Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

Ich rufe Tagesordnungspunkt 37 auf:

a) Gentechnik in der Landwirtschaft

Landtagsbeschluss vom 26. Mai 2005

Drucksache 16/86 Nr. 2

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

b) Biotechnologie in der Landwirtschaft

Landtagsbeschluss vom 26. Mai 2005 Drucksache 16/86 Nr. 6

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/256

Ich erteile dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal geht es um einen Themenbereich, in dem die Europäische Union Maßstäbe gesetzt hat. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen, Landwirte, Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Recht auf freie Wahl bei der Nutzung der Gentechnik effizient ausüben können. Koexistenz beinhaltet die Einhaltung bestimmter Regeln auf der Ebene der landwirtschaftlichsten Betriebe, des Transports und der Verarbeitung. Wie immer steckt der Teufel im Detail. Das heißt, über die exakte Ausformulierung solcher Regeln gibt es unterschiedliche politische Ansichten. Ich möchte aber noch einmal klarstellen - die Europäische Union hat das immer wieder getan -: Bei den Regeln, die die Koexistenz sicherstellen, geht es ausschließlich um technisch-ökonomische Fragestellungen, es geht eben nicht um Fragen der Umweltverträglichkeit oder um Frage der gesundheitlichen Unbedenklichkeit. All das ist bereits im Zulassungsverfahren der GVO geprüft und fällt darum nicht unter die Regeln der Koexistenz. Grundsätzlich ist genau dieses Ziel auch erreichbar.

Der Ihnen vorliegende Bericht der Landesregierung weist aus, dass es bisher zu keiner Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen in SchleswigHolstein gekommen ist. Obwohl in SchleswigHolstein seit 1996 an mehreren Standorten gentechnisch veränderte Pflanzen freigesetzt wurden, konnte mit entsprechenden Maßnahmen, beispielsweise Abstandsregelungen und ackerbaulichen Maßnahmen, eine Ausbreitung von freigesetztem gentechnisch verändertem Raps, Mais oder auch Pappeln verhindert werden. Auch die Überwachung des Saatguts und der Futtermittel zeigt eben, dass es keine Überschreitung von Schwellenwerten bei Verunreinigungen gibt.

Darüber hinaus hat mein Ministerium in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit schleswig-holsteinischen Rapszüchtern eines für Deutschland neues umfangreiches Überwachungsverfahren für Rapssaatgut angewendet, welches verhindern soll, dass mögliche Verunreinigungen überhaupt erst in den Verkehr gelangen. Die Universitäten und wissenschaftlichen

Einrichtungen Schleswig-Holsteins bilden die Basis für unsere Biotechnologie. Hier werden dann auch die Ideen geboren, die später die Grundlage für eine Anwendung oder gar für die Gründung eines Unternehmens liefern. Insgesamt haben wir mittlerweile - auch das darf angefügt werden - 30 Unternehmen im Bereich der Biotechnologie und fünf im Bereich der grünen Gentechnik in Schleswig-Holstein.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

Am Beispiel des vom - ich sage dies ganz bewusst - Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten und von der hier ansässigen norddeutschen Pflanzenzucht KG koordinierten Projekts NAPUS 2000, gesunde Lebensmittel aus transgener Rapssaat, wird deutlich, wie eng die ansässigen Forschungsgruppen mit den regionalen mittelständischen Pflanzenzucht- und Biotechnologieunternehmen zusammenarbeiten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Deutlich wird auch, dass schon in der Vergangenheit umfangreiche Bundesmittel in die grüne Gentechnik geflossen sind, und das, obwohl dieser Bereich von Frau Künast immer noch als Teufelswerk diskreditiert wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Jetzt nicht mehr!)

