Protokoll der Sitzung vom 26.02.2009

Aufgabe staatlichen Handelns und energiepolitischer Regelsetzung muss die Erhaltung beziehungsweise Herbeiführung wettbewerblicher Märkte sein.

Die Politik muss aktiv in dem Bereich gestalten, in dem Monopole, Oligopole und Kartelle zu regulieren sind. Leider sind staatliche Eingriffe dort aber viel zu lange unterblieben, wo sie höchst notwendig gewesen wären, zum Beispiel bei der Regulierung der Netzmonopole oder der Bekämpfung des Erzeugeroligopols im Strombereich. Stattdessen hat die rot-grüne Bundesregierung Marktkonzentration und marktbeherrschende Stellungen, als es solche noch gab, gefördert, so beispielsweise die Fusion von E.ON und Ruhrgas.

Für uns steht fest: Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung muss im Bundesrat dringend dafür sorgen, dass wir endlich zu einer Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz kommen.

Lassen Sie mich zum Schluss festhalten: Ich finde es bedauerlich und, wie meines Erachtens zugleich deutlich geworden ist, auch falsch, dass CDU und SPD unsere Forderung nach einem Konzept für die zukünftige Energiepolitik Schleswig-Holsteins ablehnen. Ich verstehe diese Ablehnung nicht. Wollen Sie kein Konzept? Dann seien Sie wenigstens so ehrlich zu sagen, Sie könnten sich auf kein Konzept einigen.

(Beifall bei der FDP)

Ich gehe davon aus, dass Sie vielleicht ein Konzept wollen, die Vorstellungen darüber aber so weit auseinandergehen, dass Sie kein gemeinsames Konzept hinbekommen haben. Herr Ritzek und Herr Schulze, das müssen Sie den Menschen hier im Lande dann aber auch sagen.

Wir werden uns dem Berichtsantrag, den Sie hier gestellt haben, natürlich nicht verschließen.

Ich erinnere an Ihre Redezeit, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. - Ich finde, dieser Berichtsantrag ist ein Armutszeugnis für die Große Koalition in Sachen Energiepolitik. Er ist beschämend. Eigentlich ist er ein politischer Offenbarungseid. Sie haben auf diesem Feld nichts hinbekommen. Das wird bedauerlicherweise auch weiterhin so bleiben.

(Beifall bei der FDP)

(Dr. Heiner Garg)

Es war dem Präsidium nicht möglich, während des Redebeitrags des Herrn Abgeordneten Dr. Garg einen Zeitraum zu finden, in dem das Präsidium um etwas mehr Ruhe für den Redner bitten konnte. Das möchte ich deshalb jetzt nachholen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er war doch ganz ruhig!)

- Er war ganz ruhig, aber die Zuhörer waren nicht ganz ruhig. Ich denke, dass Herr Hentschel und Herr Klinckhamer ebenfalls wünschen, dass wir das, was sie hier erzählen, sehr gut verstehen können.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich glaube, ich war laut genug, Frau Präsidentin!)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält jetzt Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über den Berichtsantrag „Energiepolitische Leitlinien für Schleswig-Holstein“, der von der CDU und der SPD eingebracht worden ist. Den beiden Fraktionen fehlt offenbar die Größe, den bereits von der FDP eingebrachten Berichtsantrag „Energiepolitische Leitlinien für Schleswig-Holstein“ seriös zu behandeln und eventuell mit Änderungen zu versehen. Stattdessen wurde der FDP-Antrag abgelehnt, aber unter zum Teil wörtlicher Übernahme von Formulierungen daraus hier als eigene Initiative wieder eingebracht. Allerdings sind mittlerweile lange sieben Monate verstrichen, und es wird noch einmal viel Zeit vergehen, denn der Bericht soll erst in der September-Tagung gegeben werden.

