Wo Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bestehen, lassen sich diese nicht durch die Beantwortung eines Fragenkatalogs zur persönlichen Einstellung der Antragsteller beheben. So etwas wird es daher mit dem Innenminister Stegner in Schleswig-Holstein nicht geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Schleswig-Holstein ist die Anzahl der geduldeten Personen in den letzten beiden Jahren deutlich gesunken. Hier zeigt sich schon, dass das jetzige Aufenthaltsrecht die Möglichkeit bietet, über eine gut funktionierende Härtefallkommission der Ausländerbehörden, die via Erlass mit vernünftigen Ermessensspielräumen ausgestattet sind, humanitäre und persönliche Gründe für Aufenthaltserlaubnisse zu berücksichtigen. Vorwürfe, wie sie an das Land Berlin gerichtet sind, Empfehlungen der Härtefallkommission kaum zu folgen, oder Härtefallkommissionen wie in Niedersachsen, die kaum Fälle untersuchen, gibt es bei uns ebenso wenig wie eine extrem restriktive Interpretation von Ermessensspielräumen bei den Ausländerbehörden.
Trotzdem gibt es nach wie vor viel zu viele Fälle, die nicht zufrieden stellend über die Einzelfallregelung zum humanitären Aufenthalt gelöst werden können, Fälle, die unter anderem die Kinder hier
lebender geduldeter Ausländer betreffen, die hier aufwachsen, die hier heimisch geworden sind und die hier weiter leben wollen.
Stellen Sie sich einmal folgenden Fall vor: Die Familie T. aus der Türkei lebt sei neun Jahren hier. Sie sind abgelehnte Asylbewerber, die Mutter ist dauerhaft krank, der Vater bemüht sich nachweislich um Arbeit, übt aber nur gelegentliche Aushilfsjobs aus. Sie haben vier minderjährige Kinder, drei davon wurden in Deutschland geboren; eines möchte nach Abschluss der Realschule einen Lehrberuf ergreifen, kann aber mit dem Status der Duldung keine Lehrstelle finden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist gescheitert, da kein Abschiebungshindernis besteht. Die Folge für den 17-jährigen Jugendlichen heißt: Abschiebung oder weiter eine Duldung, aber keine Ausbildung.
Das Problem der Kettenduldung ist seit langen Jahren eine bekannte und unbestrittene Fehlentwicklung des Ausländerrechts und das Aufenthaltsgesetz - dies müssen wir feststellen - hat es nicht geschafft, dieses Problem zu lösen. Die langjährigen Verfahren und zum Teil subjektiv geradezu schikanöse Unsicherheiten durch das Fehlen einer aufenthaltsrechtlichen Lösungsmöglichkeit sind für diese betroffenen Familien nicht in Ordnung.
Ein solcher Umgang mit Familien ist angesichts unserer Geschichte und - bei aller Haushaltsknappheit - im internationalen Vergleich vorhandenen Reichtums für unser Land beschämend und - wie ich finde - auch hartherzig.
Die Mitglieder der Petitionsausschüsse der Landtage und vor allem die Landräte - gleich welcher Couleur -, die das Aufenthaltsrecht umzusetzen haben, wissen aus eigener Anschauung von dieser Problematik. Manch einer, der offen und offiziell für harte Abschottungspolitik argumentiert, denkt ganz anders, wenn in seinem Wahlkreis Familie X oder Y davon betroffen ist. Ich weiß das aus Briefen.
Dabei geht es mir nicht etwa um eine illusionäre Politik jenseits der Realitäten, nein, wir brauchen eine unideologische Ausländerpolitik, die auch Akzeptanz in der Bevölkerung findet, wobei ich diese hier nicht unterschätzt wissen möchte. Wir gewinnen die Zustimmung unserer Bürgerinnen und Bürger nur, wenn wir folgende Grundsätze für die Erteilung von Bleiberechten oder für die Einbürge
rung klarstellen: Erstens die Einhaltung von Recht und Gesetz. Zweitens Deutschkenntnisse und der Wille zur Integration, wobei Untersuchungen übrigens zeigen, dass die Integration über nachbarschaftliche Kontakte, über Vereine und die Schule gesucht und gefunden wird. Drittens der Versuch eines eigenen Auskommens.
