Protokoll der Sitzung vom 16.07.2009

Nach den Vorgaben der EU-Dienstleistungsrichtlinie war ein sogenannter Einheitlicher Ansprechpartner in Bezug auf effektivere Verwaltungsverfahren gegenüber Unternehmen der Dienstleistungsbranche als Verfahrensvermittler bis Ende 2009 festzulegen. Wir sind derzeit im Rahmen der Umsetzungsfrist. Das ist wirklich bemerkenswert, weil das leider Gottes nicht überall selbstverständlich und der Fall ist.

Wer dieser Einheitliche Ansprechpartner wird und welche Befugnisse er erhalten soll, war lange Zeit umstritten. Kommunen sahen ihre Selbstverwaltung gefährdet, andere sprachen von einem neuen bürokratischen Monster, das uns beziehungsweise die Wirtschaft bedroht. Und überhaupt würde alles nur viel schlimmer werden, wenn nicht die eigene Organisation - meistens waren diejenigen, die das selbst machen wollten, die Kritiker - diesen Job übernähme.

Mittlerweile haben sich die Wogen allerdings geglättet. Die Verfahren sind vereinbart, ohne dass Kammern zum Teil überflüssig werden, ohne dass Wirtschaftsförderungsgesellschaften den Betrieb einstellen müssen und ohne dass Kommunen nicht mehr Herr ihrer originären Entscheidungen sind. Bestehende Zuständigkeiten und hoheitliche Tätigkeit bleiben unberührt. Eine Mischverwaltung denken Sie nur an die Probleme, die es in der Vergangenheit mit den ARGEn gegeben hat und die es zurzeit auch noch gibt; das Problem ist ja noch nicht endgültig gelöst - entsteht bei dieser Anstalt des öffentliches Rechts nicht. Land, Kommunen und Kammern werden die Trägerschaft dieser Anstalt des öffentlichen Rechts gemeinsam wahrnehmen und dort zusammenarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man der Gesetzesvorlage beziehungsweise der Begründung glauben darf, ist diese Lösung auch die wirtschaftlichste. Alle Kammer- oder Kommunallösungen wären demnach erheblich teurer geworden. Es wäre gut, dies einmal nachzuweisen. Es wäre auch gut, wenn dem Gesetzentwurf der erste Entwurf eines

Organigramms dieser Anstalt des öffentlichen Rechts und einer detaillierteren Aufgabenbeschreibung als in § 3 beigefügt gewesen wäre, um den Vorwürfen des „Bürokratiemonsters“ gleich die Nahrung zu nehmen. Aber das kann in der Ausschussberatung nachgeholt werden. Solche Papiere sind ja auch schon andernorts präsentiert worden. Ich denke da nur an die Media-Tage bei den Kammern in Kiel. Das kann man also nachreichen, damit man argumentativ auf der sicheren Seite ist.

Der Abteilung des Staatssekretärs Schlie - Herr Magnussen, da kann ich mich anschließen - kann für die gute Arbeit nicht nur an diesem Gesetz, sondern am gesamten Thema E-Government schon jetzt gedankt werden. Das, was Schleswig-Holstein hier macht, ist wirklich beispielgebend. Betriebe und Verwaltung werden gleichermaßen davon profitieren können, dass wir in Schleswig-Holstein hier die Nase vorn haben. Allerdings bleibt es eine Aufgabe, diese Standards nicht nur innerhalb dieses Bundeslandes, sondern auch bundes- und EU-weit zu vereinbaren, aber das haben andere in anderen Parlamenten zu erledigen.

Ich bitte um Überweisung an den Finanzausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP hat der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist so etwas wie ein absurdes Theater, dass wir einen Gesetzentwurf beraten, der nach der Vorstellung der Mehrheit dieses Hauses der Diskontinuität anheimfallen wird. Aber sei es drum.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Zur Fortentwicklung bei Bildungslücken von Sozialdemokraten trage ich immer wieder gern bei, Kollege Nabel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hätte uns der Begriff „Einheitlich“ schon stutzig machen können. Schließlich geht gerade in Deutschland das Verständnis und die Erwartung, was es mit „Einheit“ auf sich haben könnte, seit jeher weit auseinander, so auch in diesem Fall.

