Aber worüber man sich wirklich wundern muss, ist der Beitrag des Kollegen Stegner. Ich habe von diesem Mikrofon aus selten eine solche Heuchelei gehört wie in den vergangenen fünf Minuten. Das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.
Ich habe die Debatte Ihres Bundesparteitags mit großem Interesse verfolgt, und ich habe auch mit großem Interesse gelesen, was Ihre Bundespartei zu CCS beschlossen hat. Vor allem habe ich mit großem Interesse gelesen, was die SPD-Bundestagsfraktion heute um 11:41 Uhr dpa wissen ließ. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten:
„Die SPD hat das Abrücken der Union von der geplanten unterirdischen KohlendioxidEntsorgung bedauert. Damit hätten CDU/ CSU das in der Koalition vereinbarte Verfahren nicht eingehalten, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Mittwoch in Berlin.“
„Die Union bekenne sich zwar immer wieder zu einer Technikfreundlichkeit. Wenn es konkret werde, kämen ihr aber plötzlich Bedenken.“
Wenn Herrn Stegner das nicht passt, dann erzählt er hier genau das Gegenteil von der SPD-Politik. Wie es ihm gerade in den Kram passt!
Das ist noch viel schlimmer als die CCS-Technologie, Herr Stegner. Das ist nämlich die Verdummung der Menschen. Die Leute merken das. Genau deswegen sind Sie mittlerweile zu einer 20-ProzentPartei geschrumpft. Ich kann Sie nur auffordern, weiterhin Fischplakate aufzuhängen, weiter so Politik zu machen und die Leute weiter so zu verdummen. Dann schaffen Sie unter Ihrer Führung im nächsten Jahr mit Sicherheit auch noch die 10 %.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Peter Harry Carstensen, wenn dieses Gesetz nachgebessert werden soll, wenn Sie sich für eine Nachbesserung die
ses Gesetzes einsetzen, dann schauen Sie zu allererst auf die haftungsrechtlichen Fragen, die in diesem Gesetz geregelt sind. Denn es kann nicht sein, dass irgendwo in der Republik CO2 abgeschieden wird, dieses CO2 an einen anderen Standort, zum Beispiel nach Schleswig-Holstein, gebracht wird um auch das ganz deutlich zu sagen: Bayern ist davon auch betroffen; die CSU ist schon längst im Begriff, dafür zu sorgen, dass das CCS-Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet wird - und dass dann das Land, in dem Kohlendioxid möglicherweise unterirdisch verbracht werden soll, die Haftungsfragen komplett alleine zu klären und die Risiken komplett alleine zu tragen hat, ohne irgendeinen Ausgleich dafür zu bekommen. Das sieht der jetzige Gesetzentwurf so vor. Insofern ist er für Schleswig-Holstein völlig indiskutabel.
Ein weiterer Grund, warum dieser Gesetzentwurf völlig indiskutabel ist, betrifft die eigentumsrechtlichen Fragen. Auch insoweit müsste, wenn überhaupt, nachgebessert werden.
Eines will ich an der Stelle auch ganz deutlich sagen, weil mich das ärgert. Ich hätte wirklich gern ein Pilotprojekt, um diese Technologie daraufhin erforschen zu können, ob sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann oder nicht. Ich sage in aller Deutlichkeit: Ich hätte gern eine Forschungsanlage. Aber wenn man, wie dies geschehen ist, Ängste in der Bevölkerung derart ignoriert und eine eher suboptimale Informationsstrategie fährt, dann darf man sich nicht wundern, dass in der Bevölkerung keine Technikbegeisterung ausbricht, sondern sich dort vielmehr Widerstand formiert.
Ich appelliere an jene in diesem Haus, die es ernst meinen - damit meine ich Sie, Herr Stegner, ganz bestimmt nicht; denn Sie haben mit Ihrem letzten Beitrag gezeigt, wie ernst Ihnen das wirklich ist -: Wenn diese Technologie erforscht werden soll, dann muss man damit grundsätzlich anders umgehen. Dann muss man die Menschen von Anfang an in die Informationsstrategie einbinden.
Herr Präsident, einen letzten Satz an den Kollegen Fischer - Herr Kollege Fischer, ich habe hier immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass ich möchte, dass diese Technologie erforscht werden kann. Dazu braucht es eine Pilotanlage, wo immer diese auch stehen mag. Selbstverständlich hätte ich gern, dass eine solche Pilotanlage die Chance hätte, in Schleswig-Holstein zu stehen. Sonst hätten wir das in unserem Antrag im Januar nicht beantragt.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erfreulich ist, dass die Landesregierung dem CCS-Gesetz nunmehr nicht zustimmen will. Der Antrag sollte daher heute in der Sache Zustimmung aus dem ganzen Hohen Haus bekommen.
Erledigt im politischen Sinne ist der Antrag damit nicht. Inhaltlich haben sich von den Fraktionen hier im Landtag nur SSW und Grüne gegen den Weg, CO2 in großen neuen Kohlekraftwerken abzuscheiden und in geologischen Formationen zu deponieren, ausgesprochen. Wir erleben also heute eine Reihe von Uraufführungen in dieser Angelegenheit, mit unterschiedlichster Ausprägung, wie wir gerade gehört haben.
Der diametrale Richtungswechsel der Landesregierung entspringt nicht Vernunft und Einsicht, sondern dem Druck der Bevölkerung in der Heimat des Ministerpräsidenten.
