Deshalb rufe ich uns alle dazu auf, die politische Konstellation, die sich durch die Wahlen ergeben hat, zu nutzen, zu nutzen für die Projekte, die in den Jahren vorher liegen geblieben sind, weil man sich davor gefürchtet hat, Wähler zu verschrecken. In der Tat, es war eine Blockade von SPD und CDU mit verteilten Rollen auf Bund- und Länderebene. Wir haben das in den letzten zehn, 15 Jahren deutlich erfahren. Doch jetzt merken wir und spüren es überall: Die Menschen im Land sind froh, dass das tägliche nichts bringende Hickhack der großen Parteien der Vergangenheit angehört und dass sich endlich etwas bewegt. Die Stimmung klart auf. Die Föderalismusreform ist ein wichtiger Baustein auf einem guten Weg für Deutschland und SchleswigHolstein.
Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden, dem Kollegen Lothar Hay, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen im hohen Haus ja nicht die erste Debatte zum Thema Föderalismus. Ich kann mich an die Debatten bis zum Jahre 2004 noch sehr gut erinnern und auch an die Sorgen, die wir hatten, als es dann im Jahre 2004 doch nicht zu einer großen Lösung gekommen ist, weil die Interessen derjenigen, die an diesem Komplex gearbeitet haben, letztendlich dann doch nicht miteinander vereinbar waren.
einbart hat, sicherlich der richtige Weg ist. Dies sollte uns allerdings nicht daran hindern, aus Sicht der Interessen des Landes Schleswig-Holstein eine Bewertung der einzelnen Felder vorzunehmen und zu sagen, wo wir Nachteile erwarten und wo wir diesen Weg mitgehen. Am Ende muss dann eine Entscheidung unserer Landesregierung stehen, was das Abstimmungsverhalten im Bundesrat betrifft.
Besonders gut finde ich auch das, was der Kollege Wolfgang Kubicki gesagt hat - dies lässt erkennen, dass wir uns in der Bewertung im Grundsatz einig sind -, nämlich dass es einen Komplex gibt, mit dem wir uns in den Parteigremien sicherlich noch beschäftigen müssen. Das ist die Reform der Finanzbeziehungen, die aus meiner Sicht bisher nicht den nötigen Stellenwert gefunden hat. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine Reform des Föderalismus mit einer ausreichenden Ausstattung der Bundesländer unterfüttert werden muss, damit sie neue Aufgaben in dem Sinne erfüllen können, wie es in Berlin angedacht ist.
In der Januar/Februar-Ausgabe des „DBB-Magazins“ des Deutschen Beamtenbundes ist Folgendes zu lesen:
„Carstensen: Föderalismusreform noch verbesserungsfähig. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sieht vor einer abschließenden Entscheidung zur Föderalismusreform noch Klärungsbedarf. Über jede einzelne auf Bundesebene vorgeschlagene Grundgesetzänderung solle erst im Bundesratsverfahren nach sorgfältiger Einzelprüfung und Abwägung, insbesondere hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen auf alle oder einzelne Länder entschieden werden, sagte Carstensen dem ‚DBBMagazin.’“
„Für Schleswig-Holstein gilt dies insbesondere für die Beibehaltung eines einheitlichen Dienst-, Besoldungsund Versorgungsrechts.“
Das ist exakt die Meinung der SPD-Landtagsfraktion. Und hier können Sie sehen, dass CDU und SPD in Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Landesregierung an einem Strang ziehen.
Die richtige Positionsbestimmung ist das eine, die Möglichkeit der Durchsetzung - da bin ich Realist,
Die Landtags- und auch die Bundestagsabgeordneten sind gewählt, um die Interessen ihres Landes zu vertreten. Bei den Bundestagsabgeordneten, auch denen der SPD, steht dieses Ziel im wahrsten Sinne des Wortes ganz vorn. Das heißt, bei der Föderalismusreform vertreten die Bundestagsabgeordneten aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und auch Nordrhein-Westfalen zunächst einmal die Interessen ihrer Länder und dann die der Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit. Und die Interessen der bisherigen Geberländer im Länderfinanzausgleich sind über die Parteigrenzen hinweg gleich. Sie wollen a) weniger zahlen und b) im Rahmen der Föderalismusreform neben vielen Punkten, in denen wir übereinstimmen, Wettbewerbsvorteile für ihr Bundesland erreichen. Ich kann die Interessenlage der finanziell stärkeren Länder durchaus nachvollziehen. Unter der Zielsetzung der Schaffung gleicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet habe ich allerdings Probleme damit, wenn das zum Maßstab der Reform gemacht wird.
