Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

Mit dem gestrigen Tag sind alle Versuche der Grünen gescheitert, die Fehmarnbelt-Querung zu verhindern. Daran ändert auch Ihr Antrag, Kollege Hentschel, heute nichts. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Ich kann mich noch gut an die Februarsitzung erinnern, als wir den Antrag von Herrn Matthiessen zum Thema Fehmarnbelt-Querung abgelehnt haben. Die Grünen wollten das Ergebnis der Abstimmung im Bundesrat zum Staatsvertrag zur Fehmarnbelt-Querung beeinflussen - eine Abstimmung, die zum Zeitpunkt der Debatte bereits hinter uns lag.

Nun lese ich das Gleiche noch einmal. Herr Kollege Hentschel, Sie fordern in Ihrem Antrag - mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich -: „… im Bundesrat dem Staatsvertrag zur Fehmarnbelt-Querung nicht zuzustimmen“. Also ein neuer Versuch. Zum Mitschreiben für die Grünen: Der Staatsvertrag wurde bereits vom Bundesrat ratifiziert - mit den Stimmen Schleswig-Holsteins, und das ist auch gut so.

Kommen wir zur Sache zurück. Natürlich wird es inflationsbedingte Kostensteigerungen beim Bau von Brücke und der Hinterlandanbindung geben. Das ist bei diesen zeitlichen Dimensionen normal. Allerdings wird der Staat dann auch inflationsbedingt höhere Steuereinnahmen generieren. Aufpassen muss man nur, wenn die realen Steigerungen ausufern. Ich weiß aber nicht, warum wir uns als Schleswig-Holsteiner für die Ausgaben des Bundes einsetzen sollen. Denn unser Betrag - 60 Millionen € für die nächsten neun Jahre - ist überschaubar, steht fest und hat nichts mit den Risiken dort zu tun. Daher kann man keine großen Risiken für uns ausmachen.

Kommen wir nun zum Antrag der Fraktion der FDP, der sich auf die Prüfung einer Alternativtrasse bezieht. Im Gegensatz zum Antrag der Grünen kann man in diesem Fall erkennen, dass die FDP mögliche Probleme konstruktiv lösen will. Daher möchte ich dem Kollegen Garg für seinen Antrag zunächst einmal danken.

Die Position der CDU hierzu ist eindeutig. Es ist unbedingt notwendig, dass wir auf einen Ausgleich der Interessen achten. Natürlich ist eine leistungs

fähige Hinterlandanbindung wichtig. Wir wollen mit der Fehmarnbelt-Querung den internationalen Handel stärken. Dafür brauchen wir eine moderne Infrastruktur, aber keinen Hochgeschwindigkeitszug; denn mit einem Hochgeschwindigkeitszug kann man weder Waren noch Güter transportieren.

Wir dürfen die Menschen vor Ort nicht vergessen. Dort, wo der Tourismus die bedeutendste Einnahmequelle ist und teilweise über 30 % der Wirtschaftskraft ausmacht, müssen wir insbesondere Rücksicht auf den Tourismus nehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Daher ist die Idee einer alternativen Trassenführung für die betroffene Bahnlinie sehr stichhaltig. Lieber Herr Kollege Garg, wir sollten uns heute aber noch nicht endgültig auf eine Trasse festlegen. Vielmehr müssen wir gemeinsam über die Vorschläge diskutieren, die dann kommen werden. Die 15.000 Unterschriften, die heute bei Herrn Biel übergeben werden, stellen keine Gegnerschaft zur Trasse dar. Unterschrieben haben vielmehr diejenigen, die darum bitten, dass ihre Interessen bedacht werden. Deshalb sind diese 15.000 Unterschriften sehr ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, das ist unser Auftrag. Die Bahn arbeitet sehr konstruktiv daran mit. Ich möchte daran erinnern, dass Frau Plambeck von der Bahn vor zwei Tagen hier war. Viele Bürgermeister aus der Umgebung haben dieses Gespräch genutzt, um von den Beteiligten zu erfahren, dass sie sehr ernst genommen werden. Deshalb war es auch gut so, dass sie miteinander im Gespräch waren. Wir werden weiter dieses Gespräch zwischen der Bahn einerseits und den Interessen der Bürgermeister und der Menschen in der Region andererseits moderieren. Wir alle, die wir für dieses Projekt stehen, haben uns auch dafür einzusetzen, dass die Nachteile soweit wie möglich gemildert werden. Wir stehen aber uneingeschränkt zu diesem Projekt.

Herr Hentschel, bitte nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass Ihr Widerstand sinnlos ist. Arrangieren Sie sich und tun Sie das Beste für Ihr Klientel. Derzeit reichen Sie aber nur Anträge ein, über die längst entschieden worden ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

(Hans-Jörn Arp)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Arp, es gab einmal eine Bierwerbung, die mit dem Slogan „Ein schöner Tag“ geworben hat. Gestern war ein schöner Tag für den Besuch eines Biergartens. Gestern gab es aber Leute, die leider nicht da sein konnten. Im Übrigen möchte ich sagen: In einer großen Volkspartei gibt es hin und wieder unterschiedliche Ansichten, die auch nach draußen getragen werden und sich dann auch im Abstimmungsverhalten niederschlagen.

