Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Um die Großindustrie am Standort Brunsbüttel haben sich mittelständische Unternehmen positioniert und sind aktive Partner der Industrie und darüber hinaus im ganzen Bundesgebiet tätig. Welche Impulse braucht der Standort für eine positive wirtschaftliche Entwicklung aus Politik, Wirtschaft und auch aus der Bevölkerung?

Weniger Bedenken - mehr Mut, zuerst die Chancen sehen und nicht die Bedenken, Herr Dr. Garg, und letztendlich die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel gezielt einsetzen und richtig verbuchen.

Welche Aufgaben haben wir alle abzuarbeiten, welche Unterstützung ist von der Politik flankierend zu erbringen? Die Unternehmen brauchen Rahmenbedingungen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, damit sich die Unternehmen auf dem Weltmarkt weiter behaupten können. Sie brauchen praktikable Rahmenbedingungen zur Sicherung und zum Ausbau von Arbeitsplätzen.

(Jens Magnussen)

Die Politik muss die Vermarktung des Standortes und die Ansiedlung neuer Betriebe aktiv unterstützen. Ein wichtiges Signal für die Unternehmen ist die Sicherstellung einer langfristigen und international wettbewerbsfähigen Energieversorgung und einer bezahlbaren Umweltpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Zusammengefasst: Die Wirtschaft braucht verlässliche Aussagen, moralische Unterstützung und Planungssicherheit.·

Ein weiteres wichtiges Signal, welches am Industriestandort angekommen ist, ist der Ausbau bedarfsgerechter Verkehrsnetze. Hierzu sind nach den langen Diskussionen der zurückliegenden Jahre die Stichworte A 20 und der Ausbau der B 5 genannt worden. Zukunftskonzepte für den Industrieund Energiestandort Brunsbüttel sind zwingend weiter zu entwickeln. Dazu zählt nicht unwesentlich die Konzeption und Planung für den Ausbau der Häfen in Brunsbüttel.

Es sei mir erlaubt, an dieser Stelle ein lobendes Beispiel zu erwähnen, nämlich eine Initiative der Industrie und der örtlichen Handwerksbetriebe und der Schulen im Verbund mit der Gründung des ehrenamtlich organisierten Vereins Wirtschaft und Schule mit dem Ziel insbesondere der Unterstützung und Förderung von Haupt- und Realschülern. Auch das ist Wirtschaft am Standort Brunsbüttel.

Meine persönliche Forderung: Wir alle sind gefordert, uns mit einem starken Engagement für das größte zusammenhängende Industriegebiet Schleswig-Holsteins einzusetzen und nicht durch wortreiche Beiträge zu glänzen.

Die CDU-Fraktion bedankt sich für die ausführliche Darstellung in dem Bericht beim Wirtschaftsminister und seinen Mitarbeitern, die in dem Bericht auch die Probleme des Standortes nicht verschwiegen haben, sodass die Thematik inhaltlich im Wirtschaftsausschuss weiter beraten werden kann. Bei Ihnen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit innerhalb der vorgesehenen Zeit.

(Lebhafter Beifall)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Magnussen für seine erste kompetente Rede und zwei geschenkte Minuten. Das beides zu schaffen, soll erst mal einer hinkriegen. - Als Nächster hat das Wort für die SPD-Fraktion der Herr Abgeordnete Detlef Buder.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Als zweiter Dithmarscher Abgeordneter für diesen Komplex zu sprechen, ist schwierig. Wie wir von dem direkten Vertreter aus Brunsbüttel zuvor gehört haben, zeigt die Diskussion über Brunsbüttel die logische Fortsetzung der Diskussion über die wirtschaftliche Entwicklung der Westküste, die wir bisher schon in dieser kurzen Zeit im Landtag geführt haben. Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Wer davon spricht, dass die Westküste im Reigen Schleswig-Holsteins nicht beachtet werde, der muss in der Vergangenheit nicht an den Diskussionen teilgenommen oder sie nicht zur Kenntnis genommen haben.

Zum anderen zeigt diese Diskussion auch, dass der Hafen Brunsbüttel einen besonderen Stellenwert im Raumordnungsbericht Küste und Meer hat. Dort wird er als einziger Tiefwasserhafen SchleswigHolsteins dargestellt, wodurch er eine besondere Bedeutung bekommt. Natürlich müssen wir auch für Brunsbüttel die Frage der Offshore-Versorgung diskutieren.

Diese Auseinandersetzung und Diskussion um den Wirtschaftsstandort Brunsbüttel zeigt aber auch, dass man sie nicht auf eine FFH-Diskussion verkürzen kann. Herr Dr. Garg, ich halte Ihr persönliches Engagement zwar für lobenswert, aber im Prinzip ist es nicht zielführend.

Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht der ChemCoast-Park Brunsbüttel mit der damit zusammenhängenden Industrie. Hier arbeiten mittelbar und unmittelbar circa 4.000 Menschen, verteilt auf die verschiedenen Industrie- und Dienstleistungszweige. Hier hat die chemische Industrie Schleswig-Holsteins ihren Schwerpunkt. Hinzu kommt: Die chemische Industrie in Brunsbüttel ist unmittelbar verknüpft mit dem Raffineriestandort Hemmingstedt und dem dazugehörigen Fördergebiet Mittelplate vor Friedrichskoog-Büsum, und zwar mit einer Pipeline durch das Wattenmeer, einvernehmlich zwischen RWE Dea, Bergbaubehörde und Nationalparkamt gebaut. Das möchte ich hier auch noch einmal betonen. Dieser Gegensatz zwischen Nationalparkamt, Wirtschaft und Naturschützern ist künstlich aufgebaut und wird in der Region nicht so wahrgenommen, wie er hier diskutiert wird.

(Beifall bei SPD und SSW - Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

(Jens Magnussen)

Sowohl der Raffineriestandort Hemmingstedt als auch die dazugehörige Mittelplate haben eine feste Verankerung in der örtlichen Bevölkerung gefunden und haben auch eine feste Verankerung in dem zweiten Schwerpunkt der Wirtschaftsentwicklung der Westküste gefunden, nämlich dem Tourismus. Beide werden sowohl von den Gästen als auch von der ortsansässigen Bevölkerung akzeptiert.

Hinsichtlich der Vermarktung der Produkte Brunsbüttels ist es unbedingt erforderlich, dass eine Verbesserung der Verkehrsanbindung über den Ausbau der B 5 vorbereitet wird, sodass die Verbindung für die ortsansässigen Spediteure und das Logistikzentrum in Zukunft noch besser ist als bisher. Es bleibt zu hoffen, dass die in Vorbereitung befindliche A 20 mit der Elbquerung bei Glückstadt eine weitere Entlastung der Verkehre durch Hamburg bewirken wird, sodass das Industriegebiet Brunsbüttel noch schneller zu erreichen ist als bisher.

Daneben ist zu begrüßen, dass die Ethylenpipeline auf die andere Elbseite nach Stade in Vorbereitung ist - das ist das zweite große Vorhaben, das wir dort diskutieren und durchführen - und dass der Chemiestandort Brunsbüttel im Reigen der Chemiestandorte Norddeutschlands weiter gestärkt wird.

Die Tendenz zu immer größeren Schiffseinheiten, insbesondere bei der Verschiffung der Container, findet langsam trotz der Vertiefung der Elbe ihre Grenzen. Hier sehen wir eine große Chance für Brunsbüttel, sich an der weiteren Verteilung des internationalen Containerverkehrs zu beteiligen.

Der Energiestandort Brunsbüttel ist im Wandel. Eine Diskussion um die Übertragung von Restlaufzeiten neuerer Atomkraftwerke auf ältere, wie Brunsbüttel zum Beispiel, ist nicht zielführend und lenkt nur von den Zukunftsaufgaben und der Umstrukturierung der Energieversorgung insgesamt ab.

(Beifall bei der SPD)

Überlegungen dieser Art haben eher philosophischen Charakter.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Am Ausstieg aus der Atomenergie ist nicht zu rütteln.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wir müssen daher alle Anstrengungen daransetzen, auch am Standort Brunsbüttel moderne Alternativen zur Atomkraft zu schaffen. Das sind für mich nicht nur Kohlekraftwerke, sondern auch Kraft

werksanlagen, die der Windenergie dienen. Die Fünf-Megwatt-Anlage, die dort schon aufgebaut ist, kann nur als Pilotprojekt verstanden werden, und es ist zu hoffen, dass weitere Anlagen dort installiert werden, auch um potenziellen Käufern darstellen zu können, über welche Leistungsfähigkeit diese Energieart und diese Windenergieanlagen verfügen.

Ich kann die gesamte Diskussion über die Höhe von Windenergieanlagen in der Landschaft überhaupt nicht verstehen, und ich kann auch vor dem Hintergrund des Industriestandortes Brunsbüttel nicht verstehen, dass man künstlich einen Gegensatz zwischen Landschaft, das heißt Industrielandschaft, und Windenergieanlagen aufbaut und versucht, den weiteren Ausbau der Windenergieanlagen nicht zuzulassen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Windenergie und der Windenergiestrom werden natürlich von Brunsbüttel aus privilegiert ins Netz eingespeist. Davon gehe ich aus.

