Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Deswegen werden wir daran festhalten. Deswegen werden wir uns auf dem Weg auch nicht beirren lassen. Ich erwarte, dass wir in künftigen Debatten, die in der Tat noch mehr Aufklärung bringen sollen, etwas mehr Sachkenntnis und etwas mehr Problembewusstsein der Opposition erfahren. Dann hat die Debatte auch insgesamt mehr Niveau und bringt für das Haus insgesamt einen größeren Gewinn.

(Beifall bei CDU und SPD)

Zu einem Kurzbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, zum Bericht ist alles gesagt worden. Darum noch einmal die rhetorische Frage: Was ist denn eigentlich Demokratie? - Da das eine abendfüllende Veranstaltung wäre, will ich dazu nicht weiter ausführen. Aber ich finde, es ist eine interessante Fragestellung, die man sich doch noch einmal durch den Kopf gehen lassen sollte, ob Demokratie nicht Beteiligung, Mitbestimmung und Mitgestalten heißt.

Stellen wir uns die kommunale Demokratie in den Klein- und Kleinstgemeinden vor. Ehrenamtliche Arbeit ist wichtig. Sie ist - das ist entscheidend - der

(Anke Spoorendonk)

Kitt für unsere Gesellschaft. Darin stimmen wir alle überein. Was Klein- und Kleinstgemeinden heute als kommunale Demokratie eigenständig entscheiden können, ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob dort oder hier eine Bank stehen darf oder wer an der Weihnachtsfeier beteiligt sein soll. Das soll nicht herablassend klingen. Ich kenne das Leben in Kleinstgemeinden. Wenn wir aber von Mitgestalten oder Mitbestimmen sprechen, haben wir dort ein Problem.

Zweiter Punkt: die Ämter. Was läuft in den Ämtern? Die Ämter waren - das sagt der Gemeindetag immer wieder - Schreibstuben der Gemeinden. Alle wissen, dass in den Ämtern gestaltet wird, dass Ämter kommunalpolitische Aufgaben erledigen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darum sagen wir vom SSW schlicht und ergreifend - das ist keine Revolution -: Es wäre ein wichtiger Schritt zu sagen, Ämter sind Kommunen. Dann würde man die Größe von 8.000 Einwohnern haben, dann würde man eine Einheit haben, in der mehr geleistet werden kann als ehrenamtliche Arbeit.

Dann kommt der Einwurf, die Bürger müssten zu den Rathäusern, zu den Gemeindeverwaltungen hinkommen können. Das ist richtig. Dafür gibt es Lösungen. Bügerbüros sind angesprochen worden.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich plädiere dafür, dass wir uns mit der real existierenden Wirklichkeit in den Kommunen auseinander setzen. Dazu gehört auch ein ganz anderer Punkt. Angesprochen wurde die Aufgabenkritik. Die Kommunen und die Kreise sollen jetzt Aufgabenkritik machen. Anfang Dezember, wenn ich das richtig im Ohr habe, soll dazu etwas kommen. Diese Aufgabenkritik läuft nicht über den Kreistag. Diese Aufgabenkritik läuft unter den Landräten, unter den hauptamtlichen Bürgermeistern. Mir ist bekannt, dass Selbstverwaltungsgremien - ich kann Ihnen auch einen Kreis nennen - eine große Vorlage zur wohlwollenden Kenntnisnahme vorgelegt bekommen haben. Es gab keine Diskussion im Kreistag, keine Diskussion im Hauptausschuss. Da frage ich: Ist das Beteiligung? Ist das Demokratie? Ist es das, was wir wollen? - Nein, ich glaube nicht.