Das sind Verhaltensgrundsätze, die wir von allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland erwarten. Werden diese Bedingungen erfüllt, dann brauchen wir auch eine zügige Erteilung von Bleiberechten oder eine Einbürgerung. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, müssen ebenso zügig die Konsequenzen gezogen werden. Langwierige Entscheidungsprozesse, Hängepartien bei ungesichertem Status sind auch nicht human.
Im Juni 2005 ist es Schleswig-Holstein gelungen, für integrierte Staatsangehörige aus Afghanistan eine Bleiberechtsregelung umzusetzen. Ein allgemeines Bleiberecht scheiterte bisher hauptsächlich an Bayern und Niedersachsen, die selbst einen vernünftigen Kompromissvorschlag aus Hessen abgelehnt haben. Herr Kollege Kubicki, wie wäre es, wenn das von Ihnen mitregierte Land Niedersachsen hier nicht weiter den Hardliner spielen würde?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde mich auf den Innenministerkonferenzen weiter für ein allgemeines Bleiberecht einsetzen. Dicke Bretter haben wir schon durchbohrt. Jede Unterstützung, die aus Schleswig-Holstein über die Parteigrenzen hinweg geleistet werden kann, könnte an dieser Stelle besonders wertvoll sein. Ich für meinen Teil werde nicht nachlassen, im Kreis meiner Kolleginnen und Kollegen für ein allgemeines Bleiberecht zu werben.
Die Integrationsbeauftragte im Kanzleramt von Frau Merkel hat sich zum Missvergnügen einiger anderer zu einem solchen allgemeinen Bleiberecht bekannt. Sie sehen, wir sind durchaus in interessanter Gesellschaft. Über Ihre Unterstützung für diesen Prozess würde ich mich sehr freuen, vor allem im Interesse der betroffenen Menschen, Erwachsene wie Kinder.
Ich danke dem Herrn Innenminister für seinen Bericht. Durch die Überschreitung der Redezeit der Landesregierung erhalten die Fraktionen entsprechend jeweils 1:30 Minuten zu ihrer beantragten Redezeit hinzu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, herzlichen Dank für Ihren Bericht. Wir haben diesen Berichtsantrag vor einiger Zeit eingebracht, weil die Fraktion der Grünen gern wissen wollte, wie diese Landesregierung zu ausländerrechtlichen Problematiken und insbesondere zum Bleiberecht für langjährig Geduldete steht.
Ich danke Ihnen für Ihre klaren Worte, die Sie sicherlich für die gesamte Landesregierung, die gesamte große Koalition gesprochen haben. Ihre klare Positionierung gegen rassistische Tendenzen, gegen Gesinnungsprüfungen, die in der Bundesrepublik leider Gottes durchaus auf der Tagesordnung stehen, aber auch Ihre Meinung zur elektronischen Fußfessel machen deutlich, dass Sie sich um eine Kontinuität bemühen, um eine menschliche, an rotgrünen Idealen ausgerichtete Ausländerpolitik.
Dahinter steht sicherlich auch die Kenntnis um das Leben der Menschen, gerade beim Thema Bleiberecht, zu dem eben auch die Ministerin für Jugend in anderem Zusammenhang von persönlichen, praktischen Lebensbeziehungen sprach.
Wer weiß, wie das Schicksal von Menschen mit Kettenduldungen im Konkreten gestaltet ist, der kann sich einer rechtlichen und politischen Lösung eigentlich nicht verschließen. Menschen ohne festen Aufenthaltstitel, die so genannten Geduldeten, müssen jeden Tag damit rechnen, abgeschoben zu werden. Oft geschieht dies am frühen Morgen. Nur wenige Stunden liegen zwischen dem Klingeln an der Wohnungstür und dem Betreten eines Flugzeuges. Lebensplanung kann nur von Tag zu Tag vorgenommen werden, obwohl die meisten dieser Menschen bereits seit sehr langer Zeit in Deutschland leben. Es ist schwer vorstellbar, wie viel Kraft es allein dazu braucht, in dieser Lage den Alltag zu bewältigen. Manche Menschen haben diese Kraft nicht. Andere schaffen es, jedoch nur mit einem ganz erheblichen Kapazitätsaufwand für aktives Bemühen um Integration und für aktives Bemühen, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn es im Ausnahmefall die Möglichkeit einer legalen Arbeitsaufnahme gibt.
