Viel interessanter ist die Analyse der unterschiedlichen Gutachten, die in den letzten Jahren erstellt wurden und die sich mit dem Thema Zentralorte und Landesplanung beschäftigt haben. Jetzt wird es spannend: Alle zitierten Gutachter sind der Auffassung, dass die Flächenplanungen der Zentralorte
und der umliegenden Gemeinden in Zukunft besser aufeinander abgestimmt werden müssen. Wenn man das in der Konsequenz fortdenkt, dann brauchen wir eine Neuorientierung der Landesplanung. Ich bin keineswegs der gleichen Meinung wie meine Vorredner, die der Auffassung sind, dass alles gut geworden ist, weil man die Prozentzahlen hochgesetzt hat. Die mikroskopische Gemeindestruktur in Schleswig-Holstein gerät immer mehr in Konflikt mit der Notwendigkeit, eine abgestimmte Planung der Infrastruktur vorzuhalten.
Unsere Dörfer sind nicht mehr die weitgehend autarken Gebilde des 19. Jahrhunderts, in denen freie Bauern sich im Dorfkrug treffen und die Geschicke des Ortes lenken. In einem heutigen Dorf mit 500 Einwohnern gibt es in der Regel noch fünf Bauern. - Herr Ministerpräsident, es ist schön, dass Sie aufwachen.
Heute gilt: Wer zur Arbeit will, der steigt ins Auto. Wer einkaufen will, der steigt ins Auto. Wer zur Schule will, der steigt ins Auto. Wer die Kinder zum Kindergarten bringen will, der steigt ins Auto. Wer heute ein Neubaugebiet oder ein Gewerbegebiet plant, der muss bedenken, wo die Arbeitsplätze der dort wohnenden Menschen liegen werden, welche Verkehrswege erforderlich sind, welche Buslinien nötig sind, wo die Kinder in den Kindergarten gehen sollen, wo sie in die Schule gehen sollen, wie die alten Menschen ambulant betreut werden sollen, wie die Versorgung mit Elektrizität, mit Wasser und Abwasser, mit Gas sichergestellt wird und wo die Menschen einkaufen können, insbesondere die, die nicht mobil sind. Die spannendste Frage ist, wer all dies bezahlt.
All dies zu planen, übersteigt aber die Möglichkeiten einer amtsangehörigen Gemeinde ohne eigene Verwaltung bei Weitem. Die Gutachter Hahne und von Rohr schlagen deshalb sogenannte Kooperationsräume vor. Für diese Kooperationsräume sollen zuständige regionale Gremien geschaffen werden, die eigenverantwortlich entscheiden sollen. Um eine Verbindlichkeit herzustellen, soll nach Meinung der Gutachter in Zukunft für den jeweiligen Kooperationsraum ein regionales Entwicklungskonzept erarbeitet werden, das Grundlage der kommunalen Planungen sein soll. Es soll also keinen B-Plan mehr ohne ein regionales Entwicklungskonzept geben.
wicklungsplanungen, wie sie bisher schon im Einzelfall erstellt wurden, in Zukunft zur Pflichtaufgabe machen.
Es ist klar, dass solche Vorstellungen auf den massiven Widerstand der Akteure in den kleinen Kommunen stoßen. Ich komme nun zu dem Geheimnis, das Frau Poersch erwähnte, nämlich dass alle Leute aufs Land ziehen und dass sich die ländlichen Orte schneller entwickeln als die Zentralorte. Es ist relativ einfach, das Geheimnis zu lüften. Die Ausweisung von Bauland bedeutet immer noch bares Geld für die Grundbesitzer. So gibt es unter den Baugebieten auf dem Land eine Konkurrenz. Die Ausweisung von Baugebieten auf dem Land bedeuten günstige Angebote. Die Leute ziehen weit weg von ihrem Arbeitsplatz. Sie haben somit lange Wege, um an billiges Bauland zu kommen. In Anbetracht der Konsequenzen für den Bau von Kindergärten oder für die Infrastruktur ist das strukturpolitisch alles völliger Unsinn.
