gen zur EU-Verfassung deutlich geworden ist, wird als Aussicht die regionale und kommunale Einbindung der Akteure vor Ort propagiert. Aufgrund der Tatsache, dass die EU in immer stärkerem Maße in das alltägliche Leben der Menschen eingreift und dadurch durchaus als reale Gefahr erlebt wird, verstärken sich auch die misstrauischen und ablehnenden Äußerungen der EU-Bürgerinnen und -Bürger gegenüber der fortschreitenden Integration.
Die demokratische Legitimation des Projektes Europa steht auf der Tagesordnung. Gewollt ist das wohlwollende Einverständnis der Bürger und Bürgerinnen - gemeint ist ihre Einstellung zur Integration -, ihre passive Hinnahme. Aber auch eine zulassende, nicht aktive Förderung ist gewollt.
Als Ausweg aus der Legitimationskrise wird die Entwicklung eines Europas der Regionen aufgeführt und vor allem die Bedeutung der grenzüberschreitenden Kooperation für diesen Integrationsprozess hervorgehoben. Allerdings orientiert sich dieses Verständnis von Demokratisierung nicht an Kompetenzkatalogen, sondern an den Möglichkeiten der Menschen, sich an politischen Prozessen zu beteiligen, die über ihr Leben und Zusammenleben entscheiden. Für die wachsende regionale Identität und das Einfordern regionalen Mitwirkens lassen sich gute Gründe ausmachen. Die Regionalpolitik, insbesondere auf der Grundlage grenzüberschreitender Kooperation, kann einiges leisten:
Erstens. Grenzüberschreitende Kooperation und Netzwerkbildung kann einen Gegenpart zum Europa von oben, zur bürgerfern empfundenen Brüsseler Eurokratie bilden. Dabei ist die gewährte Handlungsautonomie für Regionen im Rahmen der Regional- und Interregionalitätspolitik sowohl eine zentrale Aufgabe zur Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips als auch zur Verminderung des eben schon beschriebenen Demokratiedefizits.
Zweitens. Durch grenzüberschreitende Kooperation sollen unmittelbare Alltagsprobleme der Bürger über Ländergrenzen hinweg adäquat bearbeitet und die Lebensqualität verbessert werden. Dazu dienen vor allem Maßnahmen und Programme in den Bereichen Infrastruktur und regionale Arbeitsmärkte.
Drittens. Von einer verdichteten grenzüberschreitenden Kooperation wird eine Stärkung der europäischen Identität, also der affirmativen Unterstützung des Integrationsgedankens erwartet. Eine Veränderung
von innerstaatlichen Loyalitäten zugunsten supranationaler Institutionen wird erwartet. Das heißt konkret: Regionale Zusammenarbeit kann durch Prozesse sozialen Lernens die Akzeptanz des EU-Projektes in der Bevölkerung stärken. Daher förderte die EU - das ist heute schon mehrfach gesagt worden - im Jahre 2000 183 Grenz- und grenzüberschreitende Regionen. Eine zentrale Rolle bildet also diese Kooperation in den Gemeinschaftsinitiativen. Die verschiedenen von der Kommission finanzierten Initiativen sind Sektoralprogramme zur gezielten Förderung grenzüberschreitender Kooperationen, wie wir sie in SchleswigHolstein praktizieren.
Für den Zeitraum 2000 bis 2006 stehen hierfür 10,4 Milliarden € aus dem Strukturfonds zur Verfügung, wobei der Löwenanteil auf INTERREG entfällt. Der Bericht der Landesregierung, aber auch meine Vorrednerinnen und Vorredner haben zu Recht hervorgehoben, dass in der Strukturfondsperiode 2007 bis 2013 die INTERREG-Förderung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gerade in den Regionen im alten Europa im Sinne der alten EUMitgliedstaaten fortgeführt werden muss.
