Herr Carstensen, die Verwaltungsstrukturreform ist die große und einzige Chance, bei den Strukturen in Schleswig-Holstein ein Stück voranzukommen. Heute haben wir von Ihrem Innenminister und den Regie
rungsfraktionen nur gehört, was alles nicht passieren darf. Wer die Abenteuer des tapferen Stegner in den Niederungen der holsteinischen Provinzen in den letzten Wochen verfolgt hat, der weiß, was dort vor sich geht.
Die Dorfbürgermeister der CDU organisieren die Blockade des modernen Schleswig-Holstein. Der vorliegende Bericht ist der Entwurf einer Kapitulationserklärung. Nun fehlt dazu noch der für Ende des Jahres mit Spannung erwartete Bericht unseres Helden im Kampf gegen die Bürokratie, von Ritter Schlie. Herr Ministerpräsident, haben Sie jetzt noch die Kraft, etwas zu bewegen, oder sind Sie schon längst durch Ihre Liliputaner gefesselt, wie der Scheinriese Gulliver? An dieser Stelle wird sich entscheiden, ob Ihre Regierung die Kraft hat, bei der Lösung der Probleme voranzukommen, oder ob sie scheitert.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gerade versucht, dem Kollegen Wadephul eine kleine Frage zu stellen. Er bat mich, das hier zu verbalisieren, indem ich eine Rede halte. Das will ich gern tun. Er hat nämlich gesagt, das Parlament entscheidet. Was hat das Parlament nun eigentlich entschieden? Über welche Rahmenbedingungen haben wir als Parlament entschieden? Welcher Antrag wurde im Parlament eingebracht, in dem steht, wie wir uns die Kommunalreform oder die Funktionalreform, die Verwaltungsreform vorstellen. Nichts, null. Es ist nichts von den Koalitionsfraktionen gekommen, sondern man hat fleißig darauf gewartet, was der Innenminister in seiner Heiligkeit vorlegt.
Welche Entscheidung haben wir sonst getroffen? Ich kann Ihnen genau sagen, liebe Kollegin Tengler, welche Entscheidung wir getroffen haben, und zwar ge
meinsam: Wir haben auf Antrag des SSW immerhin beschlossen, dass wir einen Bericht haben wollen. Wir haben sehr viele konkrete Fragen gestellt. Die Landesregierung aber hat uns diese Fragen nicht beantwortet. Da stellt sich mir die Frage, lieber Kollege Wadephul: Was haben wir hier noch zu entscheiden, wenn noch nicht einmal Sie als regierungstragende Fraktion zumindest dafür Sorge tragen, dass wir hier im Parlament einen vernünftigen Bericht bekommen?
Denn dieser Bericht ist definitiv nicht in Ordnung. Ich erwarte mehr. Es ist völlig klar, dass man versucht, der Opposition nicht genügend Spielraum zu lassen. Das ist völlig legitim; so ist das Spielchen. Aber ich finde, es müssten zumindest grundlegende, sachlich gerechtfertigte Berichte vorgelegt werden, in denen der Sachstand und sonstige Überlegungen dargestellt werden, über die dieses Parlament dann auch diskutieren kann.
Noch zum Inhalt. Wir haben auch in der vergangenen Wahlperiode immer darüber gesprochen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir am liebsten eine zweistufige Verwaltung hätten. Wir haben uns regelmäßig darüber aufgeregt, dass das Land bei der Dreistufigkeit noch eine Zwischenbehörde hat. Darüber haben wir uns alle aufgeregt.
Jetzt haben wir Gemeinden, Ämter, Kreise, eine Superbehörde, die noch darüber gestellt wird und das Land Schleswig-Holstein. Das sind fünf verschiedene Verwaltungsebenen. Damit sind wir Rekordhalter in der gesamten Republik.
Das heißt: Thema verfehlt und Ziel verfehlt. Wenn Sie, lieber Herr Kollege Wadephul, sagen, dass Sie die Aufgabenkritik, die Sie laut Koalitionsvertrag am Beginn des Prozesses machen wollten, jetzt nicht mehr machen, sondern das ein bisschen nebenher machen, dann ist das nicht in Ordnung; vielmehr muss der Prozess so laufen, dass man sich erst einmal Gedanken darüber macht, was man will. Danach passt man die Strukturen entsprechend an.
