schluss nicht. Wir sind in dieser Angelegenheit entscheidungsfähig. Gleichwohl stimmen wir einer Ausschussüberweisung zu.
Ich danke Herrn Abgeordneten Sönnichsen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Anna Schlosser-Keichel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hintergrund unserer Debatte ist der schon geschilderte Beschluss des ECOFIN, der den EU-Mitgliedstaaten nach langer und sehr kontroverser Diskussion Anfang März 2009 die Möglichkeit eröffnet hat, ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf bestimmte ,,arbeitsintensive Dienstleistungen“ anzuwenden, zum Beispiel auf Dienstleistungen und Reparaturen im Privatbereich, auf Friseurleistungen, auch auf die Reparatur von Fahrrädern und Schuhen. Man fragt sich manchmal, wie solche Prioritäten zustande kommen.
Auch Dienstleistungen im Gaststättengewerbe sollen künftig mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz abgerechnet werden können, wovon sich die Befürworter sinkende Preise in der Gastronomie, dadurch mehr Gäste und in der Folge insgesamt Umsatzsteigerungen versprechen.
Nun muss man ganz deutlich sagen, dass der Beschluss des ECOFIN den Mitgliedstaaten diese Möglichkeit zwar eröffnet, aber dies keineswegs als Empfehlung zu lesen ist. Im Gegenteil.
,,Der Rat erkennt an, dass ermäßigte Mehrwertsteuersätze sich je nach den Umständen positiv oder negativ auf die Wirtschaft auswirken können, sodass ein Mitgliedstaat immer auch effizientere alternative Lösungen erwägen sollte, bevor er sich für die Anwendung von ermäßigten Mehrwertsteuersätzen entscheidet.“
In neun Mitgliedstaaten sind die Ermäßigungen, über die wir heute sprechen, bereits einige Jahre lang erprobt worden. Die EU-Kommission hat dem
Parlament über die Erfahrungen damit berichtet und mitgeteilt, dass - noch ein Zitat - „günstige Auswirkungen einer derartigen Ermäßigung auf die Beschäftigungssituation und auf die Schattenwirtschaft nicht eindeutig nachweisbar“ sind.
Auch die Bundesregierung stellte im Oktober 2007 in einem umfangreichen Bericht fest, dass die Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes - noch ein letztes Zitat - „nicht immer im vollen Umfang und in keinem Fall auf Dauer an Verbraucher weitergegeben wird“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kubicki, die Hoffnung, dass sich diese Steuersenkung positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken wird, ist auf jeden Fall mit einem riesengroßen Fragezeichen zu versehen. Garantiert und ganz sicher wären dagegen Steuerausfälle in Milliardenhöhe in der Bundesrepublik. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir uns die eigentlich nicht leisten können.
In der Diskussion wird die Sorge deutlich, es könnten sich Wettbewerbsnachteile ergeben, wenn Nachbarstaaten für den Gastronomiebereich oder kleine Handwerksbetriebe den Beschluss anwenden und die Mehrwertsteuer senken, Deutschland jedoch nicht. Das Argument hat insbesondere der bayrische Ministerpräsident mit Blick auf die Konkurrenz in seinen Nachbarländern Österreich und Schweiz eingebracht. Ich denke, dass diese Gefahr für Schleswig-Holstein so nicht besteht. Unser direktes Nachbarland Dänemark ist mit einem Steuersatz von 25 % in diesem Punkt keine Konkurrenz. Dänemark hat zudem bereits angekündigt, den ECOFIN-Beschluss nicht anzuwenden wie Deutschland das auch zu Protokoll gegeben hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Zweifel besteht Handlungsbedarf - der Kollege hat schon auf unsere Beratungen in der Vergangenheit hingewiesen -, das Konglomerat der Umsatzsteuervorschriften insgesamt zu durchforsten. Der Begriff „Güter des Grundbedarfs“, für die der Gesetzgeber 1968 zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums einen reduzierten Mehrwertsteuersatz bestimmt hat, hat sich im Lauf der vergangenen 40 Jahre in der Tat verändert. Da haben sich Positionen überholt und könnten entfallen, müssten vielleicht entfallen, andere müssten nach der heutigen Lebenswirklichkeit in die Liste der Ermäßigungen aufgenommen werden. Außerdem sollten wir zu einer möglichst weitgehenden Harmonisierung auf EU-Ebene kommen.
