Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

rungen Banken verstaatlichen, dann kann man nur staunen. In welche Richtung ein solches Konjunkturprogramm aber gehen soll, ist heftig umstritten. Das, was die Große Koalition in Berlin zustande gebracht hat, ist leider ein wildes Sammelsurium von mehr oder weniger sinnvollen Maßnahmen ohne einen erkennbaren Leitfaden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Deshalb stimmen Sie dem auch zu!)

Natürlich sind Investitionen in die Bildung wichtig und sinnvoll. Natürlich macht es Sinn, gerade Niedrigverdiener durch die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge und des Eingangssteuersatzes zu entlasten und Eltern pro Kind einen Bonus zu zahlen. So besteht zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Geld in den Konsum fließt. Auf die Konjunktur dürfte das aber nur geringe Auswirkungen haben. Nach einer Umfrage des „Spiegel“ halten 62 % der befragten Bundesbürger das Konjunkturprogramm II für nicht geeignet, die Wirtschaftskrise wirksam zu bekämpfen.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Wie reagieren die Grünen darauf?)

Die Konzentration auf den Straßenbau ist ein großer Unsinn. Der Pkw-Verkehr in Deutschland geht seit acht Jahren zurück. Es wurde längst erkannt, dass es nötig ist, den Güterfernverkehr, der unsere Autobahnen verstopft, endlich auf die Schiene zu verlagern. Jeder, der die Zahlen kennt, weiß, dass die öffentlichen Mittel schon für die Sanierung und für den Unterhalt des vorhandenen Straßen- und Brückennetzes vorn und hinten nicht reichen werden. Wir haben gestern darüber diskutiert. Der größte Aberwitz des Programms aber ist die Abwrackprämie von 2.500 € für jedes Schrottauto.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Deshalb stimmen Sie im Bundesrat auch zu!)

Diese Prämie soll angeblich auf einen Vorschlag der SPD zurückgehen. Sie wird uns auch noch als Umweltprämie verkauft. Die Prämie ist Unsinn, weil es keinerlei Kopplung an einen Umweltstandard des Neuwagens gibt. Die Prämie ist Unsinn, weil alle Experten mit einem Mitnahmeeffekt von mindestens 85 % rechnen. Die Prämie ist auch Unsinn, weil nur ein Strohfeuer angezündet wird.

Die Autokäufe werden nur vorgezogen. Im März, wenn die Prämie erschöpft ist und wenn die 1,5 Milliarden € ausgegeben sind, dann kommt für die Autoverkäufer das große Erwachen. Was hat die Kfz-Steuer mit dem Konjunkturprogramm zu

(Karl-Martin Hentschel)

tun? - Wir waren immer dafür, die Kfz-Steuer umzustellen. Es war aber immer die Rede davon, dass wir eine CO2-Steuer schaffen, die auch tatsächliche Auswirkungen auf die Umweltfreundlichkeit von Autos hat. Die jetzige Steuer wurde so ausgerechnet, dass alle das Gleiche bezahlen wie vorher. Was hat das mit der Umwelt zu tun? - Das ist absoluter Blödsinn!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Koalition uns vorgelegt hat, ist ein wildes Sammelsurium von Einzelmaßnahmen ohne einen roten Faden. Die Grünen haben sich entschieden, trotzdem konstruktiv mit dem Programm umzugehen und einige wichtige Korrekturen zu fordern.

(Lachen bei der FDP)

Wir haben uns auch deshalb zu diesem Kompromiss entschieden, weil wir unbedingt verhindern wollen, dass die FDP mithilfe der bayerischen CSU über den Bundesrat die Verhandlungsmacht bekommt, um in dieser dramatischen Situation noch weitere Steuersenkungen durchzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW] - La- chen bei der FDP)

Liberale und Konservative fordern unentwegt Steuergeschenke,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Obama auch!)

- obwohl klar ist, dass die Hälfte der Bevölkerung nichts davon hat.

Nein, ich habe gerade in den Nachrichten gehört, dass die Republikaner im Kongress das Paket von Obama abgelehnt haben, weil sich Obama geweigert hat, angesichts der katastrophalen finanziellen Lage des US-Haushalts zusätzliche Steuergeschenke zu machen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Was ist das denn für ein Blödsinn? - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das Gleiche haben wir hier in Deutschland. Wir brauchen ein Konjunkturprogramm, wir werden sowieso 50 Milliarden € zusätzliche Schulden haben. Was wir aber absolut nicht gebrauchen können, ist jetzt noch Steuergeschenke an die Wohlhabenden zu verteilen, die das Staatsdefizit noch mehr erhöhen und noch weitere Generationen mit Schulden belasten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe)

Herr Kollege, Sie haben ein Mikrofon, wir hören Sie sehr gut!

