Dann kommen die Dinge aus dem Bildungsbereich. Wenn die Presseberichte stimmen, dass der Bund in Zukunft nicht einmal mehr Förderprogramme auflegen dürfe, dann bekommen wir in der Tat ein großes Problem. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass der Kernbereich des Bildungswesens in die Länderzuständigkeit gehört.
Wir wissen, dass es immer wieder Fragen gibt, die gemeinsame Anstrengungen erfordern. Das Ganztagsschulprogramm der letzten Jahre ist hier zu nennen, ebenso der Themenkomplex Hochschulen. Wir wissen, wir werden im Laufe der nächsten zehn Jahre einen enormen Studentenberg an den Hochschulen zu bewältigen haben. Dies gilt zwar nur für eine gewisse Zeit, aber dies wird die Hochschulen vor enorme Herausforderungen stellen.
Eine solche Situation kann man nach meiner Überzeugung nur durch ein gemeinsames Bund-LänderProgramm abfedern, das auf eine - auf eine bestimmte Zeit befristete - Überlastsituation ausgerichtet werden muss. Die Absenkung der Mittel für den Hochschulbau wurde von Herrn Hay schon erwähnt. Deutschland sagt, man wolle den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt von jetzt 2,5 % bis 2010 auf 3 % steigern. Das ist eine riesige Kraftanstrengung, die allein 11 Milliarden € pro Jahr mehr kostet. Was macht man? Man gibt auf der einen Seite zwar mehr Geld für die Exzellenzinitiative aus - also für die Spitzenforschung -, aber auf der anderen Seite streicht man das Geld im Hochschulbau wieder ein. Das ist in sich keine konsequente Politik. Ich denke, das muss man in diesem Kontext anmerken.
Es gibt also eine Reihe von offenen Fragen. Dass die Landesregierung jetzt noch nicht sagt, wie sie abstimmen wird, ist eigentlich selbstverständlich, Kollege Wadephul. Hier darf man sich nicht in die Karten blicken lassen. Ich möchte aber wissen, was von der Landesregierung seit November, als das Papier der Berliner Koalition im Prinzip auf den Tisch gelegt worden ist, im Sinne der Veränderung von Punkten, die hier von allen Fraktionen angemahnt worden sind, in den besagten tagtäglichen Verhandlungen tatsächlich erreicht worden ist. Es wäre spannend, das zu hören.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich eine Bemerkung ohne jede inhaltliche Bewertung machen: Wie anders sind doch die Vereinbarungen der letzten Woche im Vergleich zu denen, die wir mit der Föderalismuskommission im Jahr 2004 erlebt haben, gelaufen. Alles ist ohne Öffentlichkeit und ohne Kommissionsarbeit gelaufen. Alles ist in einer Spitzenrunde, bestehend aus Ministerpräsidenten, Bundesministern und Fraktionsführern der großen Koalition, gelaufen. Hier hat man sich also auf letzte Details der Reform geeinigt. Ich sage es noch einmal: Das geschah hinter geschlossenen Türen und ganz ohne Beteiligung der Landesparlamente.
Letztes Mal waren die Landesparlamente auch nur am Katzentisch dabei. Das wissen wir und das haben wir in diesem Haus auch mehrfach kritisiert. Sie waren aber mit dabei. Vorgesehen ist nunmehr, dass man sich im Rahmen der kommenden Ministerpräsidentenkonferenz noch einmal mit diesem Reformpaket befasst. Der Kanzleramtsminister de Maizière hat aber vorsorglich schon einmal eine Art Drohkulisse aufgebaut. Er sagt, das Paket müsse zusammenbleiben, weil aus der Reform sonst nichts werde. Im Klartext heißt das, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren keine Änderungen mehr beschlossen werden dürfen oder können. Daher hat es fast Symbolcharakter, dass wir uns heute nur im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit der Mutter aller Reformvorhaben auseinander setzen.
Ich will redlicherweise aber in Erinnerung rufen, dass wir in diesem Haus ein Verfahren laufen haben. Am 1. Februar hat nämlich der Innen- und Rechtsausschuss beschlossen, dass über den Bericht der Landesregierung zur Föderalismusreform in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Europaausschuss debattiert werden soll. Jetzt kommt die spannende Frage: Schaffen wir es, noch Einfluss auf das Geschehen zu nehmen? Ich wage, das zu bezweifeln. Nächste Woche ist aber eine Innen- und Rechtsausschusssitzung angesetzt.
Ich denke, die Reform muss auf jeden Fall zur Sprache gebracht werden. Das sage ich noch einmal zu unseren eigenen Hausaufgaben. Ich will auch nicht verhehlen, dass ich das Verfahren insgesamt völlig inakzeptabel finde. Es kann nicht angehen,
dass die Landesregierung in dieser Angelegenheit praktisch in einer Art luftleerem politischen Raum agiert.
