Da sind vorläufig Wünsche für den beitragsfreien Kindergarten nicht realisierbar. Zumindest kann ich nicht erkennen, woher das Land den Eigenanteil, der vom Bund automatisch gefordert werden würde, aufbringen soll.
Meine Damen und Herren, Kinder, die heute in Armut leben, bleiben arm und auch ihre Kinder werden arm sein. Das geht aus der neuesten Studie der Arbeiterwohlfahrt über Kinderarmut in Deutschland hervor. Dem Kreislauf von Armut durch Einkommensbenachteiligung sowie verminderten Bil
dungschancen ist nur schwer zu entkommen. Die Armut und ihre Folgen haben sich verfestigt, der gesundheitliche Zustand der Kinder oft verschlechtert und aus den Einzelgängern, die häufig bereits im Kindergarten arme Kinder waren, sind in der Grundschule Außenseiter geworden. Aus der Armutsfalle auszubrechen, gelingt nur selten, weil auch die Bildungschancen armer Kinder deutlich geringer sind. Auch dies trägt zu den PISA-Ergebnissen bei.
Haushaltskürzungen kann es hier nicht geben. Um den Lehrerbedarf zu decken und um Verbesserungen im Unterrichtsangebot zu ermöglichen, werden wir auch in den nächsten Jahren neue Lehrerstellen schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat kann nur die Mittel verteilen, die ihm auch zur Verfügung stehen. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist interessant und wenn ich nicht schon länger hier im Landtag sitzen würde, wäre ich sicherlich auch beeindruckt. Doch nun stelle ich nur fest: Er ist überaus populistisch. Die Feststellung in Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass Schleswig-Holstein erheblichen Nachholbedarf bei der institutionellen Kinderbetreuung habe, werden wir nach den Berichten beurteilen und nicht jetzt.
Aus der Opposition heraus kann man leicht Forderungen stellen, die nicht bis ins Detail ausgefeilt sind. In Koalitionen werden Kompromisse gemacht. Das wissen wir alle nur zu gut. Aber Kompromisse verdammen nicht zum Nichtstun. Deshalb können wir Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von Ihrer Verantwortung nicht entbinden. All diese Forderungen, die Sie in den letzten Wochen auf den Tisch gelegt haben, hätten Sie, als Sie verantwortlich waren, durchsetzen können. Sie haben noch nicht einmal den Versuch gemacht, weil Sie damals eingesehen haben, dass dies nicht finanzierbar ist. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Wir haben uns für die nächsten Jahre in der Familienpolitik viel vorgenommen. Etliches ist schon auf den Weg gebracht, anderes wird folgen. Am Ende des Weges - davon bin ich fest überzeugt - wird dieses Land eine Familienpolitik haben, die nicht nur eine sozialdemokratische Handschrift trägt, sondern auch eine für junge Menschen attraktive Form hat. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden sich wieder viel mehr Frauen und Männer
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich hätte mir gewünscht, dass man sich mit dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein bisschen mehr inhaltlich beschäftigt hätte. Denn darin wird nicht nur ein ganz konkreter Finanzierungsvorschlag gemacht. - Ich sage gleich etwas dazu. Ich teile den Vorschlag so nicht, aber es wird ein konkreter Finanzierungsvorschlag gemacht, der hoch spannend und zwischen den einzelnen Parteien und Fraktionen auch sehr umstritten ist. Deswegen hätte mich auch interessiert, Herr Fraktionsvorsitzender Wadephul, wie eigentlich die CDU zum Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht, durch die Abschaffung des Ehegattensplittings bestimmte Projekte zu finanzieren. Aber der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht ja vom Ansatz her auch in eine andere Richtung der Familienförderung. Wenn ich das heute richtig verstanden habe, dann gehen Teile der SPD auf Bundesebene auch genau in diese Richtung, während die Union offensichtlich etwas anderes möchte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, Vorfahrt für Kinder ist etwas - Frau Heinold, das haben wir auch von beiden Vorrednern gehört -, was alle möchten. Die Frage ist: Welcher Weg soll dafür gewählt werden, um den Kindern genau diese Vorfahrt zu gewähren? Dazu müssen aus unserer Sicht folgende Fragen beantwortet werden:
Wie können Familien besser gefördert werden? Wie kann eine bessere und möglichst kostenfreie Betreuung von Kindern organisiert werden? Wie können Familie und Beruf für Frauen und Männer grundsätzlich besser vereinbart werden, damit Kinder, wie dies der Kollege Wadephul dargestellt hat, nicht weiterhin das Hindernis in der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung eines jeden Einzelnen darstellen, sondern eine echte Bereicherung sind?
