Protokoll der Sitzung vom 06.05.2009

Meine Damen und Herren! Wir ehren die Pünktlichen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf:

Europapolitische Bedeutung des Verbraucherschutzes und Situation des EVZ

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2613

Ich erteile dazu der Frau Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verbraucherschutz hat nicht nur eine europäische Dimension. Streng genommen verdient überhaupt nur die Verbraucherschutzpolitik diesen Namen, die Europa, die die zunehmende Mobilität von Waren, Dienstleistungen und Menschen insgesamt und grundsätzlich im Blick hat. Die Landesregierung hat dies ebenso wie der Bund und natürlich die Europäische Kommission. Dies gilt aber insbesondere für die institutionalisierten Verbraucher

(Werner Kalinka)

schützer, die hier in Kiel als einem von zwei deutschen Standorten des Europäischen Verbraucherzentrums in wirklich hervorragender Weise europäischen Verbraucherschutz verwirklichen

(Beifall des Abgeordneten Peter Sönnichsen [CDU])

- Übrigens mit starker Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus.

Dass wir mit dem Europäischen Verbraucherzentrum in Schleswig-Holstein die einzige Verbraucherschutzinstitution in Deutschland mit entsprechender europäischer Dimension und Zuständigkeit haben, ist ein Glücksfall. Innerhalb weniger Jahre hat sich der grenzüberschreitende Einkauf deutscher Verbraucherinnen und Verbraucher mehr als verdoppelt. Ein Beispiel: Über das Internet tätigen derzeit etwa 6 % der Haushalte mit Internetanschluss grenzüberschreitende Einkäufe. Die Bürgerinnen und Bürger praktizieren also europäische Mobilität auch wirtschaftlich schon lange mit Selbstverständlichkeit und nicht nur in Form von Urlaubsreisen.

Dabei den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern auf hohen Niveau zu sichern - dieses hohe Niveau kennen wir -, ist allerdings auch eine Herausforderung. Der Bundestag hat dazu im Jahre 2006 das Gesetz über die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei innergemeinschaftlichen Verstößen verabschiedet. Damit gibt es in Deutschland für die Umsetzung der europäischen Regelungen über die internationale Behördenzusammenarbeit zur Durchsetzung von Verbraucherrechten eine rechtliche Grundlage.

Mit einer zentralen Behörde in jedem Mitgliedstaat, die auch Ermittlungs- und Durchsetzungsbefugnis zur wirksamen Unterbindung von Verstößen innehat, wird der Verbraucherschutz in der EU auch grenzüberschreitend besser durchgesetzt. In Deutschland ist dies das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, und es ist gut, das Europäische Verbraucherzentrum in Kiel an der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher in Schleswig-Holstein zu wissen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die Landesregierung fördert das Europäische Verbraucherzentrum in Kiel anteilig mit jährlich 121.000 €. Wir können dadurch die zur Verfügung stehenden Gelder für Schleswig-Holstein nochmals in gleicher Höhe binden. Ich bin zuversichtlich: Das Interesse dieses Hauses an diesem Thema wird

sich auch zukünftig in der gebotenen Unterstützung des Projekts ausdrücken, so schwierig künftige Haushaltsberatungen auch sein mögen.

Denn klar ist: Europäischer Verbraucherschutz ist alternativlos. Seine Förderung ist auch eine Investition in ein bürgerfreundliches Europa, zu dem wir auch beitragen können und müssen. Das europäische Verbraucherzentrum stärkt auch das Profil Schleswig-Holsteins als offenes und europafreundliches Land.