Ähnlich ist der Umgang mit dem Antrag „Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz“, mit dem sich das Hohe Haus jetzt wieder befasst, obwohl er bereits - man höre und staune - am 12. Oktober 2006 gestellt wurde. Auch dieser Antrag soll jetzt abgelehnt werden und inhaltlich in den Berichtsantrag einfließen. SSW, FDP und Grüne haben aber einen Sachantrag gestellt, keinen Berichtsantrag. Herr Kollege Dr. Garg hat das sehr eindrucksvoll ausgeführt. Ich zitiere: „Der Schleswig-Holsteinische Landtag spricht sich für eine Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz

aus“ und „sieht eine bundesgesetzliche Regelung als unabdingbar an“. - Das war unser Antrag. Daraus hätte die Landesregierung, wenn dieser Antrag hier eine Mehrheit gefunden hätte, eine Bundesratsinitiative machen müssen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Antrag führte aber auch landespolitisch noch weiter:

„Bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für Investitionen in Leitungsnetze muss der gesamte Lebenszyklus eines Leitungsprojekts betrachtet werden...“

Das ist ein entscheidender Satz, wenn wir uns Gedanken über die Verstärkung unseres Netzes machen müssen, zum Beispiel in Bezug auf Freileitungen versus Erdkabel.

Das sind wichtige Themen. Der mangelnde Ausbau des Netzes liegt bei der Entwicklung unserer Energiewirtschaft wie ein Klotz im Wege, weil die Netzbetreiber eben nicht Schleswig-Holstein im Blick haben, sondern im Zweifel die Interessen des Konzerns in München, mit dem sie verbunden sind. Herr Ritzek, was Sie hier ausgeführt haben, erinnerte eher an einen Besinnungsaufsatz mit dem Stellen richtiger Fragen zum Thema. Nachdem Sie seit dem 12. Oktober 2006 innerhalb der CDU Überlegungen anstellen konnten, wie Sie diese Frage beurteilen, hätte uns Ihre Meinung zu diesem Thema natürlich sehr interessiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Stattdessen stellen Sie sich hierhin und sagen, die EU-Kommission - ob die CDU diese Position teilt oder nicht, lassen Sie offen - fordere ein sogenanntes Ownership Unbundling, das heißt die Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz. Dann ist noch die Frage zu entscheiden, ob das Netz in die öffentliche Hand, in die öffentliche und zum Teil privatisierte Hand oder in private Hände übergehen soll. Aus der Sicht meiner Fraktion ist zu sagen, dass es in die öffentliche Hand übergehen sollte, weil es sich um ein natürliches Monopol handelt. Das liegt jedenfalls wirtschaftstheoretisch sehr nahe. Herr Dr. Garg, wir haben ja schon einmal darüber diskutiert, dass man es dann durch Ausschreibung quasi privatwirtschaftlich bewirtschaften lassen kann. Dann ist die Sache richtig geregelt. Diese Frage schleppen wir schon seit 1998 mit uns herum, seit es die EU-Richtlinie betreffend den Elektrizitätsbinnenmarkt gibt. Herr Ritzek stellt

hier im Namen der CDU-Fraktion diesbezüglich noch Fragen. Auf Initiative von Kollegen von mir und mir selbst wurde auf dem Bundesparteitag der Grünen ein Beschluss erwirkt, der beinhaltet, dass wir uns für eine Übertragung der Netze auf die öffentliche Hand aussprechen.

(Zuruf von der CDU: Das nützt doch nichts!)

- Wir haben jedenfalls eine Position, die ich auch sehr gut begründen kann. Das habe ich eben auch getan. Herr Ritzek, Sie stellen hier aber immer noch Fragen.