Trotzdem schaffen es viele Kinder und Jugendliche, sich im Rahmen von Schule, Berufsausbildung und Freizeitgestaltung hier in Deutschland einen familiären und nachbarschaftlichen Alltag zu erobern. Sie kennen das Ursprungsland ihrer Eltern kaum und sind faktisch Inländerinnen und Inländer geworden. Trotz Zuwanderungsgesetz und trotz diverser Beratungen auf der Innenministerkonferenz ist es nicht gelungen, bundesweit eine verbindliche Aufenthaltsregelung für diese Mitmenschen zu finden. Das ist ein Armutszeugnis für ganz Deutschland.
Ich möchte allerdings ganz deutlich sagen: Es ist auch ein positives Signal für Schleswig-Holstein, wie Sie, Herr Innenminister, sich um eine bundesrechtliche Lösung für Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus einsetzen. Ich sage das ganz deutlich aus der Opposition heraus. Ich danke Ihnen im Namen meiner Fraktion dafür.
Wir unterstützen Sie und die Landesregierung ausdrücklich in ihrem Bemühen, Aufenthaltstitel nicht grundsätzlich an ein Beschäftigungsverhältnis zu knüpfen. Wir haben gelesen, dass Sie in der Innenministerkonferenz kompromissbereit sind. Das ist natürlich richtig. Ein kleiner Schritt ist besser als gar kein Schritt.
Die Voraussetzungen verkommen aber zu einer Farce, wenn man diesen Titel an ein geschaffenes Beschäftigungsverhältnis knüpfen möchte. Ein solches zu finden ist so gut wie unmöglich. Ich bin froh darüber, dass der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein bei der vereinbarten Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes mit am Tisch sitzt. Es fällt mir allerdings schwer zu glauben, dass bei der gegenwärtigen Konstellation angesichts der Bundeslage wirkliche Verbesserungen erreichbar sind. Das bestehende Zuwanderungsgesetz ist von einer Koalition der Großen, insbesondere der großen Länder geschmiedet worden. Um allen Ressentiments gerecht zu werden, wurde es faktisch zu einem Zuwanderungsverhinderungsgesetz.
Die Zahlen zeigen, dass beispielsweise die Zuwanderungen von Fachkräften nach der Green-CardRegelung abgenommen haben. In 2005 sind gerade einmal 900 Fachkräfte nach Deutschland gekommen. Es ist auch schwer zu verstehen, wie man Menschen die Vorteile deutlich machen soll, wenn
Ich wiederhole es: Es ist richtig, wie sich diese Landesregierung zum Thema Bleiberecht verortet. Allerdings passt diese Grundhaltung nicht so ganz zu anderen sicherheitspolitischen und sicherheitsrechtlichen Vorhaben der Landesregierung. Hier sehen wir einen Widerspruch. Herr Innenminister, ich hoffe sehr, dass Sie diese rationale humanitäre Zuwanderungspolitik, die eine ganz bestimmte Grundhaltung erfordert, auch in anderen - gerade in polizeirechtlichen - Vorhaben vielleicht doch wieder zum Tragen kommen lassen können, denn es gibt einen Gleichklang. Verfassungsrecht und Menschenrecht wirken in allen gesetzlichen Vorhaben.
