Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das macht nichts, ich spreche zu Lars Harms. Das muss in einem integrierten Ansatz weitergehen. Das heißt, dass die Standortfaktoren vor Ort wie Naturschutz, Landschaft und vorhandener Tourismus gekoppelt und gemeinsam entwickelt werden. Hier sind wir auf einem guten Weg. Hier müssen wir beharrlich sein. Wir kommen von der Westküste und haben einen langen Atem. Den müssen Sie auch weiterhin haben. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

Nun zum „Jelstrom“! In der letzten Wahlperiode haben wir bereits parteiübergreifend - es waren noch Kollegen von der CDU dabei - darüber gesprochen, dass wir das zu einer gemeinsamen Initiative machen. Die SPD-Fraktion hat das aufgegriffen und einen Besuch vor Ort gemacht. Die Argumente der Initiative für die Variante 1 haben uns inhaltlich überzeugt, sodass wir sowohl dem Wirtschaftsminister als auch dem Umweltminister gleich lautende Schreiben geschickt haben. Wir warten noch auf die Antwort. Wir hoffen, dass sie bald kommt. Wir möchten gern, dass die Initiative vor Ort, in der der Naturschutz, der Tourismus vor Ort und eigentlich alle eingebunden sind, gemeinsam für eine marginal veränderte Trassenführung der B 5 wirkt, um ein Naturprojekt zu entwickeln, das gleichzeitig hilft, Kosten zu sparen und die Region nach vorn zu bringen. Juristische Verfahren, die bei der normalen und vorgesehenen Variante wahrscheinlich zu erwarten sind, wird diese Variante wahrscheinlich nicht an den Tag legen. Das ist also eine Variante, die wirklich vor Ort angenommen wird. Wir haben uns dafür eingesetzt. Wir hoffen, dass sich die anderen Parteien in diesem Haus dieser Initiative anschließen werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke dem Kollegen Nabel. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar an den Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung. Ich sehe keinen Widerspruch. Wenn Sie so beschließen wollen, dann bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 46 auf:

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Reform der europäischen Zuckermarktordnung

Landtagsbeschluss vom 1. September 2005 Drucksache 16/210

Zum mündlichen Bericht der Landesregierung erteile ich in Vertretung für Herrn Minister Dr. von Boetticher dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht um die Reform der europäischen Zuckermarktordnung. Ich hatte eigentlich gedacht, dass der Kollege Klinckhammer anfängt. Ich hätte mich dann auf das Thema vorbereiten können. Was die Sache betrifft, so habe ich natürlich schon seit längerer Zeit meine Meinung, denn ich hatte einen Wahlkreis, in dem die Landwirtschaft eine große Rolle spielt und der von der Zuckermarktordnung betroffen ist.

Vor dem Hintergrund der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik unter dem Eindruck der WTOEntscheidung blicken wir seit Monaten mit Sorge auf die Reform der EU-Zuckermarktordnung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für unsere Landwirte. Sie wissen, dass es Klagen gegen das gegenwärtige Regime gegeben hat. Dieses Regime hat praktisch regulierte Preise. Klagen haben die so genannten AKP-Staaten erhoben, also Staaten aus Afrika, der Karibik und der Pazifikregion, die nicht zu den ärmsten gehören. Diese Staaten haben sich dagegen gewandt, dass hier Maßnahmen getroffen werden, die von der WTO-Beihilfe rechtlich und weltmarktmäßig nicht gebilligt werden können. Es gab ein entsprechendes Urteil.

Dieses Urteil bedeutet, dass wir in Europa eine veränderte Zuckermarktordnung bekommen werden, die erhebliche Konsequenzen für unsere Landwirtschaft hat. Die WTO hat den Klägern weitgehend Recht gegeben. In der Konsequenz dieses Urteils hat die EU-Kommission eine Reform vorgelegt; deren wesentliche Elemente sind die Einführung eines Referenz- statt eines Interventionspreises für Weißzucker, Ersatz der Zuckerinvestitionen durch private Lagerhalter, Absenkung des Referenzpreises für Weißzucker in drei Schritten, Kürzung des Mindestpreises für Zuckerrüben, Zusammenlegung von A- und BQuoten - jeder der hier Anwesenden weiß, was damit gemeint ist, nämlich die volle Preis- und Absatzgarantie -, die eingeschränkte Garantie, Garantiepreise für indischen beziehungsweise AKP-Zucker und entkoppelte Direktbeihilfen von ungefähr 60 %.

Ich will erläutern, was das für unsere Landwirte bedeutet. In Schleswig-Holstein sind etwa 1.000 bäu

erliche Familienbetriebe von massiven Einschnitten betroffen, die nicht so ohne weiteres hingenommen werden können. Schleswig-Holstein hat sich deshalb im Bundesrat dafür eingesetzt, die Regelung, die die EU vorgesehen hat, zu verändern. Dies hat insbesondere der Kollege von Boetticher, den ich heute vertreten darf, mit Entschiedenheit gemacht.

