Kollege Baasch, es ist doch Pflicht und notwendig, dass sich gerade auch die Opposition darum kümmert und immer wieder nachfragt, was getan werden muss, um bestimmte Situationen zu verbessern - auch, liebe Kollegin Rodust, wenn eine der regierungstragenden Fraktionen eine Große Anfrage zu diesem Thema gestellt haben mag. Da kann ich nur das sagen, was Frau Heinold gesagt hat: Die Grünen waren in diesem Fall zuerst da.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass eigentlich in Sachen Familienpolitik schon alles gesagt worden ist. Gute und solide Analysen füllen inzwischen ganze Bücherwände, die meisten davon ausgesprochen klug und fundiert. Es sind vor allem drei Befunde, die uns zum Handeln zwingen. Erstens gibt es in Deutschland zu wenig Nachwuchs, weil viele Frauen und Männer befürchten, dass unsere Gesellschaft sie zu wenig in der Elternschaft unterstützt. Zweitens liegt die Erwerbstätigkeit von Frauen in der Bundesrepublik europaweit unter dem Durchschnitt und die Karrieremöglichkeiten für Frauen sind in Deutschland immer noch schlechter als die von Männern. Drittens sind die Chancen für Kinder in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie aus sozial schwachen Familien kommen, ausgesprochen schlecht.
Das alles hat der SSW - wie auch viele andere schon seit Jahren kritisiert. Wir haben fordert, die Familien durch differenzierte institutionelle Angebote zu unterstützen. Von daher unterstützen wir den Antrag der Grünen, fordert er doch die Umsteuerung weg von individueller Förderung hin zu mehr Dienstleistungen durch den Staat. Skandinavien macht das vor. Die Rahmendaten, hohe Frauenerwerbsquote und gleichzeitig hohe Geburtenrate, zeigen, dass die Maßnahmen richtig sind.
Zurzeit scheinen diejenigen, die eine Individualförderung à la katholischer Soziallehre umsetzen wollen, in der schwarz-roten Regierung den Ton anzugeben. Wie sonst wäre ein Gesetz zu erklären, das mit großem Brimborium vorgestellt wird, von dem aber schätzungsweise nur jede zweite Familie profitieren wird, das Gesetz zur Anrechenbarkeit von Kinderbetreuungskosten? Warum nur die Hälfte? - Ganz einfach: Die meisten Menschen verdienen einfach zu wenig, um irgendwelche Belastungen steuerlich geltend machen zu können, oder sie können es sich gar nicht leisten, überhaupt in Vorleistung zu gehen. Einmal ganz abgesehen davon, dass Experten schätzen, dass das deutsche Steuerrecht sowieso das komplizierte auf der ganzen Welt ist.
Sie gehen davon aus, dass 50 bis 70 % der global publizierten Steuerliteratur inzwischen aus Deutschland kommt. Nun wird es sicherlich noch ein paar Ratgeber mehr geben, die Familien den Weg durch den Steuerdschungel weisen wollen.
So ein Gesetz ist der falsche Weg. Er ändert nur wenig an der Benachteiligung von Familien und wird sicherlich keine einzige Frau und keinen Mann von der Familiengründung überzeugen.
Die Grünen nennen in ihrem Antrag ein anderes Überbleibsel einer falschen, einseitig monetär ausgerichteten Politik, das Ehegattensplitting. In Skandinavien ist übrigens undenkbar, dass die Frauen via Steuerrecht übervorteilt werden. Denn die aktuellen Vorteile der niedrigen Steuerklasse wirken sich im Alter zu einem handfesten Nachteil aus. Schließlich werden die Sozialbeiträge nach dem künstlich niedrig gerechneten Einkommen berechnet.
Das Ehegattensplitting fördert darüber hinaus ganz klar die Ein-Verdiener-Ehe und boykottiert Bemühungen um ökonomische Selbstständigkeit beider Partner.
Die Liste der Nachteile des Ehegattensplittings ließe sich fortsetzen. Unter anderem die Tatsache, dass 90 % der Mittel aus dem Ehegattensplitting westdeutschen Paaren zufließen, aber nur 10 % an ostdeutsche Paare ausgezahlt werden, zeigt die soziale Schieflage dieses Modells.
Das Ehegattensplitting hat im Übrigen genau besehen nichts mit einer Familie zu tun, denn nach meinem Dafürhalten gehören zu einer Familie unbedingt Kinder. Menschen sollen sich lebenslang verbinden, meinetwegen auch auf Zeit. Eine besondere Pflicht für den Staat erwächst für mich aber erst aus der Tatsache der Kinderbetreuung. Insofern gebe ich dem Kollegen Garg Recht, dass man sich über den Verfassungsartikel Ehe und Familie unterhalten muss.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es eigene Kinder, Pflegekinder oder adoptierte Kinder sind. Ungefähr 22 Milliarden € kostet ein Steuermodell, das Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen belohnt. Der SSW fordert schon seit Jahren,
dieses Geld besser für die Dienstleistungen für Familien einzusetzen und nur noch die Kinder und damit die Familie zu fördern und nicht die Ehe.
Nach dem vorliegenden Antrag soll das Geld in die Einführung des kostenlosen Kindertagesstättenjahres für fünfjährige Kinder fließen. Ich muss sagen, dass ich mit der einseitigen Bindung der Mittel Probleme habe, denn zumindest die Familien mit Kindern dürfen nicht durch die Streichung des Ehegattensplitting benachteiligt werden. Das ist das größte Problem, das wir mit diesem Antrag haben. Auch darauf ist der Kollege Garg schon eingegangen. Deshalb stellt sich - geht man davon aus, dass man das nicht will - die Frage, ob die Mittel aus dem Ehegattensplitting die berühmten zitierten 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden € - ausreichen, wenn man die Familien nicht finanziell benachteiligen will, um überhaupt ein flächendeckendes Angebot anbieten zu können.
Die Grünen legen besonderen Wert auf das letzte Kindergartenjahr, das kostenlos angeboten werden soll. Aber - auch das ist wichtig - bitte nur mit entsprechendem Konzept. In den Einrichtungen des Dänischen Schulvereins wird parallel zu Einrichtungen in Dänemark das letzte Kindergartenjahr schon jetzt als Vorschule genutzt: Die Kinder bereiten sich auf die Schule vor, sie lernen Zahlen, sie lernen die ersten Worte schreiben, sie turnen auch schon einmal in der Schulturnhalle, um alles kennen zu lernen. Das alles erleichtert den Übergang in die Schule, gibt aber auch - das ist viel wichtiger den Pädagogen im Kindergarten die Möglichkeit, die Schulfähigkeit der Kinder kompetent über einen längeren Zeitraum zu beurteilen und positiv zu beeinflussen. Eventuelle Probleme - auch und gerade im sozialen und sprachlichen Bereich - können rechtzeitig gezielt angegangen werden. Das alles spricht für den Besuch des Kindergartens im letzten Jahr vor der Schule.
Bedeutet das aber auch, dass es kostenlos sein sollte oder dass wir es uns leisten können? - Ich habe mich einmal schlau gemacht: 10 % Selbstbehalt fordern die Kitas von Hartz-IV-Empfängern, wenn sie ihren Sohn oder ihre Tochter in den Kindergarten schicken wollen. In Flensburg beträgt der Mindestsatz 13 € im Monat für einen Halbtagsplatz. Ich wollte die Summe nur einmal nennen, um hier auch die Relationen richtig darzustellen.
Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass diese 13 € Eltern von einer Anmeldung ihrer Kinder abhalten. Genau weiß ich das natürlich nicht. Erst einmal muss untersucht werden, welche Gründe immerhin fast jede sechste Familie hat - dies gilt auch für reiche Familien -, ihre Kinder nicht in Kinder
garten anzumelden. Es liegen keine genauen Zahlen und Konzepte vor und deswegen können wir eigentlich noch nicht die Schlüsse ziehen, die im Antrag schon gezogen werden. Das muss nachgeholt werden.
Wo wirklich Bedarf ist, sind die so genannten Kinderkrippen. In Husum ist ein entsprechendes Projekt nach langem Vorlauf gescheitert. In Nordfriesland war es das dann schon von öffentlicher Seite bis auf eine Ausnahme auf Sylt. Private Betreuungslösungen in Familie oder Nachbarschaft sind die einzige Möglichkeit für Frauen und Männer mit kleinen Kindern.