Wir haben die Landesregierung mit Landtagsbeschluss vom Dezember 2005 aufgefordert, diese grundlegende Diskussion auf Bundesebene zu führen. Sie wird auch geführt. In diesem Gesamtkontext mag man dann auch die besonders arbeitsintensiven Dienstleistungen betrachten und gegebenenfalls neu bewerten, aber - wie gesagt - in der Gesamtbearbeitung des Problems Mehrwertsteuerrecht.
Heute nur punktuelle Änderungen auf den Weg zu bringen und damit den Flickenteppich der Ausnahmetatbestände im Umsatzsteuerrecht noch weiter zu vergrößern, das lehnen wir ab.
Ich danke der Frau Abgeordneten Anna SchlosserKeichel. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundesweit arbeitet die FDP an ihrer Strategie, in allen Landesparlamenten Anträge zur Steuersenkung und zur Entbürokratisierung zu stellen. Vier Monate vor der Bundestagswahl haben wir Verständnis dafür und werden uns damit beschäftigen und den Antrag in den Ausschuss überweisen.
Die Argumente, die in der Sache gegen den Antrag sprechen, sind von Frau Schlosser-Keichel und Herrn Sönnichsen genannt worden. Denen kann ich mich so anschließen. Ich möchte ein einziges Argument hinzufügen. Das sind die Steuerausfälle, die ich am Beispiel der Kommunen herunterbrechen will. Es macht sich immer ganz gut, Steuersenkungen zu fordern. Die Frage ist, was wir dann mit den Steuermindereinnahmen machen, die die Folge sind.
turpakete, Pendlerpauschale, erhöhte familienpolitische Leistungen. Allein dies hat bundesweit zu kommunalen Mindereinnahmen in diesem Jahr von 1,9 Milliarden € geführt. 2010 sind es sogar 3,4 Milliarden € - allein der Ausfall für die Kommunen. Insofern plädiere ich sehr dafür, jetzt nicht weitere Steuererleichterungen zu beschließen.
Entschuldigung, wir waren beschäftigt. - Liebe Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?
Liebe Frau Kollegin Heinold, ist Ihnen der Zusammenhang zwischen Wachstum und Steueraufkommen, das heißt zwischen Umsatz und Umsatzsteuer, ein Begriff, dass Sie nicht die Zahlen bei gleichbleibendem Umsatz nehmen können, wenn Sie damit rechnen können, dass Sie mehr Umsatz generieren?
Ich habe eben ausgeführt, dass dies ein Problem für die Einnahmen ist. Daher sind wir nicht für diesen Antrag. Das einzig Interessante in dieser Debatte ist das, was Frau Schlosser-Keichel gesagt hat, nämlich dass man sich die Mehrwertsteuer grundsätzlich anschauen sollte, dass man noch einmal ganz neu sortieren sollte, was da reingehört oder nicht. Das mahnen wir seit vielen Jahren an.
Bei der Frage, was hineingehört und was nicht, sollte man logischerweise den Gedanken von Herrn Kubicki mit aufnehmen. Das ist die Überlegung, was volkswirtschaftlich, gesellschaftspolitisch oder sozialpolitisch Sinn macht oder zu begründen ist. Ich befürchte allerdings, dass wir dies noch oft anmahnen werden. Ich befürchte auch, dass die Kraft dazu in Berlin - in welcher Konstellation auch immer - fehlt. Ich würde mich aber freuen, wenn meine Negativprognose nicht aufgehen würde.
