Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Solche Einsparungen bekommen wir aber nicht, wenn wir die Ämter zusammenlegen und diese nicht weitere Aufgaben übernehmen. Entscheidend ist, dass wir die Aufgaben zwischen den Zentralorten, die wesentliche Funktionen für das Umland wahrnehmen, und den Kreisen bündeln müssen.

Im Koalitionsvertrag steht, dass die Ämter Schulträger werden sollen. Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag; das habe ich nicht erfunden. Das ist vielleicht ein Überbleibsel aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag; das kann sein; Sie haben dann vergessen, das an der Stelle zu streichen. Es steht jedenfalls drin. Wenn Sie das durchdeklinieren und die Bauämter, wie es eben diskutiert worden ist, auf die Kommunen übertragen wollen, wenn Sie die Kommunen im Bereich der Jugendpolitik, der Schule und der Sozialpolitik als handelnde Einheiten für den Bürger stärken wollen, dann brauchen Sie eine bestimmte Mindestgröße, damit die entstehenden Einheiten handlungsfähig und ineffizient sind. Insofern sehe ich, dass Sie sich zusehends auf unser Konzept zubewegen und diese Art von Diskussion fortsetzen.

Das zweite große Einsparpotenzial liegt natürlich zwischen den regionalen Behörden und den Kreisen. Das Potenzial realisiert sich aber nur, wenn Sie die Kreise auflösen und nicht eine zusätzliche Behördenebene schaffen.

Gehen wir einmal auf die Straßenverwaltung ein. Natürlich können wir die Landesstraßen und die Kreisstraßen zu einer gemeinsamen Kategorie Regionalstraßen zusammenlegen und Pflege, Aufsicht, Planung und so weiter in eine Hand legen. Das kann man wunderbar bei den Regionen ansiedeln. Natürlich können wir die Kreis- und die Landesforstverwaltung zu einer regionalen Forstverwaltung zusammenlegen. Dabei spart man eine Verwaltungsebene. Das kann man für eine ganze Reihe anderer Dinge ebenfalls durchdeklinieren. Nur müssen Sie dabei die Kreise auflösen, statt eine zusätzliche Struktur zu schaffen; dies wäre doch absurd. Sonst schaffen Sie mehr Verwaltungen statt weniger.

Interessant ist, dass die CDU die ganze Zeit, als sie noch nicht in der Regierung war, davon geredet hat, dass die Einsparpotenziale beim Land lägen und nicht bei den Kommunen. Aber jetzt reden Sie von den Kommunen. Das finde ich schon einmal gut. Das ist ein großer Fortschritt. Aber Sie müssen auch begreifen, dass wir gerade für die Kommunalpolitiker attraktive Kommunen brauchen, die etwas zu entscheiden haben. Wenn Sie die Bauaufsicht, die Schulaufsicht, die Kitas, die Wirtschaftsförde

rung und die sozialpolitische Grundversorgung den Kommunen zuordnen, dann haben die Leute vor Ort etwas zu entscheiden. Das ist für die Gemeinderäte hoch attraktiv. Das ist für die Bürgermeister spannend. Dann findet wirklich etwas statt. Aber wenn man nur über das Dorfgemeinschaftshaus und die Feuerwehr reden darf, dann lohnt es sich nicht mehr, für die Kommunalpolitik zu kandidieren. Dies ist doch das Problem, das wir in Schleswig-Holstein haben.

Herr Hentschel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich komme zum Schluss.

Ihre letzte Bemerkung hat mich allerdings erschreckt. Sie wollten ja etwas gegen mich sagen, weil ich Sie wegen Frauen angemacht habe.

