Protokoll der Sitzung vom 26.02.2009

- Und da wird noch schön geklatscht. Ich mache das Publikum darauf aufmerksam, wie die Stimmungslage in der CDU ist, die nach außen hin immer behauptet: Mit uns kein Neubau von Atomkraftwerken!

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Selbstverständlich.

Kollege Matthiessen, würden Sie mir aber dahin gehend zustimmen, dass die CDU Steinburg damit wenigstens dokumentiert, dass sie eine Meinung hat, im Gegensatz zum energiepolitischen Sprecher der CDU?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

- Ja, das würde ich als rhetorische Frage einordnen, Herr Dr. Garg. In der Tat könnte man diesen Vorgang so interpretieren.

Meine Damen und Herren, Atomkraft gehört abgeschafft. Die Gefahr eines Super-GAUs kann niemand ausschließen. Nicht nur Tschernobyl mahnt uns, auch die Ereignisse TMI-Havarie in den USA und der schwere Forsmark-Zwischenfall in Schweden. Wer, bitte schön, kann darüber eine Garantie abgeben? In Diskussionen haben auch Sie, Herr Minister, gesagt, diese Garantie könne niemand geben. Insofern schließt sich bei diesem Gefahrenpotenzial ein Weitermachen mit der Atomtechnik aus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zum Thema Entsorgung radioaktiver Abfälle zitiere ich aus dem Bundes-Koalitionsvertrag: CDU/ CSU - die muss man mit erwähnen - und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für eine sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an. Wir beabsichtigen - wir haben ja bald Bundestagswahl, meine Damen und Herren -, in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.

Formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz!

Der letzte Satz, Frau Präsidentin, lautet: Heute, am Ende der Legislaturperiode auf Bundesebene, müssen wir feststellen, dass die Große Koalition, die über eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und über eine entsprechende Mehrheit im Bundesrat verfügt, in der Frage der Entsorgung abgebrannter Brennelemente nicht einen einzigen Schritt vorwärts gekommen ist. Die Koalition ist ohne Orientierung hier im Land in der Energiepolitik. Sie bietet keine Lösung, sondern beschreitet gefährliche Wege, von denen wir heute schon wissen, dass wir sie nicht gehen dürfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für den SSW im Landtag erhält der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Weiterentwicklung der Energiewirtschaft ist eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen. Es gilt jetzt, die Weichen dafür zu stellen, wie die Energieversorgung der Zukunft gestaltet werden soll, insbesondere unter Berücksichtigung klimarelevanter Maßgaben.

Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie hat die Bundesregierung seinerzeit den großen Schritt aus dieser risikobehafteten Energieform gemacht, und das ist auch gut so.

Die neu aufgekommene Diskussion in Deutschland, die Restlaufzeiten zu verlängern, auch vor dem Hintergrund, dass andere europäische Länder beschlossen haben, neue AKWs zu bauen, ist mehr als rückwärtsgewandt. Die Atomenergie ist keine Alternative - weder energiepolitisch noch klimapolitisch. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass wir mit der Atomenergie die klimapolitischen Herausforderungen meistern können, denn Atomenergie ist nicht CO2-neutral. Gerade der aufwendige Abbau des Urans verbraucht immens viel Energie und geschieht unter umwelt- und klimaschädlichen Bedingungen.

(Detlef Matthiessen)

Im Schnitt führt die Kernenergie zu einem CO2Ausstoß von 60 kg/MWh. Deutlich niedriger sind die Werte bei mit Biomasse befeuerten Dampfkraftwerken mit 15 kg oder auch bei der Windkraft mit 24 kg/MWh. Am günstigsten nach heutigem Stand der Technik sind in diesem Bereich Wasserkraftwerke, die nur rund 10 kg CO2 pro MWh auslösen. Also auch hier ganz klar der Beweis: Der Atomausstieg ist sinnvoll.