Der Bundesrat befasst sich seit Herbst mit den Vorschlägen der Kommission und weist in seinem Beschluss vom Juli 2005 auf die weit reichenden Folgen des Vorschlages der EU-Kommission für die Landwirtschaft und die Zuckerwirtschaft in ganz Deutschland hin. Der Bundesrat lehnt vor allem die Dimension der vorgesehenen Preissenkung für Zuckerrüben und Zucker ab, fordert die Beibehaltung des Interventionssystems und dass der vorgesehene Teilausgleich in Höhe von ungefähr 60 % der Erlöseinbußen möglichst lange ungeschmälert gewährt wird. Leider war die bisherige Bundeslandwirtschaftsministerin dem Kommissionsvorschlag nicht entschieden genug entgegengetreten und hatte beispielsweise den vorgesehenen 60-prozentigen Ausgleich von Einkommensverlusten sogar noch als zu hoch bezeichnet. Ich bezeichne das nicht als eine deutliche Vertretung der Interessen unserer Landwirte.

In der Sitzung vom 23. September hat sich der Bundesrat nochmals umfassend mit dem Entwurf befasst. Dabei stellte er Kernforderungen: Erstens. Konkretisierung der Ausgestaltung der Preiszahlung, das heißt also Konkretisierung des Bezugszeitraums, als Grundlage die Rübenmenge und nicht die Anbaufläche zu nehmen sowie die Aufnahme von Beratungen. Zweitens. Auf nationaler Ebene die Gewährung der Teilausgleiche im Betriebsprämiendurchführungsgesetz.

Wie stellt sich vor diesem Sachverhalt die Situation in Schleswig-Holstein dar? Die Anbaufläche der Zuckerrüben umfasst noch etwas 12.400 ha. Diese machen etwa 2 % der Anbaufläche aus. Der wesentliche Teil des Zuckerrübenanbaus liegt mit etwa 7.500 ha im Hügelland. Jeweils rund 2.000 ha entfallen auf die Marsch und die hohe Geest.

Die Reform der Zuckermarktordnung wird unmittelbare Auswirkungen auf etwa 1.000 landwirtschaftliche Betriebe haben. Die Landesregierung hat die Sorge, die der zuständige Minister mich bat Ihnen mitzuteilen, dass dies für manchen landwirtschaftlichen Betrieb kaum zu verkraften sein wird. Man kann sich ausrechnen, dass das pro Hektar eine Erlöseinbuße von etwa minus 1.000 € bedeutet. Bei einem Gesamterlös von 2.600 € bleiben 1.600 € pro ha übrig. Das ist eine massive Einbuße.

(Minister Dietrich Austermann)

Im Ergebnis bedeutet das nicht nur spürbare Einnahmeausfälle, sondern auch das Risiko der Betriebsaufgabe. Vor diesem Hintergrund sind nicht sofortige Strukturbrüche zu erwarten, aber wir sind der Auffassung, dass dann, wenn Veränderungen erfolgen müssen, gegen die man sich im Grundsatz nicht unbedingt wehren kann, diese Veränderungen über einen bestimmten Zeitraum möglich sein sollten. Dazu wird es wesentlich darauf ankommen, welche Änderungen im Entwurf der Reform noch durchsetzbar sind. Wir verlassen uns da auf eine gemeinsame Position im Bundesrat.

Bei der Ausgestaltung der Umstrukturierungsbeihilfen für Zuckerfabriken deutet sich die Bereitschaft der Kommission zurr Änderung an. Das ist auch dringend erforderlich. Unabdingbar ist aus unserer Sicht die Anpassung von Fristen, um die vorgesehenen entkoppelten Zahlungen in unser System aufnehmen zu können.

Meine Damen und Herren, Minister von Boetticher und die Landesregierung werden sich auch weiterhin unmittelbar bei der EU-Kommission, aber auch über den Bundesrat für eine möglichst umfangreiche Absicherung der Einkommen unserer Bauern und eine maßvolle Veränderung einsetzen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir danken Herrn Minister Austermann dafür, dass er den Bericht des Landwirtschaftsministers hier vorgetragen hat.

(Holger Astrup [SPD]: Hat er gut vorgetra- gen! - Weitere Zurufe)

- Es ist Aufgabe des Parlamentes, das zu beurteilen.

Ich eröffne damit die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Klaus Klinckhamer.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Nach dem Willen der Europäischen Union wird die Zuckermarktordnung in mehreren Stufen reformiert. Zweifellos muss angesichts der vollen Interventionsläger etwas geschehen. Ein „Weiter so!“ wäre nicht zu verantworten.

Die ärmeren Länder, darunter die so genannten AKPStaaten - damit sind Regionen in Afrika, der Karibik und Pazifik gemeint -, haben weiterhin die Chance, ihre Produkte in der Europäischen Union abzusetzen. Darüber hinaus ist die Klage der Staaten Australien, Brasilien und Thailand vor der WTO wegen der euro

päischen Zuckersubventionen zu berücksichtigen. Die Kläger haben sich mit der Folge durchsetzen können, dass allein deshalb Handlungsbedarf besteht und die Europäische Union nicht tatenlos bleiben konnte. Für die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe geht es darum, ohne Struktureinbrüche Reformen zu überstehen und bei allen Schwierigkeiten die Existenzgrundlage nicht zu verlieren.

