Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist ein struktur- und finanzschwaches Land. Wir wissen sehr gut, was es bedeutet, im Wettbewerb um Fördermittel das Nachsehen zu haben, wenn eigene Komplementärmittel nur begrenzt zur Verfügung stehen. Deshalb wird die Landesregierung finanzschwachen Kommunen über den im Übrigen sehr üppigen Fördersatz von 75 % hinaus behilflich sein, damit auch die struktur- und finanzschwachen Gemeinde in der Lage sein werden, ihren Anteil aus diesen Maßnahmen umzusetzen, damit sie nicht aus

(Minister Rainer Wiegard)

ihrer eigenen Finanzschwäche heraus gegenüber den übrigen Kommunen weitere strukturelle Nachteile erleiden.

(Beifall bei der CDU)

Selbstverständlich ist das alles nicht umsonst zu haben. Das Land Schleswig-Holstein und die Kommunen werden die Investitionen kofinanzieren. Der Bund beteiligt sich dankenswerterweise - der Dank an die Adresse des Bundes ist meines Erachtens angemessen - mit 75 % an der öffentlichen Förderung. 25 % sind vom Land und von den Kommunen zu schultern. In Zahlen bedeutet dies: 323 Millionen € kommen vom Bund, 107 Millionen € müssen vom Land und von den Kommunen kofinanziert werden.

Die Landesregierung wird dem Landtag für die Februar-Tagung die erforderlichen Regelungen zur Umsetzung dieses Paktes vorlegen. Dazu gehört natürlich auch die haushaltsrechtliche Umsetzung der Finanzierung, nachdem Land und Kommunen Einvernehmen über Verfahren, Umfang und Volumen erzielt haben.

Meine Damen und Herren, in der öffentlichen Diskussion über notwendige Maßnahmen in diesem Zusammenhang zur Bewältigung dieser Krise ist in den vergangenen Wochen der Eindruck entstanden, dass alle Erkenntnisse und intensiven Beratungen in den vergangenen drei Jahren über die dramatische Verschuldungslage der öffentlichen Haushalte bedeutungslos geworden sind. Dabei hat natürlich in der Diskussion über neue wirksame Schuldengrenzen in der Föderalismuskommission selbstverständlich auch die finanzielle Bewältigung von konjunkturellen Schwankungen und besonderen Krisensituationen eine Rolle gespielt. Dies war sehr wohl Gegenstand der Beratung.

Gerade deshalb will ich sehr ausdrücklich sagen: Die Beratungen über eine neue wirksame Schuldengrenze müssen erfolgreich abgeschlossen werden, und zwar insbesondere in einer solchen Krisensituation. Dass für uns und andere strukturschwache Länder dabei die Realisierbarkeit einer solchen Grenze im Vordergrund steht und abhängig davon ist, dass es uns auch ermöglicht wird, eine solche Grenze zu erreichen, steht außer Frage und wird Gegenstand der Beratung in der nächsten Woche sein.

Die Ausgaben für das Konjunkturpaket müssen mit einem verbindlichen Tilgungsplan unterlegt werden. Konjunkturprogramme von heute dürfen nicht die Schulden und damit die Steuererhöhungen unserer Kinder in der Zukunft sein.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich - es hat mich wirklich gefreut, dass Herr Steinbrück diese Kurve gepackt hat -, dass der Bund seine Mittel für den Investitionspakt über einen Schuldungstilgungsfonds präzise nach dem Muster SchleswigHolsteins für die gesamte Altschuldentilgung finanzieren will. Die zeitlich befristet wirkenden Maßnahmen des Investitionspakets des Bundes sollen also über einen Schuldentilgungsfonds finanziert werden, der innerhalb eines relativ kurzfristigen Zeitraums wieder getilgt wird. Die Schulden sollen also nicht auf künftige Generationen übertragen werden. Zu dieser Entscheidung kann man dem Bund nur gratulieren.

