Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier einen besonderen Fall vor uns, ein Jubiläum sozusagen. Ein Gesetzentwurf liegt vor zu einem dringenden Problem, nämlich der Unterbringung von Untersuchungsgefangenen, nach sage und schreibe 38 Jahren. 38 Jahre ist dieses Thema nicht geregelt worden, obwohl es immer wieder beschrieben worden ist. Es verwundert mich als Nichtjuristen, wie das möglich ist. Aber es ist offensichtlich so.

Auch meine Fraktion begrüßt es, dass SchleswigHolstein mit 11 anderen Bundesländer zusammengearbeitet hat, um eine gemeinsame Regelung hinzubekommen. Bislang ist die Untersuchungshaft lediglich in der Strafprozessordnung, im Strafvollzugsgesetz, im Jugendgerichtsgesetz und im Untersuchungshaftvollzugsgesetz in Einzelregelungen geregelt. Dass das jetzt zusammengeführt wird, ist sicherlich ein Fortschritt.

Positiv zu bewerten ist auch, dass der Gesetzentwurf unterstreicht, dass Untersuchungshaft keine Strafhaft ist, sondern allein der Sicherung des Strafverfahrens gilt. Es gilt also die Unschuldsvermutung - § 4.

Der Trennungsgrundsatz - § 11, Trennung von Verhafteten und Gefangenen - soll gelockert und Ausnahmen von der Einzelunterbringung - § 13 sollen erleichtert werden. Dies könnte die Unschuldsvermutung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzen. Insbesondere sollte die Aufhebung des Trennungsgrundsatzes unter Richtervorbehalt gestellt werden. Zudem ist die gemeinsame Unterbringung zeitlich zu konkretisieren.

Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet, sie sollten aber nach Möglichkeit eine Arbeit aufnehmen können. Ihr Arbeitslohn soll an

den der Strafgefangenen angeglichen werden, was dringend notwendig war, hält man sich vor Augen, dass für den Untersuchungsgefangenen die Unschuldsvermutung gilt. Strafgefangene verdienen durchschnittlich 11 € pro Tag; das ist also nicht sehr viel.

Weiterhin positiv hervorzuheben ist die Möglichkeit des Erwerbs und der Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse. Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt, und das begrüße ich außerordentlich, Herr Minister.

Vorgesehen ist auch, die monatliche Besuchszeit bei Erwachsenen auf zwei und bei jungen Gefangenen auf vier Stunden zu erhöhen. Das ist zwar eine Verdoppelung, dürfte aber immer noch im Hinblick Art. 6 des Grundgesetzes - Ehe und Familie - und die Unschuldsvermutung unverhältnismäßig kurz sein.

Kritisch betrachte ich auch die Möglichkeit der optischen Überwachung der Besuche durch Anordnung der Anstaltsleitung - § 35. Hier erscheint mir eine richterliche Anordnung im Hinblick auf den besonderen Eingriffscharakter insbesondere bei Gesprächen mit Familienangehörigen erforderlich.

Gleiches gilt für die Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen wie der Unterbringung und Beobachtung in einem gesondert gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände auch mittels Videoüberwachung und der Fesselung - § 49. Diese besonders grundrechtsrelevanten Eingriffe dürfen daher nur mit richterlicher Genehmigung angeordnet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Übertragung aller vollzuglichen Entscheidungen auf die Verantwortlichen vor Ort anstelle der Gerichte scheint wegen der Sachnähe auf den ersten Blick eine gute Lösung, der Eingriff ist aber bei genauerem Hinsehen wegen der oftmals besonderen Grundrechtsrelevanz auch als kritisch anzusehen. Hier bedarf es noch Verbesserungen.

Herr Minister, insgesamt stelle ich fest, der Entwurf findet generell unsere Zustimmung, bedarf aber in einer Reihe von Punkten noch der Nachbesserung. Das werden wir im Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

(Präsident Martin Kayenburg)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW begrüßt ganz ausdrücklich, dass es mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf gelungen ist, eine möglichst einheitliche Regelung zu schaffen und damit auch eine Rechtszersplitterung zu vermeiden. Denn, wie wir schon gehört haben, haben sich zwölf Bundesländer zusammengeschlossen und mit diesem Gesetzentwurf versucht, einen über die Landesgrenzen hinweg miteinander abgestimmten Gesetzentwurf formuliert. Das ist richtig und gut.

