Hinblick auf die Produktion in anderen Ländern - ich denke hier etwa an Brasilien - Lichtjahre von ökologischen und sozialen Standards entfernt. Auch in Brasilien ist es so, dass es im Grunde nur mehrere dutzende Familien sind, die hiervon profitieren und nicht die breite Bevölkerung.
Aber es besteht für uns dennoch Handlungsdruck. Wir müssen uns auch in diesem Bereich verändern. Forderungen, am liebsten gar nichts zu tun, weil gewachsene Strukturen, Einkommen und Arbeitsplätze nicht gefährdet werden dürfen, sind verständlich aber irreal.
Aus meiner Sicht sind die Reformvorschläge der EU-Kommission vom 22. Juni dieses Jahres grundsätzlich zu begrüßen. Sie sind geeignet, internationale Handelsbeziehungen gerechter auszugestalten und eine am Markt ausgerichtete und wettbewerbsfähige Zuckererzeugung in Europa zu erreichen. Positive Elemente sind dabei: erstens die lange Geltungsdauer bis 2014/2015 ohne Halbzeitbewertung, das verspricht zumindest für die Anbauer Planungssicherheit; zweitens das Herauskaufprogramm für Produktionsquoten auf freiwilliger Basis und damit die Konzentration auf wettbewerbsfähige Standorte; drittens der schon erwähnte Ausgleich der Einkommensverluste für bis zu 60 % und viertens die Öffnung der Programme nachwachsender Rohstoffe für Zuckerrüben und die Ausdehnung der Chemiezuckerregelung auf den Bioethanolsektor, wodurch alternative Absatzmöglichkeiten eröffnet werden.
Für mich sind allerdings auch noch einige Punkte genauer zu prüfen. Dazu gehört die Frage, ob der vorgeschlagene Umfang der Preissenkung angemessen und geeignet ist, eine wettbewerbsfähige Zuckerproduktion in Europa und vor allem auch in Schleswig-Holstein zu erhalten. Dazu zählt auch die Frage, wie Einfuhrregelungen kontrolliert und Umgehungsgeschäfte wirksam unterbunden werden können. Außerdem stellt sich die Frage, wie die vorgesehenen Mehrausgaben durch den Teilausgleich der Erlöseinbußen in Deutschland finanziert werden sollen.
In Schleswig-Holstein wird der Strukturwandel in der Landwirtschaft gerade in diesem Bereich auch in Zukunft weitergehen. Die Reform der Zuckermarktordnung darf aber - das ist auch unsere Auffassung - zu keinen massiven Einbrüchen für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein führen. Hier sind Regelungen erforderlich, die mit Augenmaß angesetzt werden. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung die Beratungen im Bundesrat und auch die Beratungen gegenüber der EU-Kommission nutzen wird, um möglichst viel Einkommen für die schleswig-hol
Wir danken für die zügige Stellungnahme. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand.
(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer soll denn jetzt klatschen? - Mo- nika Schwalm [CDU]: Ihr! - Günther Hilde- brand [FDP]: Ich zwinkere mit dem Auge, dann - -! Ist das in Ordnung? - Gut!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seitdem die Europäische Kommission im Juli 2004 ihre ersten Vorstellungen zur drastischen Reduzierung der garantierten Preise und Quoten auf dem europäischen Zuckermarkt präsentiert hat, schlagen die Wellen hoch. Auf der einen Seite protestiert die europäische Zuckerindustrie, auch die in Deutschland und speziell in Schleswig-Holstein, und hält die Reformpläne für weit überzogen. Auf der anderen Seite mahnen Umweltschutzverbände und Menschenrechtsorganisationen, endlich einen Beitrag zu leisten, damit die im Zuckersektor arbeitenden Kleinbauern in den Entwicklungsländern ihren Weg aus der Armut finden und höhere Umweltstandards erreicht werden.