Gemäß der europäischen Dienstleistungsrichtlinie müssen alle Mitgliedstaaten bis spätestens Ende

(Thomas Rother)

2009 sogenannte Einheitliche Ansprechpartner für Dienstleistungserbringer und -empfänger schaffen, um den europäischen Binnenmarkt für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern und zu verbessern. Dafür gibt es eine Reihe inhaltlicher Vorgaben, welche Anforderungen an diesen Einheitlichen Ansprechpartner zu stellen sind. Es bleibt allerdings den Mitgliedstaaten überlassen, wie viele Einheitliche Ansprechpartner eingerichtet werden und wer konkret mit dieser Aufgabe betraut wird.

Wen wundert es da, dass es selbstverständlich unter Berücksichtigung der föderalen Zuständigkeitsordnung in Deutschland gleich einen ganzen Strauß an Möglichkeiten gibt, wer alles dieser Einheitliche Ansprechpartner sein könnte. Überall im Land sprießen dazu momentan die Gesetzentwürfe. In Niedersachsen sollen die Landkreise, die kreisfreien Städte und die großen selbstständigen Städte sowie das Wirtschaftsministerium die Trägerschaft dafür übernehmen. In Hessen sind es die drei Regierungspräsidien, in Nordrhein-Westfalen die Kreise und kreisfreien Städte, allerdings reduziert auf 18 Stellen. Baden-Württemberg wiederum sieht als Einheitlichen Ansprechpartner die 30 dienstleistungsrichtlinienrelevanten Kammern, so der Kabinettsbeschluss vom Mai 2009, sowie auf freiwilliger Basis die 35 Landkreise und neun Stadtkreise in der Pflicht, während Thüringen ein sogenanntes Allkammernmodell als aussichtsreiche Lösung zur Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners favorisiert. Sachsen will die Landesdirektion Leipzig mit dieser Aufgabe betrauen. Und nicht zu vergessen - Schleswig-Holstein hat vor, mit dem heutigen Gesetzentwurf die Aufgaben des Einheitlichen Ansprechpartners auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu übertragen. So weit ein kleiner Auszug aus den aktuellen Gesetzgebungsverfahren in Deutschland.

Ganz offensichtlich wurden bei dem seinerzeit einstimmig gefassten Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder am 4./5. Juni 2007 die föderalen Strukturen deutlich unterschätzt, als man sich darauf einigte, „weitestgehende einheitliche Umsetzungslösungen anzustreben, um ein möglichst effizientes und stimmiges System aufzubauen“. Man überlege sich mal, dass sich jemand, der aus Portugal eine Anfrage stellt, jeweils überlegen muss, in welchem Bundesland er wie mit den entsprechenden Stellen kooperiert. Es ist eben noch lange nicht alles einheitlich, was einheitlich heißt. Allerdings hätte ich mir vor diesem Hintergrund gewünscht, dass uns die Landesregierung die Errichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts als Einheitli

chen Ansprechpartner nicht als alternativlose Lösung des Problems dargestellt hätte. Es gibt ja offensichtlich Alternativen, wenn sie aus meiner Sicht auch schlechter sind.

Ohne Alternative ist allenfalls, dass die EU-Dienstleistungsrichtlinie spätestens am 28. Dezember dieses Jahres umgesetzt und damit auch der Einheitliche Ansprechpartner benannt sein muss. Ansonsten ist jedes Bundesland von der von ihm gewählten Lösung so überzeugt, dass sie die am besten geeignete sei, dass sich nur so die Anforderungen aus Sicht der Wirtschaft, der Bürger und der Verwaltung effektiv erfüllen lassen, sodass es sich an dieser Stelle schlicht verbietet, alle Argumente für und wider aufzulisten.

