Es geht jetzt darum, die verbleibende Zeit zu nutzen, um zu einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu kommen. Aus diesem Grund werden wir dem Antrag des SSW zustimmen. Allerdings sind wir der Auffassung, dass ein Nein im Bundesrat nur die letzte Notbremse sein kann, weil dieses Nein möglicherweise symbolischen Charakter hat und möglicherweise keine Mehrheit im Bundesrat findet. Wichtiger ist es, die Zeit jetzt in Gesprächen mit der Bundesebene zu nutzen, um zu einer besseren Lösung zu kommen.
Wenn wir beim Thema CCS über Akzeptanz sprechen, dann betrifft das natürlich die Politik. Es betrifft aber auch die Unternehmen, die in diesem Umfeld bei uns tätig sind. Allen voran ist die RWE Dea zu nennen.
Es gibt auch Regionen - zum Beispiel Ketzin in Brandenburg, wo es eine CCS-Versuchsanlage gibt -, in denen die Akzeptanz für CCS ausgesprochen hoch ist, weil man sich dadurch Arbeitsplätze und eine bessere wirtschaftliche Zukunft erhofft. Wir fordern RWE von dieser Stelle aus auf, die Vorbereitungen für die seismologischen Untersuchungen in Nordfriesland zu beenden und den entsprechenden Antrag zurückzuziehen, damit wir in Schleswig-Holstein wieder in eine sachliche Debatte einsteigen und darüber diskutieren können, was gewünscht, was möglich und was vielleicht nicht möglich ist. Nur unter dieser Voraussetzung wird wieder eine sachliche Debatte möglich sein.
Viertens entstammt der Druck hinter der Debatte zu einem CO2-Speicher-Gesetz auch dem Willen der SPD, das Thema CCS als Rechtfertigung einer grün angehauchten Klimapolitik nach vorne zu bringen, um an dem vorzeitigen Ausstieg aus der klimafreundlichen Kernenergie festhalten zu können; das hat Bundesumweltminister Gabriel auf dem Bundesparteitag der SPD sehr deutlich gemacht. Ich halte es nicht für besonders glaubwürdig, auf dem Bundesparteitag für CCS zu votieren und sich hier im Land als Gegner der Technologie darzustellen.
Die CDU-Landtagsfraktion möchte dieses Thema zum Anlass nehmen, in eine neue Debatte über den Energiemix der Zukunft einzutreten, die keine Option von vornherein ausschließt und die darauf achtet, dass wir nicht nur in der Politik, sondern auch in der Bevölkerung zu einem Konsens darüber
Für die Fraktion der SPD hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut an die Einschätzung von Professor Hohmeyer aus Flensburg, die er auf der energiepolitischen Jahresauftaktveranstaltung der SPD im Januar hier im Landeshaus geäußert hat. Ich zitiere:
„Die CCS-Technik ist mehr als ein jahrzehntelanges Beschäftigungsprogramm für Wissenschaftler denn als eine tatsächliche Option für unsere Zukunft zu verstehen.“
Nahezu alle Bereiche der CCS-Technik sind mit großen Fragezeichen versehen. Das gilt für die ungeklärte Großtechnik zur Abscheidung am Kraftwerk, für den Transport und schließlich für die wahrscheinliche Endlagerung auf dem Gebiet des Tourismus- und Landwirtschaftslandes SchleswigHolstein. Dennoch legt die Berliner CCS-Gesetzgebung ein unverständlich rasantes Thema vor, was bei anderen Themen nicht unbedingt der Fall ist.
Es besteht seitens der CCS-Richtlinie der EU weder inhaltlich noch zeitlich ein Umsetzungszwang. Es ist sehr erstaunlich, dass in Berlin schon zu Beginn der Umsetzungsfrist von zwei Jahren ein Gesetz auf der Basis eines Entwurfs der Energiekonzerne gebastelt wird. Ich halte es für unverantwortlich, jetzt schon eine erst in 20 Jahren konkret einsetzbare Großtechnik festzuschreiben, nur um neue Kohlekraftwerke „grün anstreichen“ zu können.