Inzwischen haben sich die Vorstellungen der EU zu Vorschlägen verdichtet. Mitte Dezember will die WTO entscheiden, ob die Reformen der EU mit den Regeln des Weltmarktes vereinbar sind. Der Entwurf der Welthandelsrunde zur Liberalisierung des Zuckermarktes soll dann bis Ende 2006 unterschriftsreif sein. Heute endlich beschäftigt sich auch der Schleswig-Holsteinische Landtag mit diesem Thema.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist auch mir bewusst, dass Schleswig-Holstein im weltweiten Zuckerkanon keine tragende Stimme hat. Gleichwohl hätte ich mir gewünscht, dass die große Koalition das Thema Zucker nicht sozusagen erst im Nachklapp bearbeitet. Der Zeitpunkt der Gespräche, die Minister von Boetticher in dieser Sache mit seiner eigenen Presseerklärung vom 29. September selbst mit der EU-Kommission in Brüssel geführt hat, erscheint mir reichlich spät.
Damit sind die Kritikpunkte bekannt. Sie sind groß und sie sind zahlreich. Künftig sollen die garantierten Abnahmepreise für Weißzucker um 39 % gesenkt werden. Als Ausgleich will die Kommission den EU
Bauern 60 % des Einnahmeverlustes in Form von Betriebsprämien erstatten. Das wurde schon erwähnt. Das mag gut gemeint sein. Drastische Einnahmeausfälle bleiben es trotzdem. Wer dann auf 40 % verzichten kann, muss mir das genauer erklären. Da müssen dann bisher wahnsinnige Gewinnspannen bestanden haben. Dem war aber nicht so. Für kleinere Zuckerrübenproduzenten kann es sogar das Aus bedeuten. Denn im Moment ist kaum absehbar, wie unsere Landwirte die mit der Reform eintretenden Einnahmeeinbußen durch produktionstechnische Maßnahmen oder Umstellungen auf andere Erzeugnisse auffangen könnten.
Was unsere Landwirte deshalb jetzt brauchen - das gilt nicht nur für den Zuckermarktsektor -, sind verlässliche Rahmenbedingungen, um die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen treffen zu können. Dazu gehören auch Anpassungszeiträume und Übergangsregelungen. Nur so lässt sich der Weg zu einer stärker unternehmerisch und marktwirtschaftlich orientierten Landwirtschaft erfolgreich beschreiten.
Nicht ausreichend sind dagegen die sicherlich gut gemeinten Gespräche mit Brüssel und mit Berlin. Hier hilft kein Reden. Hier muss Butter bei die Fische. Wir haben gestern noch einmal genau nachgeschaut, ob es irgendwelche Initiativen SchleswigHolsteins im Bundesrat gibt. Kollege Klaus Klinckhamer hat es eben erwähnt. Wir haben nichts gefunden. Es stünde an, dass das jetzt unverzüglich nachgeholt wird.
Mit anderen Worten: Wie will die Landesregierung konkret Struktureinbrüche für schleswig-holsteinische Betriebe vermeiden? Immerhin sind es nach der Pressemitteilung des Ministers 1.000 landwirtschaftliche Betriebe und insgesamt 12.000 ha Zuckerrübenanbau, die davon betroffen sind.
Was heißt es für den einzelnen Landwirt, wenn sich der Minister für eine möglichst umfangreiche Absicherung der Einkommen der betroffenen Betriebe einsetzen will? Wird Schleswig-Holstein seinen Zuckerrübenbauern dann die fehlenden 40 % des zu erwartenden Einnahmeverlustes ersetzen? Wenn ja, wovon? Hier fehlen mir bislang konkrete Antworten.
Über die große Diskussion um die Auswirkungen der EU-Zuckermarktreform auf unsere schleswig-holsteinischen Landwirte darf ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt nicht vergessen werden. Das sind die Auswirkungen der Reform auf die ärmsten Länder der Welt. Auch die sind eben schon angesprochen worden. Ziel der Reform sollte es unter anderem sein, die internationalen Verpflichtungen durch einen stärker am Markt orientierten Zuckersektor besser erfüllen zu können. Tatsächlich zeigen die Re
formvorschläge aber eine Reihe von entwicklungspolitisch unerwünschten Auswirkungen. Denn die ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, in der Karibik und im Pazifik, die AKP-Staaten, für die bislang praktisch die gleichen Garantiepreise galten wie für EU-Bauern, ist der Verkauf von Zucker in die EU dann kaum noch möglich. Allein der Transport würde viel zu teuer.