Frau Kollegin Heinold, die von Ihnen vorgelegten Anträge zur Familienförderung und zur besseren Kinderbetreuung beschreiben einen möglichen Weg, keine Frage. Man kann ihn wählen, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei soll künftig eine institutio
nelle Förderung von Betreuungsangeboten Priorität vor der individuellen Familienförderung haben. Sie haben das klipp und klar gesagt. An sich hätte ich mir dazu eine deutliche Antwort meiner Vorredner gewünscht.
Folgerichtig fordern Sie die Abschaffung des Ehegattensplittings, um die von Ihnen angestrebte institutionelle Förderung zu finanzieren. Das mag konsequent sein, ist aber aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, um die individuelle Lebensgestaltung von Familien zu fördern. Vielmehr drängt sich mir der Eindruck auf, dass Familien bei der Verwirklichung dieses Ziels nicht gefördert, sondern staatlicherseits bevormundet werden.
Der Antrag unterstellt, dass eine individuelle Familienförderung nicht zielführend ist. Vielmehr sollen Familien durch institutionelle Rahmenbedingungen im Bereich der Kinderbetreuung zu einem bestimmten Verhalten angeleitet werden. Dabei wird die bewusste Entscheidung von Familien, bestimmte Angebote gerade nicht zu nutzen oder andere Angebote nutzen zu wollen, durch die Beschneidung der individuellen Familienförderung genommen. Gerade diese staatliche Bevormundung lehne ich strikt ab.
Wir geben lieber Familien das Geld, um sie in die Lage zu versetzen, bestimmte Kinderbetreuungsangebote auszuwählen. Eine Möglichkeit, ihnen das Geld zur Verfügung zu stellen, bietet das so genannte Ehegattensplitting. Allerdings profitieren nicht alle Formen der Familie davon. Im Antrag wird deshalb unterstellt, dass der Staat durch das Instrument des Ehegattensplittings eine bestimmte Form der Familie, die so genannte Alleinverdienerehe, einseitig fördert. Genau diesen Aspekt möchte ich näher beleuchten.
Denn bei der Analyse, was wir heute unter dem Begriff ,,Familie" verstehen müssen, sind wir, glaube ich, ziemlich eng beisammen. Die Lebensform ,,Familie" hat sich im Laufe der Zeit schneller gewandelt, als dies bisher vom Gesetzgeber nachvollzogen wurde. Weniger Eheschließungen, mehr Scheidungen und eine steigende Anzahl von außerehelichen Geburten sprechen hierbei eine ganz deutliche Sprache. Das althergebrachte Alleinverdienermodell - Vater erwerbstätig und Mutter Hausfrau wird in der Realität nur noch von einem Drittel der Familien gewählt. Und, Frau Kollegin Rodust: So
wohl liberale Frauen als auch liberale Männer halten bestimmt nichts von der Initiative sechs junger Unionsabgeordneten. Allerdings ist die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag etwas größer als sechs.
Vor dreißig Jahren sah das Familienbild noch ganz anders aus. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir unter ,,Familie" auch das Zusammenleben von Elternteilen mit Kindern, von Nichtverheirateten mit Kindern sowie von Geschiedenen mit Kindern verstehen müssen. Entscheidendes Kriterium muss deshalb sein, dass Menschen füreinander einstehen. Deshalb verstehen wir unter ,,Familie" jede Art von Verantwortungsgemeinschaft, in der Kinder aufwachsen.
Wir haben daher im Rahmen der Verfassungsdebatte anlässlich der deutschen Einheit eine Ergänzung des Artikels 6 des Grundgesetzes vorgeschlagen. Wir wollten damals, dass der Staat den besonderen Schutz, den Ehe und Familie genießen, auch auf die anderen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften ausweitet. Dieser Antrag hat damals im Bundestag bedauerlicherweise nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten.
Das eigentliche Problem der Familienförderung liegt jedoch tiefer, gerade dann, wenn man in dem Instrument des Ehegattensplittings lediglich eine einseitige und grundlose steuerrechtliche Privilegierung des Instituts der Ehe sieht. Dabei muss an dieser Stelle die entscheidende Frage beantwortet werden, ob künftig die Ehe oder die Familie steuerlich gefördert werden soll. Denn Artikel 6 des Grundgesetzes schreibt fest, dass ,,Ehe und Familie" unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Der Schutz der Ehe ist damit ein selbstständiges Gewährleistungsinstrument im Rahmen des Artikels 6. Es geht also nicht nur um den Schutz der Familie, sondern auch um das selbstständige Rechtsinstitut der Ehe, Frau Kollegin Lütkes.