„Die Technik“, so Olaf Schulze am 12. März 2008, „kommt daher zu einem Zeitpunkt, an dem wir sie nicht mehr brauchen.“ Wir dürfen nicht zulassen, dass das CCS-Gesetz im Bundestag und später im Bundesrat durchgepeitscht wird.
In der Sache verweise ich auf die bereits seit Langem unverändert bestehende Position meiner Fraktion: Wir wollen in Schleswig-Holstein und ganz
Deutschland keine Kraftwerksdinosaurier - weder mit noch ohne CCS-Technik -, sondern wir setzen auf kleinere, dezentrale Kraftwerke. Zusammen mit großen Offshore-Windparks vor unseren Küsten und dem großflächigen Ausbau von Solarstromanlagen in Nordafrika ist dies die richtige Energiestrategie auf dem Weg in eine sichere, regenerative und gesellschaftlich tragfähige Zukunft ohne Strom aus Atom und - mittelfristig - Kohle.
Wir haben gestern gern der Staatskanzlei das Feld überlassen und auf eigene Pressearbeit verzichtet, denn unsere ablehnende Haltung ist ja seit Langem überall in Schleswig-Holstein bekannt.
Herr Kollege Bernstein, im Hinblick auf das, was Sie über unseren Parteitag gesagt haben, steht SSW wohl eher für „selten so witzig“. Ich begrüße es aber ausdrücklich, dass sich der Ministerpräsident doch noch der Position der schleswig-holsteinischen SPD angeschlossen hat.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, nun hoffe ich sehr, dass Sie für Ihre Position in der eigenen Partei eine Mehrheit bekommen. Denn noch vor wenigen Tagen hat sich Herr Minister von Boetticher in Berlin anders geäußert, und es war der vorletzte Wirtschaftsminister, Dietrich Austermann, der der Industrie mit seinen Versprechungen die Türen nach Schleswig-Holstein geöffnet hat. Außerdem möchte Frau Katherina Reiche von der CDU-Bundestagsfraktion die Haftungsrisiken auf Schleswig-Holstein abwälzen; heute Mittag hat sie laut einer dpaMeldung gesagt, dass die Sache für sie noch nicht vom Tisch sei.
Ich verhehle nicht, dass auch wir an der einen oder anderen Stelle - zum Beispiel bei Herrn Oppermann oder unserem Umweltminister - noch Überzeugungsarbeit zu leisten haben.
Es ist aber sehr schön, dass nach der Kehrtwende des Ministerpräsidenten auch aus der CDU-Bundestagsfraktion überraschende, neue Signale gekommen sind. Auch da sind die Ergebnisse von unserem Parteitag am Wochenende offenbar angekommen.
Die für Freitag vorgesehenen abschließenden Beratungen zum CCS-Gesetzentwurf sollten verschoben werden. Wir müssen nun aus Schleswig-Holstein den Druck erhöhen, damit dies kein reiner Verschiebebeschluss, sondern ein wirklich neuer Denkansatz wird. Ich habe diesbezüglich aber Zweifel. Mit welchem Ernst und mit welchem Verständnis für die Sorgen der Menschen in Schleswig-Holstein das CCS-Gesetz in Berlin diskutiert wurde, zeigt das folgende Zitat:
„Ich sehe schon das nächste Problem auf uns zukommen. Neulich habe ich bei einer Veranstaltung im Rahmen des Europawahlkampfs in Flensburg gesagt, man solle sich jetzt vor den Mineralwasserflaschen hüten, weil sich darin ja auch Kohlendioxid befinde.... Wenn aber die Menschen so denken, dann spricht es nur dafür, dass wir in Bildung noch mehr investieren müssen.“
So hat sich die Frau Bundeskanzlerin beim BDITag am 15. Juni 2009 in Berlin geäußert. - Wir müssen zwar mehr in Bildung investieren, aber nicht weil die Schleswig-Holsteiner zu dumm sind zu verstehen, wo die Gefahren von CCS liegen.