Profiteure des Reformansatzes wären damit nur einige große Zuckerproduzenten in Ländern wie Brasilien. Die Produzenten dort haben schon angekündigt, dass sie ihre Produktion hochfahren wollen. Also wären gerade die AKP-Staaten sehr negativ davon betroffen.
Zwar hat die Kommission zusätzlich zur Reform ein Hilfsprogramm für die ärmsten Länder der Welt beschlossen -
- ich komme zum Schluss -, doch müssen wir uns wirklich fragen, ob wir mit so vielen Krücken wirklich auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen einfach feststellen, dass uns in diesem Bereich bei allem guten Willen die Hände relativ stark gebunden sind. Wir können nur hoffen, dass wir entsprechende Anpassungsmaßnahmen vornehmen, die es unseren Bauern zumindest erleichtern, den Übergang zu schaffen.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An der Debatte stören mich ein bisschen die verschiedenen Äußerungen, wie man sich für die Bauern einsetzt und so weiter. Mich stört diese Art von Placebopolitik. Jeder, der die Debatte führt und der sich mit dem Thema beschäftigt hat, weiß, was mit der internationalen Zuckerordnung wirklich los ist. Der Glaube, Schleswig-Holstein starte jetzt die entscheidenden Initiativen, um etwas zu ändern, ist
irreal. Es kann wirklich nur darum gehen, den Bauern Signale zu geben. Es geht nicht darum, wirklich etwas zu bewegen. Das ärgert mich, wenn man solche Debatten führt. Man sollte Debatten zumindest ehrlich führen.
(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])
Was glauben Sie, was Ihre Parteikollegen Koch oder Rüttgers oder Glos, die mit großen Industrieunternehmen zu tun haben, sagen würden, wenn Deutschland tatsächlich das täte, was von Ihnen und vom Bauernverband gefordert wird? Gefordert wird, konträr in die WTO-Verhandlungen einzusteigen. Deutschland ist eines der größten Exportländer. Ich glaube, wir sind wieder Nummer 1. Wir liefern Industrieanlagen in die ganze Welt. Was würden Ihre Kollegen sagen, wenn Sie forderten, aus den WTOVerhandlungen auszusteigen und dafür zu sorgen, dass der Schutz unserer Agrarwirtschaft erhalten bleibt? Wie soll das denn funktionieren? Andere Länder sehen das genauso. Sie fragen: Warum sollen wir unsere Märkte für deutsche Produkte öffnen, wenn Deutschland nicht bereit ist, sich gegenüber armen Ländern für Agrarprodukte zu öffnen? Ich halte es für eine absolut irreale Debatte, die sie führen. Sie wird vom Bauernverband in einer so verlogenen Art und Weise geführt, dass mich das einfach ärgert.
Es gibt wichtige Gründe, aus denen man diese Diskussion in Brüssel und auch von uns aus durchaus wie folgt führen muss. Man muss fragen: Wie werden die Veränderungen, die auf dem Weltmarkt stattfinden werden, und die Veränderungen in der EU konkret gestaltet? Die EU nimmt den Bauern den Zucker zurzeit zu einem Preis ab, der beim Dreifachen des Weltmarktpreises liegt. Das noch viel größere Problem ist, dass die in der EU entstehenden Überschüsse zu hoch subventionierten Preisen auf den Weltmarkt gepumpt werden. Dadurch werden die Konkurrenzbedingungen gegenüber Ländern, die zu ganz anderen Preisen produzieren, verschlechtert. Das ist das Kernproblem.
Ich gehe davon aus, dass die EU auch in Zukunft Zucker subventionieren wird. Anders kann in Deutschland konkurrenzfähig gar kein Zucker produziert werden. Die EU kann in Zukunft Zucker aber nicht mehr zu subventionierten Preisen exportieren. Das wird nicht mehr möglich sein. Darauf muss man sich einstellen.
