Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Ich danke Frau Abgeordneter Sassen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Siegrid Tenor-Alschausky.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Transparenz auch im Verbraucherschutz ist derzeit auf dem Vormarsch. Das ist ein gutes Zeichen. Nun steht die Lebensmittel-Ampel auf grün. Allerdings wurde leider nicht die Verbraucherschutzministerin Frau Aigner aktiv, sondern die Firma Frosta hat die einfache Ampelkennzeichnung für ihre Produkte eingeführt.

(Zurufe von der CDU)

Mithilfe der Ampelkennzeichnung können Verbraucherinnen und Verbraucher leicht und auf einen Blick erkennen, welche Produkte viel Zucker, Salz sowie Fette und Kalorien enthalten und bei welchen übermäßiger Verzehr ungesund ist.

Wie die aktuelle Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag von Foodwatch deutlich zeigt, verstehen die Verbraucherinnen und Verbraucher die Ampel und nicht das von den Lebensmittelunternehmen vorgeschlagene GDA-System das hat die schöne Übersetzung „Guideline daily amount“ -, das die Menschen eher verwirrt. Frau Aigner hat ihren noch vor kurzer Zeit formulierten grundsätzlichen Widerstand gegen die Ampelkennzeichnung offenbar aufgegeben, verschiebt aber den angekündigten Runden Tisch zu dem Thema auf unbestimmte Zeit. Schade für die Verbraucherinnen und Verbraucher, denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

(Beifall der Abgeordneten Astrid Höfs [SPD] und Sandra Redmann [SPD])

(Ursula Sassen)

Doch nun zu den Smileys aus Dänemark, die inzwischen auch in vielen Orten Deutschlands vorzufinden sind, Herr Harms und Frau Sassen gingen schon darauf ein. Das System mit vier unterschiedlichen Smileys ist überzeugend einfach und wird mit Zuspruch aller Verbraucherinnen und Verbraucher - inzwischen auch von allen Unternehmen - in Dänemark seit 2002 erfolgreich praktiziert. Und es wirkt: Wurden noch 2002 die freundlichsten der vier Smileys bei 70 % der Betriebe vergeben, sind es 2008 schon 83 %. Die Betriebe wollen sich also nach Kontrollen verbessern. Das ist auch gut so, denn die Kunden fragen immer öfter vor dem Einkauf oder dem Restaurantbesuch im Internet die aktuelle Smiley-Bewertung des Betriebes ab.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Auch in Deutschland wünschen sich 87 % der Befragten ein Smiley-System und gut sichtbare Aushänge über die amtlichen Kontrollergebnisse. Jedes Jahr werden 15 % aller Lebensmittelkontrollen und 23 % der überprüften Betriebe beanstandet. Schade nur, dass diese Ergebnisse nur auf Anforderung im Einzelfall bekannt gegeben werden - trotz Verbraucherinformationsgesetz.

Die Diskussionen um die Smileys für Lebensmittelbetriebe und Restaurants ähneln stark der von mir schon angeführten Ampel-Diskussion bei Lebensmitteln. Die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Verbraucherverbände wollen sie, die Unternehmen - hier der DEHOGA - mauern mit bekannten Argumenten wie Wettbewerbsverzerrung, Geschäftsschädigung und zu viel Kontrollaufwand. Wer soll hier eigentlich geschützt werden? Die Verbraucherinnen und Verbraucher oder die Schmuddelbetriebe?

Fernab aller noch zu führenden juristischen Klimmzüge und Spitzfindigkeiten: Der Geist des Verbraucherinformationsgesetzes ist klar. Selbstverständlich sollen Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle von den Behörden aktiv für die Verbraucherinnen und Verbraucher nutzbar angeboten werden und nicht in der Schublade verstauben, bis ein Verbraucher danach fragt.

Dass es auch in Deutschland mit den Smileys grundsätzlich funktioniert, belegen die Erfahrungen aus Berlin-Pankow. Öffentlich zugängliche Informationen schaffen Transparenz und wirken stärker als Bußgelder. Dies wünsche ich mir auch für Schleswig-Holstein, damit Verstöße wie Nichteinhaltung der Kühlkette, Vorfinden verdorbener Le

bensmittel oder gar starker Gärfliegenbefall in den Prüfberichten nicht mehr vorkommen.

Sicher gibt es noch Diskussionsbedarf, wie ein Smiley-System in Schleswig-Holstein konkret ausgestaltet werden muss und wie die vorhandenen Erfahrungen aus Dänemark und anderer Orte in Deutschland zu berücksichtigen sind. Aber statt jahrelang über den richtigen Weg zu streiten, sollten wir im Ausschuss schnell die Ampel auch für die Smileys auf grün stellen, das sind wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern schuldig.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] und Lars Harms [SSW])

Wir fordern nicht nur Kontrolle von Lebensmittel verarbeitenden Betrieben, Restaurants und Gaststätten, sondern auch eine Kultur der Offenheit bei der Informationspolitik.

