Mein Fazit lautet: Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zwar einige Verbesserungen, er ist aber insgesamt kein Schritt zu mehr Demokratie, sondern eher das Gegenteil. Die großen Parteien - und hier insbesondere die CDU - wollen mit diesem Gesetz ihren Einfluss in den Kreisen bestätigen, auch und gerade weil sie damit rechnen müssen, dass sie in Zukunft weniger Stimmen bekommen werden.
Insgesamt lautet die Gleichung also: Große Koalition ist gleich weniger Demokratie! Eine solche Haltung lehnen wir ab, deshalb werden wir dem Gesetz nicht zustimmen.
Ich danke dem Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und erteile für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag der Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre schon interessant, sich einmal ein bisschen ausführlicher mit Demokratie und Demokratieverständnis auseinanderzusetzen. Denn, lieber Herr Kollege Hentschel, das Märchen von der Direktwahl, die mehr Demokratie bringen werde, hat sich im Laufe der letzten 13 Jahre selbst entzaubert. Ich denke, das zeigt die Wirklichkeit. Denn bei jeder neuen Wahl wuchs die Zahl der Kritiker.
Zur Erinnerung: Einerseits hat die Bevölkerung diese Wahlmöglichkeit nie richtig angenommen, und andererseits wurde überall dort die Wahl zur Farce, wo es keinen Gegenkandidaten gab. Darüber hinaus hat sich durch die Direktwahl des Verwaltungschefs - wir reden hier von einem Verwaltungschef die Position der ehrenamtlichen Politiker zu ihrem Nachteil verändert. Der Macht- und Legitimationszuwachs der Landräte ging voll auf Kosten des ehrenamtlichen Kreistages und seiner Ausschüsse. Das soll nun korrigiert werden. Doch das gilt nur für die Kreise. Die hauptamtlichen Bürgermeister in den Kommunen werden weiterhin direkt gewählt werden. Und in den Städten bleibt damit das Gefälle zwischen Bürgermeister und gewählten Vertretern im Rat weiterhin bestehen.
Kommen wir nun aber zum konkreten Gesetzentwurf. Der Verwaltungsausschuss wird in Zukunft wieder zum Teil die Aufgaben übernehmen, die der ehemalige Kreisausschuss hatte. Allerdings gibt es hier einen Systembruch. Der Landrat ist Mitglied des Verwaltungsausschusses ohne Stimmrecht. Gleichzeitig ist der Verwaltungsausschuss aber auch die oberste Dienstbehörde des Landrates, also dessen Vorgesetzter. Das passt nicht zusammen. Der Landrat wäre so sein eigener Vorgesetzter. Besser wäre es also, wenn der Landrat eine ähnliche Stellung wie der Kreispräsident hätte. In § 46 Abs. 6 des vorliegenden Gesetzentwurfs wird dem Kreispräsidenten das Teilnahme- und das Rederecht eingeräumt. Genauso könnte man auch mit dem Landrat verfahren; dann wäre der Interessenkonflikt - sein eigener Vorgesetzter zu sein - für den Landrat ausgeräumt.
Eine Stärkung der Kommunalpolitiker ist insbesondere die Regelung, dass nicht mehr nur direkt dem Landrat unterstellte Mitarbeiter durch den Verwaltungsausschuss eingestellt und entlassen werden, sondern auch deren direkt unterstellte Mitarbeiter. Damit können die gewählten Politiker auf die erweiterte Verwaltungsleitung und die Verwaltungsgliederung Einfluss nehmen. Ich denke, das ist gut so.
Es stellt sich für uns aber die Frage, warum der Verwaltungsausschuss nicht in weitergehendem Maße in die Personalpolitik des jeweiligen Kreises einbezogen werden kann.
Wir möchten aber auch die Gelegenheit nutzen, eine neue politische Zielsetzung in die Diskussion mit einzubringen.
Nach dem vorliegenden Entwurf ist der Verwaltungsausschuss hauptsächlich für das Berichtswesen zuständig. In § 55 werden acht Punkte genannt, zu denen regelmäßig berichtet werden soll. Wir schlagen vor, einen neunten Punkt anzufügen, der die Kreise betrifft, in denen die dänische und die friesische Minderheit beheimatet ist. Es handelt sich dabei um die Kreise Nordfriesland, Pinneberg wegen Helgoland -, Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde. In diesen Kreisen sollte unserer Meinung nach analog zum Bericht auf Landesebene ein Minderheitenbericht gegeben werden. Die übergeordnete Verfassungsregel, wonach auch die Gemeinden und Gemeindeverbände zum Schutz und zur Förderung der beiden Minderheiten verpflichtet sind, muss auch in der Kreisordnung ihren Widerhall finden. Im Kreis Nordfriesland hat man einen solchen Bericht kürzlich beschlossen, aber andernorts konnte man sich bisher nicht zu ei
nem solchen Minderheitenbericht durchringen. Deshalb meinen wir, dass das Land hier den Rahmen vorgeben sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es in Sachsen und Brandenburg für die Sorben solcherlei Regelungen schon gibt.