Das hat gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Norddeutschland. Damit müssen wir uns beschäftigen. Wir müssen uns fragen, wie wir mit diesem Problem ernsthaft umgehen, welche flankierenden Maßnahmen wir ergreifen, welche Alternativen es für die Bauern gibt, welche Möglichkeiten es gibt, den Bauern zu helfen. So zu tun, als könnten wir diesen Prozess verhindern, halte ich für irreal.
Wir haben auch das Problem - das hat mein Kollege Hildebrand beschrieben -, dass es bei den Zucker produzierenden Ländern des Südens sehr unterschiedliche Bedingungen gibt. Es gibt Großproduzenten, die zu sehr niedrigen Preisen produzieren. Es gibt aber auch insbesondere in den AKP-Staaten eine ganze Reihe von Produzenten, die Zucker zu wesentlich teureren Preisen produzieren. Diese haben zurzeit das Privileg, ihren Zucker in die EU liefern zu können. Nicht nur unsere Zuckerbauern sind die Benachteiligten bei der Änderung des Zuckerpreises, sondern auch die Zuckerbauern in den AKP-Staaten werden Benachteiligte in diesem Prozess sein.
Ich denke, gerade in der Verantwortung gegenüber Afrika muss es unser Interesse sein, uns gemeinsam mit diesen Ländern in den WTO-Verhandlungen dafür einzusetzen, dass eine Regelung getroffen wird, die eine Übergangsperiode schafft und Möglichkeiten bietet, die Zuckerwirtschaft auch in diesen Ländern auf ein Niveau zu bringen, das sie konkurrenzfähig werden lässt.
Es ist ganz wichtig, dass wir diese Verantwortung übernehmen. Denn nur auf diese Art und Weise werden wir von westlicher Seite international zu einem vernünftigen Ausgleich kommen.
Es geht also darum, erstens die Bedingungen zu gestalten und zweitens die Alternativen zu beschreiben. Im Zusammenhang mit dem, was wir seit vielen Jahren diskutieren, sind der Einstieg in alternative Treibstoffe, in alternative Produktionen in der Landwirtschaft sowie das Thema Biotreibstoff ganz wichtige Gesichtspunkte. Die Landwirtschaft wird sich weiterentwickeln, wie sie es in der Vergangenheit auch getan hat. Wir sind dafür verantwortlich, den betroffenen Landwirten Alternativen und Märkte aufzuzeigen und uns dafür einzusetzen. In diesem Sinne haben wir in der Vergangenheit eine Menge getan.
Dieser Prozess muss fortgesetzt werden und da erwarten wir auch von der Landesregierung, dass ihrerseits konstruktive Vorschläge kommen. Es muss den Menschen jedoch auch ungeschminkt die Wahrheit gesagt werden.
- Ich komme zu meinem letzten Satz. - Denn es hilft den Bauern nichts, wenn man ihnen etwas vormacht. Es hilft ihnen nur, wenn man ihnen Alternativen bietet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die europäische Agrarreform hat lange Zeit für erhebliche Unruhe in der Landwirtschaft gesorgt. Denn lange Zeit war nicht genau klar, in welche Richtung die Reise gehen wird. Eines war jedoch allen klar: Mit der Erweiterung der EU wird der Förderkuchen für die Landwirtschaft kleiner.
Daher wurde die Förderkulisse von einer reinen Direktzahlung hin zu einer marktorientierten Förderung umgestaltet. Diesen Weg hat der SSW in der Debatte um die EU-Agrarreform stets unterstützt. Dass eine derartig weitgreifende Reform nicht spurlos an allen vorübergeht, ist logisch. Die Agrarreform hat bisher bereits in vielen Bereichen gegriffen und dass die Agrarreform nicht um die Zuckermarktordnung herumkommt, ist auch klar. Dies wird im Übrigen auch so von Vertretern des Deutschen Bauernverbandes gesehen; dies begrüßt der SSW.
Eine Verweigerungshaltung wäre in dieser Sache auch kontraproduktiv. Denn es gibt internationale Verpflichtungen, die eine Reform unabdingbar machen. Hierauf wurde bereits vonseiten der britischen EU-Präsidentschaft hingewiesen. Es wurde mitgeteilt, dass eine Reform notwendig sei, um der EU bei den Welthandelsgesprächen im Dezember einen besseren Stand zu geben.