Um die Bürger und Bürgerinnen mit dem komplexen Projekt Europa vertraut zu machen, ist dauerhaftes Engagement in den Regionen notwendig. Auch die grenzüberschreitende Kooperation mit Dänemark beruht in erster Linie auf der praktischen Zusammenarbeit im Rahmen von Projekten - diese sind dankenswerterweise im Bericht ausführlich dargestellt worden - zum Vorteil beider Partner und zum anderen auf der ständigen Erneuerung der Begegnung, des Austausches und der politischen Kommunikation über die deutsch-dänische Grenze hinweg. Die seit 1990 im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative INTERREG-A gewachsene Zusammenarbeit nimmt dabei eine Vorreiterrolle für ganz Europa ein.
Das schon erwähnte „Infocenter Grenze“ ist aus meiner Sicht - ich habe es neulich besucht - ein hervorragendes Projekt, das zeigt, wie für die Menschen in der Grenzregion gearbeitet werden kann, wie für Grenzpendler, Arbeitssuchende, Unternehmer und Ruheständler in Fragen der grenzüberschreitenden sozialen Sicherung, der Steuersysteme, des Arbeitsmarktes und weiterer Themen konkret, schnell, unbürokratisch und insbesondere kundenorientiert ein großer Beratungsbedarf gedeckt wird. Das ist ein hervorragendes Beispiel. Es zeigt aber auch, dass im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf die Entwicklung der verschiedenen kommunalen Verwaltungsstrukturveränderungen geachtet werden kann.
nicht noch einmal darstellen, wie die Entwicklung sein wird. Aber zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass die Kommunikation über die Veränderung in Dänemark für Schleswig-Holstein von großer Bedeutung ist; denn Umfragen haben ergeben, dass die meisten Dänen mit der Kommunalreform durchaus zufrieden sind. Vielleicht können wir in Bezug auf das schon gestern und vorgestern erwähnte Verwaltungsstrukturgesetz, das im Entwurf vorliegt, mit Blick über die Grenze von unseren Nachbarn einiges lernen. Für mich hat der fraktionsübergreifende Hinweis, dass die Kommunikation nicht nur im Europaausschuss, sondern auf den unterschiedlichsten Ebenen für uns in Schleswig-Holstein sehr lehrreich sein kann, große Bedeutung. Wir Grüne unterstützen dies gerne.
Herzlichen Dank für den Bericht. Beim nächsten Tagesordnungspunkt kommen wir auf diese Frage sicher unmittelbar zurück.
Ich danke der Frau Abgeordneten Lütkes und erteile dem Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.
- Das ist sehr nett, Frau Abgeordnete Spoorendonk. Aber es liegen schon mehrere Anmeldungen für einen Kurzbeitrag vor. - Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.
Ich habe mir gedacht, dass Sie das aufgreifen. Deshalb will ich auch auf das Schmunzeln auf der Regierungsbank eingehen. Dass der liebe Kollege Döring das Wort „Carstensen“ so betont hat, Frau Präsidentin, lag daran, dass er sich vorgenommen hatte, die Debatte zu verkürzen. Aber dass das an meinem Namen hängen sollte, Herr Döring, wollte ich dann doch nicht. Deswegen gab es einen kleinen Vermerk: „Döring: Wehe!“ - Daran hat er sich gehalten. Schönen Dank dafür.
(Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sind aber neue Zeiten! - Zuruf des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Vielleicht sollten Sie sich einmal ordentliche Umgangsformen angewöhnen. Das hat an sich noch nie geschadet.
Lassen Sie mich zum Thema sprechen. Das Thema ist ernst genug. Ich möchte zunächst auf das eingehen, was ein bisschen unterschwellig bei ein oder zwei Reden anklang. Es wird manchmal draußen die Sorge geäußert, wir würden uns zu viel um den Hamburger Raum, um die Wachstumsmetropole Hamburg kümmern und dadurch den Norden etwas vernachlässigen. Ich glaube das nicht. Das ist kein Widerspruch; denn wir brauchen die Steuermittel, die dort erwirtschaftet werden, um eine Entwicklung im Landesteil Schleswig zu ermöglichen.
