Das Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung sollte eben auch ein deutliches Zeichen setzen, dass wir Artikel 5 a der Landesverfassung ernst nehmen. Ich freue mich, dass der überwiegende Teil des Hohen Hauses deutlich gemacht hat, dass dies offensichtlich in beispielhafter Weise gelungen ist.
Mit dem Gesetz soll ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Deswegen haben wir auch den Begriff „Heim“ nicht benutzt. Nicht mehr die Institution, an der sich die Menschen zu orientieren haben, sondern der Mensch selbst sollte im Mittelpunkt dieses Gesetzes stehen.
Am Menschen orientieren, Inklusion - das war und ist die Leitorientierung. Deswegen auch von mir noch einmal an dieser Stelle: Es geht nicht nur um die Menschen mit Pflegebedarf, sondern es geht auch und ausdrücklich um die Menschen mit Behinderung.
Ziel ist die Stärkung der Selbstbestimmung. Das war nicht selbstverständlich. Deswegen haben wir diesen etwas sperrigen Titel auch durchaus benutzt, um deutlich zu machen: Es geht hier um etwas. Es geht um ein anderes Bild vom Alten, vom Menschen mit Behinderung.
Wir wollten die volle Teilhabe der betreuten Menschen. Gleichzeitig - das habe ich immer sehr offensiv vertreten - sichert der Gesetzentwurf den notwendigen Schutz, den die Menschen auch noch brauchen, und zwar abhängig von dem Grad der individuellen Abhängigkeit in den verschiedenen Lebensbereichen Wohnen, Pflegen, Betreuung und hauswirtschaftlicher Versorgung. Wir haben uns also immer - auch schon in der Erarbeitung des Ent
wurfes - vergegenwärtigt: Gelingt uns die Balance zwischen Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auf der einen und Schutz auf der anderen Seite?
Unsere Instrumente sind hier intensiv und - wie ich finde - sehr schön dargestellt. Für die Stärkung von Selbstbestimmung und den garantierten Schutz sind Beratung, Öffnung der Einrichtungen, Förderung von Begleitung und Mitwirkung in den Einrichtungen, Unterstützung des familiären und bürgerschaftlichen Engagements, eine stärkere Transparenz, Qualitätssicherung und Aufsicht die Stichworte.
Es wurden Anreize für Einrichtungen geschaffen, die sich für Begleitung und Mitwirkung durch Angehörige und durch ehrenamtlich engagierte Menschen öffnen - als Angebot und als Motivation zugleich. Für Einrichtungen, in denen Angehörige oder bürgerschaftlich Engagierte das Alltagsgeschehen mitgestalten können, sind auch Erleichterungen bei den ordnungsrechtlichen Bestimmungen durch die Aufsicht möglich.
Wir wussten, das Mitwirkung durch bürgerschaftlich Engagierte eben leider noch keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir deswegen auch Anreize schaffen mussten.
Die Träger von Einrichtungen müssen künftig verständliches Informationsmaterial über ihr Leistungsangebot vorhalten. Sie müssen Ratsuchende über Beratungsstellen, über Krisentelefone und über Beschwerdemöglichkeiten, über die Aufsichtsbehörde und Ansprechpersonen informieren.
Verständliches Informationsmaterial über ihr Leistungsangebot - das ist kein einfaches Thema. Wir haben es mit dem Landesseniorenrat und dessen Pflegeausschuss besprochen, was das eigentlich sein kann. Wir haben Modellprojekte auf den Weg gebracht: Einerseits verständlich, andererseits wahr - das ist gar nicht so einfach. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass wir auf diesen Vorarbeiten werden aufbauen können.
Die Träger müssen ein Beschwerdemanagement betreiben. Beschwerde - das muss zur Kultur einer guten Einrichtung dazugehören. Man muss sich trauen dürfen, sich zu beschweren.
Es muss möglich sein, es muss ein Klima da sein, dass damit so umgegangen wird, dass es sich tatsächlich auch zum Besseren wendet. Das ist alles
Dass die Ergebnisse der Regelprüfung in Einrichtungen von der Aufsicht veröffentlicht werden sollen, hat auch eine längere Vordiskussion gehabt. Es ging uns hier nicht um Misstrauen gegenüber Einrichtungen, sondern es ging uns um mehr Verbraucherschutz. Dieses gemeinsam mit den Einrichtungen und Trägern auf den Weg zu bringen, war mir wichtig.