- Lieber Kollege, aus taktischen Gründen kann ich gut verstehen, was die Landesregierung sagt. Da gibt es keine zwei Meinungen. Sie handelt aber nicht nur für sich, sondern sie handelt für das Land Schleswig-Holstein.
Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass wir im Rahmen der Kommissionsarbeit im Jahr 2004 einvernehmlich mit der Landesregierung und mit Vertretern des Landtages zusammen gesessen und eine Linie festgelegt haben. Keiner will den Handlungsspielraum der Landesregierung einengen, aber so zu tun, als hätten wir nichts beizutragen, ist - so denke ich - nicht der richtige Weg.
Wir wissen, dass das Grundgesetz in 44 Punkten geändert werden soll und dass überhaupt nichts über die finanziellen Regelungen gesagt worden ist. Das kommt noch auf uns zu. Einige Experten befürchten, dass diese zweite Runde nicht stattfinden wird. In einem Pressebericht war zu lesen:
„Bedenken wurden nicht mit sachlichen Änderungen ausgeräumt, sondern mit Übergangsfristen aus der politischen Aktualität genommen.“
Das sagt auch etwas über die Hektik aus. Das Bild von der heißen Nadel will ich hier nicht bemühen. Konkrete Fehler sind vorprogrammiert. Schwerer wiegt aber unserer Meinung nach, dass es auch zu falschen Weichenstellungen gekommen ist, denn die große Koalition in Berlin hat den Verzicht der Länder auf die Mitbestimmung bei der Verabschiedung von Bundesgesetzen teuer erkauft. Zum einen kommt der Verdacht auf, dass die große Koalition, auch weil es kein Konnexitätsprinzip auf Bundesebene gibt, im Auge hat, dass man sich finanziell vielleicht ein wenig zulasten der Länder sanieren könnte, zum anderen sind da die inhaltlichen Bereiche, die schon angesprochen worden sind.
Der Umweltbereich hat künftig eine Rahmengesetzgebung des Bundes mit großen Abweichmöglichkeiten der Länder. Wie das funktionieren soll, sehe ich im Moment noch nicht. Ich denke, das ist schwer zu verkraften.
Politikfelder Bildung und Wissenschaft. Es ist für mich nicht einzusehen, dass der Bund in diesem Zukunftsfeld der Bildungs- und Wissenschaftspolitik künftig keine Finanzhilfen mehr für Schulen und Hochschulen an die Länder geben darf. Ich habe das für den SSW bereits in der letzten Runde angesprochen. Ich denke immer noch, dass das für uns ein Knackpunkt ist. Länder wie Baden-Württemberg, Hessen und Bayern mögen ihre Ganztagsschulprogramme ohne Bundesmittel finanzieren und umsetzen können; die finanzschwachen Länder können dies definitiv nicht. Eine solche Föderalismusreform ginge also einseitig zulasten der Zukunftschancen der Kinder und Jugendlichen in den strukturschwachen Regionen Deutschlands. So deutlich muss man das sagen.
Soziale Benachteiligung und regionale Ungleichheit würden sich beim wichtigsten Rohstoff unsere Landes, nämlich dem Bildungs- und Wissenskapital, weiter verschärfen. Was also für einige süddeutsche Länder gut ist, ist nicht gut für die Gesamtgesellschaft und ihre Entwicklung. Ich sagte es bereits. Ich fürchte, dass der Bund schnelle Ergebnisse vor gute Ergebnisse setzt und die strukturschwachen Länder die Gunst der Stunde nutzen, um Regelungen zulasten des Bundesprinzips und der schwachen Länder in der Verfassung festzuschreiben. Ich glaube, der Innenminister sagte es schon im Rahmen der letzten Debatte. Wir haben hier ein echtes Nord-Süd-Gefälle oder - wenn man das in Anführungsstrichen hinzufügen möchte - einen „Nord-Süd-Konflikt“.
Die ganze Reform, die zu Recht Verfassungsrang hat, muss einen fairen Ausgleich anstreben, der über den Tag hinaus Bestand hat und die Stärken eines föderalen Systems als Ganzes zum Tragen bringt. Das muss die Zielrichtung sein. Das heißt, es muss für zentrale Aufgaben und für den notwendigen Ausgleich von Strukturschwächen in Richtung eines handlungs- und strategiefähigen Bundes mit vitalen und bürgernah agierenden Ländern in den lebensnahen Politikbereichen gehen.
Darum sage ich nicht trotz, sondern wegen der komplexen Materie, die die Föderalismusreform darstellt, muss diese im breiten Diskurs, im Bundestag, im Bundesrat und in der breiten Öffentlichkeit erörtert, erklärt, abgewogen und transparent entschieden werden.
Es muss doch auch erklärbar sein. Die großen Fraktionen auf Bundesebene haben doch alle Rollen schon durchexerziert. Man muss das doch losgelöst von der aktuellen Situation betrachten können. Die
Heimlichtuerei, die späten Nachtsitzungen - wie auch immer man die letzte Runde gestaltet hat sind nicht hinnehmbar. Das Augen-zu-und-durchVerfahren der Koalition mag machttechnisch smart gewesen sein. Aber bei einer zu taktischen Herangehensweise wird letztlich zu kurz gesprungen.