(Heiterkeit)

Wissen Sie, es ist schon erstaunlich, dass der CDU, wenn über Frauen- und Kinderpolitik geredet wird, immer einfällt, dass dann die Politik im Ehrenamt gemacht werden muss. Gerade die Arbeit für Frauen und Kinder soll immer ehrenamtlich gemacht werden. Das muss man ja nicht alles staatlich regeln, weil das Bürokratie verursacht. Für andere Sachen ist Geld da, aber hierfür nicht. Das ist CDUPolitik. Das muss sich in diesem Land ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Lassen Sie mich Folgendes sagen. Alle Abgeordneten gehören in diesen Landtag und alle Abgeordneten gehören in dieses Land.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/407 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, damit er dort weiter beraten wird. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Überweisung ist einstimmig beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

(Karl-Martin Hentschel)

Sichere Lebensmittel - Besserer Verbraucherschutz

Lebensmittelüberwachung effizienter gestalten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/425 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/447

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

In Nummer II des Antrages Drucksache 16/425 (neu) wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Wer diesem Berichtsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Der Bericht wird gewünscht.

Dann bitte ich den Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ja alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir sind in den letzten Monaten durch die Überschriften in den Zeitungen und durch die Bilder, die wir im Fernsehen gesehen haben, sowie durch Nachrichten über Fleischskandale und Gammelfleisch an unseren Fleischtheken wach geworden und ein Stück weit auch aufgeschreckt. Es gibt eine Reihe von Fällen in Deutschland, in denen Lebensmittelunternehmen Schlachtabfälle und überlagertes Fleisch, das nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet war, als Lebensmittel in den Verkehr gebracht haben. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir Maßnahmen benötigen, um zukünftig illegale Machenschaften dieser Art zu verhindern. Genauso einig sind wir uns, denke ich, darüber, dass Stichprobenkontrollen niemals generell solche Taten, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verhindern können. Wir müssen ein System zwischen Kontrollen auf der einen Seite und Eigenverantwortung auf der anderen Seite finden, beispielsweise über Qualitätsmanagement und Zertifizierung.

Natürlich werden wir anhand der jetzt klar gewordenen Tatsachen gesetzliche Vorgaben und Kontrollmechanismen überprüfen. Das sind wir im Übrigen nicht nur den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern auch den Landwirten schuldig, die extrem gute und sichere Lebensmittel produzieren

und nicht zuletzt darunter zu leiden haben, wenn im weiteren Verlauf solche Dinge passieren, wie wir sie nun zur Kenntnis bekommen haben.

Wir werden uns über Nummer 1 des Antrages der FDP im Ausschuss noch unterhalten. Erlauben Sie mir, dass ich vor allem zu Nummer 2 und einigen anderen Punkten Stellung nehme.

Zunächst zu der Frage, inwieweit staatlich lizenzierte freiberufliche Lebensmittelsachverständige im Bereich der Lebensmittelüberwachung zur Unterstützung der amtlichen Lebensmittelkontrolleure herangezogen werden können. Meine Herren von der FDP, grundsätzlich - das wissen Sie - besteht ab dem 1. Januar 2006 nach den dann unmittelbar geltenden Lebensmittel- und Futtermittelkontrollverordnungen der Europäischen Union die Möglichkeit einer solchen Übertragung. Allerdings - das muss man wissen - sind die Anforderungen an Übertragungen extrem hoch. Es bedarf einer notwendigen Sachkompetenz. Es bedarf der dafür notwendigen Ausrüstung, der Infrastruktur und ausreichend qualifizierten Personals. Darüber hinaus muss ein entsprechendes Unternehmen eine Akkreditierung gemäß der europäischen Norm EN 45004 vorweisen können. Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie hinsichtlich der Durchführung der Aufgaben unabhängig und frei von Interessenkonflikten sind. Das sind hohe Anforderungen auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor auch Nachteile bei einer Übertragung von Aufgaben. Solche Kontrolleure können nämlich keine Verstöße abstellen. Sie können Sie nicht ahnden. Sie können also keine Untersagungsverfügungen treffen und erst recht keine Schließung von Betrieben anordnen. Das bedeutet, dass zwischen der Kontrolle auf der einen Seite und Maßnahmen, die am Ende nur von staatlichen Stellen getroffen werden können, auf der anderen Seite immer eine Zeitverzögerung liegt. Diese kann im Einzelfall erheblich und vor allen Dingen auch entscheidend sein. Dies wird im Einzelfall genau zu prüfen sein.