(Lachen und Beifall bei der CDU - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Euer Verhalten ist unhöflich und unparla- mentarisch!)

Die Staatsverschuldung wird in diesem Jahr erneut gigantische Größenordnungen annehmen. Wer angesichts dieser Belastungen für die Zukunft erneut Steuergeschenke fordert, der hat nichts, aber auch nichts begriffen. Ich freue mich übrigens, dass die Kollegen von der CDU aus dem Finanzausschuss des Bundestages gestern erklärt haben, dass sie das nicht mitmachen und fordern, dass auch beim Konjunkturprogramm auf die Verschuldung geachtet wird und dass zusätzliche Steuergeschenke nicht in Frage kommen. Das kann ich nur begrüßen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt offensichtlich auch in der Union noch Vernunft.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Aber was soll man zur FDP sagen? Die FDP von heute ist nur noch der parlamentarische Arm der Heuschrecken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von CDU und FDP)

Der größte Arbeitsmarkteffekt ist durch Investitionen in energetische Gebäudesanierung erreichbar. Durch eine weitere Aufstockung des KfW-Programms kann die jährliche Sanierungsrate von Gebäuden von zurzeit 0,5 % auf 3 % gesteigert werden. Das schafft qualifizierte Arbeitsplätze vor Ort für das Handwerk für die nächsten 30 Jahre - Arbeitsplätze für den Mittelstand hier in SchleswigHolstein. Denn energetisch zu sanierende Gebäude können nicht ins Ausland verlagert werden. Ein solches Programm löst Multiplikatoreffekte von mindestens fünf zu eins aus.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

(Karl-Martin Hentschel)

Lieber Kollege Hentschel, da die FDP nur verlängerter Arm der Heuschrecken ist, würden Sie dem Hohen Haus freundlicherweise erklären, an wen die Bundesrepublik Deutschland die IKB verkauft hat, wer dafür verantwortlich ist und zu welchem Preis das geschehen ist?

- Das habe ich nicht verstanden, aber das können wir einmal extra diskutieren.

(Lachen bei FDP und CDU)

Ich mache mal weiter, aber ich höre auch schlecht, das ist mein Problem. Das bedeutet, ein investierter Euro des Staates in die Gebäudesanierung schafft fünfmal so viele Arbeitsplätze wie ein Euro im Straßenbau.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Ein solches Programm spart aber auch Energie und Importe. Damit werden die deutsche Wirtschaft und auch die privaten Haushalte um Milliarden Euro entlastet, die heute für Energieimporte für Gas aus Russland, Öl aus dem Nahen Osten oder Uran aus Australien ausgegeben werden. Damit sparen wir das Geld, das wir in Zukunft für Bildung brauchen, um unsere Schulen vernünftig auszustatten.

Der neue amerikanische Präsident Obama hat angekündigt, mit Milliardeninvestitionen in grüne Technologien die Konjunktur anzukurbeln. Er hat sich explizit zum Ziel gesetzt, den Vorsprung von Deutschland und Japan bei den Zukunftstechnologien einzuholen, damit sich die USA wieder an die Spitze stellen.

Meine Damen und Herren, nehmen wir diesen Wettkampf auf, den Wettkampf um die Zukunft! Nutzen wir unsere Chancen! Investieren wir hier in Schleswig-Holstein in die dritte industrielle Revolution!

Frau Präsidentin, gestatten Sie mir zum Schluss ein Zitat von Altbundeskanzler Willy Brandt, auch zur Freude der Sozialdemokraten. Willy Brandt sagte: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen ist, sie zu gestalten.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlichmachen ist die beste parlamentarische Pflicht!)

- Herr Matthiessen! Sie sind nicht dran!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Reaktion des Auditoriums ist immer auch davon abhängig, was der Redner hier bietet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich muss sagen, wir sind in einer Phase der Krise der Weltwirtschaft - Finanz- und Wirtschaftskrise -, in der sich eigentlich niemand, der sich ernsthaft an der Diskussion beteiligt, anmaßt, dass er Patentrezepte hat.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum haben Sie auch so ge- lacht, als mein Kollege geredet hat? Das ist Ihr Ernst?)