Obwohl nach der Föderalismuskommission Justiz Ländersache ist, sind beim Bund aber immer noch Restzuständigkeiten vorhanden, die auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf zu ein paar Abstimmungsproblemen führen. Beispielhaft möchte ich die Regelung der Besuchszeiten für Jugendliche und Erwachsene in Untersuchungshaft nennen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben auch schon andere Beispiele für diese Problematik gegeben. Der Bund schreibt vor, dass Besuche grundsätzlich verboten sind, aber erlaubt werden können. In Schleswig-Holstein sind dagegen zwei Stunden Besuch pro Monat erlaubt, können aber verboten werden. An diesem Beispiel wird deutlich, dass es noch ein paar Abstimmungsprobleme gibt, die in der Ausschussberatung aus dem Weg geräumt werden sollten.

Darüber hinaus gibt es meiner Meinung nach weitere Punkte in dem Gesetzentwurf, die in den Ausschussberatungen überdacht oder konkretisiert werden sollten. Aus Sicht des SSW sind die Besuchszeiten von zwei Stunden pro Monat in SchleswigHolstein positiv hervorzuheben. Festgestellt werden muss aber, dass diese Zeit nicht ausreicht, um familiäre Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ebenso ist zu diskutieren, ob nicht Besuche gerade an den Wochenenden zugelassen werden sollten, da viele Personen nur dann Zeit dafür haben. Auch sollte in dem Gesetzestext verankert werden, dass die Besuche der Verteidigerinnen und Verteidiger nicht auf die reguläre Besuchszeit anzurechnen sind. Es wäre für die Gefangenen in Untersuchungshaft fatal, wenn es hier in der Praxis zu Missverständnissen kommen würde, da die Besuche von Familie und Freunden für viele Gefangene von existenzieller Bedeutung sind.

Ein weiterer Punkt, der in den Ausschussberatungen anzusprechen ist, ist die Einbeziehung der Eltern in die erzieherischen Maßnahmen von Untersuchungshaftgefangenen unter 18 Jahren. Derzeit regelt § 69 nur, dass der ermittelte Förder- und

Erziehungsbedarf den Berechtigten auf Verlangen mitgeteilt werden muss. Bei der Bewältigung von persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten sollten aber die Eltern ebenfalls die Möglichkeit bekommen, sich aktiv einzubringen und auch zu beteiligen.

Aus Sicht des SSW ist der vorliegende Gesetzentwurf positiv zu bewerten, da er zum einen allen Personen in Untersuchungshaft die Möglichkeiten zur Ausübung von Arbeit oder anderen Beschäftigungsmaßnahmen bietet. Die Gefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet, sondern besonders die Wahrnehmung schulischer oder beruflicher Fortbildungsmöglichkeiten bietet den Personen die Möglichkeit, sich für ein Leben außerhalb der Gefangenschaft Qualifikationen anzueignen.

Zum anderen ist der Gesetzentwurf aufgrund der erzieherischen Ausrichtung für minderjährige Untersuchungsgefangene zu begrüßen. § 67 sichert die Förderung der Fähigkeiten der jungen Untersuchungsgefangenen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer. Neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten sollen außerdem weitere entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. Auch das ist ein richtiger Weg.

Obwohl dies alles Maßnahmen sind, die das Land nicht kostenlos zur Verfügung stellt, wurde nicht davor zurückgeschreckt, die Menschen nur in Untersuchungshaft festzuhalten, sondern ihnen auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung und zur Bewältigung ihrer Probleme zu geben. Für den SSW sage ich daher, dass diese Zielsetzung für ein modernes Untersuchungshaftvollzugsgesetz spricht. Nach Ausräumung der Ungereimtheiten, die ich vorhin angedeutet habe, und auch der Punkte, die von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen wurden, wird es ein gutes Untersuchungshaftvollzugsgesetz werden. Daher, ist der Entwurf durchaus positiv zu betrachten.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Anna Schlosser-Keichel [SPD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2726 dem Innenund Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Vielleicht ist jemand einmal so freundlich zu gucken, ob der Landwirtschafts- und Umweltminister verfügbar ist, denn ich möchte jetzt Tagesordnungspunkt 10 aufrufen.

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landeswaldgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/2744

Ich nehme an, dass das Wort zur Begründung nicht gewünscht wird ich eröffne nun die Grundsatzberatung. Der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Christian von Boetticher, hat das Wort.

(Beifall)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Landeswaldgesetz schließen wir einen großen Kanon der Überarbeitung von Landesgesetzen ab: Landesnaturschutzgesetz, Immissionsschutzgesetz, Bodenschutzgesetz, Wassergesetz sind novelliert worden. Wie gesagt, das Landeswaldgesetz ist in diesem Kanon nun das letzte der Gesetze, die wir vorlegen. Ich möchte das Augenmerk auf drei Schwerpunkte lenken.