Schleswig-Holstein muss sich engagieren, engagiert sich auch - wird der Ministerpräsident sagen -, aber man muss es auch mit Nüchternheit und der nötigen Transparenz tun. Für den Landtag sollte Maßstab aller Entscheidungen das sein, was wir einvernehmlich als „Lübecker Erklärung“ verabschiedet haben. Das dürfen wir nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, gestatten Sie mir einen kleinen Hinweis. § 32 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung macht deutlich, dass eine Aktuelle Stunde von jedem Redner mit jeweils fünf Minuten zu bestücken ist. Die Anmeldelage der Redezeiten ließ aber erkennen, dass die Fraktionen gewillt waren, die jeweils fünf Minuten zusammenzufassen. Außerdem steht in § 32 Abs. 8, dass Erklärungen und Reden nicht abzulesen sind.
Nachdem die Fraktionen ihre Redezeiten zusammengefasst haben, steht nun selbstverständlich auch der Regierung eine Redezeit von zehn Minuten zu. Ich erteile für die Landesregierung dem Innenminister, Herrn Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde das hier gern unter gelegentlichem Blick in die Stichworte vortragen, aber in möglichst freier Rede.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Prozess der Föderalismusreform, die insgesamt notwendig und vernünftig ist, schreitet weiter voran. Am 16. Februar 2006 hat in der Tat eine Arbeits
gruppe getagt - das finde ich im Übrigen nicht spektakulär -, der Vertreter der Bundestagsfraktionen, Vertreter der Bundesregierung und auch einzelne Vertreter der Länder angehört haben. Sie haben dort ein paar Punkte vereinbart, die veröffentlicht worden sind und sich zum Beispiel auf Abweichungsbefugnisse der Landesparlamente im Umweltrecht bezogen. Das ist kritisiert worden, weil es ja ein Umweltgesetzbuch des Bundes konterkarieren könnte. Es ist verabredet worden, dass das bis 2009 nicht der Fall sein darf.
Des Weiteren ging es um die Frage, wie es mit abweichenden Regelungen zum bestehenden Verwaltungsverfahrensrecht steht. Dazu ist gesagt worden, dass die Länder bis 2009 nur dann abweichendes Verfahrensrecht schaffen dürften, wenn der Bund seine bereits bestehenden Verfahrensvorschriften aufgreife und überarbeite.
Schließlich hat man sich in der Runde bei dem sensiblen Thema Hochschulbaumittel darauf verständigt, dass es dort Veränderungen geben soll, die auch Lockerungen bedeuten, was die Themen Geräte, Richtwerte und so etwas angeht, damit nicht nur Megaprojekte gefördert werden können; denn nicht jede Universität braucht ein Olympiastadion.
Das alles ist in dieser Arbeitsgruppe beschlossen worden. Die daraus folgenden konkreten Gesetzesänderungen, die jetzt mit Begleitgesetzen in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden sollen, kennen wir im Detail noch nicht. Deswegen hat mich die Medienberichterstattung ein wenig überrascht. Es wurde behauptet, es sei alles in trockenen Tüchern. Frau Kollegin Lütkes, Sie haben ja der letzten Föderalismuskommission angehört. Insofern fand ich Ihren Beitrag in Teilen ein wenig eigenartig, denn Sie kennen ja die Mechanismen.
Klar ist aber eines: Diese Arbeitsgruppen ersetzen nicht das parlamentarische Verfahren in Bundestag und Bundesrat. Das steht nämlich im Grundgesetz, das nicht geändert worden ist.
In dem Sinne - transparenter geht es kaum - hat sich die Landesregierung - ich durfte das persönlich tun - am 16. Februar 2006 öffentlich dazu geäußert. Das können Sie im entsprechenden dpa-Text nachlesen, der verbreitet worden ist. Insofern ist die Frage, was wir tun, wenn die Gesetzentwürfe kommen, eine Frage, bei der wir abzuwägen haben, ob das mit den Interessen Schleswig-Holsteins vereinbar ist oder nicht.
Anhänger der These, dass man seinen Einfluss maximiert und nicht minimiert, Frau Kollegin Lütkes. Bei Ihnen finde ich die Bemerkung schwieriger, bei Herrn Klug verstehe ich das. Der muss ja als Historiker weit zurückgucken, wann die FDP das letzte Mal exekutive Erfahrung hatte, um das selber auszuprobieren. Aber bei Ihnen ist das ja erst kurze Zeit her. Natürlich maximiert man seinen Einfluss. Das versuchen wir in der Weise zu tun, dass wir nicht vorher sagen, wie wir konkret abstimmen, ob wir uns mit einbringen oder nicht, sondern dass wir sagen, welche Änderungen wir wollen. Dann schaut man, was man hinbekommen kann. Wir werden uns für diese Veränderungen einsetzen und für diese Veränderungen werben.