Ich möchte noch etwas einwerfen. Auch in der Vergangenheit haben die Kreise durchaus Vorschläge dazu gemacht, wie sie es sich vorstellen. Sie haben ganz deutlich gesagt, dass sie die große Superbehörde nicht wollen, sondern dass sie lieber vor Ort auf vertraglicher Ebene regeln wollen, wie sie die ihnen
übertragenen Aufgaben organisieren. Das heißt, der Kreis X macht das für den anderen Kreis, der Kreis Y in der Zusammenarbeit etwas anderes. Das hätte man ohne Schwierigkeiten kurzfristig und schnell hingekriegt. Das hätte Verwaltung wirklich vereinfacht.
Herr Kollege Harms, wir kommen von den Todsünden zu den lässlichen Sünden: Sie überschreiten die vereinbarte Redezeit.
Das Problem ist: Anke hatte nur grob die sieben Todsünden erklärt, während ich zu den vielen anderen komme, die noch hinterher kommen. Aber okay, ich will mich erst einmal zurückhalten. Von Sünden verstehen wir etwas. Wir erkennen sie sofort, lieber Herr Ministerpräsident, und gehen auch sofort darauf ein. So viel Mut haben wir.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag erteile ich nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hentschel, man kann Opposition auch mit Niveau machen.
- Das weiß ich schon. Die ehemalige Justizministerin kann gern an Diskussionen erinnert werden, die wir vor einem Jahr in diesem Hause geführt haben. Das können wir an anderer Stelle vertiefen.
Die Bezeichnung einzelner Regierungsmitglieder als Ritter und andere Figuren, Herr Kollege Hentschel, trägt nicht dazu bei, dass diejenigen, die uns hier zuhören, mehr Achtung vor dem Parlament haben und uns ernster nehmen. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen: Schauen Sie einmal mehr ins Kommunalverfassungsrecht hinein und gucken Sie sich an, was da geregelt ist; dann kommen wir auch zu einer sachlich sinnvollen Debatte.
Wenn wir hier über einen ernsthaften Punkt miteinander reden, nämlich über Aufgabenkritik, Aufgabenabbau und Entbürokratisierung, dann muss ich sagen, liefern Sie gerade in dieser Debatte - das werden wir am Donnerstag beim Thema „Bürgerfreundliche Behörden“ diskutieren - ein weiteres Beispiel dafür, wie man es nicht macht, indem man nämlich wieder neue Standards formuliert, für unsere Kommunen weitere Vorschriften macht. So geht es nicht weiter. Wir wollen Vorschriften und Doppelzuständigkeiten abbauen. Wir wollen ehrliche Aufgabenverlagerung ohne Kostenüberwälzung auf die kommunale Ebene. Das hätten Sie seit 1996 machen können. Sie haben nichts zustande gebracht, Herr Hentschel. Das ist die wahre Bilanz, die wir hier im Landtag zu ziehen haben. Der sollten Sie sich stellen.
Wenn Sie dann hier beschwören, eine kommunale Struktur sei wahnsinnig gut, wenn es eine ganz große Kommune, eine ganz große Gemeinde mit einem zentralen Rathaus gibt, dann verschweigen Sie an der Stelle, dass der Weg für den Bürger weiter wird. Wir wollen eine Verwaltung haben, die auch noch für Menschen erreichbar ist, die über kein Kraftfahrzeug verfügen und nur schlechte Verbindungen im ÖPNV haben.
Wenn Sie hier über die Zahl der Kommunen reden, dann erwecken Sie den Eindruck, die 1.000 Kommunen würden wahnsinnig viel Geld kosten. Im Übrigen äußern Sie an der Stelle ein sehr bezeichnendes Demokratieverständnis. Es handelt sich nämlich um ehrenamtlich verwaltete Kommunen, in denen ehrenamtlich tätige Gemeindevertreterinnen, Gemeindevertreter, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für eine wirklich karge Aufwandsentschädigung ihren Dienst tun. Ihnen sollten wir danken und wir sollten sie hier
Schließlich noch etwas zum Thema Kreise. Ich habe es vorhin schon einmal gesagt: Es wird keine neue Behördenebene geben. Deswegen sollten Sie sie auch nicht an die Wand malen. Wir werden eine neue Behörde an der Stelle nicht zulassen.
Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass unsere Kreise und kreisfreien Städte, wie ein bundesweiter Vergleich zeigt, eine geradezu optimale Größe haben. Wenn wir bescheinigt bekommen, dass unsere Kreise eine optimale Größe haben, dann wären wir doch mit dem Klammerbeutel gepudert, genau die Ebene abzuschaffen, die sich bewährt hat und einem bundesweiten Vergleich standhalten kann.