Wenn ich dies hier erwähnen darf, dann nenne ich hier Ihr Vorhaben, mit den Menschen in den so genannten Gemeinschaftsunterkünften für mit Ausreise belegten Menschen in Zukunft anders umzugehen. Das wundert mich. Das kommt manchmal einem - gestatten Sie mir den Ausspruch - Rausmobben aus unserem Land gleich. Ich bin aber sicher, dass dies ein einzelner Punkt ist, in dem Sie von dieser Grundhaltung abweichen. Ihr Bericht zum Bleiberecht für langjährig geduldete Menschen und Ihr Hinweis darauf, wie Sie mit Kettenduldungen anders und menschlich umgehen, hat uns erfreut. Wir sind froh über diese Kontinuität von rotgrüner Ausländerpolitik in diesem Land.
Ich danke Frau Abgeordneter Lütkes. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Lehnert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Januar 2005 ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten. Nach langwierigen parlamentarischen Diskussionen bis in die Schlussphase des Vermittlungsverfahrens hinein waren einzelne Passagen zwischen Rot-Grün und der Union heftig umstritten. Der erzielte Kompromiss beinhaltet nun ausdrücklich die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie die wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen Deutschlands.
Daneben regelt das Gesetz die Erfüllung unserer humanitären Verpflichtungen und erstmals unmittelbar im ausländerrechtlichen Kontext integrationsfördernde Maßnahmen. Neuzuwanderer haben dadurch Anspruch auf Integrationskurse. Sie sind aber dann, wenn sie sich nicht auf einfacher Art in der deutschen Sprachen verständigen können, auch zum Besuch dieser Kurse verpflichtet. Verletzten Sie diese Pflicht, ist dies bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen.
Im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes wurde außerdem vereinbart, dass es vor allem im Rechtsstatus der geduldeten Ausländer Verbesserungen geben sollte, die in besonderem Maße schutzwürdig sind und vermutlich auf längere Zeit oder auf Dauer nicht in ihre Heimat zurückkehren können, die diesen Zustand aber nicht selbst zu vertreten haben. Personen, die die Behörden in Bezug auf ihre Identität oder ihre Staatsangehörigkeit täuschen oder gegen Mitwirkungspflichten verstoßen, um einen im Gesetz nicht vorgesehenen Daueraufenthalt zu erzwingen, sollten dagegen grundsätzlich nicht in den Genuss weiterer Vergünstigungen kommen.
Aus meiner Sicht sind folgende Verbesserungen für die Betroffenen besonders hervorzuheben: Erstens. Die aufenthaltsrechtliche Stellung von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist der Stellung von Asylberechtigten angeglichen worden. Beide Gruppen erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren zu einer Niederlassungserlaubnis führen kann, wenn ihre Schutzbedürftigkeit andauert. Zweitens. Der Status dieser speziellen Flüchtlingsgruppe kann nunmehr auch in bestimmten Fällen nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung gewährt werden. Drittens. Bei Abschiebungsverboten - etwa wegen Gefahr der Folter oder des drohenden Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention wird statt einer Duldung nun in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Andererseits führt das Gesetz in anderen Fällen bewusst zu keiner Statusverbesserung. Dies gilt insbesondere für Geduldete, die aufgrund erfolgloser Asylverfahren - nicht selten bereits seit Jahren - zur Ausreise verpflichtet sind, dies aber ignorierten und bisher auch nicht abgeschoben werden konnten. Das Zuwanderungsgesetz legt für eine Legalisierung des Aufenthalts einen sehr strengen Maßstab an. Die Neuregelung stellt darauf ab, ob jemand unverschuldet aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen an der freiwilligen Ausreise gehindert ist.
langer Aufenthaltsdauer sei an der freiwilligen Ausreise gehindert und habe die Rückführungsprobleme nicht selbst zu vertreten. Die lange Aufenthaltsdauer ist in vielen Fällen allerdings die Folge von Verfahrensverschleppungen, missbräuchlichen Antragstellungen und fehlender Mitwirkungsbereitschaft. Gerade in diesen Fällen ist eine Statusverbesserung nach den Intentionen des Gesetzgebers nicht gewollt. Eine weitere Neuerung hat das Zuwanderungsgesetz mit der Ermächtigung an die Länder eingeführt, Härtefallkommissionen einzurichten. Mittlerweise gibt es diese in fast allen Bundesländern.