(Beifall beim SSW)

Das eigentliche Problem ist die ungeklärte Frage der Lagerung. Die Endlagerung ist nicht gelöst. Damit belasten wir nachfolgende Generationen über zigtausend Jahre mit dem risikobehafteten Müll. Dass die Lagerung nicht geklärt ist, wird deutlich an dem Beispiel des maroden Atommülllagers Asse. Der Bund ist dort jetzt mit eingesprungen. Umweltminister Gabriel hat nun gefordert, dass sich die AKW-Betreiber an den Sanierungskosten beteiligen sollen. Sollten sie dies nicht tun, droht er mit einer Steuer auf Kernbrennstoffe. Es ist richtig, die Betreiber in die Pflicht zu nehmen. Denn wer den Müll produziert, muss auch dafür zahlen. Das, was für einen Privatmenschen gilt, muss auch für ein großes Unternehmen gelten.

Die Atomkonzerne haben mit ihren Atomkraftwerken jahrzehntelang Profit gemacht und den strahlenden Müll billig auf Kosten der Steuerzahler entsorgt. Nur so konnten sie Rücklagen in Milliardenhöhe bilden. Also sollen sie jetzt auch dafür zahlen. Wenn man die Betriebskosten für die Lager hochrechnet, kommt man ganz schnell zu dem Schluss, dass dann auch die Atomkraftwerke keinen Billigstrom produzieren, sondern teuer sind.

(Beifall beim SSW)

Wer sich zum politischen Handlanger für die Atomenergie machen lässt, handelt rücksichtslos auf Kosten der späteren Generationen. Da gibt es keine Alternative zum Atomausstieg. Es sollte uns egal sein, wer in Europa welche Pläne bezüglich des Baus neuer Atomkraftwerke hat. Wir müssen unsere Energieversorgung selbst regeln und nicht auf die europäischen Nachbarn schauen.

Wir brauchen Konzepte, die genau regeln, wie der Atomausstieg vollzogen werden kann und wie der Wegfall der Atomenergie kompensiert wird. Dabei kommen wir aber an den fossilen Energieträgern mittelfristig nicht vorbei. Gaskraftwerke sind hierbei keine Lösung, weil wir uns in eine Abhängigkeit begeben, die politisch fragwürdig ist. Wir konnten gerade in diesem Winter wieder erleben, wie schnell der Gashahn zugedreht werden kann,

wenn Lieferant und Durchleiter sich nicht grün sind.

Ein weiterer Grund, der gegen Gas als Energieträger spricht, ist, dass Braun- und Steinkohlekraftwerke derzeit rund 50 % der Stromgewinnung ausmachen. Dieser Bedarf kann nicht mit Gaskraftwerken gedeckt werden. Daher bleibt nur die Möglichkeit, auf Kohlekraftwerke zu setzen. Natürlich ist Kohle auch ein endlicher Rohstoff. Aber im Gegensatz zu den vorher genannten Energieträgern ist Kohle weltweit vorhanden. Was wichtiger ist: Wir haben sie in unserem eigenen Land.

Damit ist zumindest eine gewisse Verfügbarkeit und Sicherheit hergestellt. Aber auch die Kohlekraftwerke sind keine endgültige Lösung. Die Klimaschäden, die sie auslösen, sind eine Belastung der nachfolgenden Generationen. Dieser Energieträger ist daher nur eine Übergangstechnologie. Auch CCS macht keinen Sinn, meine Damen und Herren. Diese Technologie muss zeitlich begrenzt werden, denn nur so schaffen wir es auch, einen entsprechenden Handlungsdruck auf die Energiewirtschaft auszuüben. Aber dafür brauchen wir ein bundesweites Konzept, in dem geregelt wird, welche alten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden und welche neuen Kraftwerke ans Netz gehen dürfen.