(Beifall beim SSW - Jürgen Feddersen [CDU]: Das liegt am Kreistag selber!)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Interessante an der heutigen Diskussion ist die Frage: Was passiert eigentlich zukünftig im Land? Deshalb ist der Bericht erstellt worden. Deshalb ist vielleicht auch die Debatte so heftig. Denn es wurde nicht deutlich, was die große Koalition eigentlich will. Angekündigt ist ein großes Reformprojekt. Sichtbar ist zur Zeit nichts, überhaupt nichts - außer, dass Sie eine kommunale Verwaltungsregion neu einführen wollen. Diese neue Region soll neue Aufgaben bekommen. Die soll sie eigenständig erledigen. Das ist etwas Zusätzliches. Aber was ist das denn? Die neue Verwaltungsregion hat keine demokratische Legitimation. Es soll scheinbar kein Dienstleistungsgebäude eingerichtet werden. Das heißt, Sie basteln etwas und niemand von uns versteht, was Sie eigentlich wollen. Wir interpretieren das als zusätzliche Ebene innerhalb der Verwaltung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Herr Wadephul sagt jetzt: Nein, das wird es nicht. Herr Wadephul, Sie haben nur gesagt, was Sie nicht machen. Sie lösen keine Kreise auf. Sie lösen keine Gemeinden auf. Sie machen keine zusätzliche Verwaltungsstrukturreform. Was machen Sie denn? Eine groß angekündigte Verwaltungsstrukturreform kann sich nicht darauf begründen, dass man sagt: Wenige kleine Ämter werden zusammengelegt, weil der Rechnungshof das so will. Das kann nicht das zentrale Reformprojekt dieser Landesregierung sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deshalb fordere ich Sie nach wie vor auf, zu benennen, was Sie als große Koalition wollen. Sie können nicht allein auf die Regierung warten. Vielleicht veröffentlichen Sie das, was Sie intern anhand von Briefen diskutieren, damit wir wissen, wo die CDUFraktion steht.

Ein Letztes, Herr Wadephul, weil Sie gesagt haben, Grüne wollten, dass die Leute zum Rathaus weiter fahren. Ich weiß nicht, ob Sie Schleswig-Holstein kennen. Ich sage Ihnen: Ob man aus einer kleinen Gemeinde in die Nachbarstadt fährt, um zum Amt zu gehen, oder ob man aus der kleinen Gemeinde in die Nachbarstadt fährt, um zum Rathaus zu gehen, das auf der anderen Straßenseite ist, produziert noch keine weiteren Entfernungen. Das Entscheidende ist, dass die Menschen, wenn sie fahren, in einer Behörde alle Dienstleistungen bekommen und nicht einmal

(Monika Heinold)

zum Standort A und dann zum Standort B fahren müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Fragen Sie die Menschen in den Gemeinden, ob sie wissen: Wo bekomme ich den Führerschein? Wer ist für die Schule zuständig? Wer ist für den Abfall zuständig? Die Menschen wünschen sich, dass sie einen einzigen Eingang haben und sagen können: Hier werde ich als Bürger oder Bürgerin ordentlich behandelt.

Ich sage Ihnen nachher etwas zu den bürgerfreundlichen Behörden, Herr Wadephul. Wir werden das später diskutieren. Das als neuen Wust an Bürokratie darzustellen ist nahezu absurd. Mir fehlt jedes Verständnis, überhaupt so weit zu denken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nach § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Minister Dr. Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Anke Spoorendonk, Sie wissen, dass ich Sie schätze. Aber ich habe in den Beiträgen ein bisschen das Maß an skandinavischer Gelassenheit und an Pragmatismus vermisst.

Es ist sehr eigenartig, wenn man sagt: Ich will erst eine Aufgabenkritik und eine Struktur haben, dann aber einen Antrag für November vorlegt und sich gleichzeitig beschwert, es sei nicht so, wie man sich das vorgestellt habe, weil die Aufgabenkritik im Dezember erst zu Ende ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Verständnis von Logik ist das nicht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Was das Parlament angeht: Ich kenne wenige Gebiete, für die so viel Material publiziert wird. Das sind die 55 Fragen. Ich nehme jede Einladung in jede Fraktion oder Gruppe an, Frau Kollegin Spoorendonk. Ich erläutere Ihnen alles gern, so, wie ich das auch im Lande handhabe. Es gibt überhaupt nichts geheim zu halten, kein Stück.