Es ist heute schon absehbar, dass wir in einigen Landesteilen zu Leerständen kommen und dass wir Zustände bekommen, wie wir sie heute schon in Teilen Mecklenburgs haben. Ortschaften, die ihre Infrastruktur nicht mehr finanzieren können und mit den Mitteln des Landes zurückgebaut werden müssen, werden zu finden sein. Statt daraus die Konsequenzen zu ziehen und sich zu überlegen, wie man eine vernünftige Struktur und eine vernünftige Planung hinkriegt, kommt die Große Koalition auf die Idee zu sagen, wir müssen dem Druck der Ortschaften nachgeben. Wir heben die Zuwächse bis 2020 wieder auf 10 % an. Sie wissen, dass die Bevölkerungszahlen ab 2010 zurückgehen werden und dass ab 2020 im ganzen Land der Bedarf an Wohnungen zurückgehen wird. Das wird keine gleichmäßige Entwicklung sein. In einigen Regionen wird die Bevölkerung zunehmen, in anderen Regionen wird es drastische Abnahmen geben. Wenn wir dort eine Steigerungsrate bei der Ausweisung von Bebauungsgebieten von 10 % haben, dann können Sie sich vorstellen, was das bedeutet. Planungspolitisch gesehen, ist das Unsinn.
Sie nur warnen, diese Vogel-Strauß-Politik des Innenministers auch noch zu bejubeln. Das ist genau die Art von Jubel, aus der Immobilienkrisen geboren werden, wie wir sie in den USA, in Spanien und in Japan bereits erlebt haben. Ein Umdenken tut not.
Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Für den SSW im Landtag hat offensichtlich nicht die Rednerin das Wort, die hier steht, sondern Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was in den 60er-Jahren noch ein Steuerungsinstrument war, ist heute ein ungerechtes Geldverteilungsinstrument. Dem vorliegenden Bericht der Landesregierung ist zu entnehmen, dass sich das Zentralörtliche System nun deutschlandweit auf dem Prüfstand befindet. Dies ist keine neue Erkenntnis, es macht aber deutlich, dass das System in seiner jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß ist und zunehmend hinterfragt wird. Aus diesem Grund ist es auch aus Sicht des SSW endlich an der Zeit, das System von Grund auf zu ändern und der Realität anzupassen. Die Gründe, die auch zu einer bundesweiten Diskussion über das Zentrale-OrteKonzept geführt haben, sind vielfältig. Die Bürger sind mobiler geworden, sie haben ein neues Konsumverhalten entwickelt. Größere Betriebe und Anbieter zieht es auf die grüne Wiese entlang von Bundesstraßen und Autobahnen. Wir können feststellen, dass sich seit den 60er-Jahren einiges verändert hat, nur nicht das Zentralörtliche System.
Die Landesregierung hat bereits früh erkannt, dass das System durchgecheckt und geändert werden muss. Daher wurde nach dem letzten Raumordnungsbericht 1997 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das 1998 vorgelegt wurde. Das Gutachten und die sich daraus ergebenden Thesen und Empfehlungen sind dem Anhang des Berichts zu entnehmen, doch die Landesregierung beabsichtigt nur, zwei Thesen des Gutachtens aufzugreifen. Statt die Chance zu nutzen, hält die Landesregierung am veralteten System fest. Am Grundprinzip wird nicht gerüttelt, obwohl man weiß, dass die hierachische Struktur der Zentralen Orte nicht mehr stimmig ist.
