Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

Für den Ausbau der Schieneninfrastruktur sieht der Staatsvertrag vor, dass die bestehende Strecke von Lübeck nach Puttgarden zweigleisig ausgebaut

werden soll. Der derzeitige Streckenverlauf führt durch eine Reihe von Ostseebädern, die nun eine erhebliche Beeinträchtigung der touristischen Attraktivität und eine zunehmende Lärmbelästigung befürchten.

Die Gemeinden an der derzeitigen Trasse haben diese Bedenken völlig zu Recht, wenn man berücksichtigt, dass die Bahn eine komplette Verlagerung der Güterzüge von der derzeitigen Jütlandlinie auf die neue, 160 km kürzere Fehmarnbelt-Querung beabsichtigt. Die Bahn selbst spricht in neuesten Zahlen von bis zu 150 zusätzlichen Güterzügen täglich, die auch in den Nachtstunden verkehren sollen.

Vor diesem Hintergrund hat die FDP-Fraktion am 19. Mai 2009 die Landesregierung aufgefordert, sich bei der Bahn AG für die Prüfung einer alternativen Trassenführung für die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbeltquerung einzusetzen. Aus Sicht der FDP-Fraktion bietet sich für eine solche Alternativtrasse insbesondere ein Neubau einer Bahntrasse entlang der Autobahn A 1 an.

(Beifall bei der FDP)

Am 5. Juni 2009 hat die Bahn AG schriftlich mitgeteilt, dass sie eine solche Prüfung durchführen wird. Die Bereitschaft der Bahn, diese Prüfung vorzunehmen ist ein gutes Signal für die Gemeinden an der jetzigen Trasse und insbesondere auch ein weiterer Beleg dafür, dass das Projekt von den Verantwortlichen gemeinsam mit den Bürgern und nicht gegen die Bürger gestaltet wird. Allerdings obliegt nicht der Bahn AG die Entscheidungshoheit, sondern dem Eisenbahnbundesamt, beziehungsweise dem SPD-geführten Bundesverkehrsministerium. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich Herr Tiefensee oder auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Stegner hierfür einsetzen werden. Der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner ließ ja vor Ort in Ostholstein verkünden, dass er sich nicht nur für eine Prüfung, sondern auch für die Durchführung einsetze. Ich würde mich freuen, wenn es nicht bei dieser Ankündigung bliebe.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Das ist gut. Da könnte er wirklich einmal etwas Sinnvolles tun.

(Beifall bei der FDP)

Die Bahn AG hat bereits signalisiert, dass ihr die Alternativtrasse sogar ganz lieb wäre, da die Züge dann mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit unterwegs sein könnten. Sie wird allerdings - das muss man wissen - den Bau nur dann realisieren,

(Präsident Martin Kayenburg)

wenn der Bund die Mehrkosten, von denen auszugehen ist, übernimmt. Daher sollte heute ein klares Signal vom Landtag ausgehen, sodass die Landesregierung zügig in Verhandlungen über die Bereitstellung der möglichen zusätzlichen Bundesmittel eintritt.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich ganz kurz noch auf den erneuten Versuch der Grünen eingehen, dieses Jahrhundertprojekt zu torpedieren. Wir wissen, liebe Freunde von den Grünen, dass Sie den Bau der Fehmarnbelt-Querung nicht wollen und dementsprechend auch nicht wollen, dass der Staatsvertrag ratifiziert wird. Das teilten Sie uns bislang in jeder Plenarsitzung mit. Damit kommen Sie jetzt zu spät; er wurde ratifiziert - ich sage: Gott sei Dank! Mal sollte vorher ein Gutachten zur Schiffssicherheit erstellt werden, mal wollten Sie drei Jahre lang den Schiffsverkehr simulieren. Nun soll erneut eine Kostenkalkulation aufgestellt werden.

Auf Antrag der FDP-Fraktion vom 23. September 2008 haben wir uns - auch im Ausschuss - ausführlich mit der Kostenfrage beschäftigt. Der Wirtschaftsausschuss hat - darauf lege ich großen Wert mit den Stimmen der Grünen festgestellt, dass der Staatsvertrag die Kostenfrage und insbesondere die Belastung für Schleswig-Holstein ausreichend regelt. Ich lege Wert auf die Feststellung: mit den Stimmen der Grünen!