In der Diskussion über die Neuordnung des föderativen Systems fordern die so genannten reichen Länder einen Wettbewerbsföderalismus. Das wäre eine Umkehrung von dem, was wir bisher haben. Deshalb können die Sozialdemokraten das nicht mittragen.
Sie sind zwar auch der Auffassung, dass die Länder mehr Kompetenzen erhalten sollten und die Finanzkraft der Länder durch eigene Steuern gestärkt werden muss, sie wollen aber in ihren Ländern eigene Standards entwickeln, um sich von anderen Ländern abzugrenzen und sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Situation einen Wettbewerbsvorteil verschaffen zu können. Ich überspitze bewusst.
Bei dieser Form von Wettbewerbsföderalismus, wie er angedacht ist, haben die nicht so finanzstarken Länder von vornherein keine Chance, weil der Start zum Wettbewerb aus einer völlig ungleichen Konkurrenzsituation heraus erfolgt. Ich möchte einmal ein Beispiel dafür nennen, wie man Wettbewerb nicht verstehen darf. Das wäre etwa so, als würde man beim Start zum 100-m-Lauf einem Teilnehmer einen Rucksack mit 10 kg Gewicht aufpacken und der Rest startet ohne. Das als Wettbewerb zu verstehen, glaube ich, wird vom hohen Haus nicht akzeptiert.
sein werden. Die Frage der Beamtenbesoldung steht für uns ganz vorn. In der vorigen Legislaturperiode haben wir mehrere Debatten zum Thema Föderalismusreform geführt und im November 2004 eine Entschließung in Anlehnung an die „Münchner Erklärung“ der Landtagspräsidenten verabschiedet. Bereits in dieser Erklärung hatten wir auf die Festlegung der Beamtenbesoldung als Ländersache bewusst verzichtet. Das war richtig und bleibt auch heute eine wichtige Grundposition der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle, auch einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen in anderen Landesparlamenten, vor allen Dingen an die der heutigen Geberländer, zu richten und in diesem Zusammenhang einmal dezent daran zu erinnern, dass beispielsweise Baden-Württemberg noch 1988 982 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich erhalten hat, Bayern 1994 noch 342 Millionen € und Hessen noch 1992 942 Millionen €. Bei NordrheinWestfalen liegen die letzten spürbaren Zahlungen als Nehmerland in der Mitte der 70er-Jahre. Das heißt doch, die Politiker und Politikerinnen aus den heutigen großen Geberländern haben über Jahrzehnte aus den Regelungen mit dem Ziel, gleiche Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu schaffen, durchaus erhebliche Vorteile gezogen. Nachdem dann die östlichen Bundesländer ab 1995 in den Finanzausgleich einbezogen wurden, wurde die Sache für die Geberländer richtig teuer. Wenn wir die Forderung nach gleichen Lebensverhältnissen aufgeben, dann legen wir die Axt an die Grundfesten unserer föderalen Struktur. Dann gibt es eine andere föderale Struktur in der Bundesrepublik Deutschland. Und es muss die Frage geklärt werden, ob wir diesen Weg mitgehen wollen. Ich sage für uns Sozialdemokraten: Nein, das wollen wir nicht.
Ein weiterer Punkt, der uns in die Kleinstaaterei zurückführen würde, ist die Übertragung des Strafvollzugs - das ist schon erwähnt worden - auf die Länder. Es gibt aus meiner Sicht keine fachlichen Gründe, die für eine Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder sprechen. Da es auf europäischer Ebene gerade Bemühungen um eine Vereinheitlichung im Strafvollzug gibt - der Europaminister hat das in den Ausschüssen auch schon dargestellt -, wäre es geradezu widersinnig, innerhalb Deutschlands jetzt die vorhandene Einheitlichkeit aufzugeben.
Die Übertragung der Zuständigkeit für das Heimrecht auf die Länder birgt ähnliche Schwierigkeiten wie beim Strafvollzug. Nachdem es seit 1972 intensive Bemühungen der Länder um eine bundeseinheitliche Regelung der Heime gegeben hat, ist 2002 - also 30 Jahre später - mit Zustimmung der Länder ein grundlegend novelliertes Heimrecht in Kraft getreten. Dabei ging es um eine Verbesserung der Rechtsstellung der Heimbewohner, Verbesserung der Eingriffsmöglichkeiten der Heimaufsicht und weitere grundsätzliche Regelungen. Bei unterschiedlichen Standards - das ist die Gefahr, die wir sehen - in den Ländern besteht die Gefahr eines Sozialdumpings. Das kann doch nicht unsere Politik für die Alten- und Pflegeheime in der Bundesrepublik Deutschland sein.