Die Transparenzregelungen erhöhen den Verbraucherschutz und - man muss sich da gar nichts vormachen - sie erhöhen den Druck in Richtung auf ein besseres Qualitätsmanagement.
Ich finde, dass sich das Gesetz auch beim Bürokratieabbau sehen lassen kann. Die Vorschriften für die Anmeldung von Einrichtungen, für die vorzuhaltenden Unterlagen und für die Betriebsanforderungen wurden im Vergleich zum Heimgesetz deutlich entschlackt. Pflegedokumentationen sollen weiterhin und zwar verbindlich vereinfacht werden. Gute Einrichtungen müssen nicht jährlich, sondern können in einem zeitlichen Abstand von bis zu drei Jahren geprüft werden. Das hat nicht allen gefallen, die sehr viel Schutz wollten. Aber auch hier noch einmal: Wir müssen den Druck nicht auf die Kontrolle, sondern den Druck auf die Qualitätssicherung durch die Einrichtung selbst und durch die Mitwirkung der Menschen erhöhen. Deswegen war das die Philosophie. Das entlastet die Einrichtung und die Aufsicht, fördert aber gleichzeitig eine verlässliche Qualitätssicherung durch die Träger.
Das Gesetz - das ist hier mehrfach erwähnt worden schafft erstmals Rechtsgrundlagen für neue Wohn- und Betreuungsformen zum Beispiel für ambulant betreute Wohngemeinschaften für demente Menschen. Für diese Wohn- und Betreuungsangebote sollen die Anforderungen auf einem guten Niveau gesichert werden. Es soll die Selbstbestimmung und Mitwirkung gestärkt und der für die Bewohnerinnen und Bewohner notwendige staatliche Schutz gewährleistet werden, ohne dass ihre Eigenverantwortung, ihre Selbstverantwortung, ihr Eigensinn dadurch beeinträchtigt werden. Da muss eine Balance gefunden werden.
Diese Wohnformen werden entsprechend unseres abgestuften Konzeptes eben - das wurde hier gesagt - nicht regelmäßig, sondern anlassbezogen von der Aufsicht geprüft.
Für die stationären Einrichtungen sind im Wesentlichen die bisherigen Schutzinstrumente vorgesehen, aber es wurde auch diskutiert, ob man das eine oder andere lassen kann. Ich habe gesagt, wir sollen es nicht tun. Dieses Gesetz soll die Menschen nicht verunsichern, es soll ihnen Sicherheit geben. Deswegen halte ich es für wichtig, dass wir uns ganz wesentlich an den bisherigen Schutzinstrumenten orientiert haben. Es wird sogar zwingend vorgegeben, dass die Einrichtungen grundsätzlich unangemeldet jährlich mindestens einmal von der Aufsicht zu prüfen sind.
Eine Reihe von Einzelheiten - und zwar nicht unwichtigen Einzelheiten - ist Erlassen und Verordnungen vorbehalten. Ich denke, gerade vor dem Hintergrund des außerordentlich konstruktiven Prozesse sollte dieses auch im Zusammenspiel zwischen Landesregierung und Parlament geschehen.
Wie aus der vorliegenden Beschlussdrucksache zu ersehen ist, hat der Sozialausschuss eine Reihe von begrüßenswerten Änderungen beschlossen und den Gesetzentwurf weiterentwickelt. Das ist mir wichtig. Ich klebe nicht an einem eingebrachten Gesetzentwurf. Ich finde vielmehr, dass es das Beste für die Menschen ist, wenn es im Verlauf der Beratungen zu Klärungen kommt, und zwar zu Klärungen, die im Verlauf der Beratung notwendig wurden, die aber auch im Zusammenhang mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz stehen, das auf Bundesebene heimvertragliche Regelungen durch neues Bundesrecht ersetzt hat und die deswegen noch in das Gesetz einzubauen waren. Das heißt, wir sind mit diesem Gesetz nicht zu spät, sondern in jeder Hinsicht auf Ballhöhe.
