Frau Präsidentin! Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem ihm durch Plenarbeschluss vom 8. Mai 2009 überwiesenen Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD zur Anpassung des Landesverwaltungsgesetzes an § 133 b des Telekommunikationsgesetzes, Drucksache 16/2637, in seiner Sitzung am 3. Juni 2009 befasst.
Mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt er dem Landtag die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Peter Lehnert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es um die Schließung einer Regelungslücke in § 185 a des Landesverwaltungsgesetzes. Diese Vorschrift regelt die Datenerhebung durch Überwachung der Telekommunikation. Bei einem Besuch im Landeskriminalamt vor ungefähr zwei Wochen ist mir noch einmal sehr deutlich gemacht worden, wie wichtig
eine solche Rechtsgrundlage zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit von Personen ist, wenn die Aufklärung krimineller Sachverhalte nur auf diesem Weg ermöglicht werden kann.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang gerade auch die Übermittlung der beim jeweils betreffenden Telekommunikationsunternehmen gespeicherten Verkehrsdaten. Das Bundesgesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 sieht vor, dass die Freigabe der bei den Telekommunikationsunternehmen gespeicherten Vorratsdaten von einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Telekommunikationsgesetz im jeweiligen Landesgesetz abhängt. Genau da haben wir eine Lücke, denn ein entsprechender Verweis fehlt bislang in unserem Landesverwaltungsgesetz.
Bei der Frage nach dem Warum stößt man auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die Entscheidung in der Hauptsache sollte eigentlich abgewartet werden. Ende 2008 hat das Bundesverfassungsgericht aber in einer Eilentscheidung festgestellt, dass die rechtswirksame präventive Nutzung der nach § 113 a des Telekommunikationsgesetzes anlasslos gespeicherten Vorratsdaten eine entsprechende Abrufnorm im Landesgesetz voraussetzt.
Ein großer Telekommunikationsdienstleistungsanbieter hat sich daraufhin wiederholt geweigert, die von der Landespolizei Schleswig-Holstein eilverfügten beziehungsweise die von ihr erwirkten amtsrichterlichen Beschlüsse zur gefahrenabwehrenden Telekommunikationsüberwachung umzusetzen. Mit dem Landgericht Lübeck hat zudem erstmals eine Beschwerdeinstanz diese Haltung des Telekommunikationsunternehmens bestätigt. Der daraus resultierende Handlungsbedarf ist offenkundig, denn bei einer solchen Sach- und Rechtslage ist die Verhinderung von schweren Straftaten deutlich erschwert.
Ein Abwarten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Hauptsache ist seit der Entscheidung des Landgerichtes Lübeck deshalb nicht mehr zu verantworten. Das Gesetz behebt daher den geschilderten Mangel, aufgrund dessen die Landespolizei bei erfolgversprechenden Ermittlungsansätzen nicht in der Lage ist, weitergehende Schritte einzuleiten. In Anbetracht der Schwere möglicher Straftaten ist daher Eile geboten. Die bestehende Gesetzeslücke wird deshalb mit der
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert und bitte Sie alle, mit mir die Schülerinnen und Schüler der A.-Paul-Weber-Realschule Mölln und die sie begleitenden Lehrkräfte zu begrüßen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD handelt es sich in der Tat lediglich um die formale Anpassung unseres schleswig-holsteinischen Landesverwaltungsgesetzes an das Telekommunikationsgesetz des Bundes, in dessen §§ 113 a und 113 b bekanntlich Ende 2007 eine verbindliche EURichtlinie in Bundesrecht umgesetzt wurde. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 2007 wurde § 113 a des Telekommunikationsgesetzes wie folgt gefasst - ich zitiere -:
„Wer öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste für Endnutzer erbringt, ist verpflichtet, von ihm bei der Nutzung seines Dienstes erzeugte oder verarbeitete Verkehrsdaten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 sechs Monate im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union zu speichern.“
In § 113 b des Telekommunikationsgesetzes heißt es zur Verwendung der nach § 113 a gespeicherten Daten - ich zitiere -:
„Der nach § 113 a Verpflichtete darf die allein auf Grund der Speicherungsverpflichtung nach § 113 a gespeicherten Daten
3. zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes
an die zuständigen Stellen auf deren Verlangen übermitteln, soweit dies in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf § 113 a vorgesehen und die Übermittlung im Einzelfall angeordnet ist …“
Die Zuständigkeit der Polizei richtet sich nach der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmung; in Schleswig-Holstein ist das § 185 a des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein. Darin fehlt bisher die erforderliche Bezugnahme auf § 113 b Telekommunikationsgesetz. Sie soll heute in das Gesetz eingefügt werden, und zwar aus gebotenem Anlass.
Herr Kollege Lehnert hat bereits darauf hingewiesen, dass ein maßgeblicher Telekommunikationsdiensteanbieter mit Sitz in Niedersachen sich bisher wiederholt geweigert hat, die von den Dienststellen der Landespolizei Schleswig-Holstein eilverfügten beziehungsweise die von ihnen erwirkten amtsrichterlichen Beschlüsse zur gefahrenabwehrenden Telekommunikationsüberwachung umzusetzen. Er liefert die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Daten nicht. Das wird mit dem Fehlen einer Bezugnahme im Landesgesetz auf die Vorschrift im Bundesgesetz begründet.
Die Amtsgerichte haben diese Weigerung zunächst ignoriert und ihrer ungeachtet die erforderlichen Beschlüsse erlassen. Das Landgericht Lübeck hat dann erstmals entschieden, dass die Polizei aufgrund der fehlenden Bezugnahme im Landesgesetz nicht handeln darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Eilentscheidung zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz entschieden, dass für die rechtswirksame präventive Nutzung gespeicherter Vorratsdaten eine Bezugsnorm im Landesgesetz vorhanden sein muss.