Auch die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wird für das Land Schleswig-Holstein Probleme schaffen. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag im Dezember heißt es:
„Die Bundesregierung erwartet, dass die Länder die ihnen nach der angestrebten Föderalismusreform zustehenden Kompensationsbeträge des Bundes entsprechend ergänzen.“
Genau darin kann unser Problem liegen. Darüber müssen wir dann auch in den Haushaltsberatungen für die Haushalte 2007/2008 und 2009/2010 beschäftigen. Auf die Schwierigkeiten, die sich für unsere Blaue-Liste-Institute ergeben können, will ich hier nicht näher eingehen. Dazu ist sicherlich an anderer Stelle Gelegenheit. Ich möchte auch nicht auf das, was Herr Kubicki angesprochen hat, eingehen, das Thema Umweltgesetzgebung, Presserecht und die Europa-Fragen.
Die Neuordnung des Föderalismus ist ohne Zweifel eine vordringliche Aufgabe. Es ist gut, dass sie jetzt von der großen Koalition in Berlin angepackt wird. Gerade die Rolle des Bundesrates ist immer problematischer geworden. Wir brauchen hier Reformen. Ein verkrustetes System des koordinierenden Föderalismus hemmt Innovationen auf fast allen Gebieten. „Der ursprüngliche Gestaltungsföderalismus ist längst zu einem bloßen Beteiligungsföderalismus geworden.“ - Das war ein Zitat unseres heutigen Landtagspräsidenten aus der Zeit, in der er noch ei
Genau hier müssen wir ansetzen. Wenn also der Bundestag zukünftig deutlich mehr Gesetze ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen können soll, dann müssen die Länder - und hier auch die Landesparlamente - mehr eigenständige Gestaltungsbereiche erhalten, aber eben da, wo es sinnvoll ist.
Eine sinnvolle Entscheidung kann jedoch nur gelingen, wenn die europäische Entwicklung in die Reformüberlegungen mit einbezogen wird.
Wir als Sozialdemokraten unterstützen die Föderalismusreform. Allerdings kommt es uns schon darauf an, Änderungen an einigen Punkten - wie im Beamtenrecht und im Strafvollzug - vorzunehmen. Wir rechnen hier fest mit der Unterstützung unseres Koalitionspartners. Das ist in der Debatte aber auch schon deutlich geworden.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, Frau Abgeordneter Anne Lütkes, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hay, vielen Dank für Ihre Rede. Sie hat deutlich gemacht, was hier in Schleswig-Holstein von den regierungstragenden Fraktionen vertreten wird. Sie hatten den Berichtsantrag gestellt und so habe ich meine heutige Aufgabe auch eigentlich darin verstanden zu schauen, was insbesondere die Landesregierung zum vorgelegten Katalog der Arbeitsgruppe Föderalismus der großen Koalition in Berlin zu sagen hat.
Wir stehen hier jetzt etwas ratlos, denn der Ministerpräsident teilt mit - zu Recht -, dass man zu prüfen habe. Aber gerade auf der Grundlage der Debatte der letzten Jahre haben wir erwartet, dass statt der Prüfungsankündigung hier auch Ergebnisse, Meinungen, formuliert werden.
Die so genannte Föderalismuskommission hat in den Jahren 2004 und ein bisschen schon in 2003 sehr intensiv und aus meiner Sicht - ich hoffe nicht
nur aus meiner Sicht - sehr klug gearbeitet. Sie hat ausgezeichnete Gutachten zu den unterschiedlichen Fragestellungen vorgelegt. Aber insbesondere zwei Vorsitzende haben nicht klug - Herr Präsident, ich darf das vielleicht mit Verlaub sagen - gehandelt, sondern die Kommission schlicht gegen die Wand gefahren. Viele andere - ich auch - sind nach wie vor überzeugt, dass das bewusste Scheitern im Dezember 2004 keine materielle, sondern eine Machtgrundlage hatte. Der Stil dieses Endes war Ausdruck der stillosen Politik, insbesondere der CDUgeführten Länder und deren Ministerpräsidenten und ein wenig auch des heutigen Vizekanzlers.