Herr Minister Austermann hat es schon gesagt: Rund 1.000 Betriebe in Schleswig-Holstein mit einer Anbaufläche von rund 12.000 ha sind eigentlich eine relativ kleine Zahl, aber diese Betriebe stützen ihr Einkommen zu einem nicht unerheblichen Teil auf den Zuckerrübenanbau. Sie verlieren bei einer Preissenkung von 43 % circa 1.000 € je Hektar und des Deckungsbeitrages je Hektar. Das entspricht 10 Millionen € auf Landesebene, die auch als Kaufkraft dem ländlichen Raum entgehen.

Der vorgesehene 60-prozentige Ausgleich der Preissenkung ist daher nur ein geringer Trost. Wir können nicht hinnehmen, dass unsere Landwirtschaft in kürzester Zeit Reformschritte zu verkraften hat, die existenzbedrohend sind. Deshalb müssen Regelungen getroffen werden, die einen gleitenden Übergang vorsehen und damit eine planbare Anpassung an die neuen Verhältnisse ermöglichen.

Für die Europäische Union besteht unausweichlich Handlungsbedarf. Sie ist gezwungen, den Markt für die ärmeren Länder weiter offen zu halten und Subventionen zurückzuführen. Zunehmend sind wir gehalten, uns den WTO-Regelungen anzupassen; das heißt unsere deutsche Landwirtschaft steht in unmittelbarer Konkurrenz mit Brasilien und anderen Staaten mit ihrem Rohrzucker, den sie wesentlich billiger produzieren können.

Es bleibt jedoch die Frage der Regelungsgestaltung. Die Europäische Union hat eine weite Gestaltungsmöglichkeit, die nicht nur im Interesse der Einsparungen, sondern auch für die Existenzsicherung unserer Landwirtschaft genutzt werden muss. Wir wollen im Rahmen unserer Möglichkeiten die betroffenen Betriebe unterstützen. Unser Landwirtschaftsminister hat sich bereits im Bundesrat für eine bessere Ausgestaltung der Reform mit dem Ziel eingesetzt, die Übergangszeit zu verlängern und die Preissenkung auf ein erträgliches Maß zu verringern. Für diesen Einsatz sind wir Herrn Minister von Boetticher auch sehr dankbar.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus haben Gespräche mit der Kommission in Brüssel stattgefunden. Wir unterstützen den Landwirtschaftsminister Dr. von Boetticher bei seinen

(Klaus Klinckhamer)

Bemühungen, die Zuckermarktreform erträglich zu gestalten. Wir wollen, dass auch künftig die rund 50.000 Zuckerrübenanbauer in Deutschland und mehrere Tausend Beschäftigte in der Zuckerindustrie eine Zukunft haben. Es darf nicht eintreten, dass Schleswig-Holstein nach der Schließung der Zuckerfabrik in Schleswig zum zuckerrübenfreien Anbaugebiet wird.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Wir danken dem Herrn Abgeordneten Klinckhamer. Bevor ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Höppner erteile, möchte ich Besucher auf der Tribüne begrüßen. Wir begrüßen Mitglieder des SPD-Ortsvereins Schönkirchen und Mitglieder des Landfrauenvereins Bordesholm und Umgebung. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Höppner von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir geraten hier ein wenig in die Gefahr, dass alle Redebeiträge einen ähnlichen Inhalt haben.

(Claus Ehlers [CDU]: Die Rede hilft dir im Wahlkampf! - Heiterkeit)

- Das wollen wir doch einmal sehen, lieber Kollege Ehlers.

Es macht schon ein wenig nachdenklich, was hier auch schon gesagt worden ist, dass nämlich etwa 1.000 landwirtschaftliche Betriebe in Schleswig-Holstein betroffen sind. Die Zuckerrübenanbauer in Schleswig-Holstein haben es nie leicht gehabt. Ich erinnere nur daran, dass wir vor etwas mehr als einem Jahrzehnt noch zwei Fabriken hatten - eine ins St. Michaelisdonn und eine in Schleswig. Darüber haben wir hier vor zwei Jahren auch sehr ausführlich gesprochen. Wenn ich daran denke, dass etwa 350.000 t Zuckerrüben nach Süden durch den Elbtunnel gefahren werden, stellt sich die Frage, ob das - zumindest ökologisch - sinnvoll ist.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Sie wissen - das ist hier auch mehrfach erwähnt worden -, dass Auslöser die WTO-Entscheidung gewesen ist, die den Zweck hatte, den Ländern der Dritten Welt den Absatz ihrer landwirtschaftlichen Produkte auf dem europäischen Markt zu erleichtern. Das mag man begrüßen, aber die Entscheidung ist natürlich im

Hinblick auf die Produktion in anderen Ländern - ich denke hier etwa an Brasilien - Lichtjahre von ökologischen und sozialen Standards entfernt. Auch in Brasilien ist es so, dass es im Grunde nur mehrere dutzende Familien sind, die hiervon profitieren und nicht die breite Bevölkerung.