Wir sehen derzeit keinen Bedarf. Die Lebensmittelüberwachung wird nicht allein durch Lebensmittelkontrolleure geleistet, sondern es werden für die verschiedenen Fragen in den Kreisen und kreisfreien Städten die Amtstierärztinnen und -ärzte hinzugezogen und damit ihr wissenschaftlicher Sachverstand genutzt.

Unsere Kontrolleure führten im Jahr 2004 insgesamt fast 30.000 Kontrollen durch. Das zeigt, wie dicht das Netz heute schon ist. Es hat also keinen

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Sinn, sich nur einseitig über Kontrolle zu unterhalten. Es sind sicherlich auch andere Dinge zu berücksichtigen.

Dann wurde die Frage gestellt, ob die Rechtsgrundlagen ausreichen oder ob nachgearbeitet werden muss, beispielsweise im Bereich der Kennzeichnung. Sie wissen sicherlich, dass all die Dinge, über die wir reden - Schlachthofabfälle, verdorbene Lebensmittel, alles Dinge, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind –, dem unmittelbaren europäischen Recht über tierische Nebenprodukte unterliegen. Es handelt sich hier um unmittelbar geltendes Recht. Auch das muss man wissen.

Nach der so genannten Hygieneverordnung werden alle diese Materialien in drei Risikokategorien eingeteilt. Auf der einen Seite haben wir eine permanente Markierung der Hochrisikomaterialien der Kategorie 1 auf der Stufe des Schlachthofes mit blauer Farbe und im Verarbeitungsbetrieb mit permanenten Markersubstanzen auf der Basis von Fett und Säuren vorgeschrieben. Auf der anderen Seite besteht eine solche Vorschrift im EU-Recht für Materialien der Kategorie 3 nicht. Da das europäische Recht abschließend regelt, können wir es nicht landesrechtlich oder bundesrechtlich einführen. Das ist der Grund dafür, dass wir die Kommission schon seit einiger Zeit aufgefordert haben, entsprechend nachzubessern. Das ist bisher nicht geschehen. Gerade aber angesichts der aktuellen Situation wird diese Debatte auch mit der Europäischen Union wieder aufgenommen werden.

Eine weitere angesprochene Frage betrifft die Dokumentationspflicht. Bei der Verwendung der Materialien der Kategorie 3 müssen grundsätzlich die Anforderungen der gerade zitierten EUHygieneverordnung eingehalten werden. Das bedeutet für den innergemeinschaftlichen Handel, dass die in der Anlage der Verordnung abgedruckten Handelspapiere verwendet werden müssen. Das gilt für den innereuropäischen Handel. Für den innerdeutschen Handel gelten bestimmte Rahmengründe, aber bisher gibt es noch keine einheitliche Form. Wir erwarten hier in absehbarer Zeit die Durchführungsverordnung, die uns dann hilft, ein einheitliches und damit einfacher zu kontrollierendes Handelsdokument verpflichtend einzuführen.

Da alle Betriebe, die mit den genannten Materialien handeln wollen, nach der oben genannten EUVerordnung zugelassen sein müssen, werden mit diesem einheitlichen innerdeutschen Handelspapier effektivere Kontrollen durchgeführt werden können. Das löst allerdings nicht das Problem, das dadurch entstanden ist, dass dieses Material seit 2003

europaweit handelbar ist. Das ist die Besonderheit. Diese bekommen wir nicht allein durch diesen Punkt in den Griff. Die Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung finden - nicht nur in Kühlhäusern - und in Lebensmittelhäusern immer unangemeldet statt. Die Überwachungshäufigkeit richtet sich in den Kreisen übergreifend nach Risikobewertungen der zu kontrollierenden Betriebe. Länderübergreifend soll im Jahr 2006 eine einheitliche Risikobewertung zur Überwachungshäufigkeit von Betrieben festgelegt werden. Dafür gibt es in den Länderarbeitsgruppen schon die entsprechenden Vorbereitungen. Das heißt, dass auch dort reagiert wurde.

Ich sage also noch einmal: Die Landesregierung nimmt derzeit ihre Verpflichtung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Ernährungswirtschaft sehr ernst. Wir üben unsere Fachaufsicht über die Kreise und kreisfreien Städte intensiv aus; im Übrigen nicht immer zur Freude der Betroffenen. Meine Herren von der FDP, deshalb ist das, was Sie fordern, in vielen Bereichen längst weitestgehend erfüllt und Realität im Lande.