Der Richtungswechsel ist also taktischer Natur, die Kohlestrategie von SPD, CDU und FDP und leider auch des SSW - lieber Herr Harms, Sie haben sich nicht gegen den Neubau eines Kohlekraftwerks in Brunsbüttel ausgesprochen - bleibt bislang unwidersprochen und unverändert. Das geht auch aus den zahlreichen bisherigen Abstimmungen zu den Anträgen der Grünen gegen den Kohleweg eindeutig hervor.
„Wer sich die Argumente anschaut, mit denen die norddeutschen CDU-Landesverbände gemeinsam mit der CSU die Rückstellung des Gesetzes erreicht haben, muss ins Grübeln kommen. Es ging allein um Akzeptanzprobleme.“
- Sie können das ja richtigstellen, Herr Ministerpräsident. - Ich sage daher: Die politische Debatte ist noch nicht gelaufen. Zu Recht sind die Menschen in Nordfriesland empört und wollen unbedingt verhindern, dass sie zum CO2-Klo der Nation werden.
Vor wenigen Tagen noch forderte der Ministerpräsident, dass die CCS-Technik in Schleswig-Holstein nur für schleswig-holsteinische Kohlekraftwerke zur Verfügung stehen dürfe. In der „Dithmarscher Landeszeitung“ vom 5. Juni dieses Jahres heißt es:
„Ministerpräsident Carstensen schloss Kohlendioxidspeicher im Land nicht generell aus, aber nur im Zusammenhang mit den in Brunsbüttel geplanten Steinkohlekraftwerken. Entschieden lehnte der Regierungschef eine Pipeline aus anderen Bundesländern ab, um in Schleswig-Holstein das CO2 unter die Erde zu packen. Einen Export von Kohlendioxid nach Schleswig-Holstein werde es nicht geben.“
Inzwischen scheint Ihnen aber gedämmert zu haben, dass in einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft, in der allen Interessenten ein diskriminierungsfreier Marktzugang zu gewähren ist, dafür keine Rechtsinstrumente zur Verfügung stehen.
Ähnlich hatte sich schon der Vorvorgänger des jetzigen Wirtschaftsministers geäußert. Dieser hieß Austermann. Das hat mich schon damals sehr erstaunt, meine Damen und Herren. Das ist eine ausgesprochene Schnapsidee.
Nun scheint der Regierungschef schlauer geworden zu sein. Aber bedenken Sie Folgendes: Eine CCSAnlage in den Kraftwerken in Brunsbüttel ist nicht geplant. Sie sagen zwar alle, Sie bauten „Capture Ready“, das heißt, Sie machen dort oben, wo das
vielleicht einmal hinkommt, ein bisschen Grundstücksarbeit; aber Anträge werden diesbezüglich nicht gestellt, und Genehmigungsauflagen gibt es auch nicht. Auch daran würde natürlich Ihre Absicht, schleswig-holsteinisches CO2 zu entsorgen, scheitern, weil die Anlagen diese Technik schlicht nicht zur Verfügung haben.
Die Menschen in der Region sind stocksauer. Es ist ein absurder Vorgang, dass ausgerechnet in Nordfriesland ein gigantisches CO2-Lager entstehen soll.
Vor Kurzem hat der Kreistag auf die Initiative der Grünen hin mit unseren dortigen Partnern von CDU und FDP mehrheitlich beschlossen, dass der Kreis Nordfriesland zum klimafreundlichsten Kreis in Deutschland entwickelt werden soll.
Meine Damen und Herren, die Pläne von RWE sind bekannt. In Hürth in Nordrhein-Westfalen soll ein Pilotkohlekraftwerk mit CCS-Technik gebaut werden. Das abgetrennte CO2 soll über eine 500 km lange Pipeline nach Stadum/Hörup in Nordfriesland transportiert und dort endgelagert werden.
Diese Rechnung von RWE Dea wurde aber ohne den Wirt, will heißen: ohne die Menschen, die dort wohnen, gemacht. Das Gebiet, in dem RWE Dea mögliche Endlagerstätten für CO2 erkunden will, umfasst 18 Gemeinden mit 24.000 Einwohnern, die keine Lust haben, Versuchskaninchen für die großen Stromkonzerne zu spielen. Bis zum 4. Juni waren 1.000 Bürgerinnen und Bürger einer AntiCO2-Initiative beigetreten; heute, so wurde uns vom Vorsitzenden der Initiative mitgeteilt - sind es bereits 2.500. 25.000 Unterschriften wurden gesammelt.
Nach Zeitungsberichten hat der Unternehmenssprecher von RWE Dea erklärt, man sei über die Dynamik des Protests überrascht, man sei aber auf die Akzeptanz der Bevölkerung angewiesen.
Der Gesetzentwurf sieht keine Beschränkungen für einzelne Bundesländer vor; ein Pipelinebau darf nicht grundsätzlich verwehrt werden. Eine SanktFlorians-Politik - keine CO2-Endlager in Schleswig-Holstein, aber in Niedersachsen oder in der Nordsee - ist nach dem Gesetzentwurf jedenfalls nicht möglich.
Für uns Grüne ist klar: Neue Kohlekraftwerke sind nicht nur klimaschädlich, sie sind auch unwirtschaftlich. Die CCS-Technik hat nur eine Funktion: Mit ihr soll der Neubau zentraler kohlebefeuerter Großkraftwerke gerechtfertigt werden. Es bleibt die bittere Wahrheit: Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge. Sonne, Wind und Wasser können ausreichend Strom liefern.