Schleswig-Holstein im Landesentwicklungsgrundsätzegesetz festgelegt sind und dass für die Einstufung Einwohnermindestwerte und die Einhaltung von Mindestabständen zwischen zwei Zentralen Orten ausschlaggebend sind. Der Bericht hebt noch einmal hervor, dass die Ausstattung von Gemeinden mit bestimmten Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen kein gesetzliches Kriterium für die Einstufung ist. Darin liegt die Crux. Wer einmal im System drin ist, der zählt zu den Gewinnern. Das soll heißen, Gemeinden profitieren von dem System, auch wenn sie keine entsprechende Leistung erbringen. Im umgekehrten Fall heißt dies: Gemeinden, die nicht im System drin sind, die aber Leistungen im Sinne des Gemeinwohls erbringen, gehen leer aus.
Gleiches gilt für Gemeinden, die in einem bestimmten Rang eingestuft sind und gleiche Leistungen erbringen wie höher eingestufte Gemeinden. Auch diese müssen mit weniger Geld auskommen. Hier bedarf es nach Auffassung des SSW einer kritischen Überprüfung des Systems, die sich an der jeweiligen Leistung der Gemeinde orientieren sollte.
Mir ist schon bewusst, dass sich die Landesregierung mit einer solchen Systemänderung mit vielen Gemeinden im Land anlegen würde, zumindest mit denen, die abgeben müssten. Deshalb fehlt es der Landesregierung auch an Mut, endlich mit dem antiquierten System aufzuräumen, auch wenn dies einigen Gemeinden möglicherweise wehtun würde.
Leistung muss aber belohnt werden. Wer etwas für das Gemeinwohl tut und kommunale Pflichtaufgaben oder Dienstleistungen übernimmt, muss dafür auch entsprechend die Mittel bekommen. Anstatt die Kommunen nach ihren Leistungen zu bezahlen, duckt sich die Große Koalition aber lieber weg und belässt alles beim Alten.
Um es an Zahlen noch einmal deutlich zu machen: Wir haben in Schleswig-Holstein 1.126 Gemeinden. Davon sind 130 Gemeinden Zentrale Orte und bekommen Geld. 996 Gemeinden sind ohne zentralörtliche Einstufung, und sie können strampeln, wie sie wollen: Sie werden wahrscheinlich nie eingestuft, nur weil sie die Einwohnerzahl nicht erreichen oder weil die Kilometer-Abstände nicht stimmen. Es ist klar, dass nicht alle Gemeinden im derzeitigen System in den Genuss der zentralörtlichen Mittel kommen können. Dies liegt aber auch daran, dass wir einfach viel zu viele kleine Gemeinden im Land haben. Eine Zusammenlegung der Gemeinden hätte den Effekt, dass wohl alle Gemeinden dann zentralörtliche Funktionen erfüllen würden und somit Chancen auf Finanzmittel hätten.
Auch hier, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung versagt und nicht den Mut aufgebracht, zukunftsfähige und schlagkräftige Gemeinden zu schaffen, wie der SSW es fordert. Auch hier kann man sehen, dass die Große Koalition nur für Stillstand und Mutlosigkeit und nicht für Fortschritt steht.
Abschließend möchte ich noch auf den vorliegenden Antrag der FDP zum Runderlass zum Landesentwicklungsplan eingehen, den wir unterstützen. Denn es kann nicht angehen, dass das Land einen Runderlass herausgibt für ein Planungsinstrument, das sich noch in der Entwurfsfassung und Anhörungsphase befindet. Wie wir wissen, geht der LEP jetzt auch noch in eine weitere Änderungsphase. Solange der LEP sich in der Entwurfsfassung befindet, hat er keine Vorgaben, die für die Kommunen verbindlich sein können. Deswegen ist auch dieser Runderlass entsprechend schädlich. Letztendlich zeigt auch das ganze Theater um den LEP und die Änderungen, die jetzt notdürftig eingebaut werden, wie handlungsunfähig die große Koalition hier im Land ist. Und das ist schade für dieses Land.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Habe ich richtig zugehört, dass der FDP-Antrag überwiesen werden soll? Dann machen wir das so. Wer den Antrag Drucksache 16/2483 an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Umwelt- und Agrarausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so geschehen.