Ich danke Frau Abgeordneter Monika Heinold. Für den SSW im Landtag hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über den Sinn eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist so etwas wie ein politischer Dauerbrenner. Das haben wir heute gehört. Gern wird sie von der FDP geführt. Genau diese Diskussion versucht sie mit dem uns heute vorliegenden Antrag auch wieder zu erreichen. Dabei haben wir es mit einem Antrag zu tun, über den wir schon im März hätten diskutieren sollen. Konkret geht es dabei um die im März von den Finanzministern der EU getroffene Entscheidung, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu ermöglichen, denn die EU-Finanzminister hatten sich damals zur Vorbereitung des Europäischen Rates darauf verständigt, dass Mitgliedstaaten in einigen lokalen Dienstleistungsbranchen einen verminderten Mehrwertsteuersatz erlauben sollten
Allgemein gilt in Deutschland bekanntlich ein Steuersatz von 19 %. Für Dinge, die dem Gemeinwohl dienen, sind es nur 7 %. Was dem Gemeinwohl dient, ist allerdings auch Fachleuten nicht mehr ersichtlich. Auch darüber haben wir im Plenum in der Vergangenheit mehrfach Debatten geführt, denn auch Hundefutter und Schnittblumen sind immer noch von dem vollen Mehrwertsteuersatz befreit. Wie im FDP-Antrag angeführt, könnte der ECOFIN-Beschluss dazu genutzt werden, arbeitsintensive Dienstleistungen besserzustellen.
Es ist schon gesagt worden, dass eine Reihe von EU-Ländern gleich abgewunken haben. Sie haben von sich aus erklärt, dass sie diese Option nicht in Anspruch nehmen wollen. Daher bleibt es wohl so, dass dieser Vorstoß als „nice to have“ Teil des EUWahlkampfes werden wird.
Auch das Bundeskabinett hat schnell reagiert. Es heißt, man habe den ECOFIN-Kompromiss akzeptiert, werde aber nichts unternehmen, um ihn in der Bundesrepublik umzusetzen. Schaut man sich die alten Presseberichte noch einmal an, dann wird deutlich, dass nicht zuletzt der bayerische Ministerpräsident darauf gedrängt hat, diesen Beschluss für Deutschland umzusetzen. Er kann sich jetzt damit
brüsten, dass diese Forderung ihren Platz bei den gemeinsamen Wahlkampfversprechen von CDU und CSU zur Bundestagswahl gefunden hat. Seehofer hat mit anderen Worten der Bundeskanzlerin ein Thema aufs Auge gedrückt, das sie von sich aus niemals aufgerufen hätte. Das mag dafür gesorgt haben, dass der unionsinterne Haussegen nicht ganz so schief hängt.
Den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes hilft all dies aber sehr wenig. Auch dem Verhältnis zur FDP ist damit gedient, vermute ich, denn Guido Westerwelle verlangt für einige Wirtschaftszweige ebenfalls eine Senkung der Mehrwertsteuer. Er soll gesagt haben, es sei unfair, wenn etwa die Hotel- und Gaststättenbetriebe in den Nachbarländern weniger Steuern zahlen müssen als deutsche Unternehmen.
Der SSW hat sich in Landtagsdebatten in der Vergangenheit immer wieder für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel ausgesprochen, denn ein Wegfall dieser Ermäßigung würde für viele Familien ein richtiges Problem darstellen. Man werfe hierbei nur einen Blick in den Armutsbericht der Bundesregierung. Ansonsten sind wir der Auffassung, dass andere Steuerungsinstrumente unter gesellschaftspolitischen Aspekten sehr viel besser und wirksamer sind. Hier seien stichwortartig die Einführung eines tariflichen Mindestlohns und eine sozial gerechte Steuerreform genannt. Würden wir eine Bürgerversicherung bekommen, die den Namen auch wirklich verdient, dann würde dies auch zu einer steuerlichen Entlastung unseres Handwerks führen, die sehr viel nachhaltiger wäre als ein reduzierter Mehrwertsteuersatz.