(Beifall bei der CDU)

Bedauerlich ist aber, dass der Bund unsere Forderung, insbesondere die schleswig-holsteinische Forderung nach wie vor ablehnt, dass der Finanzierungsanteil der Länder und der Kommunen ebenfalls über diesen Fonds abgewickelt werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich fordere den Bund auf, im weiteren Beratungsverfahren diese Haltung doch noch einmal zu überdenken und dies zu ermöglichen. Es wäre ein gutes Zeichen für die Öffentlichkeit, wenn Bund, Länder und Gemeinden nicht nur die Aufgaben gemeinsam angehen, um diese Krise zu bewältigen, sondern auch bei der Finanzierung erstmals einen gemeinsamen Weg gehen, um zeitlich befristet aufgenommene Schulden für bestimmte Zwecke nicht dauerhaft künftigen Generationen zu überlassen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, aus einem Streit über die Wirksamkeit von Maßnahmen kann sich auch Gutes entwickeln. So stehen wir wegen des dringenden Wunsches der Bundesregierung, die KfzSteuer in eine CO2-Steuer umzuwandeln, nun unmittelbar vor einer abschließenden Regelung für die vollständige Übernahme dieser Steuer in die Zuständigkeit des Bundes. Das heißt, die Länder erhalten einen dauerhaften Ausgleich für das ausfallende Steueraufkommen in der Größenordnung des Steueraufkommens aus dem Jahr 2008 von etwa 8,8 Milliarden €. Der Bund übernimmt verbindlich spätestens im Jahr 2014 diese Steuer in eigene Verwaltung. In der Zwischenzeit erhalten die Länder für die Verwaltung dieser Steuer in Organleihe einen jährlichen Verwaltungskostenausgleich von 170 Millionen €. Das sind die Bestandteile der der

(Minister Rainer Wiegard)

zeitigen Verhandlung. Darüber werden wir in den nächsten Tagen abschließend miteinander reden.

Ich freue mich über diese Einsicht des Bundes. Ganze Generationen von Finanzministern haben daran gearbeitet. Wir haben kaum noch daran geglaubt, dass dies gelingen kann.

Damit liegt alles, was Verkehrssteuern betrifft, in Deutschland in einer Hand und Zuständigkeit. Dies gilt sowohl für die Entscheidungskompetenz als auch für die Verwaltung. Der Bund kann damit die notwendigen energiepolitischen und sozialpolitischen Entscheidungen treffen, die in diesem Zusammenhang erforderlich sind.

Das Bundeskabinett hat zum Konjunkturpaket am Dienstag, also am 27. Januar, den Gesetzentwurf und die Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern beschlossen. Bundestag und Bundesrat beraten darüber abschließend am 13. und am 20. Februar 2009. In der Woche darauf wird der Landtag die in der Folge erforderlichen Entscheidungen treffen. Das ist erneut ein sehr kurzer Beratungsprozess für ein sehr umfangreiches Programm. Es ist das größte Konjunktur- und Krisenbewältigungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich glaube, dass wir damit erneut die Handlungsfähigkeit unseres föderalen Systems unter Beweis gestellt haben. Mit dem Gesamtpaket besteht die Chance, der Krise Einhalt zu gebieten, die wirtschaftliche Lage weitgehend zu stabilisieren und in den nächsten Jahren wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen in Detailfragen danke ich ausdrücklich allen Fraktionen des Hauses, den Kommunen, den Verbänden, der Wirtschaft und den Gewerkschaften für ihre grundsätzliche Bereitschaft, die notwendigen Maßnahmen zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Finanzminister. Durch seine Rede sind nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung für alle Fraktionen und für den SSW zusätzliche Redezeiten von sieben Minuten entstanden. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion des ältesten Antrags hat Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Jetzt kommt die große Unterstützung!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Größenordnung dessen, über was wir hier reden, hätten wir eigentlich eine Regierungserklärung erwartet. Das wäre normal gewesen, aber was ist an dieser Regierung noch normal?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hat eines Antrags der Grünen bedurft, damit ein Bericht gegeben wurde. Der Minister hat uns ausführlich erläutert, um was es geht. Herr Minister, ich danke Ihnen. Ich denke, das ist eine gute Grundlage, um heute über das Thema zu reden.