Wir werden ja Gelegenheit bekommen, in der Ausschussberatung auf weitere Details einzugehen. Abschließend möchte ich noch kurz auf eine Regelung eingehen, die für uns völlig inakzeptabel ist und die hier auch schon von meinen Vorrednern angesprochen wurde. Laut Gesetzentwurf sollen die Sitzungen des Verwaltungsausschusses nicht öffentlich sein. Das lehnen wir ab.
Politik muss grundsätzlich offen und transparent sein. Die Nichtöffentlichkeit muss die Ausnahme sein und gesondert im Einzelfall beschlossen werden. Im Übrigen meinen wir, dass die Einschränkung in § 46 Abs. 4, dass Kreistagsabgeordnete, die nicht dem Verwaltungsausschuss angehören, nur eingeschränkt über die Beratungen informiert werden sollen, sehr kritisch zu sehen ist. Die Abgeordneten sind vom Volk gewählt, und damit müssen sie auch Einblick in alle Gremien des jeweiligen Kreises haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe einige wichtige Punkte hier angeführt. Ich hoffe, dass wir trotz des engen Zeitrahmens, von dem die Große Koalition ausgeht, die Möglichkeit haben, diese konkreten Punkte in der Ausschussberatung weiter zu hinterfragen und darüber miteinander zu diskutieren. Wenn die Direktwahl der Landräte wieder aufgegeben werden soll, muss auch die Änderung der Kreisordnung so gestaltet werden, dass sie breit akzeptiert wird und Bestand haben kann. Wir dürfen hier keine Flickschusterei betreiben. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Ausspruch des geschätzten Kollegen Neugebauer zitieren: Hier geht Solidität vor Eile. So hat er sich sinngemäß, wenn auch mit etwas anderen Worten geäußert. Ich meine, wir müssen uns die Änderung der Kreisordnung genau anschauen. Vom Grundsätzlichen her wird sich der SSW weiterhin für eine Änderung der Gemeindeordnung oder der Kommunalverfassung insgesamt stark machen, womit wir dann auch in den Städten die Direktwahl der Bürgermeister abschaffen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Landtag liegt der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD zur Neuregelung der Wahl der Landrätinnen und Landräte und zur Einführung eines Verwaltungsausschusses vor. Ich möchte den weiteren parlamentarischen Beratungen nicht vorgreifen. Erlauben Sie mir aber trotzdem einige kurze Anmerkungen zu dem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf.
Der Gesetzentwurf verfolgt zunächst das Ziel, dass die Landrätinnen und Landräte zukünftig nicht mehr direkt gewählt werden, sondern dass sie, wie das bis Mitte der 90er-Jahre der Fall war, durch den Kreistag gewählt werden. Der Gesetzentwurf knüpft mit diesem Anliegen an das Vorschaltgesetz zur Neuregelung der Wahl der Landrätinnen und Landräte vom 12. Dezember 2008 an. Der Landtag hat seinerzeit anstehende Landratswahlen für eine Übergangszeit ausgesetzt. Von daher ist die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung zum künftigen Wahlverfahren nicht nur geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen; sie ist auch verfassungsrechtlich geboten.
Die zweite Säule des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines Verwaltungsausschusses in die Kreisverfassung. Bei der Novellierung ist dabei ein Punkt besonders wichtig. Das Prinzip der Trennung zwischen der ehrenamtlichen Willensbildungsebene und der hauptamtlichen Ausführungsebene wird nicht aufgegeben. Vereinzelt geäußerte Befürchtungen, der Gesetzgeber mache eine Rolle rückwärts hin zum vormaligen Kreisausschuss, haben sich damit zumindest auf der Grundlage des vorgelegten Entwurfs nicht bewahrheitet.
Ohne auf alle Einzelheiten des Gesetzentwurfs einzugehen - meine Vorredner haben dies zum Teil ja bereits getan - kann festgestellt werden: Die Landrätinnen und Landräte bleiben auch weiterhin allein für die Ausführung von Gesetzen verantwortlich. Sie sollen die Verwaltung zwar, wie es in § 53 des Entwurfs heißt, in Abstimmung mit dem Verwaltungsausschuss leiten; eine Abstimmung der Verwaltung mit der Politik ist für mich aber aus meiner eigenen kommunalpolitischen Erfahrung auch ohne ausdrückliche Bestimmung eine Selbstverständlich
keit. Sie sollte eigentlich allerorten üblich sein. Nicht zuletzt ist sie auch Ausdruck des Respekts gegenüber dem Kreistag als zentralem Organ des Kreises und damit Grundvoraussetzung für ein Wirken zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger.