Allerdings, lieber Herr Kollege Hentschel, können wir gern erneut im Wirtschaftsausschuss über Ihren Antrag diskutieren. An uns soll dieses Begehren nicht scheitern. Wichtig ist mir, dass die Realisierung der Fehmarnbelt-Querung nicht scheitert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer glaubt, mit der gestrigen Entscheidung im Bundestag sei die Debatte zu Ende, der wird sich täuschen. In Wirklichkeit geht sie erst los.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der dänische Verkehrsminister hat im dortigen Parlament vorgerechnet, dass Dänemark das Bau

werk kostenlos bekomme, weil die EU 1,6 Milliarden € Zuschuss zahlen soll und sämtlich Mauteinnahmen an Dänemark gehen. Damit werde sich die Sache innerhalb von 30 Jahren refinanzieren. Wenn aber die Schätzung stimmt, dass die Kosten wesentlich höher sind, und wenn es so kommt, wie es zurzeit aussieht, dass die EU die 1,6 Milliarden € nicht zur Verfügung stellt, dann wird der dänische Verkehrsminister im dänischen Parlament sagen müssen: „Ätsch, Mann! Es kostet ja doch noch eine Milliarde extra!“ Dann bekommen wir eine neue Diskussion. - Das nur als Vorbemerkung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann dauert nur die Refinanzierung länger!)

Was gestern passiert ist, ist eine Ungeheuerlichkeit. Der Bundesrechnungshof hat in seinem neuen Bericht vom vergangenen Monat zur festen Fehmarnbelt-Querung festgestellt, dass die Kostenkalkulation von ursprünglich 830 Millionen € - mittlerweile 1,029 Milliarden € - falsch ist. Man rechnet damit, dass mindestens 60 %, wahrscheinlich 100 % zusätzliche Kosten entstehen. Damit liegen wir bereits bei mindestens 1,7 Milliarden € Gesamtkosten. Das betrifft aber nur die Bahntrasse. Hinzu kommen nämlich noch die Kosten für den Straßenbau und den Bau der Fehmarnsundbrücke. Wir liegen also locker über 2 Milliarden €, bevor das Projekt von Herrn Garg kommt - was ja ganz sinnvoll ist nämlich zu prüfen, ob die Güterzüge, die dort im Wesentlichen fahren sollen - Personenzüge werden es kaum sein -, durch die Kurorte fahren sollen. Diese Trasse allerdings, als Hochgeschwindigkeitstrasse gebaut, lag schon in der ersten Kostenkalkulation bei 2 Milliarden €; das muss man wissen. Das heißt, das würde noch einmal eine Verdoppelung der Kosten bedeuten.

Ich sage Ihnen das nur, weil Sie jetzt glauben, das Ganze sei eine Debatte, die mit dem gestrigen Beschluss des Bundestages erledigt sei. Wir reden angesichts der Finanzkrise von Schleswig-Holstein über eine Größenordnung von mindestens 2 Milliarden €. Das sind Gelder, die im Land SchleswigHolstein zur Verfügung stehen müssen. Denn die Bundesregierung hat in mehrfachen Auskünften auf Kleine Anfragen der Grünen eindeutig gesagt: Es wird kein zusätzliches Geld für Schleswig-Holstein geben, keinen Cent mehr. Schleswig-Holstein wird das Projekt aus seinem Plafond für den Bundesverkehrswegeplan finanzieren müssen.

(Zuruf von der SPD)

- Es ist in Antworten auf Kleine Anfragen mehrfach betont worden: Es wird keinen zusätzlichen Cent

(Dr. Heiner Garg)

geben. - Das heißt, das geht auf Kosten anderer Projekte.

Kommen wir zu den Zahlen für Schleswig-Holstein. Der neue Landesverkehrsplan dieser Regierung, der dem Ausschuss vorgelegt worden ist, besagt, dass auf der Fehmarnbelt-Querung der durchschnittliche Verkehr pro Tag auf der Bahnlinie zurzeit 250 Fahrgäste beträgt - 250 Fahrgäste! Es ist die am geringsten befahrene Bahnstrecke in ganz Schleswig-Holstein.