Die Regierung hat in ihrem Bericht dankenswerterweise auch auf die Auseinandersetzung um die FFH-Richtlinie hingewiesen. In diesem Zusammenhang bleibt nur zu hoffen, dass die verspätete Meldung des Gebietes nicht zu weiteren Komplikationen führt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja!)

Ich führe das jetzt nicht weiter aus. Herr Dr. Garg, Sie sind aber wahrscheinlich noch immer nicht in der EU-Wirklichkeit angekommen.

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] - Dr. Heiner Garg [FDP]: Schau’n wir mal!)

An dieser Stelle soll auch nicht verschwiegen werden, dass sich der Wirtschaftsraum Brunsbüttel in seiner bisherigen Entwicklung den strukturellen Anpassungen gerade in der chemischen Industrie stellen musste und künftig stellen muss. Nicht alle Erwartungen an die Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen sind erfüllt worden. So hat die Firma Bayer durch Outsourcen, Verkäufe und Geschäftsfeldverlagerungen überproportional viel Personal eingebüßt. Manche Neugründungen wie das Logistikzentrum Kruse, aber auch Schließungen, zum Beispiel der Rüttgers-Chemie, wären hier zu nennen.

Es darf aber auch nicht unterstellt werden, dass diese Entwicklung aufgrund von Anforderungen im Umweltbereich durch die EU und anderen Forderungen und Maßgaben im Umweltschutz eingetre

(Detlef Buder)

ten sind. Vielmehr haben innerbetriebliche Entscheidungen dazu geführt, dass Umstrukturierungsprozesse schmerzhafte Einschnitte in die Arbeitsplatzstruktur verursacht haben. Das wird auch in Zukunft so sein. Auch in Zukunft werden wir uns diesen Anforderungen stellen müssen. Hunderte von Arbeitsplätzen sind verloren gegangen, die nur in Ansätzen durch Neuinvestitionen und Neuansiedlung am Industriestandort Brunsbüttel ausgeglichen werden konnten. Vergangene Landesregierung und die jetzige Landesregierung strengten und strengen sich allerdings an, diesen Prozess abzumildern. Erfreulich ist, dass zum Beispiel die Norddeutsche Affinerie dafür gewonnen werden konnte, sich in Büsum anzusiedeln, und es ist auch erfreulich, dass sich weitere 16 Bewerber für den Gewerbepark in Brunsbüttel gemeldet haben.

Ich danke der Landesregierung, ich danke dem Minister, und ich danke den Mitarbeitern für den informativen und lesenswerten Bericht und bitte um Überweisung an den Wirtschaftsausschuss und an den Umweltausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält jetzt der Herr Abgeordnete Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Brunsbüttel ist eine leistungsfähige Wirtschafts- und Energieregion mit großen Zukunftschancen. Der Standort der chemischen Industrie an der Elbe wurde in den 70er-Jahren zum neuen Ruhrgebiet erklärt. Damals sprach man von über 20.000 neuen Arbeitsplätzen. So ist es nicht ganz gekommen. Die damaligen Prognosezahlen der Arbeitgeber wurden nicht erreicht. Aber die Zahl von 4.000 unmittelbar Beschäftigten in der chemischen Industrie und mittelbar sogar 12.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist beeindruckend und weist Brunsbüttel als herausragenden Industriestandort Schleswig-Holsteins aus.

Vielleicht wird sich der eine oder andere wundern, wie vertrauensvoll und gut die Gespräche auch in den letzten fünf Jahren zwischen Umweltministerium und den Unternehmen in Brunsbüttel waren. Das hat auch viel mit der guten Arbeit des Staatlichen Umweltamtes in Itzehoe zu tun. Vielleicht weiß der eine oder andere dies in der neuen Rolle auch zu würdigen.

Die Lage Brunsbüttels an der Ausfahrt aus dem Nord-Ostsee-Kanal in die Elbmündung ist einzigartig. Das macht den Reiz des Hafens aus und macht ihn attraktiv für wasserorientiertes Gewerbe.

Probleme gibt es mit der Versandung im Zufahrtsbereich des Elbehafens Brunsbüttel. Die Gründe dafür liegen zum einen in der natürlichen Belastung durch Tide, Oberwasser und Sturmfluten, zum anderen in den künstlichen Maßnahmen wie Fahrwasserverlegung und Fahrrinnenvertiefung. Das heißt für die Zukunft: Mit weiteren Elbvertiefungen vergrößern sich die Probleme für den Hafen Brunsbüttel.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Dem Bund als Verantwortlichem für beide Wasserstraßen müsste nachgewiesen werden, dass die Elbvertiefung für die Versandungen ausschlaggebend ist. Das ist gerade für solche Akteure schwer einzugestehen, die die weitere Vertiefung der Elbe unbedingt wollen.