Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen, dass das Zuwanderungsgesetz im ersten Jahr seiner Anwendung die Bewährungsprobe weitgehend bestanden hat. Allerdings werden uns die weiteren Umsetzungsvorgaben diverser europäischer Rechtsakte zu weiterem Handeln zwingen. Dabei sollten wir die im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluation des Zuwanderungsgesetzes abwarten, um seriös beurteilen zu können, ob alle Sicherheitsfragen und humanitären Probleme wie beabsichtigt gelöst sind und ob die Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern durch geeignete Maßnahmen verbessert werden kann und praktische Hindernisse der Abschiebung insbesondere von Straftätern - soweit möglich - beseitigt werden können.

Hervorzuheben sind allerdings an dieser Stelle die deutlichen Verbesserungen im humanitären Bereich, die mit dem neuen Zuwanderungsrecht geschaffen wurden. Deshalb heiße ich den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 8. und 9. Dezember 2005 in Karlsruhe für richtig und ausgewogen. An dieser Stelle möchte ich mich bei unserem Innenminister Dr. Stegner für seine Mitwirkung an diesem Beschluss bedanken. Wir sollten den vorgelegten Bericht an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss überweisen und dort weiter beraten.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Peter Lehnert.

Bevor ich das Wort für den nächsten Redebeitrag erteile, begrüße ich auf der Tribüne eine weitere Gruppe der Käthe-Kollwitz-Schule, Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern, sowie Schülerinnen und Schüler der Grund- und Hauptschule Rotenhof, Rendsburg. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Position der SPD-Landtagsfraktion ist auch in veränderter Regierungskoalition unverändert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen die Forderung nach einer unbürokratischen und großzügigen Bleiberechtsregelung und einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe für langjährig geduldete Flüchtlinge uneingeschränkt. Das neue Zuwanderungsgesetz ist insoweit zwar verbessert worden, ist aber immer noch unzureichend. Es ist nicht einzusehen, warum Menschen ausländischer Herkunft, die seit Jahren bei uns leben und die längst integriert sind, kein gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten sollten. Es grenzt an Verhöhnung angesichts anhaltender allgemeiner Arbeitslosigkeit und des Vorrangs deutscher und europäischer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, bei der Arbeitsvermittlung, von Nichteuropäern, die faktisch einem Arbeitsverbot unterliegen, als Voraussetzung für ein Bleiberecht den Nachweis gesicherter Erwerbstätigkeit zu verlangen. Es ist und bleibt menschenunwürdig - auch das gehört in diesen Zusammenhang -, den Regelbedarf für die Führung eines menschenwürdigen Lebens so das Bundessozialhilfegesetz in seiner Zielsetzung - bei ausländischen Menschen um 30 % niedriger anzusetzen - so das Asylbewerberleistungsgesetz - als bei deutschen Menschen.

Die Menschenwürde ist unteilbar und auch für ausländische Menschen unantastbar. Artikel 1 unseres Grundgesetzes unterscheidet nicht zwischen der Würde deutscher und ausländischer Menschen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die SPD-Landtagsfraktion ist der Auffassung, dass es hinsichtlich des nach wie vor rechtlich unsicheren und vielfach auch sozial unzumutbaren Zustands auch für die in Schleswig-Holstein lebenden rund 3.000 geduldeten Flüchtlinge weiterer politische Bemühungen bedarf. Da eine Nachbesserung des Zuwanderungsgesetzes in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar sein dürfte, hoffen wir, dass wenigstens die im neuen Gesetz vorhandenen Möglichkeiten zur Erteilung befristeter Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen nicht restriktiv, sondern ausländerfreundlich angewandt werden.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

(Peter Lehnert)

Wir gehen außerdem davon aus, dass der schleswig-holsteinische Innenminister weiterhin in möglichst vielen humanitären Einzelfällen von der so genannten Härtefallregelung in § 23 a Aufenthaltsgesetz Gebrauch machen wird, zumal diese Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für bestimmte Personen auf jahrelanges Betreiber früherer SPD-Innenminister selbst, begleitet von der SPD-Landtagsfraktion, endlich Niederschlag im Bundesgesetz gefunden hat.