(Beifall bei der SPD)

Der Ihnen vorliegende Bericht stellt Aufgaben und Funktionsweise des Europäischen Verbraucherzentrums in Kiel dar. Er zeigt darüber hinaus, dass das EVZ in Kiel aufgrund der Nähe zu den skandinavischen und zu den osteuropäischen Ländern auch gesamteuropäisch eine herausragende Rolle im grenzüberschreitenden Verbraucherschutz wie auch im Reiseverkehr spielt. Das EVZ sorgt beispielsweise für Transparenz durch Preisvergleiche, durch Hilfen bei Problemen bei grenzüberschreitende Einkäufen. Es informiert und ist Anwalt von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Angesichts der Tatsache, dass der Leiter dieses Zentrums heute hier ist, möchte ich ihm und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle herzlichen Dank für ihre Arbeit sagen. Ich denke, sie haben Aufmerksamkeit verdient.

(Beifall)

Für Schleswig-Holstein und natürlich auch für die nationale Politik hat die europäische Verbraucherpolitik eine steigende Bedeutung. Nicht jeder stellt das jeden Tag fest. Deswegen nur ein Hinweis: Auch heute hat mein Haus eine Presseinformation herausgegeben, mit der es eine europäische Entscheidung aktuell umsetzt. Ich will das als Beispiel sagen: Es gilt ein europaweiter Grenzwert für Dimethylfumarat in Produkten. Was sind diese weißen Tütchen, die Sie manchmal in Taschen oder in anderen Dingen, die Sie kaufen, finden und die stark allergieauslösend sind. Hier gibt es einen neuen Grenzwert. Hier hat der Verbraucherschutz zu agieren. Sie sehen daran, wie praktisch diese Arbeit tatsächlich ist.

Wir müssen nämlich berücksichtigen, dass rund 85 % der Verbraucherschutzgesetzgebung ausschließlich auf europäischer Ebene beschlossen wird. Sie gilt häufig direkt in den Mitgliedstaaten das war gerade ein Beispiel dafür - und ist rechtsverbindlich umzusetzen.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Landesregierung steht grundsätzlich zu dem Verbraucherschutz in der Europäischen Kommission. Wir setzen auf bessere Rechtsklarheit und besseren Rechtsschutz nicht nur bei uns, sondern überall. Wir wollen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher und ihre Interessen angemessen bei allen Politikfeldern und in allen Regelungsbereichen berücksichtigt werden. Dabei gilt: Wir brauchen Regelungen, die Schutzmechanismen für Verbraucherinnen und Verbrauchern schaffen und zugleich der Wirtschaft Impulse zu Innovation und besserer Qualität bieten.

Wir wollen, dass die Verbraucherrechte beim Kauf von Waren und Dienstleistungen gestärkt werden. Das hat die Europäische Kommission in den vergangenen Jahren konsequent getan. Das kann jeder feststellen, der das intensiv begleitet und beobachtet hat.

Schließlich stehen wir auch dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Möglichkeiten bekommen, ihre Rechte durchzusetzen. Die Verbraucherzentralen - hier spreche ich von allen stehen auch dafür, dass ihnen dabei eine besondere Rolle zukommt, dass es Möglichkeiten gibt, mit Hilfe von Sammel- und Gruppenklagen für einen verbesserten Verbraucherschutz einzutreten.

Der Berichtsantrag und der Ihnen vorliegende Bericht bilden eine gute Grundlage für weiter gehende Beratung und für eine noch höhere Aufmerksamkeit dieses so wichtigen Themas im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke der Frau Ministerin.

Bevor wir in die Aussprache eintreten, möchte ich sehr herzlich auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Schule Pellworm und der Beruflichen Schulen, Kreis Plön, Zweigstelle Preetz, mit den begleitenden Lehrkräften begrüßen. - Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Die Ministerin hat Ihnen eine Minute Redezeit mehr beschert.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim 3. Verbraucherschutzindex im vergangenen Jahr musste sich Schleswig-Holstein mit dem letzten Platz begnügen. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Verbraucherarbeit in SchleswigHolstein mit nur 28 Cent pro Kopf unterstützt wird, während im Bundesdurchschnitt 35 Cent bezahlt wurden. Die CDU hat in ihrer Schleswiger Erklärung vom 8. Februar 2008 dem Verbraucherschutz einen vorrangigen Stellenwert eingeräumt. Daher haben wir uns auch dafür eingesetzt, dass die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein trotz schwieriger Haushaltslage personell besser ausgestattet

(Beifall bei der CDU)

und der nächste Verbraucherschutzindex besser ausfallen wird.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und?)