(Beifall bei der FDP)

Selbstverständlich stellt auch die Anstalt einen erfolgversprechenden Ansatz dar, um bei der herrschenden Verwaltungsvielfalt zu streitfreien Lösungen zwischen Kommunen und Kammern, zwischen Verwaltung und Wirtschaft zu kommen,

(Beifall bei der FDP)

auch wenn es für mich nach wie vor nicht ohne Widerspruch ist, dass ausgerechnet die Entbürokratisierer im Land eine neue Behörde schaffen wollen. Möglicherweise lässt sich sogar am ehesten über eine Anstalt das erforderliche wirkungsvolle Beziehungsgeflecht zwischen Land, Kommunen, Kammern und Wirtschaft herstellen und unterhalten, das nötig ist, damit Existenzgründer in Schleswig-Holstein statt einem Dutzend Schritten nur noch einen Schritt machen müssen, um zum Ziel zu kommen. Die Beschreibung des Aufgabenkataloges des Einheitlichen Ansprechpartners lässt die Hoffnung jedenfalls zu, insbesondere soweit die Anstalt die an sie herangetragenen Anfragen gegenüber den zuständigen Stellen zu koordinieren hat, wie es in § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes steht. Sie muss also zielorientiert damit arbeiten und nicht nur Formulare entgegennehmen und weiterleiten.

Gleichwohl sage ich bewusst, dass es nur die Hoffnung gibt, denn sowohl die noch ausstehenden Kooperationsvereinbarungen und Kostenregelungen, vor allem aber der praktische Umgang mit den nach wie vor bestehenden Verwaltungsstrukturen wird zeigen können, wie ernst es den Beteiligten ist, dass die Anstalt tatsächlich ein leistungsstarker Koordinator wird. Nur wenn die Anstalt in der Lage ist, sich über das verwaltungsübliche „Das war schon immer so“ hinwegzusetzen, hat sie ihre Berechtigung, hat sie möglicherweise sogar eine Perspektive über die Landesgrenzen hinaus. Als bloße Paral

(Wolfgang Kubicki)

lelverwaltung zur Erfüllung der Richtlinie brauchen wir sie nicht.

Ich hoffe nicht, dass wir noch zu Ausschussberatungen kommen. Wir werden das in der nächsten Legislaturperiode dann erneut aufrufen.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident, für die Worterteilung. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wirtschaftliche Integration Europas hat die EU zu einem der führenden Wirtschaftsräume der Welt gemacht. Doch gerade das beachtliche Potenzial des Dienstleistungssektors wird für Wachstum und Beschäftigung noch nicht ausgeschöpft. Die EUDienstleistungsrichtlinie, die bis Ende 2009 umgesetzt werden soll, will dies ändern. Schleswig-Holstein ist verpflichtet, das umzusetzen. SchleswigHolstein liegt hier auch gut in der Zeit - bislang, muss man sagen.

Nach Auffassung der EU-Kommission ist eine gemeinschaftliche Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in das jeweilige nationale Recht ein wichtiger Schritt zum europäischen Binnenmarkt. Die Richtlinie soll bürokratische Hindernisse abbauen und den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen fördern und damit zur Verwirklichung des einheitlichen Binnenmarktes beitragen. Sie ist ein wichtiger Reformbaustein bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie.

Die Verhandlungen auf der europäischen Ebene zur Verabschiedung dieser Richtlinie waren allerdings auch kontrovers. Die Bundesregierung hat in diesem Prozess deutlich gemacht, dass eine weitere Vollendung des Dienstleistungsbinnenmarkts für Deutschland von einem herausragenden volkswirtschaftlichen Interesse ist. Wichtig ist aber auch, dass weiterhin hohe Standards für die Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen durchgesetzt werden können. Zum Beispiel sind notwendige hohe Standards aus unserer Sicht der Schutz der Gesundheit, der Schutz der Umwelt und die öffentliche Sicherheit.

Ein zentrales Thema bei den Verhandlungen war für die Bundesregierung außerdem, dass das Ar

beits- und Entsenderecht durch die Richtlinie nicht berührt werden darf. Mit anderen Worten: Der Dienstleistungswettbewerb darf nicht allein auf den Knochen der Beschäftigten ausgetragen werden, sondern er sollte sich dort entfalten, wo wirkliche Vorteile im Wettbewerb geltend gemacht werden können, und nicht nur auf der Lohnseite.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, die überarbeitete Fassung der europäischen Dienstleistungsrichtlinie hat wesentliche Forderungen aus der Kommunalwirtschaft berücksichtigt. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind aus dem Geltungsbereich der Richtlinie herausgenommen worden. Die Fundamente der kommunalen Daseinsvorsorge bleiben so erhalten. Das war nicht immer so; wir sind sehr froh, dass dies nachgebessert wurde.

