Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat gerade in der letzten Woche einen eigenen Vorschlag zur No

(Minister Uwe Döring)

vellierung des SGB II vorgelegt, denn es ist natürlich richtig, dass die Regelsätze neu zu berechnen sind, dass beispielsweise auf die Energiekosten Rücksicht genommen werden muss und dass zu besonders bedarfstypischen Leistungen - ich erinnere nur an unsere Diskussion über Verhütungsmittel als Regelbedarf - Stellung genommen werden muss.

Die Gesamtrevision darf also nicht davon getragen sein, dass die Vermutung gemeinsamer Haushaltsführung zu einer Reduzierung der Ansprüche führen könnte. Wir haben hier über neue Wohnformen im Alter gesprochen, auch andere Wohnformen in der Jugend sollten unterstützt und auch im Rahmen von SGB II nicht diskriminiert werden. Deswegen ein reduzierter Dank für Ihren Bericht. Ansonsten werden wir den Dissens sicher weiter zu diskutieren haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat in seiner Sitzung am 9. November 2005 mit Zustimmung aller Fraktionen beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung an der zugesagten Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden € durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe festhält.

Sie haben es der entschiedenen Haltung der Länder zu verdanken, dass die Pläne der alten, rot-grünen Bundesregierung von der Regierung der großen Koalition wieder einkassiert worden sind. Es wäre ein Skandal gewesen, wenn das Regierungshandeln in Berlin dazu geführt hätte, den Kommunen die zugesagte jährliche Entlastung in Höhe von 2,5 Milliarden € rückwirkend zu streichen. Zum Glück wurde diese unsolide, ungerechtfertigte und falsche Politik gegen die kommunalen Interessen mit der Regierungsbildung vom 22. November 2005 für beendet erklärt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Das war für die kommunale Ebene eine ganz wichtige Entscheidung. Kommunalpolitiker haben sich nämlich darauf verlassen, dass die Entlastungen kommen. Sonst wäre der Schaden unvorstellbar gewesen. Man hat sich im Vertrauen auf gemachte Zusagen vor Ort darangemacht, die Betreuungsan

gebote für unter Dreijährige auszubauen. Diese Betreuungsangebote für unter Dreijährige sind alternativlos, gerade nach der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Wenn wir junge Mütter oder junge Väter verpflichten, eine Arbeit anzunehmen, damit sie ihre Leistungen weiter in Anspruch nehmen können, brauchen wir entsprechende Plätze in Krippen, altersgemischten Gruppen in Kindertagesstätten oder die Finanzierung von Tagesmüttern.

Dieses Engagement der kommunalen Ebene und die logische Kette der Hartz-Reformen wären beinahe zunichte gemacht worden. Der Anspruch des Forderns und des Förderns wäre bei der allein erziehenden Mutter oder dem allein erziehenden Vater außer Kraft gesetzt worden.

Meine Fraktion dankt der Landesregierung für ihren Einsatz, zu einer vernünftigen Regelung bei den Kosten der Unterkunft zu kommen. Den kommunalen SGB-II-Trägern wurde Planungssicherheit verschafft. Unsere Kreise und kreisfreien Städte erhalten Bundesmittel in Höhe von 130 Millionen €. Diesen Verhandlungserfolg benötigen wir dringend auch für die Folgejahre ab 2007.

Insbesondere die Kommunalpolitiker sind höchst zufrieden, dass die Landesregierung auch ein anderes Versprechen einhält und damit einem weiteren Teil unseres gemeinsamen Antrags vom 9. November 2005 folgt.

Die Landesregierung gibt ihre Hartz-IV-bedingte Nettoentlastung in der tatsächlichen Höhe an die kommunalen SGB-II-Träger weiter.

Im Jahr 2005 handelte es sich um eine Summe von 52,25 Millionen €, die den Kreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung gestellt werden konnte. Für das Haushaltsjahr 2006 steht der kommunalen Ebene eine Entlastungssumme in Höhe von 51,55 Millionen € zur Verfügung.

Meine Fraktion steht nach wie vor zu der Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Das war ein Kraftakt, insbesondere für die Arbeitsgemeinschaften in den Kommunen, aber auch für die optierenden Kreise.