Wir erwarten schließlich, dass im Verordnungswege oder über andere untergesetzliche Verfahren wirksame Schritte unternommen werden, um die Situation der bei uns lediglich geduldeten Flüchtlinge zu verbessern. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass der Innenminister durch konkreten Erlass vom 28. September 2005 darauf hingewirkt hat, die Praxis der schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden zu vereinheitlichen und die Entscheidungsbereitschaft der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken.

Im Hinblick auf die gravierend veränderten quantitativen Rahmenbedingungen, insbesondere die seit Jahren deutlich zurückgehenden Asylbewerberzahlen wünschen wir uns, dass die Entscheidungen aller schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden, soweit Ermessensspielraum vorhanden ist, nicht durch latente Abwehrmechanismen, sondern durch Zuwendung und Aufnahmebereitschaft geprägt sind.

Dem Innenminister wünschen wir viel Erfolg für die Durchsetzung der traditionell ausländerfreundlichen Position bisheriger Landesregierungen auch in der Innenministerkonferenz. Wir werden öffentlich weiter darauf hinwirken, dass sich auch im Bewusstsein der Bevölkerung ein Sinneswandel vollzieht. Wir alle sollten Ausländer nicht immer wieder nur als personifizierte Kriminalitätsgefahren und Sicherheitsrisiken diskriminieren, sondern vorrangig und zu allererst als Schutz, Wohnung und Arbeit suchende Mitmenschen respektieren und behandeln.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren wird in der Bundesrepublik über ein Bleiberecht für langjährig in Deutschland Geduldete debattiert und bedauerlicherweise fast nichts getan. Bereits beim ersten Versuch, ein Zuwanderungsgesetz auf Bundesebene zu entwickeln, hat die FDP-Bundestagsfraktion mit einem eigenen Gesetzentwurf ein eigenes Bleiberecht für diese Menschen vorgeschlagen. Der damalige Gesetzentwurf von Rot-Grün sah dies übrigens nicht vor.

Irgendwie kommen wir auf diesem Gebiet aber nicht weiter. Das ist vor allem für diejenigen bedauerlich, die zurzeit teilweise seit Jahren mit ihren Familien in Deutschland wohnen, die sich bereits mit ihren Familien in Deutschland sozialisiert haben, die einer geregelten Arbeit nachgehen und die trotzdem aufgrund des andauernden Duldungsstatus jederzeit mit ihrer Ausreiseverpflichtung bis hin zur Abschiebung in ihr Herkunftsland - was vielfach nicht einmal ihr Heimatland ist - rechnen müssen.

Auf der Innenministerkonferenz am 8. und 9. Dezember unternahmen nun mehrere Länder einen erneuten Vorstoß in Sachen Bleiberecht für langjährig Geduldete. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin brachten jeweils eigene Vorschläge für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes und hier insbesondere zu § 23 ein.

Schleswig-Holstein war in der Vergangenheit mit Innenminister Buß eines der Länder, die in Sachen Bleiberecht eine führende Rolle in der Runde der Innenminister eingenommen hatten. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, Herr Minister Stegner - obwohl ich Ihren Ausführungen nahezu 100-prozentig zustimme -, dass sich das Land Schleswig-Holstein nicht dazu durchringen konnte, einen eigenen Vorschlag zu entwickeln. Man kann letztlich vielen Bewertungen des Berichts zu den Vorschlägen der anderen Bundesländer zustimmen, die die Mitarbeiter des Innenministeriums ihrem Minister aufgeschrieben haben.

Der Gesetzentwurf des Bundeslandes Berlin ist in seiner Gesamtheit der wohl weitestgehende hinsichtlich eines möglichen Bleiberechts. Nach den Vorstellungen Berlins sollen Asylbewerberfamilien sowie Ausländer mit langjährigem Aufenthalt und Zusammenleben mit Kindern in häuslicher Gemeinschaft, die vor dem 1. Juli 1999 in die Bundesrepublik eingereist sind, die die Integration in die soziale und rechtliche Ordnung insbesondere durch Nachweis eines Arbeitsplatzangebotes erreicht haben, hier bleiben können, wobei unverschuldete Arbeitslosigkeit nicht entgegensteht.

(Klaus-Peter Puls)

Dem entgegen steht der Entwurf des Landes Niedersachsen sozusagen als das andere Extrem. Herr Minister, ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Vorschläge eines Innenministers für die Innenministerkonferenz formal nicht der Abstimmung mit dem Koalitionspartner bedürfen. Aber ich gebe Ihnen zu: Regierte ich in Niedersachsen mit, das Land hätte eine andere Haltung.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Es wäre in Schleswig-Holstein auch kein Polizeigesetz auf den Weg gebracht worden, regierten wir hier mit.

(Beifall bei der FDP)

Nach dem Vorschlag aus Niedersachsen sollen lediglich folgende Personen ein Bleiberecht erhalten: Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren, die als Minderjährige ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, die mindestens einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und sechsjährigen Schulbesuch nachweisen können und eine Lebensunterhaltssicherung gegebenenfalls durch eine Verpflichtungserklärung auf fünf Jahre nachweisen können. Im Einzelfall sind Abweichungen zur Vermeidung einer besonderen Härte möglich.

Die Vorschläge Hessens und Nordrhein-Westfalens liegen in der Mitte, wobei insbesondere der Vorschlag Hessens aus Sicht der Landesregierung, auch aus Sicht meiner Fraktion, aber auch nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Flüchtlingsrats einen gangbaren Kompromiss darstellt.

Insbesondere Bayern und Niedersachsen haben diesen Regelungen bisher nicht zustimmen können. Herr Minister, ich sage Ihnen zu: Ich werde mich im Rahmen der Fraktionsvorsitzendenkonferenz wie auch der Innenrunde bei uns dafür einsetzen, dass diese Haltung Niedersachsens gegebenenfalls korrigiert wird. In Bayern muss die Union vielleicht das Ihre tun.

(Beifall bei der FDP)

Ich sehe, der Kollege Wadephul schüttelt den Kopf und sagt: „Das wird nicht möglich sein.“ - Kollege Wadephul, ich glaube, der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen ist in der ihm eigenen Souveränität in dieser Frage auch lernfähig.

Vom Grundgedanken mangelt es aber auch dem hessischen Vorschlag an einer Komponente, der so genannten Stichtagslösung. Auch die hessische Bleiberechtsregelung sieht vor, dass die Begünstigten vor dem 9. Dezember 1999 nach Deutschland eingereist sein müssen, also zum Zeitpunkt der IMK bereits sechs Jahre im Land gewesen sein

müssen. Was ist aber mit denen, die zu einem späteren Zeitpunkt sechs Jahre aufgrund von Kettenduldungen im Land sind? Die profitieren nicht mehr von dieser Regelung, sind aber in der gleichen Situation wie andere, die vor dem 9. Dezember 1999 ins Land gekommen sind.

Ich denke, diese Frage sollten wir auch im Ausschuss noch einmal klären. Wichtig ist aber, dass es bald und möglichst bereits auf der nächsten IMK zu einer Verständigung zu diesem Thema kommt. Denn es geht um Menschen, nicht um Prinzipienreiterei.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Ich danke dem Herrn Abgeordnete Kubicki und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir mit dem vorliegenden Bericht ein Thema aufgreifen, das für die Betroffenen von existenzieller Bedeutung ist, wobei hier das Wort „existenziell“ wörtlich zu nehmen ist, ein Thema, das in der politischen Debatte leider häufig für andere Zwecke instrumentalisiert worden ist und weiter instrumentalisiert werden kann.