- Sie diskreditiert das wahrscheinlich immer noch, aber nicht mehr in ihrer alten Position. - Trotzdem hat sogar ihr eigenes Institut, die Bundesanstalt für Holz und Forstwirtschaft, in Großhansdorf Versuche an Pappeln durchgeführt. Auch in Schleswig-Holstein sind Unternehmen und Forschergruppen nicht leer ausgegangen. Auf den Seiten 14 und 15 des Berichts finden Sie dazu eine umfangreiche Katalogisierung. Sie haben in der Zeit seit dem Jahr 1996, also in der Zeit auch grüner Regierungsbeteiligung, über 5 Millionen € für Forschung und Entwicklung im Bereich der grünen Gentechnik auch von der Landesregierung - dank der Technologie- und Innovationsstiftung und der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landschaft, erhalten.

Neben der finanziellen Förderung spielen aber auch die Vernetzung von Forschung und Wissenschaft und Unternehmensnetzwerke eine entscheidende Rolle bei der Förderung dieser innovativen Technik.

Schleswig-Holstein hat eine Chance, die die grüne Gentechnik bietet und die wir verantwortungsvoll nutzen wollen, damit wir am Ende nicht ein Entwicklungsland in diesem Bereich sind. Dazu gehört auch, diejenigen Forschungsreinrichtungen und Unterneh

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

men im Land zu unterstützen, die die Potenziale grüner Gentechnik nutzen wollen.

Meine Damen und Herren, es ist eben so: Koexistenz meint auch wirklich Koexistenz und Wahlfreiheit bedeutet, eine Wahl zu haben. Genau das wollen wir in Schleswig-Holstein sicherstellen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich danke Herrn Minister Dr. von Boetticher und eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als Antragsteller des älteren Antrages.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an den Herrn Minister für den interessanten Bericht.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal in Bezug auf Ihre Bemerkung zu Frau Renate Künast eines deutlich machen: Es geht uns nicht um die Verhinderung einer Technologie, sondern um Sicherheit. Das ist der entscheidende Punkt.

Ein wesentliches Ergebnis dieses Berichtes ist, dass Schleswig-Holstein seit 2004 eine gentechnikfreie Zone ist, was die Aussetzung der grünen Gentechnik angeht. Ich glaube, das ist ein Anlass, dies intensiv für die Werbung des Landes zu nutzen: Das ist gut für unsere Produkte in der Landwirtschaft in unserem Land. Denn die Verbraucher wollen eindeutig keine gentechnikverarbeiteten Produkte. Und das ist auch gut für die Werbung des Tourismus in SchleswigHolstein. Denn der überwiegende Teil unserer Touristen legt Wert auf eine gesunde Umwelt.

Ein Grund dafür, dass es keine gentechnischen Freisetzungsversuche in Schleswig-Holstein gibt, liegt übrigens nicht darin, dass es keine Genehmigungen gibt. Es gibt eine ganze Reihe von Genehmigungen, die weiterhin gültig sind. Der Grund liegt meines Erachtens darin, dass die Firmen die Haftung fürchten, weil sie sich selber nicht sicher sind, ob ihre Sicherheitsmaßnahmen ausreichen, um ein Auskreuzen von Pflanzen in der Umgebung zu vermeiden. Deswegen gibt es auch keinen Grund zur Entwarnung.

Hinsichtlich der Frage zur Koexistenz zeigen auch die Untersuchungen in Schleswig-Holstein, dass schon heute geringe Verunreinigungen durch Aus

saaten nicht zu verhindern sind. So gab es Ihrem Bericht zufolge beim Mais in den letzten vier Jahren bei 10 bis 20 % aller Proben des jeweiligen Jahres geringfügige Verunreinigungen. (Minister Dr. Christian von Boetticher: Un- terhalb der Schwellenwerte!)

Meine Damen und Herren, wie aktuell das Thema ist, zeigt die durch Berichte der „Frankfurter Rundschau“ aufgedeckte illegale Aussaat von gentechnisch veränderten Zucchini der Monsanto-Tochterfirma Seminis. Diese illegale Aussaat von gentechnisch veränderten Zucchini - zum Glück nicht in Schleswig-Holstein - ist mittlerweile der dritte Fall in diesem Jahr, in dem verbotenes Saatgut auf den Acker kam.