Wir Grünen halten die Einführung eines Einheitlichen Ansprechpartners für ein wichtiges Element der Entbürokratisierung und ein wichtiges Wettbewerbselement. Dienstleister aus ganz Europa sollen zukünftig ihre Angelegenheiten für die Aufnahme und Ausübung der Dienstleistungstätigkeit über diesen Einheitlichen Ansprechpartner möglichst auch online abwickeln können. Die betroffenen Unternehmen können so ihre Verfahren und Anträge mit der öffentlichen Verwaltung schneller und besser abwickeln.

Gemäß Gesetzentwurf der Landesregierung soll der Einheitliche Ansprechpartner Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen und Dokumente entgegennehmen und sie unverzüglich zur fristgerechten Erledigung an die zuständigen Behörden weiterleiten. Der Einheitliche Ansprechpartner ist somit Mittler zwischen dem antragstellenden Dienstleister und den Behörden.

In Schleswig-Holstein soll dieser Einheitliche Ansprechpartner eine Anstalt des öffentlichen Rechts werden. Sie soll also getragen werden vom Land, von den Kommunen und von den Wirtschaftskammern. Ich halte das für einen vernünftigen, sehr diskussionswerten Ansatz. Kollege Kubicki hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass natürlich ein ganzer Strauß an Möglichkeiten zur Verfügung steht.

Die anteilige Finanzierung dieser Anstalt soll noch verhandelt werden. Das halte ich für eine wichtige, zentrale Frage. Die Kosten und die Konnexität sind sicherlich Dinge, die noch einer intensiven Erörterung zugeführt werden müssen. Ich

(Wolfgang Kubicki)

weiß nämlich nicht, ob die Kommunen schon wissen, dass da Kosten auf sie zu kommen.

Meine Damen und Herren, die Träger und Finanzierer der Anstalt müssen in den Prozess intensiv mit einbezogen und gefragt werden. Die Kommunen und Kammern werden sich sicherlich melden, zumal ja geplant ist, dass die Anstalt eine Satzungsautonomie hat und die Satzungen dort selber festgelegt werden.

Bei einigen offenen Fragen, die ich erwähnt habe, stimmen wir aber dem Gesetzentwurf im Grundsatz zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW im Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im ungünstigsten Fall muss ein Existenzgründer bis zu 46 verschiedene Genehmigungsverfahren durchlaufen, wie die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern errechnet haben. Auch ein Verwaltungsfuchs tut sich mit der richtigen Reihenfolge und Einhaltung von Verfahren schwer; von der Suche nach den jeweils richtigen Ansprechpartner ganz zu schweigen. Viele Gründer kapitulieren vor diesem Verwaltungsdschungel, und so entsteht der Volkswirtschaft ein nicht zu kalkulierender Schaden.

Die Errichtung einer einzigen Stelle für alle Anträge und Verfahren ist ein lang gehegter Traum, der mittels der EU-Dienstleistungsrichtlinie zumindest für Existenzgründer und Gewerbeanmelder erfüllt werden soll. Eine sachkundige Lotsenstelle würde eines der größten Hemmnisse im Wirtschaftsleben beseitigen und wäre für grenzüberschreitende Wirtschaftskontakte eine echte Erleichterung. Wenn wir bedenken, dass Schleswig-Holsteins Wirtschaft vor allem von den kleinen und mittelgroßen Unternehmen profitiert, ist es höchste Zeit, diese Verfahrenshürden abzubauen.

Wir verschenken allerdings eine Chance, wenn wir die Ansprechstelle nicht gleichzeitig auch für andere Belange öffnen. Nicht zufällig fällt mir dabei der gemeinsame Arbeitsmarkt im dänisch-deutschen Grenzland ein. Dort zeigt das Regionskontor, wie unbürokratische Beratung und Information funktionieren. Ob man eine Immobilie beim Nachbarn erwerben möchte oder einen Nebenjob sucht,

die Berater vom Regionskontor beraten und nennen die wichtigsten Ansprechpartner. In einigen Belangen gibt es sogar Laufzettel, deren konsequente Abarbeitung doppelte Wege vermeiden hilft.