Wir haben natürlich versucht, die Genehmigungsverfahren ein Stückchen bürgerfreundlicher zu gestalten. Wir werden das altbewährte Instrument aus dem Baurecht und jetzt auch aus dem Landesnaturschutzrecht, nämlich das Recht einer Genehmigungsfiktion, einführen. Das heißt, wer in Zukunft die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart beantragt, für den gilt das, was in anderen Gesetzen auch gilt, nämlich, dass, wenn die Forstbehörde nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags entschieden hat, dann die Genehmigungsfiktion gilt. Das hat sich in anderen Bereichen bewährt und wird auch jetzt hier eingeführt.

Wir haben zur Frage der Ausübung des Reitsports in den Wäldern Regelungen getroffen. Wir wollen dies verbessern. Sie wissen vielleicht, dass es bisher das Problem gab, dass in der freien Landschaft verlaufende Reitwege, die von einer Waldfläche voneinander getrennt wurden, nicht durchritten werden durften, auch wenn es eine trittfeste Verbindung in den Wald gab. Mit der Novelle des Landeswaldgesetzes werden die öffentlichen Waldeigentümer, also beispielsweise die Forstanstalt, der Bund und die

Kommunen, verpflichtet, beim Vorliegen der eben geschilderten Situation das Durchreiten des Waldes zu dulden.

Natürlich muss die Eignung der Wege festgestellt werden. Das macht die untere Forstbehörde. Trittschäden können so ausgeschlossen werden. Damit kommen wir auch unserem Status als Pferde- und Reiterland in Schleswig-Holstein nach. Das ist eine ganz erfreuliche Entwicklung. Nachdem wir schon im letzten Jahr die Abkommen zwischen dem Reitersportverband und den privaten Waldbesitzern unterzeichnet haben, schließt das an dieser Stelle die Lücke.

Wir haben die gesetzlichen Vorgaben für die Bewirtschaftung des Waldes ein Stück weit reduziert. Das neue Landeswaldgesetz enthält elf Grundsätze der guten fachlichen Praxis, die von den Waldbesitzern bei der Bewirtschaftung des Waldes beachtet werden müssen. Auch hier gilt für uns der kooperative Umweltschutz, den wir anstreben. Wir führen ein Stück weit die vorhandenen Regelungen auf Prinzipien zurück, die entweder durch höherrangiges Recht vorgesehen werden oder hinsichtlich derer ein Konsens zwischen den Bundesländern besteht. Auch hier schaffen wir es, unsere Forstwirtschaft wieder ein Stück wettbewerbsfähiger zu machen.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem sagen, was durch die Presse gegeistert ist und in den Anhörungen vielfach Nachhall gefunden hat. Das ist das Wegegebot. Wir schlagen als Kabinett in diesem Zusammenhang vor, dass in der Hauptbrut- und Setzzeit der Tiere, im Zeitraum vom 1. Februar bis 15. Juni, die Wälder nur auf den Wegen betreten werden dürfen. Herr Präsident, ich darf in diesem Zusammenhang aus der „taz“ vom 11. März 2009 zitieren:

„Es überrascht schon sehr, dass ausgerechnet der Naturschutzbund NABU gegen das von Schleswig-Holstein erwogene Verbot votiert, die Waldwege zu verlassen: Der NABU als Lobby-Verband jener geschützten Arten, die der Mensch, der die Natur vorzugsweise vermüllt, doch extremst gefährdet. Ausgerechnet jetzt, wo brütende Vögel vor SpaziergängerGetrampel geschützt werden sollen, plädiert der NABU für die frei zugängliche Natur.“

Das versteht nicht nur die „taz“ nicht, das verstehe auch ich nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Präsident Martin Kayenburg)

Ich habe manchmal das Gefühl: Je lauter und mediengewaltiger Argumente vorgetragen werden, desto stärker übertönt die Lautstärke, dass es in Wahrheit keine Argumente gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn wenn das ein Argument wäre, würde dies natürlich auch für unsere Dünenlandschaften, für unsere Heiden, für unsere Naturschutzgebiete gelten. Wenn all die Menschen, die laufen, nie einen Schaden verursachen, sondern sich nur an der Natur erfreuen, müsste man auch hier all die Verordnungen überarbeiten. Wir haben das nicht vor. Dasselbe, was dort gilt, sollte auch im Wald gelten.

Meine Damen und Herren, jetzt hat der Landtag die Möglichkeit, nicht nur zu debattieren, sondern auch zu gestalten. Ich lasse mich immer gern von Argumenten überzeugen. Meine Argumente habe ich Ihnen vorgetragen. Ich hoffe auf eine gute Beratung und am Ende auf ein erfolgreiches Landeswaldgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Hartmut Hamerich das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Novellierung des Landeswaldgesetzes ist in der Öffentlichkeit bisher leider von einigen sehr unsachlich geführt worden. Von Lobbypolitik für Jäger und Waldbesitzer ist die Rede gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])