Dasselbe machen wir mit dem Raumordnungsbericht. Wer den Raumordnungsbericht Drucksache 16/2385 an den Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann ist das so geschehen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Unter Hinweis darauf, dass lediglich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Redezeit angemeldet hat, erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Prognosen haben die Schwierigkeit, dass sie in der Zukunft liegen. Prognosen zu den Fluggastzahlen der Flughäfen in Lübeck und Kiel zum Beispiel waren falsch und dienten der Legitimation von öffentlichen Transferleistungen. Das gilt in ähnlicher Weise auch zum Beispiel zum Verkehrsaufkommen, zur Fehmarnbelt-Querung. Alles Schall und Rauch. Es gibt aber auch Prognosen, die regelmäßig durch die Realität überholt werden. Das gilt zum Beispiel für die erneuerbaren Energien. Die Wachstumskurve erneuerbaren Stroms hat sich bislang immer steiler entwickelt als erwartet. Leider gilt das auch für die Prognosen beim Klimawandel. Die globale Erwärmung schreitet schneller voran, als bislang vorhergesehen wurde. Eine dramatische Entwicklung im Klimawandel dürfen wir nicht ignorieren. Wir müssen die Energiewende noch einmal beschleunigen, um die CO2Emissionen zu senken.
Eine wichtige Handlungsoption, meine Damen und Herren, ist dabei die Nutzung der Solarenergie zur Stromerzeugung und zur Warmwassererzeugung. Als Standorte kommen alle geeigneten Dächer in Schleswig-Holstein in Frage.
Was heißt dabei „geeignet“? - Das Solardach muss die Last tragen können, es muss nach Süden, Südosten oder Südwesten ausgerichtet sein und eine nutzbare Dachneigung aufweisen. Verschattungen sollten gering sein. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, die Dächer der Landesliegenschaften erfassen zu lassen, um damit deren Eignung für die wirtschaftliche Nutzung durch Fotovoltaik- und Solarthermieanlagen zu ermitteln.
Gemeint sind mit diesem recht unscharfen Begriff Landesliegenschaften, die landeseigenen Liegenschaften und die Liegenschaften der Liegenschaftsverwaltung Schleswig-Holstein, Anstalt öffentlichen Rechts, die von der GMSH bewirtschaftet werden.
Meine Damen und Herren, weiter sollten die für die Nutzung durch Fotovoltaik- oder Solarthermieanlagen geeigneten Dächer der Landesliegenschaften an interessierte Unternehmen oder auch Bürgervereinigungen, Bürgerzusammenschlüsse angeboten, zum Beispiel versteigert oder verpachtet werden, oder die Landesregierung selber realisiert diese Anlagen zur Energieerzeugung. Das solare Dachkataster der Landesliegenschaften soll dazu beitragen, die Einsparpotentiale für Raumwärme und Warmwasser durch den Einsatz von Solarthermie zu erfassen und auszuschöpfen.
Weiter können geeignete Dachflächen für den Bau von Fotovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung genutzt werden. Damit können die Landesregierung und die Große Koalition, meine Damen und Herren, zeigen, dass sie alle Optionen nutzt, um CO2 zu vermeiden und zu verringern und die erneuerbaren Energien voranzubringen.
Meine Damen und Herren, wir haben heute viel über Finanzen geredet. Dies ist eine Möglichkeit. Das hat eben nicht nur etwas mit Klima- und Umweltschutz zu tun. Das hat aber auch etwas mit der Erschließung finanzieller Möglichkeiten zu tun. Daher bitte ich um die Überweisung unseres Antrags in den zuständigen Ausschuss.
Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Gibt es andere Anträge zur Behandlung des Antrags? - Ich habe einen Überweisungsantrag vorliegen. Wenn ich keine weiteren Wortmeldungen sehe, schließe ich die Beratung.