In größeren Städten sieht es in Schleswig-Holstein kaum besser aus. Hier muss sich bald etwas ändern. Ich hoffe auch, dass wir dazu bald einen gangbaren Weg finden.
Wir müssen also schnellstens umsteuern. Der Ausstieg aus dem komplizierten deutschen Steuerrecht ist überfällig. Das Instrument der Familienförderung via Steuerrecht ist am Ende. Es ist ungerecht, weil die Großverdiener erheblich mehr profitieren als die Kleinverdiener. Letztlich belohnt es lediglich diejenigen, die genug Verständnis und Beharrlichkeit für ein unübersichtliches System aufbringen oder sich einfach einen guten Steuerberater leisten können. Dabei garantiert das System keineswegs, dass wirklich bedürftige Familien angemessen finanziell unterstützt bzw. entlastet werden und dass diese ihren Kindergartenplatz bekommen.
Der SSW setzt sich stattdessen für eine breitflächige Verbesserung der Kinderbetreuung ein. Bis heute kann sich jede Frau in den neuen Bundesländern darauf verlassen, dass sich in ihrer Nähe eine Ganztags-Kita findet, wenn sie eine braucht. Hier muss ich „auch jeder Mann“ anfügen; das steht hier nicht im Skript, gehört aber auch dazu. Genau diese Sicherheit fehlt bei uns und daran werden weder Elterngeld noch Steuersparmodelle etwas ändern.
Nur jedes zehnte Kind in Deutschland, das jünger als drei Jahre alt ist, wird in einer Krippe betreut. Die Kosten für eine Tagesmutter liegen je nach eigener Stundenzahl zwischen 200 und 500 € im Monat. Das kann sich kein Kleinverdiener leisten. Also: Wir brauchen Plätze für Kinder, aber keine neuen Steuersparmodell.
Familienförderung bedarf nicht der Weiterentwicklung, sondern der Umsteuerung: Weg mit neuen individuellen Lösungen, die lange Antragsverfahren nach sich ziehen und die Reichen begünstigen.
Stattdessen brauchen wir eine leistungsfähige Dienstleistungsstruktur für Kinder und Eltern, die flächendeckend und kompetent ist. Dann profitieren diejenigen, die der Förderung bedürfen, mehr als jetzt. Das wäre dann auch wirklich gerecht.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms und das Wort für einen Kurzbeitrag hat jetzt die Frau Abgeordnete Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da SPD und CDU den Antrag scheinbar weder gelesen noch verstanden geschweige denn meiner Rede zugehört haben, möchte ich noch ein paar Sachen erwähnen.
Herr Wadephul, Sie mahnten gleich am Anfang an, man möge einmal die bestehende Familienpolitik hinterfragen. Unser Antrag hinterfragt die bestehende Familienpolitik. Das ist das zentrale Element unseres Antrages.
- Ich weiß, dass ich hier neun Jahre lang Politik gemacht habe. Auch an dieser Stelle scheinen Sie nicht im Raum gewesen zu sein. Denn zu Beginn meiner Rede habe ich gesagt, dass wir das vor fünf Jahren gefordert haben. Ich habe geschildert, welche finanziellen -
Ich habe gesagt, dass wir Finanzierungsvorschläge vorgelegt haben. Ich habe zitiert, dass damals vonseiten der SPD gesagt wurde, dass sei ein populistischer Schnellschuss, und dass keinerlei Bereitschaft vorhanden gewesen sei, auf uns einzugehen.
Von daher betone ich noch einmal: Es geht hier in dieser Debatte darum, dass CDU und SPD in Berlin über 2,2 Milliarden € neu für Familienförderung in die Hand nehmen. Das sind nicht Grüne, die hier zusätzliche Verschuldungsprogramme auflegen; es sind CDU und FDP. Wir sagen: Die Schwerpunktsetzung für diese zusätzlichen über 2 Milliarden €
damit wir unsere Kindertagesstätten finanzieren können. Sie wollen das Geld individuell den Familien geben, und zwar nach komplizierten steuerrechtlichen Verfahren, sodass man zunächst für die Kindertagesstätte bezahlt, um anschließend etwas über die Steuer zurückzubekommen. Das wird uns erstens niemand danken - das sage ich Ihnen schon jetzt - und zweitens kommt dies nicht bei allen Familien an. Deshalb ist es falsch.