Man hat sich bei der Einführung des Ehegattensplittings durchaus etwas gedacht, und zwar nicht nur dahin gehend, dass man die Ehe privilegieren will, sondern dass es der Staat auf diese Weise den Eheleuten überlässt, wie sie ihre Ehe führen. Das kann der Staat nur, wenn er nicht über alle möglichen Transferleistungen steuernd eingreift, sondern den Ehegatten genügend Einkommen belässt, damit sie frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten wollen.
Wenn aber das Ehegattensplitting nicht unmittelbar der Förderung von Familien mit Kindern dient, wie kann dann ein Ausgleich gefunden werden, um Fa
milien nicht schlechter zu stellen? Kann die Abschaffung des Ehegattensplittings - abgesehen von den vielfältigen verfassungsrechtlichen und steuersystematischen Bedenken - wirklich eine Lösung sein, wie Sie das vorschlagen?
Die oft genannte Summe von 20 Milliarden € Deutsche Bank Research 2002 - bis 22,1 Milliarden € - DIW in Berlin von 2003 -, die dem Staat bei der Abschaffung des Splittingvorteils aus der Einkommensteuer für Familienleistungen zur Verfügung stünden, wecken selbstverständlich große Begehrlichkeiten und Ideen, wie man das anders verteilt.
Ökonomische Gründe sprechen gegen eine Abschaffung, denn rund 70 % des Splittingvolumens entfallen auf verheiratete Einkommensbezieher mit Kindern. Den Familien würde damit eine notwendige finanzielle Förderung entzogen, die durch den Aufbau von institutionellen Angeboten nicht kompensiert werden kann.
Flösse dieses Geld aber an individueller Förderung wieder an die Familien mit Kindern zurück, hätten diese keine weiteren Vorteile, sodass von einer weiterentwickelten Familienförderung - so wie Sie sie wollen - gar nicht mehr gesprochen werden kann. Auch die Abschaffung oder die Einschränkung eines Splittings für kinderlose Ehepaare würde nicht sehr viel weiter helfen. Gerade in dieser Gruppe sind beide Ehepartner besonders häufig berufstätig, sodass der Splittingvorteil entsprechend gering ist. Frau Heinold, Sie wissen, das das so ist.
Darüber hinaus dürfen Verheiratete gegenüber Geschiedenen nicht benachteiligt werden, sodass der jetzt bestehende Versorgungsanspruch geschiedener Partner, der derzeit steuerlich abzugsfähig ist, dann konsequenterweise auch bei Verheirateten gelten müsste. Unter dem Strich wäre dann wenig übrig, um Nichtverheiratete mit Kindern oder einen flächendeckenden Ausbau von Betreuungsangeboten zu fördern.
Nach Berechnungen der Deutschen Bank Research aus dem Jahr 2002 wären die oftmals errechneten 20 Milliarden € auf 1,5 Milliarden bis 2,5 Milliarden € reduziert. Das ist dann wieder eher Wunschdenken denn Realität. Das ist nicht besonders viel, wenn man sich die Summen anschaut, die zuvor in die Debatte geworfen wurden. Ich warne im Übrigen auch davor, bei der Abschaffung des Ehegat
tensplittings und den vermeintlichen finanziellen Ressourcen, die wir dann haben, so etwas wie den „Jäger 90“ der Familienförderung zu machen.
- Nein, nicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Aber es gibt zahlreiche Vorschläge, wie man das Geld anders verwenden könnte. Man kann das Geld redlicherweise nur einmal ausgeben.
Viel schlimmer ist aus meiner Sicht: Gerade den Verantwortungsgemeinschaften, die wir als Familie definiert haben, wäre mit dieser Maßnahme immer noch nicht geholfen. Wir müssen aus unserer Sicht andere Antworten geben als die Abschaffung des Ehegattensplittings, wenn wir die Familien genau an der richtigen Stelle fördern wollen.
Die weitergehende Frage, wie neben den rein monetären Leistungen in der Familienpolitik eine Infrastruktur geschaffen werden kann, um Familien zu fördern und die Vereinbarung von Familie und Beruf zu ermöglichen, ist deshalb aus unserer Sicht unabhängig von der Frage zu beantworten, ob wir das Ehegattensplitting abschaffen. Dazu gehört auch - da gebe ich Ihnen Recht -, dass in Schleswig-Holstein endlich der tatsächliche Bedarf der meisten Eltern an Betreuungsangeboten vor Einschulung der Kinder ermittelt werden muss.
Hierzu bietet der Berichtsantrag zur Umsetzung einer kostengünstigen oder gar kostenlosen Kinderbetreuung eine Planungsgrundlage für Land und Kommunen, anhand der wir genau diesen Aspekt im Sozialausschuss weiter diskutieren können.