Deshalb ist das kein Widerspruch, sondern sicherlich auch eine der Voraussetzungen, um eine gute Politik für den Norden Schleswig-Holsteins zu machen. Da besteht kein Anlass für Misstrauen oder Neid. Man kann das eine tun, weil es richtig ist für SchleswigHolstein, braucht aber das andere nicht zu lassen, weil auch das richtig und gut für Schleswig-Holstein ist.
Wir haben gerne über die Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Dänemark Bericht erstattet. Die deutsch-dänische Grenzregion braucht neue Perspektiven. Wir wissen, Wirtschaft und Arbeit sind die wichtigsten politischen Themen, bei denen wir vorankommen müssen. Wirtschaft und Arbeit dürfen in einem geeinten Europa keine Ländergrenzen kennen. Wir sind deshalb dringend auf eine gute Kooperation angewiesen. Es gibt seit Jahren eine gut gewachsene grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch durch die Kreise. Aber diese Zusammenarbeit kann zum beiderseitigen Nutzen noch weiter ausgebaut werden. Sie muss auch weiter ausgebaut werden; denn wir müssen uns offen und ehrlich eingestehen: Seit zwei Jahrzehnten ist der Landesteil Schleswig im Fokus der Regionalpolitik und der Strukturpolitik, doch kann
Ich weiß aus vielen Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern, mit Unternehmen und Politikern, mit welchem Engagement die Landkreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, die Stadt Flensburg, die Hochschulen, die Schulen, die Kammern und viele andere mit Beharrlichkeit für die Zukunft in der Grenzregion arbeiten. Das verdient unser aller Anerkennung. Aber dieses Engagement verpflichtet die Landesregierung auch, insbesondere vor dem Hintergrund der Strukturveränderungen in Dänemark.
Vor zwei Wochen habe ich mit Amtsbürgermeister Holst gesprochen. Wir waren uns einig: Die neuen größeren Strukturen bedeuten für unsere Partner ganz neue Chancen, sind Herausforderungen für die Landesregierung. Die Landesregierung ist fest entschlossen, sie auch zu nutzen.
Die Aufgaben sind Regionalentwicklungsplanung und grenzüberschreitender Arbeitsmarkt, Kooperationen von Krankenhäusern und Hochschulen. Ich sage aber auch: Zur Offenheit und Ehrlichkeit gehört es, den Menschen nichts Unmögliches zu versprechen. Eine positive Regionalentwicklung lässt sich nun einmal nicht per Knopfdruck auslösen. Aber eines ist klar: Die Landesregierung wird in diesem Prozess zukünftig eine aktivere Rolle spielen.
Wir werden die Wachstumsbereiche der Grenzregion gezielt fördern - jetzt bin ich wieder am Anfang -, etwa den Tourismus, die Medizinwirtschaft, die Ernährungswirtschaft, den Handel, die maritime Wirtschaft. Dazu brauchen wir die Steuermittel, die irgendwo reinkommen.
Wir haben keinen Mangel an Studien und Landtagsberichten zu diesem Thema. In den vergangenen 20 Jahren haben wir im Landesteil Schleswig einen Mangel an Wirtschaftswachstum gehabt.
In künftigen dänischen Großregionen werden Wachstumsforen eingesetzt. Ihre Hauptaufgabe ist zu prüfen, wie in den Regionen durch gemeinsames Handeln von Gemeinden, Städten, Unternehmen, Kam
mern, Hochschulen, Gewerkschaften und vielen anderen das Wirtschaftswachstum vergrößert und die Arbeitslosigkeit gesenkt werden kann. So eine konzertierte Aktion muss es auch auf unserer Seite der Grenze geben. Wir brauchen mehr Power und Dynamik für die Grenzregionen.