Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Vorhin, als ich das Wort „prinzipiell“ gesagt habe, ist gesagt worden: „Ah, prinzipiell!“. Herr Kollege Steinbrück hat hier geschrieben:

„Die Landesregierung hatte vor diesem Hintergrund prinzipiell zwei Möglichkeiten.“

- Er hat in der Tat recht. Wir hatten nach den Gesetzen prinzipiell zwei Möglichkeiten, wir hatten faktisch aber keine zwei Möglichkeiten. - Er fährt fort:

„Erstens wäre eine Rekapitalisierung über den SoFFin … nach Auslagerung der Altlasten und zugunsten der gesunden Kernbank möglich gewesen.“

Diesen Satz hat der Kollege Hentschel weggelassen. Genau daran arbeiten wir seit dem 20./21. November. Genau das wird derzeit vorbereitet. Genau dies ist die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt erstens die Liquiditätsgarantie in Höhe von 30 Milliarden € in Anspruch nehmen können, zweitens die bereits in Anspruch genommenen 10 Milliarden € weiter in Anspruch nehmen können -

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben jetzt den zweiten Satz weggelassen! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Nicht schon wieder! Das haben wir gestern erör- tert!)

- Nein, nein. - Herr Kollege Hentschel, das haben wir alles erörtert. Der Kollege Garg weist darauf hin.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie weiter!)

Im Übrigen reden Sie hier permanent an den eigentlichen Fragen vorbei. Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin unfroh darüber, was die Situation der Bank anbetrifft, dass wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss bekommen. Ich persön

lich bin überhaupt nicht unfroh darüber, weil das vielleicht bedeutet, dass ich durch diesen Untersuchungsausschuss endlich einmal Antworten auf die Fragen bekomme, die ich Ihnen zu der Verantwortlichkeit in der Regierungszeit, die Sie zu verantworten haben, gestellt habe. Dazu schweigen Sie wie ein Grab.

(Beifall bei der CDU)

Auch der Kollege Harms hat einen großen Teil seines Beitrags der Verschiebung des Termins gewidmet. Ich will deshalb aus dem Protokoll zitieren. Ich weiß nicht, ob Sie das verstanden haben. Das war von Herrn Präsidenten Sanio ein bisschen hintergründig. Aber er hat das verdammt ernst gemeint und auch so deklariert. Er hat sich nämlich verabschiedet, indem er sagt:

„Ich habe das schon gesagt, dass ich mit dem 3. April 2009“

es ging um die Verschiebung vom 25./26./27. März auf den 3. April

„kein Problem habe. … Ich nehme den Eindruck einer tiefgreifenden Diskussion mit. … Ich nehme mit, dass kein Abgeordneter“

- kein Abgeordneter; es waren drei Ausschüsse

„auch nur den leisesten Anschein erweckt hat, die Bank - wie es im Jargon heißt - gegen die Wand fahren zu wollen. … Ich nehme mit, dass Sie jetzt wissen, dass das Problem zeitlich drängt. Der Zeitrahmen bis zum 3. April 2009 ist, pragmatisch gesehen, einer, in dem Sie vertiefte Diskussionen führen können. …

Auf dieser Basis werde ich ein paar Zeilen in die Akte schreiben, dass ich hier den Eindruck gewonnen habe, dass die Sache weiter auf der richtigen Schiene ist und dass sie einer endgültigen parlamentarischen Entscheidung am 3. April 2009 entgegensieht.“

So viel zu den Verschiebungsaktivitäten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die heutige Entscheidung ist wohl die bedeutendste finanzpolitische Entscheidung, die je in Schleswig-Holstein und auch in Hamburg getroffen wurde. Ich kann mich in den neun Jahren meiner Abgeordnetentätigkeit in diesem Landtag an kein Thema erinnern, das so intensiv und so aufmerksam begleitet, diskutiert und behandelt wurde. Das galt nicht mal für die Diäten

(Minister Rainer Wiegard)

frage. Es wird auch weiterhin intensiv am Thema gearbeitet werden, und zwar einerseits in den parlamentarischen Gremien, um festzustellen, welche Verantwortlichkeiten sich in diesem Zusammenhang ergeben, und um andererseits den Umsetzungsprozess zielstrebig und eng zu begleiten. Ich glaube, auch hierzu geben die gefassten Resolutionen eine Reihe von Notwendigkeiten her. Ich begrüße sie alle, und ich werde sie alle nach Kräften unterstützen, damit wir dies präzise so umsetzen.

