Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch für die Projektpartner der maritimen Wirtschaft, die in den vergangenen Jahren mit viel persönlicher und finanzieller Energie für das Projekt eingestanden sind, ist die Entscheidung natürlich ein schlechtes Signal. Vertrauen in die Verlässlichkeit von Politik sieht anders aus als das, was an dieser Stelle gelaufen ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei allem Respekt für die Entscheidung - die Begründung, dass jetzt die Finanzmarktkrise zu einem Umdenken bei der Bewertung des Projekts geführt hat, halte ich für mehr als fragwürdig. Dann müssten Sie die eingesparte Summe in die Haushaltskonsolidierung stecken

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dürften nicht erneut das Füllhorn aufmachen und sagen: Liebe Landeshauptstadt Kiel, sucht euch ein paar neue Projekte aus, die wir dann vielleicht finanzieren wollen.

Herr Minister Biel, wenn Sie nach wie vor davon überzeugt sind, dass dieses Projekt für die Landeshauptstadt Kiel ein Ankerprojekt von herausragender Wichtigkeit ist, fordere ich Sie auf, dass Sie der Landeshauptstadt Kiel den Förderbescheid wie zugesagt übergeben und dass Sie sich in diesem Fall über die Empfehlung des Finanzausschusses hinwegsetzen.

(Zurufe)

Ich hoffe, dass Sie heute an dieser Stelle - - Ich will daran erinnern, dass der Wirtschaftsminister an das Votum des Finanzausschusses nicht gebunden ist. Wenn er davon überzeugt ist, dass das ein notwendiges Projekt ist, kann er den Förderbescheid übergeben. Dazu fordere ich ihn hier und heute auf.

(Zurufe)

Für die Abgeordneten des SSW im Landtag erhält die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

(Dr. Heiner Garg)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man sollte wissen, wann das Spiel aus ist. Die Fraktionen von CDU und SPD haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht länger gewillt sind, die Planung des Maritimen Science Centers zu unterstützen. Der Finanzausschuss des Landtags hat sein Votum abgegeben. Damit ist das Urteil gefällt. Das Maritime Science Center Kiel war von Anfang an ein Fliegender Holländer, der immer wieder an die harten Klippen der Realität schlug. Jetzt ist er gestrandet, und das ist gut so.

Das Maritime Science Center war ein Projekt, das man am besten mit „nice to have“ beschreiben könnte. Es war schön und groß und hätte ohne Zweifel der Landeshauptstadt eine herrliche Attraktion hinzugefügt. Wahrscheinlich deshalb hat es für die CDU und die SPD lange eine untergeordnete Rolle gespielt, dass das Science Center finanziell ein Luftschloss war, das stets auf - vorsichtig ausgedrückt - sehr optimistischen Annahmen beruhte.

Es war von Anfang an klar, dass ein großes Risiko bestand, dass diese Einrichtung von der öffentlichen Hand dauerhaft hätte alimentiert werden müssen. Es wären enorme Besucherzahlen notwendig gewesen, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu sichern. Wir haben mittlerweile eine Vielzahl von Gutachten gesehen, die alle zu unterschiedlichen Besucherzahlen kamen, je nachdem, was für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderlich schien. Seriosität sieht aber anders aus.

Wenn aber die Besucherzahlen nicht stimmen, dann entsteht eine Finanzierungslücke für den laufenden Betrieb, die nicht von den betriebswirtschaftlich arbeitenden Betreibern übernommen worden wäre. Sie hatten im Vertrag nämlich einen „Notausgang“ eingebaut. Wäre alles gut gegangen, dann hätte die Tochter eines amerikanischen Konzerns 8 % Unternehmerlohn einbehalten. Hätte das Science Center einen Unterschuss erwirtschaftet, dann hätte der Betreiber nach sechs Monaten aussteigen können, und die Allgemeinheit wäre auf dem Science Center und der Zeche sitzen geblieben. Auch das ist nicht unbedingt seriös.

Zum anderen ist es eine Tatsache, dass Science Center nicht einmal gebaut werden und dann für immer fertig sind. Alle Erfahrungen zeigen, dass sie nur überlebensfähig sind, wenn sie alle paar Jahre für große Summen umgestaltet und erweitert werden. Auch diese sogenannte Reattraktivierung war für das Science Center wirtschaftlich kaum darstellbar, es sei denn, die Öffentlichkeit wäre wieder

mit Millionen eingesprungen, und das können wir heute nicht.

(Beifall beim SSW)

Die CDU und die SPD haben daher vollkommen recht, dass Schleswig-Holstein es sich insbesondere aufgrund der aktuellen Finanzkrise nicht leisten kann, dieses teure Spielzeug mit 26 Millionen € zu fördern und mit Steuermitteln am Leben zu erhalten.

Hinzu kommt, dass Besucher nun einmal nicht vom Himmel fallen. Deshalb war mit dem Plan auch immer die Sorge verbunden, dass andere Einrichtungen in Schleswig-Holstein mit sinkenden Besucherzahlen rechnen müssen. In Kiel wurde zwar immer wieder betont, dass das Science Center ein ganz anderes Konzept verfolge, also der Phänomenta oder dem Multimar Wattforum keine Konkurrenz mache. Aber wer zum Beispiel die Phänomenta in Flensburg kennt, der weiß, das solche Einrichtungen nicht zuletzt von Schulklassen leben, die jedes Jahr zu Hunderten nach Flensburg pilgern, um das Science Center zu besuchen. Die Zahl der Klassenfahrten richtet sich aber nicht nach der Zahl der Science Center. Das Science Center in Kiel hätte somit den anderen Einrichtungen in Schleswig-Holstein, die ebenfalls mit öffentlichen Fördermitteln angeschoben wurden, das Wasser abgegraben.

Der SSW kann deshalb die Forderung der Grünen nicht unterstützen,

(Beifall beim SSW)

dass Wirtschaftsminister Biel den Förderbescheid für das Science Center Kiel trotzdem unterschreiben soll. Man kann ein totes Pferd nicht dadurch wiederbeleben, dass man ihm eine neue Geburtsurkunde ausstellt.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei CDU und SPD)

Das Science Center in Kiel wäre finanziell nur dann überlebensfähig, wenn es von der öffentlichen Hand permanent mit Geld gefüttert würde - mit Geld, das nur aus neuen Krediten kommen kann. Das kann sich aber weder das Land noch die Stadt Kiel leisten. Deshalb ist die Entscheidung der Großen Koalition richtig.

(Beifall bei SSW, CDU und SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich respektiere ich den Beschluss meiner Fraktion, die zu dem Ergebnis gekommen ist, zu empfehlen, das Science Center nicht zu realisieren. Ich will aber noch auf ein paar Aspekte hinweisen. Es sind eine ganze Reihe von Argumenten pro und contra vorgetragen worden. Die Argumente dafür haben deutlich gemacht, dass das Maritime Science Center in Kiel nicht nur am richtigen Ort wäre, sondern auch die Attraktivität der Stadt erheblich gesteigert hätte; das ist, glaube ich, unstreitig. Es sind aber auch die Risiken, vor allem die finanziellen, benannt worden.

Es war eine schwierige Abwägung, und das Pendel ist jetzt dahin ausgeschlagen, das Projekt nicht zu realisieren. Das Pendel hätte meines Erachtens aber auch in die andere Richtung ausschlagen können; auch dafür hätten gute Argumente gesprochen. Die Entscheidung ist nun zwar gefallen, es ist aber ärgerlich, in der Diskussion ständig mit Legenden konfrontiert zu werden, die so nicht stimmen. Mit ein paar davon will ich jetzt einmal aufräumen.

Legende eins lautet, es sei in Kiel über viele Jahre hinweg auf die Realisierung dieses Centers hingearbeitet worden. Das ist aber nicht der Fall. Es gab in der Stadt, in der Verwaltungsspitze, über Jahre hinweg ein Hin und Her, bis sich in den letzten zwei Jahren die konsequente Richtung der Realisierung herauskristallisiert hat.

(Beifall des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Es hat einen Wettbewerb gegeben, den Kiel gewonnen hat. Dann hieß es, deshalb müsse Kiel auch das Science Center bekommen. Der Wettbewerb hatte aber ein ganz anderes Konzept als das, das jetzt realisiert werden soll.

Zu der 75-prozentigen Beteiligung des Landes muss ich eigentlich nicht viel sagen. Vonseiten des Ministers hieß es immer, 60 % seien für ein Leuchtturmprojekt angemessen. Die Stadt Kiel hat gesagt, dass sie das Projekt nur bei einer Beteiligung des Landes in Höhe von 70 % realisieren würde. Minister Austermann hat dann 75 % zugestanden. Vorher gab es aber nie eine klare und nachvollziehbare Zusage von 75 %.

Bei der Risikobetrachtung kann man natürlich nicht ausblenden, dass selbst das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Kiel sagt, dass aufgrund des konkreten Vertrags mit dem Betreiber außerordentliche Haushaltsrisiken für die Stadt Kiel in Rede

stehen. Das hätte aus meiner Sicht allerdings in erster Linie die Stadt Kiel politisch bewerten müssen. Wir haben lediglich die Investitions-, nicht die Folgekosten zu bewerten. Nicht zuletzt deshalb hätte das Pendel auch in die andere Richtung ausschlagen können.

Herr Kollege Sauter, Sie haben das Stadion von Holstein Kiel angesprochen; ich weiß nicht, ob das ernst oder flapsig gemeint war.

(Frank Sauter [CDU]: Das war ernst ge- meint!)

Die Investitionen, die jetzt in das Stadion fließen und von denen das Land einen kleinen Teil übernimmt, haben mit den Mitteln für das Maritime Science Center überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Diese Mittel kommen nicht aus dem Regional- beziehungsweise aus dem Zukunftsprogramm, sondern aus dem Konjunkturpaket.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Herr Kollege, das sind immerhin 4 Millionen €!)

Es ist richtig, dass es sich um einen erheblichen Betrag handelt, der ungefähr die Hälfte dessen ausmacht, was der Verein selbst aufbringt. Dieses Thema hat aber nichts mit der Verbesserung der Regionalentwicklung zu tun. Wichtig ist, dass die Mittel aus den Töpfen des Regional- beziehungsweise Zukunftsprogramms - es handelt sich dabei um eine Kombination aus EU- und Landesmitteln - in vernünftige und zukunftsweisende Projekte auch in Kiel investiert werden.

Frau Kollegin Spoorendonk, das mit dem Fliegenden Holländer und dem toten Pferd war ziemlich daneben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Für die Landesregierung hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Dr. Jörn Biel, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In der jetzigen Situation zum Maritimen

Science Center zu sprechen, fällt mir nicht leicht. Denn ich habe mich von Anbeginn um diese Thematik gekümmert und mich mit der Idee des Science Centers identifiziert. Gut sieben Jahre intensiver Beschäftigung mit dem Maritimen Science Center lassen sich nicht einfach auslöschen. Deshalb möchte ich in der gebotenen Kürze einige persönliche Bemerkungen machen, von denen die eine oder andere sicherlich nicht allen von Ihnen gefallen wird.

Erstens. Der Wettbewerb um ein Science Center wurde ohne inhaltliche Vorgaben gestartet; es war vielmehr ein Wettbewerb der Standorte. Das führte auch in den späteren Beratungsphasen zu einer fast ausschließlich auf den Standort konzentrierten Diskussion, die die Landesinteressen vollkommen außer Acht ließ; auch heute war das wieder so. Das war ein schwerwiegender Fehler.

Zweitens. Minister Austermann hat wegen der landespolitischen Bedeutung und aufgrund des Landesinteresses die Förderquote im Jahr 2005 von 70 % auf 75 % erhöht.

Drittens. Damit konnte zugleich das damalige Zögern der Landeshauptstadt Kiel zum Teil überwunden werden; das Projekt wurde endlich angegangen.