Wenn wir neue Kohlekraftwerke bauen, dann darf dies nur an Standorten sein, an denen die Energieeffizienz optimal ausgenutzt wird. Dafür kommt nach unserer Auffassung derzeit nur der Standort in Brunsbüttel infrage. Kernkraftwerke werden abgeschaltet, und der Einsatz von Kohle ist nur eine Übergangslösung. Dies ist aus Sicht des SSW der mittelfristige energiepolitische Weg, der gegangen werden muss. Daher gilt es, eine Strategie festzulegen, wie die langfristige Versorgung mit bezahlbarer und umweltverträglicher Energie aussehen soll.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Energieeinsparung sind die drei Säulen, auf die wir die Energieversorgung der Zukunft stellen müssen. Dies sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen. Um dies realisieren zu können, brauchen wir die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und unserer Gesellschaft. Gerade im Bereich der Energieeffizienz und der Energieeinsparung sind noch enorme Potenziale, die gehoben werden können. Aber dafür muss deutlicher werden, dass Energie kein kostenloses Gut ist.

Mit anderen Worten: Die Verbesserung der Energieeffizienz und die Energieeinsparung müssen sich unterm Strich lohnen. Es müssen hierfür Anreize

(Lars Harms)

geschaffen werden. Mit den Nachhaltigkeitsstrategien auf europäischer Ebene, Bundes- und Landesebene wurde der Weg vorgegeben. Nun müssen diese Strategien auch mit Leben gefüllt werden.

Wenn es um die erneuerbaren Energien geht, wissen wir, dass wir in Schleswig-Holstein eine gute Vorarbeit geleistet und gute Voraussetzungen haben. Aber es muss stetig weiter daran gearbeitet werden. Insbesondere die Windenergie hat sich für Schleswig-Holstein zu einem Verkaufsschlager entwickelt, der ein Inbegriff für Nachhaltigkeit ist. Die künftigen Potenziale liegen im Repowering und im Offshorebereich.

Mit der Ausweitung der Eignungsflächen greift die Landesregierung mit dem Entwurf zum LEP einen Punkt auf, den der SSW bereits vor zwei Jahren hier im Landtag gefordert hat. Im Zusammenhang mit dem LEP-Entwurf wird dieser Punkt nun im ganzen Land behandelt. Die Diskussion über die Windenergie steht und fällt aber mit der Netzanbindung. Hier haben wir insbesondere bei uns an der Westküste seit Jahren ein Problem, denn Windkraft macht nur Sinn, wenn man die gewonnene Energie auch ins Netz leiten kann. Was wir derzeit an der Westküste erleben, ist nach Auffassung des SSW eine Farce. Die breiten politische Beschlüsse auch hier im Landtag - und die Haltung der Menschen vor Ort machen deutlich, dass ein Erdkabel gewollt ist, um den Windstrom vernünftig einspeisen zu können. Alles scheitert jedoch an der Sturheit des Netzbetreibers, der eine Freileitung bevorzugt. Diese Situation wird dazu führen, dass sich die Klagen häufen und dass mehrere Jahre lang nichts passieren wird. Die Leidtragenden sind die Windmüller an der Küste und unser Klima.

Zuspitzen wird sich die Situation dann, wenn die ersten Offshore-Windparks gebaut werden sollen. So lange dürfen wir nicht warten. Daher brauchen wir die Trennung von Netz und Energiekonzernen, damit die Netze unabhängig von Konzerninteressen betrieben werden können. Das ist uns allen eigentlich klar. Daher kann man nur erwarten, dass der Antrag, der vor zwei Jahren von den Oppositionsparteien gestellt wurde und heute behandelt wird, die Zustimmung aller erfahren wird, weil alle sich darüber im Klaren sind, dass es so sein muss.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus muss geregelt werden, dass die Netzbetreiber verpflichtet werden, die Kosten für den Anschluss von Windparks im Offshore-Bereich zu tragen. Was an Land gilt, das muss auch auf See

gelten, damit beide Erzeugungsformen - sowohl die landgestützte als auch die seegestützte - die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen diese Voraussetzungen, damit sich dieser Wirtschaftszweig auch im Offshorebereich entwickeln kann. Dies sollte im ureigensten Interesse des Landes sein, damit Schleswig-Holstein auf diesem Sektor nicht den Anschluss verliert, denn man muss ehrlich sagen, dass uns Brandenburg und Niedersachsen in diesem Bereich schon überholt haben. Mehr Länder sollten es nach Möglichkeit nicht werden. Vielmehr sollten wir versuchen, den Anschluss zu finden.