Ich sehe vielmehr, dass im Moment Hunderte von Bürgerinnen und Bürgern ihren kritischen Geist zeigen und genau das machen, was wir von ihnen wollen: sich kümmern, sich einmischen und für ihre Interessen einstehen. Kein anderes Land ist so stark durch die CCS-Pläne betroffen wie Schleswig-Holstein. Wir sollen als CO2-Speicher für ganz Deutschland dienen und diese Last für Tausende von Jahren und auf Kosten späterer Steuerzahler tragen. Das gilt übrigens für CO2 aus SchleswigHolstein genauso wie für CO2 aus Nordrhein-Westfalen.
Die SPD Schleswig-Holstein hat deshalb durchgesetzt, dass das Regierungsprogramm der Bundes-SPD vorsieht, dass der CCS-Gesetzentwurf geändert werden muss und eine umfangreiche Bürgerbeteiligung vorgeschaltet werden soll. Außerdem muss das Gebot der Wiederverwendung von CO2 vor einer möglichen Endlagerung gelten. Das sind für mich die erforderlichen Weichenstellungen, damit das CCS-Gesetz vor allem für die Forschung und nicht als Freibrief für den Bau einer Pipeline von NRW nach Schleswig-Holstein sowie die Endlagerung in unserem Boden für viele Tausend Jahre beschlossen werden kann.
ruinen zu werden drohen, sind genauso eine Sackgasse wie die Auffassung, man könnte die Probleme unter die Erde bringen. Das Gute an Sackgassen ist es, dass sie uns zur Umkehr zwingen. Deshalb kann die SPD-Fraktion dem klugen Antrag des SSW heute guten Gewissens zustimmen.
Wenn der CCS-Gesetzentwurf nicht grundlegend überarbeitet wird, dann muss sich Schleswig-Holstein im Bundesrat klar gegen dieses Gesetz stellen. Inzwischen besteht hier im Hause Einigkeit, die wir nutzen sollten. In der Frage des Atomausstiegs ging schon einmal die Initiative von unserem Land aus. Wir sollten diesen Schwung gegen das CCS-Gesetz nutzen, um gemeinsam folgendes Signal nach Berlin zu schicken: Unsere Energiezukunft ist kurzfristig ohne Atom- und mittelfristig ohne Kohlestrom gesichert! CCS wollen wir in Schleswig-Holstein nicht haben!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Harms, es verdient Respekt, wenn der Ministerpräsident nach einigem Zögern seine Meinung ändert und sich mit Recht dafür entscheidet, dem CCS-Gesetz in der vorliegenden Form seine Zustimmung im Bundesrat zu verweigern. Auch ein Politiker kann seine Meinung durchaus ändern, wenn er zu einer anderen Einsicht gelangt ist. Darüber sollte man sich nicht lustig machen, und dafür sollte man ihn auch nicht kritisieren. Ich finde das respektabel. Herr Ministerpräsident, ich finde es völlig in Ordnung, dass Sie Ihre Meinung diesbezüglich geändert haben.
Es gibt ganz andere Punkte, die zu kritisieren sind. Ich will daran erinnern, dass meine Fraktion im Januar dieses Jahres eine Pilotforschungsanlage für CCS gefordert hat. Wir hatten den Wirtschaftsminister aufgefordert, dafür EU-Fördermittel einzuwerben. Das hat die Große Koalition abgelehnt, um dann später - SPD wie CDU - zu signalisieren, dass sie lieber den ganzen Dreck der gesamten Republik über eine Pipeline nach Schleswig-Holstein holen
Aber worüber man sich wirklich wundern muss, ist der Beitrag des Kollegen Stegner. Ich habe von diesem Mikrofon aus selten eine solche Heuchelei gehört wie in den vergangenen fünf Minuten. Das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.