Die Stärkung der Verbraucherzentrale Kiel ist besonders wichtig, da das Europäische Verbraucherzentrum Kiel - EVZ Kiel - seit 1998 ein Projekt der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ist und zusammen mit dem EVZ Kehl in Baden-Württemberg das EVZ Deutschland bildet.

Die Bedeutung des Verbraucherschutzes in Europa wächst mit der Globalisierung der Märkte, den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und dem Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher, ihr Recht auf Information und Schutz einzufordern.

Im Interesse der Verbraucher in Schleswig-Holstein begrüße ich die Haltung der Landesregierung und des Bundesrats, das Ziel einer vollständigen Harmonisierung abzulehnen, da damit der hohe Schutzstandard in Deutschland wegen der erforderlichen Rechtsangleichung aufgegeben werden müsste. Eine Vollharmonisierung macht nur dann Sinn, wenn sie auf nationaler Ebene einen Nutzen für die Verbraucher bringt.

(Beifall bei CDU und SSW)

Die grenzüberschreitenden Märkte auf allen Ebenen sind für Schleswig-Holstein - insbesondere auch als Gesundheitsland - eine große Chance. Sie bergen aber auch Risiken für die Verbraucher, da sich seriöse Anbieter von unseriösen Geschäftemachern oft nicht unterscheiden lassen. Hier sind die Netzwerke der Verbraucherzentren hilfreich.

Grundsätzlich ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Verbraucherschutzzentralen oder ihre Beratungsstellen groß. Diese können aber nur so gut sein, wie sie durch entsprechende Ausstat

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

tung und Mittelzuwendung in die Lage versetzt werden, den ständig wachsenden Beratungsanforderungen gerecht zu werden. Daher ist zu begrüßen, dass der Gesamtetat des EVZ Deutschland 2009 mit 636.370 € mit einem EU-Anteil in Höhe von 300.150 € um 65.000 € höher liegt als 2008, kofinanziert vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in gleicher Höhe.

Mit dem vorliegenden Bericht hat die Landesregierung umfassend dargelegt, dass alle verbraucherschutzrelevanten Schwerpunkte vom EVZ Deutschland aktiv begleitet werden. Ein aufschlussreicher Bericht, für den ich den Verfassern und denen, die daran mitgewirkt haben, danke.

(Beifall)

Als gesundheitspolitische Sprecherin liegen mir neben der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, der europäischen Krankenversicherungskarte und der Lebensmittelüberwachung auch die Sicherheit der Produkte für Kinder und die Vermeidung gefährlicher Stoffe beim Kinderspielzeug besonders am Herzen.

Wir haben in der Plenartagung im November 2007 über das Frühwarnsystem „Rapid Alert System for Non Food Products“, kurz RAPEX genannt, diskutiert, das gewährleisten soll, ein einheitliches, unbürokratisches Meldeverfahren zu nutzen. Ich habe damals gefordert, dass RAPEX überarbeitet werden muss.

Neben zahlreichen Rückrufaktionen bei Kinderspielzeug im vergangenen Jahr hat das Verbraucherschutzministerium im Januar 2009 vor gefährlichen Flummis gewarnt und heute - die Ministerin sagte es schon - vor allergieauslösenden Antischimmelmitteln. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass solche Produkte trotz Frühwarnsystemen und Europäischem Verbraucherschutz immer wieder auf den Markt gelangen, ein Beweis dafür, dass die Schnellwarnsysteme eventuell noch immer nicht schnell genug sind.