Interessanter ist aber die Projektion der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft für das Jahr 2025. Unter der Voraussetzung, dass die Brücke gebaut wird, wird von der Landesweiten Verkehrsservicegesellschaft eine Steigerung um über 100 % vorausgesagt - auf dann 550 Fahrgäste pro Tag. Damit wäre das immer noch die am geringsten befahrene Strecke in Schleswig-Holstein. Selbst die Strecke Neumünster–Heide hat mehr Fahrgäste.

Zum Vergleich: Auf Strecken, die wir - als Alternative - finanzieren wollen, zum Beispiel Pinneberg–Elmshorn oder den Anschluss von Ahrensburg, liegt die Zahl der Fahrgäste pro Tag in einer Größenordnung von 30.000. Beim Metroexpress reden wir sogar von 30 bis 40.000 Fahrgästen - am Tag! Das sind Zahlen, bei denen es sich tatsächlich lohnt, in die Bahn zu investieren - dazu gehört auch die Kieler Stadtbahn -, aber nicht für 550 Fahrgäste.

Für die Straßenstrecke stellt sich die Situation ähnlich dar: Zurzeit sind es etwa 5.000 Fahrgäste am Tag; nach dem Bau der Fehmarnbelt-Querung soll die Zahl auf 10.000 steigen. Auch das sind lächerliche Zahlen im Vergleich zu dem Verkehrsaufkommen auf unseren Autobahnen. Ich nenne zum Beispiel die A 21, die seit Jahren nicht weiterkommt und immer nur zentimeterweise gebaut wird. Auf der B 404 sind es schon heute 40.000 Fahrzeuge am Tag. Für die Zeit nach der Fertigstellung wird die Zahl auf 60.000 hochgerechnet. Angesichts dieser Zahlen muss gebaut werden. Das ist sinnvoll, weil wir eine Autobahnverbindung von Kiel nach Lübeck brauchen. Wir dürfen aber nicht Milliarden in eine Strecke stecken, die noch nicht einmal die Hälfte der Leistung einer normalen Landstraße aufweist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das ganze Projekt ist die Verbindung zwischen zwei Rapsfeldern. So, wie es einmal gesagt worden ist, ist es richtig.

Mit welcher Verzweiflung Herr Arp auf Bettina Hagedorn und ihre zwölf Kollegen im Bundestag eingedroschen hat, ist schon symptomatisch.

Der Herr Ministerpräsident - er ist leider nicht da hätte den Bau dieser Brücke, wenn sie nicht in Ostholstein, sondern in Nordfriesland gebaut werden sollte, aus Angst vor seinen Kommunalpolitikern längst abgeblasen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Herr Kollege Hentschel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. - Bevor eine aktuelle Kostenkalkulation vorliegt, darf das Land dem nicht zustimmen. Ich beantrage, dass eine entsprechende Kostenkalkulation vor der abschließenden Beratung im Bundesrat abgefordert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Hans-Jörn Arp das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern war ein schöner Tag - ein schöner Tag für Dänemark, ein schöner Tag für Deutschland, ein schöner Tag für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Deutsche Bundestag hat genau um 23:55 Uhr mit deutlicher Mehrheit dem Staatsvertrag zum Bau der Fehmarnbelt-Querung zugestimmt. Die Weichen für eine gute Zukunft sind gestellt. Ich möchte mich bei all den Bundestagsabgeordneten bedanken - auch wenn sie nicht alle aus SchleswigHolstein kommen -, die für dieses wichtige Projekt gestimmt haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Koppelin!)

- Beispielsweise auch bei Herrn Koppelin oder bei Gero Storjohann, der im Bundestag für dieses Projekt geredet und wie viele dafür gearbeitet hat. Andere - Frau Hagedorn, weitere SPD-Vertreter, Grüne oder Linke - haben sich nicht für die Interessen Schleswig-Holsteins eingesetzt. Daran sieht man,

(Karl-Martin Hentschel)

wer sich in Berlin wirklich für die Interessen unseres Bundeslandes einsetzt.

(Zuruf von der SPD: Frau Hagedorn hat schon mehr Geld zusammengekriegt als an- dere!)

Mit dem gestrigen Tag sind alle Versuche der Grünen gescheitert, die Fehmarnbelt-Querung zu verhindern. Daran ändert auch Ihr Antrag, Kollege Hentschel, heute nichts. Ich will Ihnen auch sagen, warum.