Sie haben den Antrag, den wir seitens der Opposition gemeinsam gestellt haben, auf einen Berichtsantrag zum Stand der Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetz reduziert. Ich kann Ihnen diesen Stand erläutern. Die Netze gehören der E.ON Netz GmbH. Was ist da zu berichten?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Große Koalition beweist damit Kleinlichkeit im parlamentarischen Miteinander. Sie verzichtet auf eine eigene aktive Gestaltung der Energiepolitik in unserem Land.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Als Grüne sind wir ebenso wie die FDP - damit wir uns richtig verstehen - für einen Bericht. Wir haben dem Antrag mit einer Einschränkung in einer Protokollnotiz ja auch zugestimmt. Ein Bericht kann schließlich nicht schaden. Lassen Sie mich jedoch Folgendes kritisch anmerken. Wenn von der Landesregierung hier im Hohen Haus im September 2009 über Leitlinien berichtet wird, geschieht das innerhalb einer fünfjährigen Legislaturperiode zu einem Zeitpunkt, der sechs Monate vor der Wahl liegt. Damit wurden Chancen auf der Zeitschiene verspielt. Das ist das Ergebnis Ihrer Energiepolitik.

Meine Damen und Herren von SPD und CDU, ich kann mich auch nicht an irgendwelche nennenswerten parlamentarischen Initiativen von Ihnen zu Klimaschutz oder Klimapolitik erinnern. Auf Oppositionsseite kommen wir auf etwa 30 solcher Initiativen. Das ist jetzt nur eine gegriffene Zahl. Die Frage der Netze ist von strategischer Bedeutung und somit eine entscheidende Frage für die Weiterentwicklung der Energiewirtschaft bei uns im Land. Das ignorieren Sie.

Ich halte kritisch nochmals fest: Wenn die Leitlinien von der Landesregierung im September 2009 benannt werden, kommen wir damit spät. Wenn das

Grünbuch „Schleswig-Holstein Energie 2020“ dabei zur Grundlage gemacht werden soll, so stellen wir dazu Folgendes fest. Das Grünbuch geht auf eine Privatinitiative des damaligen Wirtschaftsministers Austermann zurück. Dem Grünbuch liegt nicht einmal eine Kabinettsbefassung zugrunde. Das Grünbuch - Herr Ritzek, darauf hätten Sie auch Bezug nehmen können - ordnet sich nicht in die Strategie der Bundesregierung ein. Sie ist ja politisch gleich besetzt wie die Große Koalition hier in diesem Hohen Haus.

Die Meseberger Beschlüsse der Bundesregierung sehen zum Beispiel eine Einsparung von 10 % im Strombereich vor. Das Grünbuch geht hingegen von einer Steigerung der Erzeugung, aber auch des Verbrauchs in Schleswig-Holstein um 20 % aus. Dazwischen liegen 30 Prozentpunkte. Unter strategischem Aspekt ist hier die Frage zu stellen, ob man nicht einmal darüber nachdenken sollte, dies zur Grundlage der Landespolitik zu machen. Sollte man die Landespolitik nicht vielleicht zu dem in Beziehung setzen, was auf Bundesebene geplant ist? Was dort geplant ist, sollte jedenfalls nicht konterkariert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Die Bundesregierung plant eine Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung von 12 auf 25 %. Das Grünbuch geht lediglich von einer lächerlichen Steigerung um 4 % aus.

(Zurufe)

- Auf 19 % - lesen Sie nach! -, von 15 % auf 19 %, Herr Kollege.

Die Bundesregierung will 40 % CO2 einsparen. Was steht im Grünbuch? Das Grünbuch verdreifacht den CO2-Ausstoß von 4,3 Millionen t in Schleswig-Holstein auf 15 Millionen t CO2. Es macht wenig Sinn, sich an diesem Grünbuch zu orientieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Grünbuch ist ein Kohlestrombuch, geschrieben von Atomfetischisten.

(Zurufe von der CDU)

Minister Marnette wird nicht müde, längere Laufzeiten für AKW zu fordern, landauf, landab. Aber, sogar die CDU im Kreis Steinburg fordert nahezu einstimmig - zwei haben sich enthalten, 300 Leute ungefähr waren da - den Neubau von Atomkraftwerken.

(Detlef Matthiessen)

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

- Und da wird noch schön geklatscht. Ich mache das Publikum darauf aufmerksam, wie die Stimmungslage in der CDU ist, die nach außen hin immer behauptet: Mit uns kein Neubau von Atomkraftwerken!