Ich danke ganz persönlich allen Abgeordneten, allen Fraktionen und den beteiligten Ausschüssen und für die überwiegend sachorientierte Beratung, insbesondere Günter Neugebauer für seine sachgerechte Begleitung. Dass es im politischen Bereich hin und wieder Ausreißer gibt, ist nahezu Teil der normalen Tagesarbeit. Ich glaube aber, die letzten Wochen haben gezeigt, dass dieser Landtag in der Lage ist, sich auf eine sehr sachgerechte Art auf eine so schwerwiegende Entscheidung wie diese vorzubereiten. Ich habe für jeden und für jede Verständnis, der oder die sich - wie ich selbst - den Kopf darüber zermartert, ob dies die richtige Entscheidung ist, ob es möglicherweise andere Wege gegeben hätte, ob man einen Fehler macht oder Fehler vermeiden kann. Allein, abnehmen kann uns diese Entscheidung niemand.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Minister und gebe bekannt, dass sich die Restredezeit für die Fraktionen um zweieinhalb Minuten erhöht. Im Rahmen der Restredezeit erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde die elf Minuten nicht brauchen, die Sie mir gewähren wollen. Ich möchte nur einige Anmerkungen zu den Beiträgen der Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD machen. Ich will für meine Fraktion ausdrücklich erklären, dass wir vor den Abgeordneten, die sich anders entscheiden als wir, großen Respekt haben. Wir unterstellen niemandem, dass er sich die Entscheidung hat leichtfertig aufdrücken lassen. Wir erkennen an, dass es die Entscheidung eines jeden Einzelnen ist. Der Kollege Garg und ich haben uns gestern im Ausschuss enthalten. Wir sind heute Morgen erst nach längerer Diskussion zu dem Ergebnis gekommen, dass wir ablehnen werden, und zwar nicht, weil wir

nicht die Notwendigkeit und die Frist sähen, die jetzt dasteht, sondern weil wir nur mit unserer ablehnenden Haltung dokumentieren könnten, dass wir dieser Regierung, diesem Finanzminister und der HSH Nordbank mit Vorstand und Aufsichtsrat nicht mehr über den Weg trauen. Das wäre anders nicht zu vermitteln.

Deshalb erkläre ich ausdrücklich: Wir werden ablehnen, und zwar nicht, weil wir nicht sehen, dass wir dann, wenn wir in der heutigen Regierung sitzen würden oder in die heutige Regierung gewählt würden, bei entsprechenden Erklärungen von Herrn Dr. Marnette und von anderen wahrscheinlich gar nicht anders könnten, als uns so zu verhalten, wie sich die Mehrheitsfraktionen verhalten. Ich erkläre für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich den hohen Respekt vor den Resolutionsentwürfen, denen wir zustimmen werden. Sie machen deutlich, wie viel Bauschmerzen das Parlament tatsächlich bei dem, was passiert, hat. Sie machen deutlich, wie massiv das Vertrauensverhältnis zwischen dem Parlament und dem Vorstand und Aufsichtsrat der HSH Nordbank gestört ist.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Ursula Sassen?

Frau Sassen, selbstverständlich.

Herr Kollege Kubicki, Sie haben nach der gemeinsamen Sitzung des Finanz-, des Wirtschafts- und des Innen- und Rechtsausschusses am 19. März über Radio NORA geäußert, dass Sie nunmehr dem Rettungspaket zustimmen können. Bei der letzten gemeinsamen Sitzung ist meines Wissens nach nichts Neues herausgekommen. Ich würde jetzt gern wissen, was Sie, abgesehen von der Strafanzeige, die sich auf die Vergangenheit bezieht, dazu bewogen hat, sich anders zu äußern.

- Liebe Frau Sassen, ich habe weder gegenüber Radio NORA noch gegenüber sonst irgendjemandem erklärt, dass wir zustimmen können. Ich habe das ausdrücklich erklärt, nachdem der SoFFin erklärt hat, er sei bereit und in der Lage, in dem Fall, wenn die Verluste der HSH Nordbank höher ausfallen als geplant, mit Eigenkapital einzusteigen. Ich habe erklärt, dass wir einen Boden des Fasses HSH Nordbank sehen, das bisher bodenlos war. Ich habe gesagt, dass ich in Anbetracht der Beratungsergeb

(Minister Rainer Wiegard)

nisse der jeweiligen Ausschüsse deshalb mit meiner Fraktion darüber diskutieren will, wie wir uns verhalten wollen. Das führte dazu, dass wir uns vorstellen können, uns zu enthalten. Auch das habe ich am 25. März hier im Saal erklärt.

Frau Kollegin Sassen, dass wir dem zustimmen werden, stand zu keinem Zeitpunkt im Raum. Lassen Sie mich deshalb auch auf das eingehen, was der Finanzminister hier gesagt hat. - Herr Finanzminister, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie mich für einen fiesen Charakter halten. Da sind Sie mit Sicherheit nicht der Einzige. Es gibt eine Reihe von Sozialdemokraten, die das tun. Dankenswerterweise kommt es aber auf Ihre Einschätzung meiner Person nicht an. Die Freunde in meiner eigenen Partei wissen auch, dass Freundschaften immer dann, wenn es um wesentliche Sachfragen geht, für mich keine Rolle spielen. Das ist dann der Fall, wenn es um die Frage geht, ob man in der Sache richtig oder falsch entscheidet. Wenn Sie hier wieder insinuieren, was im Prinzip ein falsches Erklären ist, was Sie in der Vergangenheit häufiger getan haben und was ich Ihnen vorwerfe, nämlich dass es Aussagen gegeben habe, die Ihre Position stützen oder meine charakterlichen Fähigkeiten oder meine Sachkompetenz in Zweifel ziehen, dann muss man sagen: Man muss den jeweiligen Zeitpunkt betrachten, Herr Finanzminister.