Auch zum Thema Internetplattform sage ich: Darüber lohnt kein Streit. In der Einschätzung, dass wir für die Menschen eine optimale Informationsstelle schaffen sollten, besteht kein Unterschied. Es ist jedoch so, dass viele Träger bereits Angebote machen. Wenn man sich einloggt, dann ist es in der Tat für viele Menschen schwer, die richtige Stelle zu finden. Ich halte viel davon, eine Internetplattform in Schleswig-Holstein zu machen, die den Menschen den Zugang zu allen Informationen erleichtert. Das ist aber eine Frage der Konzeption. Über diese Konzeption müssen wir uns im Einzelnen noch verständigen, und zwar am besten mit denjenigen, die jetzt schon Informationen ins Netz einspeisen. Ich will nur ein Beispiel nennen: Die AOK hat nach Regionen und nach Angebote ge
gliederte Angebote und pflegt diese auch. Die Frage ist also, wie unsere Internetplattform aussehen soll, damit sie nicht ein Angebot neben anderen Angeboten ist, sondern es tatsächlich schafft, Vorhandenes vernünftig zu integrieren und Neues aufzunehmen. Frau Abgeordnete Schümann, Sie haben dies angesprochen. Dafür bin ich offen, dafür brauche ich kein Gesetz. Wenn das für die Menschen gut ist, dann machen wir das selbstverständlich so.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Dank geht an Sie alle; insbesondere aber an den Sozialausschuss und - Sie werden es verstehen - an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit meinem Dank verbinde ich das Fazit: Für die Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung in Schleswig-Holstein, aber auch für die sie begleitenden Angehörigen und möglicherweise für jeden, denn niemand weiß, ob es ihn einmal treffen kann, bestehen mit diesem Gesetz zahlreiche und gute neue Möglichkeiten, die Lebensverhältnisse in eigener Entscheidung besser mitzugestalten und mehr mitzuwirken, ohne dass der erforderliche Schutz infrage gestellt ist. Ich freue mich darüber, dass offensichtlich so viele diesem Gesetzentwurf zustimmen können. Es ist das vierte sozialpolitische Gesetz, das wir in dieser Legislaturperiode zusammen auf den Weg gebracht haben. Vielleicht bleibt uns noch die Zeit, im nächsten Jahr weitere Gesetze zu verabschieden. An mir wird es nicht liegen. Bis dann!
Ich danke der Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Ich habe Signale dahin gehend erhalten, dass Teilen des FDP-Antrags zugestimmt werden könne. Schlägt Frau Schümann etwas vor?
Frau Präsidentin, ich habe mir das noch einmal genau angesehen. Wir würden Punkt sechs des Änderungsantrags der FDP und Punkt zehn des Änderungsantrags der Grünen zustimmen. Wir könnten jetzt zwei Wege einschlagen: Entweder wir stimmen einzeln über die Punkte ab, oder wir ziehen diese beiden Punkte vor und stimmen darüber ab. Im Anschluss würden wir dann über den Rest ab
Ich bedanke mich bei Frau Abgeordneter Schümann und übernehme diesen Vorschlag sehr gern. Ich lasse zunächst über Punkt sechs des Änderungsantrags der Fraktion der FDP, Drucksache 16/2721, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist Punkt sechs des Antrags einstimmig angenommen. Damit sind die anderen Punkte des Änderungsantrags der FDP abgelehnt.
Wir müssen jetzt über die restlichen Punkte des FDP-Antrags abstimmen. Das gleiche Verfahren können wir bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Grünen anwenden.
Damit stelle ich die restlichen Punkte des FDP-Antrags zur Abstimmung. Wer diesen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit sind die restlichen Punkte des Antrags der FDP, Drucksache 16/2721, mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/2728, Punkt zehn, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist Punkt zehn einstimmig angenommen.
Ich lasse jetzt über die restlichen Punkte des Änderungsantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2728 abstimmen. Wer diesen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit sind die restlichen Punkte des Antrags Drucksache 16/2728 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt.
Ich lasse über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/2290 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung mit den eben beschlossenen Änderungen abstimmen. Wer dem Gesetzentwurf
so zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den eben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.
Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Landesverwaltungsgesetzes an § 113 b des Telekommunikationsgesetzes
Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Frau Präsidentin! Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 8. Mai 2009 überwiesenen Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD zur Anpassung des Landesverwaltungsgesetzes an § 133 b des Telekommunikationsgesetzes, Drucksache 16/2637, in seiner Sitzung am 3. Juni 2009 befasst.