Ein weiterer wichtiger energiepolitischer Aspekt hier im Land ist die Energiegewinnung aus Biomasse und insbesondere den nachwachsenden Rohstoffen. Die boomende Entwicklung auf diesem Sektor in den letzten Jahren führt mittlerweile aber zu erheblichen Problemen. Momentan herrscht auf dem Biomassesektor geradezu eine Goldgräberstimmung, die den Anschein erweckt, dass nahezu überall im Land auf die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen - sprich Mais - gesetzt wird. Diese Entwicklung darf so nicht weitergehen. Dies ist kein Vorwurf gegen die Landwirte, die derartige Anlagen betreiben. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass Landwirte ihre Chancen auf dem Energiesektor nutzen müssen. Die mangelnde Planung der Landesregierung beschleunigt diese Entwicklung aber und führt zu nicht gewollten Auswüchsen. Hier muss gegengesteuert werden, um die negativen Konsequenzen für Natur und Landschaft zu vermeiden.

Auch hierzu hatte der SSW einen konkreten Antrag gestellt, der zum Ziel hatte, eine Art Biomasse-Flächenplanung zu ermöglichen, die der Planung ähnelt, die man im Bereich der Windenergie vorgenommen hat. Auch dieser Antrag wurde von der Großen Koalition abgelehnt. Die wichtigen energiepolitischen Schritte - der Ausstieg aus veralteten Energieformen und die Stärkung der erneuerbaren Energien sowie eine verbindliche Planung - wurden von der Großen Koalition bisher in dieser Legislaturperiode nicht angepackt. Das ist zum Schaden unseres Landes. Auch hier haben wir, wie in so vielen Bereichen, Stillstand. Das ist katastrophal für die Wirtschaft und für die Umwelt in unserem Land.

(Lars Harms)

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Werner Marnette das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in meinem früheren Leben lag mir die Energieversorgung aus leicht nachvollziehbaren Gründen sehr am Herzen, denn Arbeitsplätze waren in der Industrie immer sehr stark von der Energiepreisentwicklung betroffen. Ich freue mich, dass ich heute wieder die Vielfalt der unterschiedlichen Auffassungen zur Energieversorgung unseres Landes kennen gelernt habe. Ich bedanke mich auch für die vielen Aspekte.

(Lachen und Beifall bei der CDU)

Ich bin dem Wirtschaftsausschuss außerordentlich dankbar dafür, dass er die vielen einzelnen Energieanträge zusammengefasst hat. Gestatten Sie mir zu sagen, dass die oftmals etwas kleinteilige Diskussion über die verschiedenen Facetten der Energiepolitik der vergangenen Jahre meines Erachtens zu keinen sinnvollen Ergebnissen geführt hat. Vielmehr wurden sehr häufig energiepolitische Diskussionen aus ideologischen Schützengräben heraus geführt, ohne auch nur einen Schritt aufeinander zugehen zu können. Das gilt selbstverständlich nicht für dieses Haus.

Lieber Herr Garg, der Druck auf eine Versachlichung der Diskussion wird natürlich immer größer. Denkverbote darf es nicht geben. Energiepolitik ist Standortpolitik. Der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten hat kürzlich auf einer großen Veranstaltung hier in Schleswig-Holstein gesagt, Bildung und Energie seien die Kernthemen unseres Jahrhunderts. Dieser Meinung schließe ich mich an.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich traue mir zu, dass wir in den nächsten Wochen einiges Gutes zusammenbekommen werden. Wir haben bereits erste Vorstellungen darüber entwickelt, wie solche Leitlinien aussehen könnten und auch aussehen müssten. Ein modernes und zukunftsgerichtetes Energiekonzept muss sich anhand von drei miteinander verzahnten Parametern messen lassen: Erstens. Eine Versorgungssicherheit,