Ich bin zwar ein neuer Parlamentarier, aber mein Verständnis von Parlament ist nicht, dass ich mich vor der Opposition zu fürchten habe. Das tue ich gewiss nicht. Insofern: Wenn Sie mich einladen, komme ich gern zu Ihnen, um Ihnen Rede und Antwort zu stehen. Es fehlt weiß Gott nicht an Informationen. Aber wir sollten bitte die Reihenfolge beachten. Ich

kann nicht einen Dialog anstoßen und gleichzeitig sagen, ich ziehe die fertige Rechtskonstruktion aus der Schublade. Was ist das für ein Dialog? Das ist ein Scherz. Das müsste man sich zu Recht vorhalten lassen, wenn man so vorginge.

Ich denke, wir haben seit 20 Jahren darüber diskutiert - die letzte Vorlage stammt von Stoltenberg -, dann werden wir noch bis zum Frühjahr warten können, bis der konkrete Vorschlag kommt, wenn der Dialog zu Ende ist. - Das ist meine erste Bemerkung.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Zweite, die demokratische Kontrolle. Ich muss wirklich sagen: Ämter sind keine Kommunen. Sie sollen es auch nicht werden.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Ich möchte - das sage ich auch Herrn Hildebrand -, dass die Entscheidungen in den Gemeindevertretungen und in den Stadtvertretungen fallen, wo sie hingehören, und nicht in anderen Gremien, in die sie nicht gehören.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich gebe Herrn Wadephul Recht: Groß oder klein heißt nicht automatisch gut oder schlecht. Das heißt aber auch, man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Großen gehen mit den Kleinen manchmal nicht gut genug um. Die Kleinen sind manchmal froh, dass die Sozialhilfelasten von den anderen getragen werden. Sie sind dafür ganz dankbar und die Welt ist sicherlich kompliziert.

Aber es ist ganz offenkundig, warum gesagt wird: Wir brauchen größere Verwaltungseinheiten für den gegenwärtigen Aufgabenbestand. Ich habe die Argumente genannt: Teilzeit, Expertenwissen. Sie brauchen allein für das Standesamt drei ausgebildete Leute. Die sind dann nicht ausgelastet. Legen Sie zwei Ämter zusammen, brauchen Sie wiederum drei Leute, die immer noch nicht ausgelastet sind. Ich habe hier einen Zeitungsartikel mit Aussagen der beiden Ämter, die der Kollege Puls genannt hat. Sie sagen, allein dieses bringt ihnen 110.000 €. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.

Was Herr Hildebrand über den KIF gesagt hat, lohnt keiner Erwähnung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nett, dass Sie es noch einmal erwähnt haben!)

Nochmals zu dem, was Herr Hentschel gesagt hat. Ich habe beide Koalitionsverträge unterschrieben. Komischerweise war auch der erste, den ich unterschrieben

(Minister Dr. Ralf Stegner)

habe, nicht so, wirklich nicht so, wie der Kollege Hentschel das eben dargestellt hat.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie können auch noch einen dritten unterschreiben!)

Lieber Herr Kollege Hentschel, Sie haben heute ein bisschen nach dem Märchen gehandelt: Von einem, der auszog, uns akustisch das Fürchten zu lehren;

(Beifall bei SPD und CDU)

aber nicht intellektuell. Das war eine sehr zentralistische Vorstellung auf dem Reißbrett: Wie mache ich das?

Frau Heinold, für mich heißt Bürgernähe etwas ganz anderes. Es bedeutet nicht, dass ich in die nächste Kreisstadt oder sonst wo hin fahren muss. Es bedeutet, im kleinsten Ort, in der kleinsten Gemeinde kann ich mein Anliegen abgeben und bekomme dort eine Antwort wieder. Der Bürger läuft nicht der Verwaltung hinterher, sondern die Verwaltung dient dem Bürger. Er finanziert sie nämlich. So wird ein Schuh daraus.