Der Vorgang darf nicht aus Versehen übergangen werden. Eine Firma, der in einem so sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit solche Fehler unterlaufen, handelt verantwortungslos. Es besteht der Verdacht, dass Gen-Multis die Menschen scheinbar mit einer Technik zwangsbeglücken wollen. Mit einer Salamitaktik wollen sie vollendete Tatsachen schaffen - wie die Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen -, um dann sozusagen Fakten zu schaffen. Und dann kann niemand mehr zurück.

Die diesjährigen Fälle zeigen eindeutig, wie wichtig ein strenges Gentechnikgesetz mit klaren Haftungsregeln ist. Union und FDP versuchen immer noch alles, um diese Verursacherhaftung abzuschaffen und wollen stattdessen den Steuerzahler zur Kasse bitten. Das ist blanke Lobbypolitik für die Gentechnikkonzerne, die die Unternehmen und Produzenten zu einer gezielten Sorglosigkeit bei einer hoch riskanten Technologie ermutigt.

Meine Damen und Herren, es wird sich jetzt im Rahmen der Regierungsbildung in Berlin zeigen, ob es zu einer Liberalisierung kommt. Für meine Fraktion kann ich nur feststellen: Da sich die Hersteller von Saatgut heute nicht trauen, gentechnisch veränderte Organismen anzubauen, weil sie das Risiko fürchten, dass sich diese Pflanzen ausbreiten könnten und sie dafür haften müssten, verstehe ich nicht, wie man dann die Konsequenz daraus zieht, nun das Haftungsrecht ändern zu wollen.

Sicherheit und Qualität waren in der Landwirtschaft schon immer ein Konkurrenzvorteil und die gesamten Skandale in der Landwirtschaft der letzten Jahre sollten uns lehren, dass letztlich Kompromisse bei der Sicherheit auf die Produzenten zurückschlagen und ihnen zum Nachteil gereichen. Darauf sollten wir bauen.

Ich bin deswegen der Auffassung, dass es falsch wäre, das Gentechnikgesetz zu revidieren. Ich glaube,

(Karl-Martin Hentschel)

dass wir mit den jetzigen Regelungen sehr gut leben können und dass die Gentechnikwirtschaft, die ernsthaft mit den Problemen umgeht, dadurch den nötigen Rahmen hat, den sie braucht, um erfolgreich arbeiten zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Axel Bernstein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal sind die Formulierungen verräterisch: Denn auf der einen Seite wird gesagt, es gehe nicht darum, eine Technologie zu verhindern, und auf der anderen Seite wird gesagt, all das sei Teufelszeug, das Touristen vertreiben könne. Da merkt man einen gewissen Widerspruch, der sich leider auch in der Bundespolitik niederschlägt.

In der Mai-Tagung hat der Landtag die Landesregierung gebeten, einen Bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht, ob sich in der Vergangenheit gentechnisch veränderte Organismen in SchleswigHolstein ausgebreitet hätten, wie die Landesregierung eine solche Ausbreitung in Zukunft vermeiden wolle und wie die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher sichergestellt werden solle.

Die Antwort des Ministeriums macht klar, dass eine Ausbreitung gentechnisch veränderter Organismen von den Freisetzungsflächen im Lande nicht beobachtet werden konnte. Die Maßnahmen, die dazu bislang ergriffen worden sind - zum Beispiel Isolationsabstände und Mantelsaaten - haben sich bewährt. Mit regelmäßigen Kontrollen wird die Sicherheit der Freisetzungsflächen und die Reinheit des Saatgutes überprüft.

Die europäischen Vorgaben werden durch Bundesverordnung aus dem Mai 2005 umgesetzt. Die EU sagt ausdrücklich: Ein dauerhaftes Nebeneinander von landwirtschaftlicher Produktion mit und ohne gentechnisch veränderten Organismen ist das Ziel.

Mit den Maßnahmen der guten fachlichen Praxis wird sichergestellt, dass die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Landwirte erhalten bleibt. Und allen Bedenken gegen die grüne Gentechnik zum Trotz: Diese Maßnahmen haben sich bewährt.

Deshalb haben sich CDU und CSU im Bundesrat dafür eingesetzt, dass die von der EU gewollte Wahlfreiheit auch Wirklichkeit wird. Dazu gehört auch,