„Ein vom Kreistag gewählter und proportional zu dessen Sitzverteilung besetzter Verwaltungsausschuss, ähnlich dem früheren Kreisausschuss, soll künftig wieder die Funktion des verwaltungsleitenden Organs zwischen Kreistag und Landrat oder - besser gesagt - neben Kreistag und Landrat übernehmen …“
Aus unserer Sicht zwar ein falscher Weg, aber wenigstens ein Weg mit einer klaren Richtung. Wenn sich CDU und SPD seinerzeit einig waren, muss man sich fragen, warum dann dieser halbgare Gesetzentwurf vorgelegt wird. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Offensichtlich hat die kommunale Ebene ganz erheblich mitgespielt.
Ganz wollte man dann aber doch nicht auf den Verwaltungsausschuss verzichten. Folgendes ist wohl ein wesentlicher Grund dafür: Es kann im Verwaltungsausschuss wie früher im Kreisausschuss wieder ordentlich gekungelt werden. Voraussetzung ist hierfür die Nichtöffentlichkeit der Sitzung, und die ist im Gesetzentwurf vorgesehen.
Neben diesen kleinteiligen Reglungen um künftige Kompetenzen möchte ich aber den zentralen Punkt dieses Gesetzentwurfs noch einmal ansprechen. Mit dem Gesetzentwurf von CDU und SPD wird die seit Ende der 90er-Jahre in Schleswig-Holstein verankerte unmittelbare demokratische Wahl der Landrätinnen und Landräte abgeschafft. Den Bürgerinnen und Bürgern wird damit das unmittelbarste Beteiligungsrecht an der Bestimmung der Spitzenposition des Kreises entzogen, nämlich die Wahl. Künftig wird wieder zwischen den Fraktionen gekungelt. Es werden wieder Parteiinteressen und strategische Überlegungen bei der Besetzung des Landratsamtes eine verstärkte Rolle spielen.
Für uns haben sich die Landratswahlen im letzen Jahrzehnt bewährt. In mehreren Fällen wurde in Direktwahl eine Kandidatin, ein Kandidat gewählt, die oder der nicht die Kandidatin oder der Kandidat der Mehrheitsfraktion des betreffenden Kreistags war.
Ich gebe zu, dass die Wahlbeteiligung in Teilen, auch für mich, zu gering und enttäuschend war. Das war sie allerdings auch bei der letzten Europawahl,
Was sich jedoch insbesondere bewährt hat, waren neben einem selbstbewussten Kreistag, der auch von der Auflösung der damaligen Kreisausschüsse profitiert hatte, selbstbewusste Landräte, die mit einem unmittelbaren Wählerauftrag ausgestattet waren. Genau darum geht es uns. Wir wollen Kompetenzen möglichst nah am Wähler, also eine starke Stellung der mit unmittelbar gewählten Mitgliedern besetzten Kreistage einerseits und eine starke Stellung von unmittelbar gewählten Landräten auf der anderen Seite.
„Das Ehrenamt stärken“ - unter dieser Überschrift ist von den Koalitionsfraktionen die Änderung der Kreisordnung angekündigt worden. Ich kann nur sagen: Schön wäre es!
Die ersten Verlierer sind die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins. Ihnen wird das Recht entzogen, die Landrätinnen und Landräte direkt zu wählen.
Verlierer sind auch die Landrätinnen und Landräte, die jetzt diffuse Aufgaben und Zuständigkeiten haben und zukünftig möglicherweise für Dinge geradestehen müssen, die sie gar nicht zu verantworten haben.
Verlierer sind auch die allermeisten Kreistagsabgeordneten, die nur noch Abgeordnete zweiter Klasse sind, weil sie jetzt noch ihnen zustehende Aufgaben an eine kleine Gruppe privilegierter Abgeordneter, die dem Verwaltungsausschuss angehören, abgeben sollen.
Ich hoffe, dass insgesamt in diesem Verfahren bei der Anhörung die Meinung der entscheidenden Kommunalpolitiker vor Ort die entsprechende Bedeutung hat und auch ihre Vorschläge übernommen werden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Mitte der 90er-Jahre die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte eingeführt wurde, war meine Partei dagegen. Es wurde von vielen befürchtet, dass es zu einer Schwächung des Ehrenamtes kommen werde. Wenn man das Ganze bewertet, was in der Folge passiert ist, muss man sagen: Tatsächlich hat es eine gewisse Schwächung des Ehrenamts gegeben - unzweifelhaft. Wir sehen da auch einen Korrekturbedarf.
Wir sehen mittlerweile aber auch, dass die Direktwahl der Landräte durchaus auch positive Seiten gehabt hat. Es hat bei der Direktwahl der Landräte zwar in einigen Fällen eine geringe Wahlbeteiligung gegeben, zum Beispiel dann, wenn nur ein Kandidat kandidiert hat - ich nehme einmal Dithmarschen als Beispiel -, na gut, dann ist es auch nicht so spannend.
Es hat auch positive Effekte gegeben, dass Leute, die von ihrer eigenen Partei gestürzt worden sind, von den Bürgern gehalten worden sind, zum Beispiel der Landrat in Plön. In Segeberg ist eine Landrätin gewählt worden, die nicht die Mehrheit im Kreistag repräsentierte, weil die Bürger fanden, dass diese Frau besser war als ihr Gegenkandidat. Ich finde: zu Recht. Das heißt, der Bürger hat sich der Dominanz, dass die Parteien bestimmen, wer es sein soll, in bestimmten Fällen widersetzt und demokratisch eigene, abweichende Entscheidungen getroffen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: So et- was nennt man Demokratie!)