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten materiellen Anforderungen - die Abwehr dringender gegenwärtiger Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person - und verfahrensrechtlichen Flankierungen - Richtervorbehalt und Kompetenz der Polizei bei Gefahr im Verzug - sind in unserem Landesverwaltungsgesetz bereits enthalten. Darauf kommt es also nicht mehr an. Es ist lediglich eine formale Anpassung erforderlich, die wir heute vornehmen sollten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses hält die Vorratsdatenspeicherung Einzug in das schleswig-holsteinische Landesrecht.
Das Beeindruckende daran ist, dass durch diese Beschlussempfehlung Regelungen in das Landesverwaltungsgesetz aufgenommen werden, die vor dem Bundesverfassungsgericht aktuell auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden - ein bisher einmaliger Vorgang in der schleswig-holsteinischen Gesetzgebung.
CDU und SPD haben nicht einmal abgewartet, ob die Vorratsdatenspeicherung in der Strafverfolgung vor dem Grundgesetz standhält. Ich erinnere daran, dass ich diese Frage gegenwärtig gemeinsam mit einer Vielzahl von Kollegen vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen lasse. Sie haben die Vorratsdatenspeicherung nun sogar in das schleswig-holsteinische Polizeirecht eingebracht.
Nur zur Erinnerung für diejenigen, die es vergessen haben: Die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverbindungen dient der Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten für sechs Monate auf Vorrat, und zwar ohne konkreten Anlass. Wir haben in diversen Debatten in diesem Hause bereits diskutiert, wie die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung durch die Möglichkeit der Erstellung von Bewegungs- und Kontaktprofilen unter anderem die Vertrauensverhältnisse von Arzt und Patient, Anwalt und Mandant, aber auch die Tätigkeit von Abgeordneten und der Presse beeinflussen kann.
Nun scheint es für CDU und SPD doch einen Anlass gegeben zu haben, die Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten im Polizeirecht zu rechtfertigen. Am Tag vor der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf von CDU und SPD ging den Fraktionen eine Entscheidung des Landgerichts Lübeck zu. In diesem
Fall ging es um einen Anruf bei einer Frau aus Lübeck; der Anrufer spielte am Telefon vor, unter Atemnot zu leiden, sodass bei der Frau und später bei der Polizei der berechtigte Verdacht aufkam, dass für den Anrufer Lebensgefahr bestand.
Es handelte sich zwar letztlich um einen Scherzanruf, dennoch hätte auch eine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestehen können. Das Landgericht Lübeck verwies in seiner Beschwerdeentscheidung darauf, dass der Landesgesetzgeber derzeit durch den Nichtverweis auf die Vorschriften der Vorratsdatenspeicherung keine Handhabe hätte, vom Telekommunikationsanbieter die Herausgabe der Telefonnummer des Anrufers zu verlangen. Diese Entscheidung ist vom OLG Schleswig bestätigt worden.
In diesem Fall gab es also einen konkreten Anlass, aber keine rechtliche Handhabe, um zu helfen. Man kann also von einer Regelungslücke sprechen, die der Landesgesetzgeber durch eine neue Regelung schließen müsste. Der Griff nach den Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz geht allerdings in die komplett falsche Richtung.
Niemand wird erklären können, dass eine Regelung notwendig ist, die den Zugriff auf bis zu sechs Monate alte Telekommunikationsverbindungsdaten ermöglicht, um eine derzeit gegenwärtige Gefahr abzuwehren. CDU und SPD hätten sich die Mühe machen müssen, eine eigene Regelung vorzuschlagen, die geeignet ist, in Fällen wie dem genannten die aktuellen Telekommunikationsverbindungsdaten zu erlangen.
Einer Regelung, die bei einem konkreten Verdacht einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben den Zugriff auf aktuelle Telekommunikationsverbindungsdaten im Einzelfall erlaubt, hätten wir uns nicht verschlossen. Aus unserer Sicht ist es aber schlicht verfassungswidrig, zur Gefahrenabwehr auch auf bis zu sechs Monate alte, anlassunabhängig erfasste Daten zurückgreifen zu können.
Das gilt erst recht, da das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung zur Strafverfolgung bereits in seinem Eilbeschluss vom Herbst 2008 äußerst skeptisch beurteilt. Ich zitiere eine Passage aus dieser Eilentscheidung:
„Die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten der bevorrateten Verkehrsdaten verstärkt zugleich die durch §§ 113 a und 113 b TKG begründete Beeinträchtigung der allgemeinen Unbefangenheit des elektronischen Informations- und Gedankenaustauschs sowie des Vertrauens in den durch Artikel 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Telekommunikation in erheblichem Maße.“
Eine freie Gesellschaft setzt aber das Vertrauen der Bürger in eine vertrauliche Kommunikation voraus, bei der er weiß oder selbst bestimmen kann, wer von ihr Kenntnis erlangt. Dieses Recht wird nicht im Interesse eigenbrötlerischer Individualisten gefordert. Eine Einschränkung ist nur dann gerechtfertigt, wenn ein konkreter Anlass vorliegt, der einen Eingriff durch die Ermittlungsbehörden begründen kann. Dies wird bei der Vorratsdatenspeicherung gerade nicht verlangt. Die Vorratsdatenspeicherung ermöglicht nicht nur eine Ermittlung ins Blaue hinein, sondern ist die Errichtung einer ganzen Infrastruktur für solche Ermittlungen. Das gehört nach meiner Auffassung nicht in ein Bundesgesetz, vor allem aber nicht in das Polizeirecht des Landes Schleswig-Holstein.