Wir erwarten und sind dafür, dass vor einer Trassenentscheidung mehrere Möglichkeiten der Trassenführung geprüft werden, und zwar vorbehaltlos, ergebnisoffen und flexibel. Wenn die Prüfergebnisse vorliegen, muss entschieden werden, welche der Alternativen die beste ist. Allerdings sind wir nicht dafür, jetzt schon festzulegen, was genau in welchem Fall geschieht, so wie es mit dem Antrag der FDP-Fraktion beantragt wird.

Die Deutsche Bahn AG wird bis zum Herbst 2009 auch eine alternative Trassenführung für die Schienenhinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt-Querung zwischen Lübeck und Puttgarden untersuchen. Dies hat Bundesverkehrsminister Tiefensee dem Wirtschaftsministerium schriftlich mitgeteilt. Auch darüber hat Herr Dr. Stegner mit Herrn Tiefensee gesprochen und entsprechend seinen Einfluss geltend gemacht. Insofern gilt unserem Fraktionsvorsitzenden ein Lob.

(Zurufe: Oh ho! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Unser Tiger!)

Neben dem Ausbau der bestehenden Trasse wird auch eine teilweise Neutrassierung der Bahnstrecke außerhalb der Bäderorte geprüft.

Am Mittwoch hat Frau Plambeck von der Deutschen Bahn AG an der Sitzung des Wirtschaftsausschusses teilgenommen und einige Alternativen und Knackpunkte aufgezeigt, wo es unterschiedliche Trassenmöglichkeiten gibt und wo wir handeln müssen. Insofern werden wir in Zukunft abwägen müssen, welches die beste Trasse ist. Dabei geht es nicht nur um die kostengünstigste Lösung, sondern es geht um eine Abwägung verschiedener Faktoren. Wir erwarten ein ordentliches Verfahren, in dem die Belange der Menschen vor Ort, der Lärmschutz und die Interessen von Natur und Umwelt berücksichtigt werden.

Es ist unbestritten, dass die Kosten eine Rolle, sogar eine bedeutende Rolle spielen. Es wird sich zei

gen, ob die eine oder andere Variante es wert ist, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen, das an anderer Stelle vielleicht fehlt.

Eine Minimierung negativer Auswirkungen, die sich aus der festen Verbindung über den Fehmarnbelt ergeben können, wurde anlässlich der internationalen Konferenz „Buildung new Bridges in the South Western Baltic Sea Region“ in Lübeck am 2. und 3. Juni 2009 beschlossen.

Das werden wir auch einfordern, und zwar nicht nur eindimensional, sondern unter Berücksichtigung der Interessen der Menschen vor Ort, des Umwelt- und Naturschutzes, der Wirtschaft vor Ort und der vielen Besucherinnen und Besucher, die wir in Ostholstein Jahr für Jahr begrüßen. Ich bin überzeugt, dass das gelingen kann. Deswegen werden wir uns erst die Ergebnisse der Prüfung ansehen, bevor wir eine abschließende Entscheidung treffen. Dies werden wir im engen Dialog mit den Menschen vor Ort entscheiden.

Zum Antrag der Grünen möchte ich noch anmerken, dass die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung ein internationales Projekt ist und die Finanzierung der Schienenseite vom Bund allein getragen wird. Die Kosten für die Schienenanbindung dürfen aber nicht mit den Kosten für die Straßenanbindung in Verbindung gebracht werden.

Weiter ist es schwierig, bis zum 1. September 2009 eine Kostenkalkulation vorzulegen, wie Sie es fordern, die alle Varianten und Möglichkeiten berücksichtigt. Das wäre schon in gut zwei Monaten. Deshalb sollten wir die Anträge in Ruhe und mit der gebotenen Sorgfalt im Ausschuss weiter beraten.

(Beifall bei der SPD)

Für die Abgeordneten des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie auch immer man zur festen Fehmarnbelt-Querung stehen mag: Dass die Entscheidung ursprünglich nachts geplant war und heute um 0:00 Uhr beschlossen wurde, zeigt, welchen niedrigen Stellenwert dieses Gesetz auf Bundesebene genießt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann man so nicht sagen!)

Auf Bundesebene hat es bei Weitem nicht den Stellenwert, den man diesem Projekt in Schleswig-Holstein beimisst. Diese Haltung kann in den nächsten Jahren zu erheblichen Schwierigkeiten führen, auf die ich später noch eingehen werde.

