik zwischen dem elften Platz, auf dem Schleswig-Holstein bei PISAE liegt, und dem fünften Platz drei Punkte; Sie wissen, dass 500 Punkte der Messwert sind. Wenn man sich dann - das muss man natürlich tun, wenn man

sich seriös damit auseinandersetzt - die Klammerwerte in den Tabellen anschaut - Sie haben das gerade getan, Herr Dr. Klug -, dann sieht man, dass dort die Schätzfehler angegeben werden. Bei „Mathematik“ heißt das für Schleswig-Holstein 497 Punkte und damit elfter Platz. Der Schätzfehler liegt bei drei Punkten. Es können also drei Punkte mehr oder weniger sein. So viel zu Statistik, Rangplätzen, ihre Tücken und die Relativität im Mittelfeld.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das gilt für alle!)

- Das gilt für alle Plätze. Das heißt auch, dass Baden-Württemberg deutlich weiter nach hinten rutschen könnte.

Es liegt mir allerdings fern - und da möchte ich nicht missverstanden werden -, das Gesamtergebnis und die Probleme, die wir in Schleswig-Holstein haben, zu relativieren. Dies gilt vor allem für die Befunde, die kritisch sind und besonderen Handlungsbedarf erfordern. Damit meine ich beispielsweise die Lesekompetenz, die in allen Schularten und insbesondere im unteren Leistungsbereich deutlich verbessert werden muss.

Ich bin dankbar, dass wir mit dem neuen Haushalt noch einmal über 30 Stellen direkt für die Ausweitung der Leseprojekte zur Verfügung gestellt bekommen haben. In der Lesekompetenz zeigt sich übrigens bei PISA wie bei IGLU das, was besonders fatal ist, nämlich der Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und den schulischen Leistungen. Das heißt, bei allen Projekten und bei aller Sprachförderung vor der Schule, die ausgeweitet werden müssen und sollen, müssen alle einen Beitrag leisten, damit das besser wird.

(Beifall beim SSW)

Die Leseförderung muss in allen Schulfächern beachtet werden.

Es müssen aber auch die Eltern einbezogen werden. Wenn Eltern ihren Kindern nie etwas vorlesen, wenn keine Bücher im Haus sind, wenn keine Bibliotheken besucht werden, dann darf man sich nicht wundern, dass das Lesevermögen und das Leseinteresse in der Schule kaum noch aufgeholt beziehungsweise geweckt werden können. Deswegen ist die vorschulische Förderung das A und O, das wissen wir inzwischen. An die Eltern muss nicht nur appelliert werden, sondern ihnen muss bei der Unterstützung ihrer Kinder geholfen werden, und zwar beginnend im Kindergarten. Auch die öffentlichen Bibliotheken, Lesepaten und die Medien mit

ihren Beiträgen wie ZiSch und anderem können hier noch mehr beitragen.

Genau hinzuschauen, heißt auch einzubeziehen, dass Schleswig-Holstein auch im Jahr 2006 immer noch den höchsten Anteil aller Schüler mit verzögerter Schullaufbahn, wie das auf PISA-Deutsch so schön heißt, hat. Wir sind hier zwar um 5 Prozentpunkte besser geworden, aber es ist immer noch so, dass ein Drittel der 15-Jährigen, die bei uns getestet wurden, sitzengeblieben, zurückgestuft oder verspätet eingeschult worden sind. In den Hauptschulen sind das fast 70 % der Kinder. Sie können sich ausrechnen, dass diese Schüler noch gar nicht im neunten Jahrgang sind, in den sie als 15-Jährige eigentlich hingehören. Sie können allein schon dadurch noch nicht über die Kompetenz ihrer Altersgenossen verfügen. Woher diese tief sitzende pädagogische Tradition in Schleswig-Holstein kommt, hat mir in all den Jahren noch niemand erklären können.

Das zeigt einmal mehr, wie notwendig es war, seit 2007 mit der Schulreform entscheidende Weichen in unserem Schulsystem neu zu stellen. PISA 2006 ist sozusagen der letzte Blick auf die alten Verhältnisse. Wir wissen seit 2002 in Bezug auf die 15Jährigen von der Problematik des Sitzenbleibens. Das war aber immer schon - seit Jahrzehnten - in Schleswig-Holstein so. Das muss endlich anders werden. Wir haben jetzt endlich die Konsequenzen daraus gezogen und deutlich gemacht, dass das Sitzenbleiben nicht nur teuer ist, sondern in der Regel auch keinen pädagogischen Nutzen hat.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Wir lassen die Hauptschulen auslaufen. Ich könnte auch sagen, wir schaffen sie ab.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und das ändert es?)

- Herr Kubicki, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich heute mit Ihnen nicht auseinanderzusetzen. Das Niveau, das Sie in letzter Zeit angeschlagen haben, ist so unterirdisch, dass ich dazu wirklich keine Lust habe.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich passe mich Ihnen an!)

- Das wird ja immer besser. Wir schaffen die Hauptschulen ab. Wir lassen sie auslaufen, um die Schülerinnen und Schüler aus einem weitgehend isolierten Lernumfeld herauszuholen, das oft schon sehr früh von Perspektivlosigkeit gekennzeichnet ist.