Am 5. Januar dieses Jahres forderte Klaus Töpfer, Ex-Minister der CDU und Ex-Chef des UN-Umweltprogramms eine dritte wirtschaftliche Revolution:

„Deutschland braucht jetzt einen Green New Deal.“

Das erklärte er mit Bezug auf den New Deal von Präsident Franklin D. Roosevelt nach der Wirtschaftskrise 1929.

Dazu forderte Klaus Töpfer massive Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien und die Wärmesanierung des Gebäudebestandes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Am 21. Januar erklärte Sir Nicholas Stern, ExChefökonom der Weltbank:

„Es ist Zeit für eine grüne industrielle Revolution.“

Er warnte davor, die drei globalen Krisen, die Finanzkrise, die Energiekrise und das Klimaproblem, gegeneinander auszuspielen. Wir müssen jetzt durch gewaltige Investitionen in Energieeinsparungen und in erneuerbare Energien die Finanzkrise überwinden, die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen und zugleich die Klimaerwärmung stoppen, so Nicholas Stern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am 21. Januar forderte das konservative Zentrum für europäische Politik mit Roman Herzog, unserem ehemaligen Bundespräsidenten, und Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer an der Spitze, Investitionen von 200 bis 300 Milliarden € in die Offshore-Windparks und in den Ausbau der Stromnet

(Minister Rainer Wiegard)

ze, um die Angebotsschwankungen europaweit auszugleichen und um die Grundlagen für eine Komplettversorgung sowie die Umstellung auf regenerative Energien in Europa zu schaffen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist zu we- nig!)

Das sind alles konservative Politiker, die sehr klare Worte über die Notwendigkeiten sprechen, vor denen wir stehen. Am 16. Januar dieses Jahres gibt Umweltminister Gabriel bekannt, dass die Umweltwirtschaft in den letzten Jahren der Wirtschaftszweig war, der die größten Arbeitsplatzeffekte gehabt hat. Dieser Bereich hat in den letzten Jahren zusätzlich 1,8 Millionen gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen. Diese Zahl wird sich in den kommenden Jahren verdoppeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade Schleswig-Holstein ist ein Musterbeispiel dafür, was die grüne industrielle Revolution leisten kann. An der Westküste von Schleswig-Holstein ist die grüne Industrie - insbesondere die erneuerbaren Energien mit der Windindustrie an der Spitze nach dem Tourismus mittlerweile der zweitgrößte Wirtschaftsfaktor. In Husum liefert sie bereits 40 % des Bruttosozialprodukts. Man muss sich nun vorstellen, dass in dieser Situation in der letzten Woche ein gescheiterter SPD-Politiker namens Clemens aus Nordrhein-Westfalen auf Einladung der IHK hier nach Schleswig-Holstein kommt und die Rückkehr zu Atomstrom und Kohle fordert. Das ist absurd! In dieser Situation stellt sich der Ministerpräsident dieses Landes hin und fordert statt Zukunftsinvestitionen mehr Geld für den Straßenbau.

(Beifall bei CDU und FDP)

In dieser Situation führt die CDU dieses Landes virtuelle Koalitionsverhandlungen mit der FDP,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Noch besser!)

die keine einzige Idee dazu hat, wie man die Wirtschaft in diesem Land ankurbeln kann. Stattdessen spielt sie die alte Leier und fordert Steuergeschenke für die Wohlhabenden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der FDP)

Alle hier im Hause sind sich einig darüber, dass wir angesichts der Finanzkrise ein Konjunkturprogramm brauchen. Das ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber 1929, als Konservative und marktradikale Politiker in den USA und in Europa viel dazu beitrugen, den Zusammenbruch der Weltwirtschaft zu beschleunigen. Wenn jetzt konservative Regie

rungen Banken verstaatlichen, dann kann man nur staunen. In welche Richtung ein solches Konjunkturprogramm aber gehen soll, ist heftig umstritten. Das, was die Große Koalition in Berlin zustande gebracht hat, ist leider ein wildes Sammelsurium von mehr oder weniger sinnvollen Maßnahmen ohne einen erkennbaren Leitfaden.