Nun zu den vorliegenden Anträgen. Verkehrsminister Dr. Biel hat in der Anhörung des Bundesverkehrsausschusses zum Gesetzentwurf deutlich gemacht, dass sich die von der Deutschen Bahn AG untersuchte Schienenhinterlandanbindung am vorhandenen Trassenverlauf orientiert. Für viele der betroffenen Gemeinden bedeutet dies eine erhebliche Lärmbelästigung durch die Eisenbahnverkehre und führt zu einer Belastung für die Bevölkerung und den Tourismus. Die Forderung der betroffenen Gemeinden nach einer Neutrassierung der Bahnstrecke außerhalb der Wohngebiete und parallel zur A1 erscheint mir durchaus nachvollziehbar.

Der Staatsvertrag sieht dies mittelbar auch vor. Geplant ist demnach die Elektrifizierung der vorhandenen eingleisigen Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden. Wenn nun möglicherweise festgestellt wird, dass eine neue Trassenführung auf dieser Strecke machbar ist und den Gemeinden hilft, wäre dies an sich schon eine Überlegung wert. Sollte es aber tatsächlich so sein, dass eine neue Trassenführung darüber hinaus auch noch preiswerter als die bisher angedachte Lösung ist, kann eigentlich niemand etwas dagegen haben. Deshalb macht der FDP-Antrag Sinn, dem eigentlich jeder vernünftige Mensch zustimmen kann. Wir werden das auf jeden Fall tun.

Hinsichtlich der Kostenkalkulation wissen wir, dass sich der Bundesrechnungshof dahingehend kritisch geäußert hat, dass die prognostizierten Zahlen für die Hinterlandanbindung nicht standhalten. Dies war übrigens schon seit Längerem eine Kritik des SSW, die nun durch das Gutachten des Bundesrechnungshofs bestätigt wurde. Demnach veranschlagt der Bundesrechnungshof für die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite nicht mehr 840 Millionen €, sondern 1,7 Milliarden €.

Vor diesem Hintergrund interessiert es uns natürlich brennend, welche Projekte bei uns im Land der Brücke zum Opfer fallen und wie sich der Bund nun positionieren wird.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hierzu findet sich im Staatsvertrag nichts, und es gibt auch keine Aussage eines politischen Vertreters zu dieser Frage. Was wir aber wissen, ist, dass die anderen Bundesländer natürlich an ihren Ver

kehrsprojekten festhalten werden. Bei uns werden deshalb Projekte verschoben oder auch ganz eingestellt werden müssen. So bitter ist die Wahrheit.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Schleswig-Holstein genügend andere und wichtigere Verkehrsprojekte als die Fehmarnbelt-Querung. Der SSW hat immer wieder darauf hingewiesen, dass andere Projekte für SchleswigHolstein von größerer wirtschaftlicher und verkehrspolitischer Bedeutung sind und gefordert, diese voranzubringen, bevor man eine feste Fehmarnbelt-Querung baut. Wir brauchen für den nördlichen Landesteil und für die Westküste ein eigenes Infrastrukturkonzept, das auch eine grenzüberschreitende Dimension beinhaltet. Von einer solchen Entwicklung sind wir aber weiter entfernt denn je. Herr Kollege Hentschel hat vorhin noch weitere Projekte genannt.

Ich möchte hier und jetzt deutlich sagen, dass die Verkehrsminister Dänemarks und Deutschlands den Vertrag unterschrieben haben. Der Staatsvertrag wurde vom dänischen Folketing und mittlerweile auch vom Deutschen Bundestag ratifiziert.

Betrachtet man aber nun den Staatsvertrag etwas genauer, so kann man sehen, dass sich die Bundesebene noch eine Hintertür offenhält. Werden die geplanten Kosten - also 840 Millionen € - für die Hinterlandanbindung überschritten, soll neu verhandelt werden. Eine solche neue Verhandlung kann eigentlich nur eines zum Ziel haben, nämlich dem Partner Dänemark noch mehr Geld aus dem Kreuz zu leiern.

Da wir jetzt schon wissen, dass die Hinterlandanbindung mindestens 1,7 Milliarden € kosten wird, können sich die Dänen sicher sein, dass die Bundesregierung in naher Zukunft noch einmal finanzielle Nachbesserungen seitens Dänemarks einfordert. So geht man nicht mit einem Partner um, der über 5 Milliarden € in dieses Projekt pumpen will.

Nun ist die Entscheidung für dieses Projekt gefallen, und dann muss man auch dazu stehen. Deswegen können wir den zweiten Punkt des grünen Antrags auch nicht mittragen. Wir sind zwar immer noch gegen die feste Fehmarnbelt-Querung, aber wenn eine politische Entscheidung gefällt ist - und sie ist gefällt -, dann muss man auch dazu stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Das schließt nach unserer Auffassung Hintertüren im Staatsvertrag genauso aus wie nachgeschobene

(Lars Harms)

Bedingungen. Deshalb können wir dem grünen Antrag nicht zustimmen.

Wenn man die Fehmarnbelt-Querung nicht haben will - und den Eindruck kann man haben, wenn man das Handeln auf Bundesebene betrachtet -, sollte man den Mut haben, das Projekt abzulehnen und dem Partner reinen Wein einzuschenken.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)