Es ist richtig, dass der künftige Verwaltungsausschuss im Vergleich zum jetzigen Hauptausschuss in einigen Bereichen mehr Einfluss erhalten soll. Beispiele sind die stärkere Mitwirkungsbefugnis bei Personal in Führungspositionen oder bei der Verwaltungsgliederung. Ich sehe diese Verzahnung von Ehrenamt und Hauptamt jedoch ausdrücklich auch als Chance, zu einvernehmlichen Lösungen in den betreffenden Fragen zu kommen. Alles in allem beinhaltet der vorgelegte Gesetzentwurf aus meiner Sicht eine ausgewogene Verteilung von Kompetenzen zwischen dem Kreistag und dem Landrat oder der Landrätin und dem einzuführenden Verwaltungsausschuss. Auch wenn es im Rahmen der weiteren parlamentarischen Beratung sicherlich noch Diskussionen über Einzelfragen geben wird, bin ich der Meinung, dass der gemeinsame Entwurf von CDU und SPD ein gelungener Kompromiss ist, der nicht nur mehrheitsfähig ist, sondern in der Praxis auch handhabbar sein wird.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2766 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist es einstimmig so beschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Schleswig-Holstein - Untersuchungshaftvollzugsgesetz - (UVollzG)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein hat zum ersten Mal die Chance, den Vollzug der Untersuchungshaft selbstständig gesetzlich zu regeln. Es hat diese Chance, weil die Zuständigkeit für die Gesetzgebung in diesem Bereich mit der Föderalismusreform vom Bund auf die Länder übergegangen ist und weil der Bund den Untersuchungshaftvollzug bisher nicht in einem eigenen Gesetz, sondern nur bruchstückhaft in wenigen Einzelbestimmungen geregelt hat, die zudem noch über mehrere Gesetze verstreut sind. Einige Bestimmungen findet man in der Strafprozessordnung, andere im Strafvollzugsgesetz, wiederum andere stehen im Jugendgerichtsgesetz. Hinzu kam eine bundeseinheitliche Untersuchungshaftvollzugsordnung, die 1976 von den Ländern zwar erlassen wurde, aber keinen Gesetzescharakter hatte.
Wir haben bereits im letzten Jahr über den Jugendstrafvollzug diskutiert und ein Gesetz verabschiedet. Wie damals ist es auch jetzt eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von insgesamt zwölf Ländern gewesen, die ein Musterentwurf erarbeitet hat. Dieses hat sich bewährt. Auch beim letzten Mal haben wir es geschafft, einheitliche Regelungsinhalte festzulegen.
In dem Ihnen jetzt vorliegenden Entwurf wurden insbesondere die Erfahrungen der Praxis einbezogen. Hierbei haben wir uns an drei Leitlinien orientiert.
Erstens. Der Gesetzentwurf ist geprägt von dem zentralen Gedanken, dass die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs allein darin besteht, dass den in den Haftgründen zum Ausdruck gekommenen Gefahren entgegengewirkt wird. Wir haben daher bewusst kein Ziel des Untersuchungshaftvollzugs festgelegt, sondern lediglich in § 2 dessen Aufgaben bestimmt.
Zweitens. Die gesamte Gestaltung des Vollzugs muss von der Unschuldsvermutung geprägt sein. Das bedeutet, über den Freiheitsentzug hinaus gehende Beschränkungen müssen so gering wie möglich ausfallen.
Drittens. Wir haben im Gesetzentwurf die Zuständigkeiten für die Ausgestaltung des Vollzuges und die Angelegenheiten der Sicherheit und Ordnung neu bestimmt. Es soll nicht mehr das Gericht, sondern vielmehr die Anstalt als die sachnähere Behörde umfassend für alle vollzuglichen Entscheidungen zuständig sein.
Meine Damen und Herren, in der Kürze der Zeit kann ich nicht auf alle Einzelpunkte eingehen, möchte mich daher auf sechs Kernpunkte beschränken.
Erstens, soziale Hilfe. Gemäß § 6 werden die Untersuchungsgefangenen dabei unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben.
Zweitens, das Trennungsgebot. Gemäß § 11 sollen Untersuchungsgefangene aufgrund der Unschuldsvermutung grundsätzlich getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden.
Drittens, Einzelunterbringung. Das Gesetz sieht darüber hinaus vor, dass Untersuchungsgefangene gemäß § 13 während der Ruhezeit einzeln unterzubringen sind. Das haben wir heute noch nicht in allen Fällen.
Viertens, Arbeit und Qualifizierung. Wichtig ist, Untersuchungsgefangene sind nicht zur Arbeit verpflichtet. Jedoch soll ihnen nach § 24 die Möglichkeit gegeben werden, eine Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung anzunehmen, wenn sie es denn wollen. Oder bei geeigneter Eignung soll ihnen Gelegenheit zum Erwerb von schulischen oder beruflichen Kenntnissen gegeben werden.
Fünftens, Freizeitgestaltung. Gemäß § 26 ist ein umfassendes Angebot bei der Freizeitgestaltung bei gleichzeitiger Erweiterung der Ausschlusszeiten vorzuhalten.
Sechstens, junge Untersuchungsgefangene. Das Gesetz enthält im elften Abschnitt spezielle Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen, die dem Standard des Jugendstrafvollzugsgesetzes entsprechen und die erzieherische Ausgestaltung im Untersuchungshaftvollzug mit vorsieht. Damit will ich es bewenden lassen. Über Details können wir im Ausschuss beraten.