Selbstverständlich habe ich erklärt, wie auch meine Partei, dass wir die Anteile der HSH Nordbank verkaufen wollen. Sie wollten das übrigens bis zum Jahre 2005 auch. Wir haben das einmal als Antrag eingebracht, und zwar auch mit dem Bemerken -

(Zurufe)

Herr Finanzminister, ich bin gern bereit, mich mit Ihnen im Einzelnen darüber zu unterhalten. Heute kann ich das mit dem Bemerken tun, wir hätten die Sitzung vielleicht gar nicht, wenn wir im Jahr 2005 oder 2006 so verfahren wären. Da war das sinnvoll. Selbstverständlich habe ich erklärt, wir sollten Anteile kaufen. Wenn Sie sagen, das sei für das Land Schleswig-Holstein wegen des Wertaufholungsprinzips ein Geschäft, dann müssen wir in der Tat die Sparkassen, die händeringend darum bitten, ihre Anteile loszuwerden, sofort mit dem nötigen Kapital ausstatten und ihre Anteile kaufen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder sagen Sie uns selbst, Sie seien von Ihrer Wertaufholungstheorie gar nicht so überzeugt, wie Sie das nach außen tragen? - Wenn Sie es wären, dann wäre das doch ein Riesengeschäft, und

wir müssten es tun. Die Sparkassen bitten uns händeringend darum und fordern uns dazu auf.

Selbstverständlich habe ich gesagt, wir sollen den SoFFin beteiligen. Da ging es aber um Beträge von 300 Millionen oder 400 Millionen €. Herr Finanzminister, wie ich erfahren habe, wussten Sie das seit November 2008. Kein Mensch hat uns gesagt, dass es um 3 Milliarden und um 10 Milliarden Garantieleistungen geht, und zwar mit Open End. Selbstverständlich habe ich gesagt: SoFFin, ja, weil auch ich - wie wir alle - das Gefühl habe, dass die Risikotragfähigkeit des Landes Schleswig-Holstein mit dem, was wir tun, erschöpft ist. Es kann hier um keinen Preis der Welt auch nur der Ansatz eines Verdachts gelegt werden, dann, wenn die im November kommen und sagen, sie brauchen noch mehr Kapital, und sie kommen im November, und sie brauchen noch mehr Kapital, wieder dazustehen und zu sagen: Jetzt müssen wir aber im Interesse des Landes erneut in die Puschen kommen. Dann muss klar sein, dass vordringlich und nahezu ausschließlich der SoFFin derjenige ist, der einsteigen muss, und nicht wir, weil es unsere Fähigkeiten übersteigt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Herr Minister, zum Schluss noch eine Bemerkung: Über die Regierungsfähigkeit in diesem Land entscheiden nicht Sie allein oder ich. Das ist dankenswerterweise so. Es entscheiden die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein. Ich bin gespannt darauf, wie die Menschen dieses Landes darauf reagieren, wenn Sie im Mai oder Juni die Haushaltssperre verkünden, wenn die Vereine und Verbände kein Geld mehr bekommen, wenn - wie gesagt - Ende des Jahres absehbar die HSH Nordbank einen erneuten Kapitalbedarf anmelden wird. Sagen Sie nicht, das sei nicht absehbar. Ich gucke mir die Diskussionen, die wir gegenwärtig führen, dann an. Die Diskussionen sind von allen Beteiligten in großer Ernsthaftigkeit geführt worden. Ich habe es vorhin zum Ausdruck gebracht: Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass die Debatte, die wir in letzter Zeit hier geführt haben, sehr gründlich gewesen ist. Herr Minister, dass wir die Debatte gegen Sie und gegen den Vorstand der HSH Nordbank haben erzwingen müssen, ist etwas, worüber die Abgeordneten des Landtags noch einmal nachdenken müssen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Wolfgang Kubicki)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - - Dann ist sie uns entgangen. Ich erteile Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben eben gefragt, ob man die Kernbank oder das neue Modell für zukunftsfähig halten könnte. - Jawohl, man kann es für zukunftsfähig halten, wenn die Modellannahmen auch eintreffen. Nur daran habe ich gewisse Zweifel:

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

ein zukunftsfähiges Modell, ja, allerdings die Annahmen sind zweifelhaft.