Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gerade Jäger und Waldbesitzer engagieren sich in ihrer praktischen Arbeit in und für die Natur stärker als die meisten theoretischen Ökologen.

Lassen Sie mich hier auf das besonders strittig diskutierte Betretungsrecht eingehen. Um die Diskussion zu versachlichen, möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus einigen Stellungnahmen zum Entwurf eines Landeswaldgesetzes des Landes Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2004 zitieren.

„Die neue Regelung zum Betreten des Waldes halten wir aus verschiedenen Gründen für nicht sinnvoll und den Zielsetzungen des Gesetzes abträglich. In der Konsequenz be

deutet dies, dass die Bedürfnisse des Ökosystems Wald und seiner Lebensgemeinschaften zukünftig hinter denen der erholungssuchenden Menschen zurückstehen. Die bestehende Regelung des Wegegebotes hat sich bewährt und bedarf auch keiner Neuformulierung aufgrund der Anpassung des Gesetzes an die anderer Bundesländer. Angesichts der besonderen Waldsituation Schleswig-Holsteins schlagen wir daher vor, die bestehende Regelung beizubehalten.“

Das ist nicht die Stellungnahme der CDU-Fraktion damals gewesen, sondern die des Landesnaturschutzverbandes aus dem Juni 2004.

Ein weiteres Zitat zu § 17:

„Beibehaltung der bisherigen Formulierung in § 20 LWaldG vom 11.08.1994 mit angepassten Querverweisen und Ergänzungen um Ski- und Schlittenfahrten.“

Das ist die Argumentation des damaligen Landesnaturschutzbeauftragten aus dem Mai 2004.

Der einzige Naturschutzverband, der sich im Jahr 2004 für ein bedingtes Betretungsrecht abseits der Wege ausgesprochen hat, war der BUND. Diese Stellungnahme hat aber scheinbar nicht dauerhaft Bestand. In der Anhörung zum Landesfischereigesetz im Mai 2009 bemerkt der BUND:

„Das Betreten von natürlichen Uferflächen außerhalb von baulichen Anlagen, befestigten Wegen und sonstigen regelmäßig genutzten Bereichen ist in der Zeit vom 30.03. bis zum 01.07. eines jeden Jahres verboten.“

Stellungnahme des BUND zum Landesfischereigesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich soll und wird jeder das ganze Jahr über auf den Wegen im Wald spazieren gehen dürfen. Abseits der Wege wollen wir, dass neugeborene Tiere ihre ersten Lebenswochen möglichst ungestört verbringen dürfen. In dieser Zeit darf auch das Wild nicht bejagt werden.

Die Wälder in Schleswig-Holstein bestehen anders als in allen anderen Flächenländern zum größten Teil aus kleinen Feldgehölzen und Schonungen, ausgenommen die Segeberger Heide und der Sachsenwald. Diese kleinen Waldstücke dienen den Tieren als Ruhezone und als Kinderstube. Insbesondere Spaziergänger mit Hunden, die abseits der Wege umherstreifen, scheuchen Tiere ständig auf. Bei den kleinen Waldstücken überqueren sie zwangsläufig

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

auch Straßen. Die Folgen sind für Tier und Mensch lebensgefährliche Situationen. Außerdem empfehle ich aufgrund der aktuellen Situation niemandem, bei der heutigen Populationsdichte der Wildschweine einer Frischlinge führenden Bache im Unterholz zu begegnen. Das kann sowohl für den Menschen als auch für einen mitgeführten Hund zu einer sehr gefährlichen Situation führen. Das wollen wir vermeiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kein Waldbesitzer, auch nicht der private, wird vernünftig auftretende Pilzsammler, Vogelzähler oder Vogelschützer der Naturschutzverbände zurück auf die Wege verweisen.

(Anhaltende Unruhe bei der FDP)

- Wenn ich die FDP störe, müssen Sie das sagen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, nein!)

Allerdings wird die Grundlage dafür geschaffen, Störenfriede in ihre Grenzen zu weisen.

Tierschutz ist auch der Schutz der Jungtiere vor Störungen. Wer einerseits ein Verbandsklagerecht für Tierschützer fordert und andererseits den Schutz von Jungtieren in ihren Ruhezeiten und Ruhezonen im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen treten will, der ist unglaubwürdig.

Die Anhörung im Agrarausschuss wird zeigen, inwieweit das Recht der Jungtiere auf ein Aufwachsen in Ruhe und die berechtigten Interessen der Menschen an einer möglichst weitgehenden Nutzung der Ruhezone Wald in Einklang zu bringen sind.

Ich beantrage die Überweisung an den Umweltund Agrarausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Frau Abgeordneter Sandra Redmann das Wort.

(Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbart, die wichtigsten Umweltgesetze mit dem Ziel der Deregulierung und des Bürokratieabbaus zu überprüfen. Das gilt auch für das Landeswaldgesetz, das uns im Entwurf der Landesregierung nun vorliegt.

Ein klares Wort bei aller in den Details noch zu führenden Sachdiskussion vorweg: Wir haben mit dem Ende 2004 novellierten Landeswaldgesetz eine moderne und vorbildliche Grundlage geschaffen, an deren Eckwerten wir nicht rütteln werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Es ist gut, dass wir uns erst jetzt dem Landeswaldgesetz zuwenden. Zuerst mussten wichtige Weichenstellungen entschieden werden. Die unsinnigen Pläne zum Verkauf des Landeswaldes sind am Widerstand der Menschen in Schleswig-Holstein gescheitert.

(Günter Neugebauer [SPD]: Und der SPD!)