(Beifall der Abgeordneten Astrid Höfs [SPD], Jutta Schümann [SPD], Dr. Ralf Steg- ner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Ich danke Frau Abgeordneter Tenor-Alschausky. Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Günther Hildebrand für die FDP-Fraktion und etwas später der Herr Minister.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir uns hierzulande bereits nicht auf die angeblich so verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung zur Bewertung von Lebensmitteln einigen konnten, versucht nun der SSW heute mit einer Qualitätskennzeichnung von Lebensmittel- und Gastronomiebetrieben nach dänischem Vorbild etwas Ähnliches auf den Weg zu bringen.

Das mag auf den ersten Blick verlockend sein, aber auch hier steckt der Teufel - wie so häufig - im Detail. Denn eine Kennzeichnung ist nur so gut wie die Aussage, die damit getroffen wird. Was nützt ein roter Punkt auf einer Olivenölflasche, wenn damit auf den hohen Fettgehalt hingewiesen wird? Oder ein roter Punkt auf einem Honigglas, der vor hohem Zuckergehalt warnen soll? Die Aussagekraft der Kennzeichnung kann damit - im Gegenteil - nichts bewirken und leistet diesem Versuch zusätzlich einen Bärendienst.

In Gastronomie- und Lebensmittelbetrieben sollen es nun vier verschiedene Smileys richten können: stark und leicht lächelnde, einer mit gerade gezoge

(Siegrid Tenor-Alschausky)

nen und einer mit herabhängenden Mundwinkeln, je nachdem wann die Qualität der Betriebe beispielsweise in Sachen Hygiene oder Küchenausstattung wie ausgefallen ist. Nicht zu vergessen der „Elite-Smiley“, den der SSW noch außen vor gelassen hat und der jedenfalls in Dänemark zusätzlich Auskunft darüber geben soll, dass ein Betrieb während der letzten vier Inspektionen oder während der letzten zwölf Monate ohne Beanstandungen geblieben ist.

Wie gesagt: Im Ansatz klingt das durchaus verlockend. Wir würden alle nur noch in die Restaurants und Imbisse und in die Lebensmittelgeschäfte gehen, an deren Tür ein Smiley für ausgezeichnete Qualität prangt.

Welche Aussage ist damit verknüpft? Dass diese Betriebe gut sind oder es jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Kontrolle waren? Dass andere Betriebe schlechter sind oder schlicht nur noch nicht geprüft wurden? Dass andere Betriebe nur die Gebühr für die Plakette nicht zahlen wollten oder dass sie bereits so gut sind, dass sie einen Smiley für nicht nötig erachten?

Fakt ist, dass mit der Smiley-Kennzeichnung keine Erhöhung der Kontrollfrequenz oder eine Veränderung der Anforderungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung verbunden ist.

(Beifall bei der FDP)

Ob ein Betrieb schlecht oder gut war, ob es Beanstandungen gab oder nicht, daran ändert der neue Smiley nichts, das wird bereits heute ganz genauso festgestellt. Es hat auch bereits die gleichen Konsequenzen, beispielsweise die Schließung einer Küche, wenn die Verhältnisse in hygienischer Hinsicht so sind, wie es sich auf den Internetseiten des Bezirksamtes Berlin-Pankow anschauen lässt. Daran ändert eine Negativliste nichts, da helfen allenfalls vermehrte Kontrollen.

Apropos Internet: Auch der Antrag des SSW enthält den Hinweis, dass die erhobenen Daten ins Internet gestellt werden sollen - zwecks besserer Transparenz, wie ich annehme. Grundsätzlich befürworte ich diese Transparenz aus Gründen des Verbraucherschutzes auch. Ich warne allerdings davor, unter dem Deckmantel der Transparenz eine Art virtuellen Pranger aufzubauen, von dem sich der, der daran geraten ist, nicht wieder erholen kann.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Karsten Jasper [CDU] und Ursula Sassen [CDU])

Selbstverständlich muss derjenige, der zum Beispiel bei Hygienekontrollen negativ aufgefallen ist, die erforderlichen Konsequenzen daraus ziehen müssen. Er muss sie dann aber auch ziehen können. Eine Brandmarkung, die jede Zukunftsperspektive verbaut, erscheint mir da kein geeignetes Mittel zu sein.

Nordrhein-Westfalen geht aus diesen Gründen einen anderen Weg: Dort erhalten - ich nenne das jetzt mal so - saubere Restaurant einen lächelnden Smiley, mit dem sie werben dürfen - das Ganze auf freiwilliger Basis.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