Für den SSW geht es darum, die Zahl der Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik so gering wie möglich zu halten. Dem vorliegenden Bericht können wir entnehmen, dass weder die Arbeit mit dem Zuwanderungsgesetz noch das Aufenthaltsgesetz eigentlich die erhoffte Wirkung gezeigt haben, zumindest bezüglich langjährig geduldeter Ausländer.

Laut Bundesinnenministerium ist die Gesamtzahl der Personen, die Asyl beantragen, 2005 um 18,8 % zurückgegangen. Die Zahl der Personen, die geduldet werden, erweist sich aber als recht konstant. Allein in Schleswig-Holstein liegt die Zahl der geduldeten Ausländer seit fünf Jahren bei ungefähr 3.000 Personen. Auch wenn sich eine leicht sinkende Tendenz abzeichnet, ist die Zahl - so denke ich immer noch viel zu hoch.

Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass die Ausländerbehörden im Land ihre Möglichkeiten und Spielräume nutzen. Wir haben nicht zum ersten Mal diese Debatte hier im Landtag zu führen. Von daher ist es gut, wie sich Schleswig-Holstein in der Vergan

(Wolfgang Kubicki)

genheit verhalten hat und auch jetzt - wie den Worten des Innenministers zu entnehmen - verhalten wird. Trotzdem führt kein Weg daran vorbei, dass für die Lösung des so genannten Kettenduldungsproblems eine Bleiberechtsregelung fehlt. Abseits der bürokratischen Formulierung bedeutet das für Tausende Menschen eine ungewisse Zukunft, die einer Integration natürlich auch im Wege steht. Das mit den bürokratischen Formulierungen ist bei solch einem Thema wirklich ganz schlimm. Wir haben es auch in anderen Zusammenhängen immer mit reichlich abstrakten Formulierungen zu tun, aber hier - so denke ich - haben wir alle Fantasie genug, uns vorzustellen, was dahinter steckt und was es bedeutet.

Leider hat sich auch die Innenministerkonferenz nicht auf eine Bleiberechtsregelung für diesen Personenkreis einigen können. Minister Stegner hat bedauert, auch heute, dass der Kompromissvorschlag Hessens auf der Innenministerkonferenz im Dezember keine einmütige Zustimmung fand. Dem stimmen auch wir zu. Das heißt, der Schwebezustand für diesen Personenkreis, der die lange Aufenthaltszeit nicht selbst zu verantworten hat und der integriert wäre, wenn behördliche Integrationshemmnisse wegfallen würden, muss also beendet werden.

(Beifall beim SSW)

Im Bericht geht es unter anderem um die Gruppe der Minderheitenangehörigen aus dem Kosovo. Ihre sichere Rückkehr ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, weil sie im Kosovo nicht sicher leben können. In ihrer Heimat müssen sie um Leib und Leben fürchten. Sie müssen also in Deutschland bleiben. Der SSW unterstützt nachdrücklich die von Innenminister Buß angestoßene und jetzt von seinem Nachfolger fortgesetzte Initiative, für diese Personengruppe ein dauerhaftes Bleiberecht zu erwirken.

Ich möchte in diesem Rahmen auf die Tatsache hinweisen, dass der Anteil von Asylanträgen von Minderheitenangehörigen nicht unbeachtlich ist. Aus Serbien und Montenegro kamen 2005 bundesweit 5.500 Menschen die meisten Asylanträge. 37,5 % der Anträge stammten von Angehörigen der dortigen albanischen Minderheit und 39,5 % von Angehörigen der Roma. Nach Serbien und Montenegro kommen die meisten Asylanträge aus der Türkei. Hier liegt der Anteil der Kurden an allen türkischen Erstantragstellern seit Jahren bei über 80 %.