Mit der Anstalt öffentlichen Rechts hat der Landeswald eine gute Perspektive in Trägerschaft des Landes, vor allem für den Erhalt der Gemeinwohlleistungen in der Fläche. Lange Zeit war darüber hinaus unklar, ob und mit welchem Inhalt der Bund sein längst von den Ländern überholtes Bundeswaldgesetz an die naturnahe Waldwirtschaft als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie mit konkreten Regeln für die gute fachliche Praxis anpassen würde. Dies ist leider für diese Legislaturperiode am Widerstand der CDU im Bund und in den Ländern gescheitert.

Im Entwurf der Landesregierung sind für mich vor allem zwei Punkte kritisch zu sehen. Die zeitliche Einschränkung des in Schleswig-Holstein erst 2004 als letztes Bundesland eingeführten freien Betretungsrechts in allen Wäldern und die Regeln für die gute fachliche Praxis. Zum Betretungsrecht haben wir uns bereits mehrfach deutlich erklärt. Wir wären das erste Bundesland, das dieses Recht wieder abschafft und das Verlassen der Wege im Wald unter Strafe stellt. Wir werden es nicht zulassen, dass wir hinter den Stand von 2004 zurückfallen und das einzige Bundesland ohne freies allgemeines Betretungsrecht wären.

(Beifall bei der SPD)

Diese Alleinstellung Schleswig-Holsteins widerspricht schon der Festlegung im Koalitionsvertrag, der eine Übernahme von Bundes- und Europarecht eins zu eins vorsieht.

Die Idee, das Betretungsrecht für den sensiblen Zeitraum der Brut- und Setzzeit zu beschränken, ist auch fachlich nicht zu rechtfertigen. Nahezu alle Naturschutzverbände, die seit 2004 ihre Position zum Betretungsrecht gewechselt haben, wenden sich heute gegen die Einschränkung des freien Betretungsrechts und geben dabei an, dass die Zahlen beispielsweise im Jahresbericht der Landesregie

(Hartmut Hamerich)

rung „Jagd und Artenschutz 2007“ belegen, dass ein Großteil der jagdbaren Arten sowie die meisten besonders schützenswerten Vögel in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Es gibt keinerlei Hinweise auf eine zunehmende Störung durch Wald- und Feldbesucherinnen- und besucher. Im Gegenteil! Wie Beobachtungen von Naturverbänden ergaben, sind es die Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere die Waldwirtschaft sowie die Jagd, die Störungen an äußerst sensiblen Plätzen verursachen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wenn rechtliche und fachliche Gründe zur Einschränkung des Betretungsrechts fehlen, ist es wohl eher ein altes Wahlversprechen, das gegenüber den Waldeigentümern und Jägern gegeben wurde.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD]: So ist es! Wohl wahr!)

Hier setze ich auf die parlamentarische Beratung, die Anhörung und die Einsicht, dass auch das Landwaldgesetz für alle Menschen im Lande gelten muss und eine Privilegierung einzelner Nutzergruppen einfach nicht zeitgemäß ist.

(Beifall bei SPD, SSW und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Nun zum zweiten Schwerpunkt des Gesetzentwurfs, der einer kritischen Diskussion bedarf: Die bisher vorbildlichen und auf den Wald als Lebensraum und Ökosystem abgestellten Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 5 Absatz 2 sollen einseitig zugunsten der Nutzfunktion reduziert werden und würden so letztlich zu einer Schwächung des Ökosystems Wald und damit auch zu einer wirtschaftlichen Destabilisierung und Risikoerhöhung führen. Bei aller Kritik halten wir aber Teile des Gesetzentwurfs für notwendig und sinnvoll.

Alles in allem werden wir den vorliegenden Entwurf zum Landeswaldgesetz mit der nötigen Sorgfalt im Ausschuss diskutieren und uns dafür auch die notwendige Zeit nehmen. Keinesfalls wird dieser Entwurf ohne intensive Diskussion und ohne Änderung die zweite Lesung in diesem Parlament passieren.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im September 2005 hat die FDP-Fraktion einen Entwurf für ein neues Waldgesetz vorgelegt, das sich nach den rot-grünen Eskapaden auch wieder am wirtschaftlichen Nutzen des Waldes orientieren sollte, an seiner Bedeutung für die Umwelt und seiner Bedeutung für die Erholung der Bevölkerung. Dass das dem Minister nicht passen würde, hat uns seinerzeit nicht wirklich überrascht. Dieses Feld wollte und konnte er keinesfalls der Opposition überlassen und kündigte in seiner Presseerklärung vom 29. September 2005 deshalb auch flugs eine eigene Novelle des schleswig-holsteinischen Waldgesetzes für das kommende Jahr an. Das war im Jahre 2005. Seitdem sind vier Jahre ins Land gegangen. Besonderes Engagement für das Thema belegt das ganz gewiss nicht. Allerdings ist auch das nicht wirklich überraschend.

Bislang sind alle Themen, die mit dem Wald zusammenhängen, eher zögerlich von der Landesregierung bearbeitet worden. Ich erinnere nur an den Bericht zur Wald- und Forstwirtschaft. Im Landtag hatte der Minister dazu inhaltlich leider kaum etwas zu sagen - um Monate später allerdings mit einer Hochglanzbroschüre und im Weiteren sogar mit der erbetenen Clusterstudie aufzuwarten. Das lässt zumindest eine gewisse Offenheit für gute Ideen erkennen. Damit bin ich auch schon mittendrin im heutigen Gesetzentwurf: Ich habe mich wirklich gefreut, dass der Minister unsere Idee vom „Wald auf Zeit“ in seinen Gesetzentwurf aufgenommen hat.

(Beifall bei der FDP)