In Dänemark ist die Veröffentlichung der Kontrollberichte dagegen Pflicht und nach Aussagen der Dänen auch ein großer Erfolg. 2008 erhielten 83 % der Betriebe einen „Happy Smile“ und 13 % einen „Small Smile“, aber nur noch 4 % die geraden beziehungsweise die heruntergezogenen Mundwinkel. Jedenfalls in Dänemark hat sich damit die von Verbraucherschutzorganisationen so provokant gestellte Frage: „Würden Sie ein Restaurant betreten, in dem ein traurig guckender Smiley als Symbol für mangelnde Hygiene prangt?“, faktisch erledigt, weil sich so ein Restaurant kaum finden lässt. Ich bin deshalb sehr gespannt auf die Beratungen im Ausschuss, die vom SSW gewollt werden. Bis dahin verlasse ich mich bei der Wahl meines Restaurants auf die meiner Meinung nach sehr bewährten „Smileys“ ganz herkömmlicher Art. Ich achte tagesaktuell auf die zufriedenen Gesichter der Gäste in diesem Restaurant und weiß, ob ich da hineingehen kann oder nicht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrand. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus grüner Sicht ist der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ein hohes Gut. Wichtiger Teil des Schutzes ist dabei Transparenz und Kontrolle. Aber wir stellen auch fest, dass dies bei Weitem so nicht ausreicht. Wie dringend notwendig Kontrollen und Kennzeichnungen im

(Günther Hildebrand)

Lebensmittelbereich sind, wissen wir nicht erst seit Skandalen um Ekelfleisch und Umetikettierungen.

Die Menschen im Land sollen und wollen wissen, wo die schwarzen Schafe sitzen und wo sie ihre Lebensmittel unbedenklich beziehen und verzehren können. Hier hört dann auch für uns der Datenschutz auf. Betriebe, die sich nicht an Hygienevorschriften halten, gehören an den Pranger. Andere, die sich vorbildlich verhalten, sollen damit auch werben können. Jedes Jahr ist es dasselbe Lied: Der Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zum Lebensmittel-Monitoring bringt es an den Tag. Die Lebensmittelüberwachung in Deutschland findet viele Missstände, die Kontrollen bleiben jedoch lückenhaft. Es gibt keine Garantie für gesunde und giftfreie Lebensmittel in unserem Land. Auch Ende 2008 wurden in Obst und Gemüse wieder viel zu hohe Rückstände von Pestiziden festgestellt. Jede fünfte Grünkohl-Probe zum Beispiel überschritt die gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstmengen für Pflanzenschutzmittel. Bei einigen Proben von Tomaten, Salat und Grünkohl waren die Belastungen so hoch, dass selbst beim einmaligen Verzehr gesundheitliche Folgen für den Verbraucher nicht auszuschließen waren.

Auch das Problem der Mehrfachbelastungen ist nach wie vor groß. Aktuell enthielten 76 % der Proben Rückstände von mehreren Pestiziden, davon über die Hälfte fünf Mittel oder mehr. Bei der Festsetzung von Rückstandshöchstmengen werden die Auswirkungen von Mehrfachrückständen zu wenig berücksichtigt. Ich erinnere an dieser Stelle auch an die Zunahme allergischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten.

Erfreulich ist, dass bei Bio-Produkten das Risiko sehr gering ist. Das Lebensmittel-Monitoring belegt immer wieder, dass ökologische Lebensmittel kaum mit Pestiziden belastet sind. Das gilt ebenfalls für importiertes Bio-Obst oder Bio-Gemüse. Einen weiteren Grund, den ökologischen Landbau in Deutschland endlich angemessen zu fördern, liefern diese Argumente - ein Ohr, auf dem unsere Landesregierung taub ist.

(Minister Dr. Christian von Boetticher: Was? Schwachsinn!)

- Wir haben immer noch eine Situation, Herr Landwirtschaftsminister, wo die Konsummenge an biologischen Produkten nicht mithält, also im Wachstum sehr viel stärker ist als die Zunahme und der Ausbau der biologischen Landwirtschaft. Das heißt also, der Importanteil nimmt ständig zu. Wir ver

schenken hier Marktchancen. Weder Mess- und Beobachtungsprogramme wie das Lebensmittel-Monitoring der Bundesregierung noch die hier angeregte Qualitätskennzeichnung von Betrieben sind ausreichend, um eine wesentliche Problematik der Qualität in unseren Lebensmitteln in den Griff zu bekommen, nämlich die Pestizidrückstände. Wir brauchen dringend ein konzertiertes Vorgehen gegen Höchstmengenüberschreitungen in Lebensmitteln.

Die Bundesregierung hingegen sieht hier offenbar keinen Handlungsbedarf. Anstatt das konsequente Pestizidreduktionsprogramm von Renate Künast weiterzuführen, verzichteten Bundesverbraucherminister Seehofer und seine Amtsnachfolgerin in seinem „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ auf jegliche quantitative Reduktionsziele für den Pestizideinsatz.

Auch die Vorgabe, die Überschreitung der Pestizidgrenzwerte in Lebensmitteln binnen zehn Jahren auf unter ein 1 % zu senken, wurde ersatzlos gestrichen.

Es reicht nicht, dass die Landesregierung darauf verweist, in Schleswig-Holstein erzeugte Lebensmittel seien aufgrund hoher Standards sicher, denn Obst und Gemüse aus allen Teilen Europas gehören auf den täglichen Speiseplan. Landes- und Bundesregierung müssen ihre Aufgaben konsequenter wahrnehmen. Ziel ist dabei, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Einkaufsregalen ohne Ausnahme gesunde Waren finden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Christian von Boetticher, das Wort.