Trotz aller Kritik in Einzelfragen ist die Reform ziemlich geräuschlos umgesetzt worden. An dieser Stelle möchte ich im Namen meiner Fraktion allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort für diese im vergangenen Jahr erbrachte Leistung danken.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich, dass die Bundesregierung und die Landesregierung gegenüber den Kommunen Wort

(Anne Lütkes)

gehalten haben. Das ist die Grundvoraussetzung, um auch in anderen Bereichen eine Reformbereitschaft sicherzustellen.

Aus der Sicht meiner Fraktion möchte ich zum Thema „unter 25-Jährige“ erklären, dass wir die Position sowohl des Bundesarbeitsministers als auch des Landesarbeitsministers voll unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für den vorgelegten Bericht. Ich glaube, wir können ihn abschließend zur Kenntnis nehmen. Es war ein sehr guter Bericht. Aber mehr möchte ich den Arbeitsminister an dieser Stelle nicht loben. Denn als ich das beim letzten Mal tat, musste ich ein paar Tage später in der Zeitung das folgende Zitat von Uwe Döring lesen: „Sein Lob trifft mich nicht.“ Daher danke ich heute insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Arbeitsministeriums.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Hartz IV werden die Kommunen um 2,5 Milliarden € entlastet. Damit sollen die Investitionskraft der Kommunen gestärkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es sollte der Ausbau der Kinderbetreuung forciert werden. Die ostdeutschen Kommunen sollten zusätzlich mit 1 Milliarde € einen Ausgleich für ihre überproportional hohe Arbeitslosigkeit erhalten.

Das war ein Versprechen noch der alten, rot-grünen Bundesregierung. Dabei war für mich die finanzielle Entlastung der Kommunen niemals das vorrangigste Ziel. Menschen in Arbeit zu bringen war das entscheidende Ziel von Hartz IV und ist es auch noch. Allen Arbeitssuchenden eine Chance zu geben ist das, was hinter Hartz IV steht.

Hartz IV sollte bewirken, dass staatliche Hilfen sozial gerecht und aus einer Hand gewährt werden. Hartz IV sollte dazu führen, dass in der Umsetzung jeder Arbeitslose einen persönlichen Ansprechpartner in der Agentur für Arbeit hat und gezielt auch individuell Brücken aus der Arbeitslosigkeit in die Arbeit - also in den ersten Arbeitsmarkt - gebaut werden.

Heute Vormittag wurde es schon angesprochen: Hartz IV sollte auch Unterstützung für Arbeitslose in Fragen der Kinderbetreuung, bei der Schuldnerberatung, bei der Qualifizierung, bei der Aufnahme

einer Arbeit und bei Existenzgründung und Selbstständigkeit geben.

Zu diesen vernünftigen und sinnvollen Vorhaben gehört natürlich auch die Einhaltung der versprochenen Leistungen, das heißt die Entlastung der Kommunen von Kosten, die sie früher durch die hohe Arbeitslosigkeit zu tragen hatten. Diese Kosten mussten finanziert beziehungsweise refinanziert werden.

Der knappe Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass sie Wort gehalten hat. Im Jahr 2005 ist die volle Nettoentlastung des Landes in Höhe von 52,25 Millionen € an die Kreise und kreisfreien Städte verteilt worden. Für das Jahr 2006 wird es eine weitere Entlastung in Höhe von 51,55 Millionen € aus dem Haushalt des Landes an die Kommunen geben. Das macht deutlich, dass das Land Wort gehalten hat und Wort hält.

Dass die alte Bundesregierung unter der Federführung des Müntefering-Vorgängers beschlossen hatte, ganz aus der Mitfinanzierung der kommunalen Lasten auszusteigen, wäre eine sehr große Belastung geworden. Hier sind unser Widerstand wie auch das Zusammenwirken aller Landesregierungen erfolgreich gewesen. Die neue Bundesregierung hat hier richtigerweise komplett umgesteuert. Das ist ein Erfolg und ein Zeichen für politische Verlässlichkeit.