Lassen Sie mich noch einige Worte zum Antrag vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen. Nach diesem Antrag sollen wir eine Bundesratsinitiative für ein Verbraucherschutzgesetz unterstützen. Wenn Sie den Koalitionsvertrag gelesen haben, dann wissen Sie, dass Sie damit Eulen nach Athen tragen, denn auch im Koalitionsvertrag und erst recht in dem Zehn-Punkte-Programm, das der Bundesminister nach den Fleischskandalen auf den Wege gebracht hat, die Vorlage eines solchen Verbraucherinformationsgesetzes vorgesehen. Es wird derzeit also vorbereitet. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Möglichkeit, die Namen betrügerischer Unternehmen in der Öffentlichkeit zu nennen. Das ist auch beabsichtigt. Lassen Sie uns aber in aller Ruhe über das diskutieren, was der Bundesminister am Ende vorlegt.

Ich habe auch die Presse verfolgt: Dort sagt Herr Kubicki - jedenfalls ausweis lich des gedruckten Wortes: „Es kann nicht sein, dass 84 t Gammelfleisch einfach ohne Kenntnis der Behörden importiert und dann weiterverkauft werden.“

Das Problem bei dem Fall, auf den er sich bezieht, ist, dass dieser Fall offensichtlich so gelagert ist, dass von Kiel aus durch einen Anruf die Durchfuhr von Dänemark gesteuert worden ist, woraufhin das Fleisch nach Nordrhein-Westfalen ging. So würden Sie einige derart gelagerte Verfahren nicht in den Griff bekommen, wenn Sie nicht dafür plädierten, Telefonanschlüsse von Unternehmen zu überwa

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

chen, denn es hat vor Ort in Kiel keine Anmeldung des Fleisches gegeben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist doch völli- ger Quatsch!)

- Das ist überhaupt kein Quatsch. Informieren Sie sich bitte ganz konkret darüber, wie der Fall gelagert ist. Das hilft im Einzelfall weiter. Noch einmal: Nicht überall kriegen Sie mit Kontrollen und größerem Kontrollaufwand jede Art von kriminellen Energien, die dahinter steckt, in den Griff. Sie brauchen vielmehr insgesamt vernünftige Mechanismen. Das sind in der Regel nicht nur Kontrollen, sondern auch Eigenverantwortung und die Dinge, die wir mit der Europäischen Union klären müssen. Ein Land kann an dieser Stelle nicht alles allein bewerkstelligen. Ich glaube aber, dass wir mit dem Zehn-Punkte-Plan des Bundesministers auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der FDP hat Herr Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Frage, wie sich der Kollege Kubicki gestern geäußert hat, komme ich gleich. Zu der Frage, warum wir diesen Antrag überhaupt gestellt haben, habe ich im Vorfeld schon gehört, dass es eigentlich gar nicht nötig war, dass die FDP schon wieder einen Antrag stellt. Das letzte Mal war es angeblich nicht nötig, zur Vogelgrippe einen Antrag zu stellen. Ich wundere mich schon darüber, wenn man sich anguckt, dass gefrorenes Roastbeef, das im Haltbarkeitsdatum um ein Jahr verlängert wurde, und vergammeltes Putenfleisch, über das wir reden, kreuz und quer durch die Republik kutschiert werden. Aufgetautes Geflügelfleisch wird zu Frischfleisch umdeklariert. Aus Schlachtabfällen werden auf einmal Lebensmittel. Die immer schlimmer werdenden Nachrichten zeigen uns jedenfalls, mit welcher krimineller Energie mittlerweile verdorbene Lebensmittel noch an den Konsumenten gebracht werden sollen. Im Zuge des so genannten Fleischskandals werden immer ekelhaftere Methoden bekannt, mit denen das sensible Lebensmittel Fleisch durch das Einspritzen von Wasser, das Versetzen mit Geschmacksverstärkern und das Vermischen von Schlachtabfällen der so genannten Kategorie 3 sowie durch andere Maßnahmen behandelt