Bewertet man die Vor- und Nachteile, dann kommt meine Partei zu einem anderen Ergebnis als die Große Koalition. Die Direktwahl der Landrätinnen und Landräte durch die Bürgerinnen und Bürger hat sich als sinnvolles Mittel für mehr Bürgernähe und eine gestärkte Demokratie erwiesen. Deshalb lehnen wir die Abschaffung der Direktwahl der
Landräte ab. Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sollen auch künftig das Recht haben, die Person auszuwählen, die sie am kompetentesten halten. Es ist nicht gut, den Bürgerinnen und Bürgern ein demokratisches Recht, das wir ihnen gegeben haben, wieder wegzunehmen.
Aber Demokratie scheint bei diesem Vorschlag der Gesetzesänderung auch weniger im Interesse der Verfasser gestanden zu haben.
Dass die neue Regelung der CDU lieb ist, ist naheliegend. So kann sie unliebsame Missgeschicke wie ich sie eben in Segeberg und Plön beschrieben habe - vermeiden und ebenso verhindern, dass starke, direkt gewählte Landräte eine eigenständige Politik machen und sich auch manchmal gegen ihre eigene Mehrheitsfraktion stellen. Das passt natürlich den Christdemokraten nicht, weil sie das schon mehrfach erlebt haben. Ich finde es aber im Interesse der Bürger manchmal sinnvoll.
Völlig unverständlich ist allerdings, warum die SPD dabei mitmacht, wo sie doch ohne Direktwahl in der kommenden Zeit kaum noch eine Chance haben wird, selbst noch eine Landrätin oder einen Landrat stellen zu können.
- Mehr Demokratie wagen, richtig. Das vorliegende Gesetz fällt dagegen eher unter den Slogan: „Demokratie fürchten“.
Das Gesetz enthält noch eine weitere grundlegende Neuerung. Der bisherige Hauptausschuss des Kreises wird durch den Verwaltungsausschuss ersetzt. Das ist zwar keine völlige Rückkehr zu dem früheren Kreisausschuss, in dem auch die hauptamtlichen Behördenleiter vertreten waren, es ist aber ein weitgehender Schritt dahin. Der neue Verwaltungsausschuss ist wieder oberste Dienstbehörde und disziplinarischer Dienstvorgesetzter des Landrates. Aus Sicht meiner Partei wird der neue Verwaltungsausschuss durchaus kritisch gesehen, wenn auch bestimmte Punkte, die verbessert worden sind, von uns akzeptiert werden.
Gut ist, dass damit das Ehrenamt wieder gestärkt wird. Gut ist auch, dass Personalentscheidungen über das Spitzenpersonal und Entscheidungen über die Gliederung der Verwaltung wieder vom Ehrenamt gefällt werden können. Das ist eine Stärkung des Ehrenamtes, die ich sinnvoll finde. Denn wenn es für eine Politik eine Mehrheit im Kreistag gibt, dann reichen dafür nicht nur schlaue Beschlüsse, sondern es kommt immer darauf an, welche Menschen diese Politik umsetzen. Dafür ist die Beteiligung des Ehrenamtes an Personalentscheidungen durchaus wichtig.
Gut ist auch, dass das Controlling von Beteiligungen des Kreises beim Verwaltungsausschuss liegen wird, und dass dieses in Zukunft auf Zweckgemeinschaften ausgedehnt werden kann. Das ist etwas, was wir unter Rot-Grün eingeführt haben, dass der Hauptausschuss auch Beteiligungsausschuss ist. Das war mir damals ein großes Anliegen. Dass das jetzt noch etwas ausgebaut werden soll, das begrüße ich.
Es gibt aber auch Neuerungen, die überhaupt nicht akzeptiert werden können. Dazu gehört die Regelung, dass der Verwaltungsausschuss im Gegensatz zu allen anderen Ausschüssen regelmäßig nicht öffentlich tagen soll. Das ist ein Verlust an Demokratie und ein Zurück zu alten Zeiten der „Mauscheldemokratie“.
Damit wird ausgerechnet das zukünftig wichtigste Gremium des Kreises zu einem Closed Shop. Die demokratische Kontrolle durch die vierte Gewalt, die Presse, wird systematisch ausgeschaltet. Ich wundere mich, dass das die Abgeordneten der Großen Koalition mitmachen.
Neu ist auch, dass Abgeordnete, die an der Sitzung teilnehmen und nicht Mitglied des Verwaltungsausschusses sind, anders als bisher kein Rede- und Antragsrecht mehr haben. Diese Regelung trifft besonders fraktionslose Abgeordnete, die sich in Zukunft überhaupt nicht mehr einbringen können. Das ist schlecht. Gerade weil der Verwaltungsausschuss in Zukunft stärker eigene Entscheidungen treffen soll, ist es schlecht, wenn Abgeordnete von diesen Entscheidungen ausgeschlossen werden.
Damit wird auch die Abschaffung der 5-%-Klausel untergraben. Wenn heute eine Partei mit 2 % in den Kreistag kommt und nur einen Abgeordneten bekommt, dann ist er in Zukunft an den Entscheidungen des Verwaltungsausschusses in keiner Wei
Mein Fazit lautet: Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zwar einige Verbesserungen, er ist aber insgesamt kein Schritt zu mehr Demokratie, sondern eher das Gegenteil. Die großen Parteien - und hier insbesondere die CDU - wollen mit diesem Gesetz ihren Einfluss in den Kreisen bestätigen, auch und gerade weil sie damit rechnen müssen, dass sie in Zukunft weniger Stimmen bekommen werden.