Es wird aber nicht wundern, dass auch ich an dieser Stelle eine kritische Haltung zu beschlossenen Änderungen bei den Leistungen für junge Arbeitslose habe. Auch wenn viel Geld an Kommunen verteilt wird und dies aus dem System heraus finanziert werden soll, ist es kritisch zu hinterfragen. Dies ist aus meiner Sicht nämlich keine Begründung für die Kürzungen des Arbeitslosengeldes für junge Menschen und kein Grund für die Kürzungen bei unter 25-jährigen Arbeitslosen. Denn die Einbeziehung Jugendlicher unter 25 Jahren in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern darf nicht dazu führen, dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert wird. Gerade für junge Menschen, deren Familien schon lange oft in der zweiten oder dritten Generation von staatlichen Transferleistungen abhängig sind, kann der Weg in die Selbstständigkeit der richtige und entscheidende Schritt sein.

Wenn im Mittelpunkt der Arbeitsmarktreform ein konsequentes Fördern und Fordern steht, ist es nicht möglich, dass die Ausgaben der Eingliederungsleistungen nach dem SGB II und dem Arbeitsförderungsgesetz in Schleswig-Holstein so schlechte Quoten erreichen. So sind landesweit nur 38,1 % der zur Verfügung stehenden Mittel ausge

(Torsten Geerdts)

schöpft worden. Das schlechteste Beispiel gibt hier die Hansestadt Lübeck, die 21,2 % oder, in Euro ausgedrückt, nur 5,8 Millionen € von 27,4 Millionen € für Eingliederungsleistungen ausgegeben hat. So lauten die Zahlen in der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der grünen Fraktion.

Spitzenreiter in dieser Statistik sind übrigens der Kreis Dithmarschen mit 52,7 % verausgabter Mittel und die Stadt Flensburg mit 51,4 %.

Aber es ist und bleibt ein großes Armutszeugnis, dass von 186 Millionen € Eingliederungsmittel in Schleswig-Holstein nur 70,9 Millionen € ausgegeben worden sind. Dies ist, wie ich finde, ein Skandal und wird den Arbeitslosen in diesem Land nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn im ersten Jahr von Hartz IV viele Probleme zu lösen waren, so zeigen diese Zahlen doch: Man sollte andere Prioritäten setzen, als bei jugendlichen Arbeitslosen zu kürzen oder in diesem Fall das Hotel „Mama“ zum aktuellen Lebensstil arbeitsloser junger Menschen zu erklären. Anstelle von Hotel „Mama“ könnte man auch sagen: oder eine Stallpflicht für unter 25-Jährige einzuführen.

Arbeitsmarktpolitik braucht viel mehr Verlässlichkeit und den Willen, Fördern und Fordern so umzusetzen, dass auch die Betroffenen selber aktiv mitwirken können und sich engagieren, um aus ihrer Situation herauszukommen oder erstmals einen Arbeits- oder einen Ausbildungsplatz zu finden.

Den vorliegenden Bericht des Arbeitsministers können wir nach dieser Debatte abschließend zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, dass wir in Zukunft über Hartz IV und die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik noch viele Diskussionen haben werden.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Erstens stelle ich fest, dass die Diskussion gestern früh über die Vogelgrippe ganz offensichtlich auf erstaunliches Interesse gestoßen ist, sowohl beim Arbeitsminister, als auch bei Ihnen, Kollege Baasch. Das ist natürlich erfreulich.

Zum Zweiten zu der ernsten Frage: Wie geht man in Zukunft mit jugendlichen Arbeitslosen um? Ich meine, man sollte in der Diskussion zumindest einmal darüber nachdenken, auch wenn es möglicherweise mehr finanziellen Aufwand erfordert, ob der Weg in die Selbstständigkeit nicht doch der richtigere Weg ist, und zwar unabhängig davon, wie man das im Einzelnen in Anlehnung an andere Themen nennt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht den Eindruck vermitteln, als ob durch Hartz IV zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Hartz IV ist eine groß angelegte Reform, indem zwei steuerfinanzierte Transfersysteme zusammengeführt wurden. Das ist völlig richtig und dazu ist hier alles Notwendige auch schon gesagt worden. Hartz IV soll auch der besseren Vermittlung von Arbeitssuchenden in Arbeit, und zwar der passgenauen Vermittlung, dienen, aber Hartz IV wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen.