Eine gravierende und nachteilige Änderung, die CDU und SPD durch einen Änderungsantrag im Innen- und Rechtsausschuss am Mittwoch beschlossen haben, ist die Möglichkeit, den ehrenamtlichen Bürgermeistern von Gemeinden mit mindestens 4.000 Einwohnern einzuräumen, einen hauptamtlichen Gemeindedezernenten einzustellen, der dem Bürgermeister quasi assistiert. Die CDU als Gewinnerin der letzten Kommunalwahlen hat natürlich erhebliche Probleme, wenn so manchem heute noch hauptamtlichen Bürgermeister künftig die Verwaltung wegfällt und er oder sie den Job nur noch ehrenamtlich machen kann. Es wäre keine Verwaltung mehr da, die ihnen direkt untersteht und zuarbeitet. Wenn es aber bei dieser Reform nicht um das Bedienen der kommunalen Basis der CDU geht, sondern um die Möglichkeit, Einsparungen zu generieren, ist dies der falsche Schritt.
Darüber hinaus soll dieser Dezernent auf Vorschlag des amtierenden Bürgermeisters von der Gemeindevertretung gewählt werden. Er wird also sozusagen als Wahlangestellter in einem besonderen Verhältnis zum Bürgermeister stehen. Was ist dann, wenn durch Wahlen der Bürgermeister wechselt? Wird dann auch der Dezernent automatisch ausgetauscht? In welcher Besoldungsgruppe beispielsweise soll der Dezernent eingestuft werden? Fragen über Fragen, die weder im Ausschuss noch in der Gesetzesbegründung beantwortet wurden. Wir glauben, dass die Einspareffekte, die durch die Anhebung der Einwohnerbezugsgrößen von Verwaltungen vorgesehen sind, durch die Einstellung von Dezernenten wieder verloren gehen. Daher lehnen wir auch diesen Vorschlag ab.
Dabei gibt es durchaus gängige Wege, die sich in der Praxis auch schon bewährt haben. Selbst bei der neuen Amtsbildung am Kieler Ostufer bei den Gemeinden Heikendorf, Mönkeberg und Schönkirchen werden so genannte Front-Offices, wie man so schön Hochdeutsch sagt, eingerichtet. Die sind besetzt und stehen selbstverständlich auch dem Bürgermeister zur Verfügung. Die können dann diese Arbeit übernehmen. Da braucht doch nicht zusätzlich dem Bürgermeister noch ein Dezernent zur Seite gestellt zu werden.
Meines Erachtens ist dies überhaupt nicht durchdacht und schafft wiederum mehr Kosten, als dass gespart wird.
Lassen Sie mich noch kurz auf das Verfahren - Jetzt habe ich leider den Zwischenruf nicht verstanden.
- Es ist nicht so dramatisch. Ich kann Ihnen sagen: Wenn diese Front-Offices beispielsweise vom Amt gestellt werden, dann können sie sicherlich auch über die Amtsumlage finanziert werden, weil letztlich die Amtsumlage ja wiederum von den Gemeinden aufgebracht wird. Herr Kalinka, das wissen Sie doch.
Es ist doch letztlich auch die Aufgabe des Amtes, praktisch diese Schreibstube des Bürgermeisters auszufüllen, damit diese Angelegenheiten wirklich ausgeführt werden können.
Lassen Sie mich aber noch kurz auf das Verfahren eingehen, das diesem Änderungsantrag der großen Koalition zu Grunde gelegen hat. Vor mehr als einer Woche fand eine Innenund Rechtsausschusssitzung statt, in der die Beratung zu diesem Gesetzentwurf ohne Aussprache vertagt worden ist. Die Koalition hatte sich eben noch nicht geeinigt. Erst vorgestern erhielten wir dann per E-mail den Änderungsantrag von CDU und SPD, also einen Tag nach unseren Fraktionssitzungen. Es gab somit keine Möglichkeit, den Antrag in den Fraktionen zu prüfen und zu beraten. Das ist ein Verfahren, meine Damen und Herren, das insbesondere einer großen Koalition schlecht zu Gesicht steht.
Es spricht für die Arroganz der Regierungsfraktionen, die ihresgleichen sucht, und straft allen Bekenntnisse Lügen, die Beteiligungsrechte der Opposition zu wahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Problematik wurde während der Ausschusssitzungen nicht klargestellt. Dabei geht es um die Genehmigungspflichten im kommunalen Haushaltsrecht. Die Genehmigungspflicht der Kommunalaufsicht zur zulässigen Höhe der Kassenkredite, der Übernahme von Bürgschaften und zu den Verpflichtungsermächtigungen soll wegfallen. Der Gemeindetag begrüßt diese Regelung zur - wie er sagt Entbürokratisierung. Wir sind da zumindest etwas skeptischer. Ich habe schon in der ersten Lesung vorgetragen, dass sich die Kassenkredite schleswigholsteinischer Kommunen in den letzten Jahren dramatisch entwickelt haben. Von 2000 bis 2004 ist das Volumen der Kassenkredite von 62 Millionen auf 473 Millionen € gestiegen. Die laufenden Ausgaben der Kommunen werden also schon jetzt vielfach nur auf Pump finanziert.
Jetzt eine ironische Bemerkung; ich sage das ausdrücklich, damit das auch richtig verstanden wird: Wenn das Land nun aber beabsichtigt, jährlich noch 120 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse zu
klauen, muss es konsequenterweise den Kommunen erleichtert werden, weitere Schulden zu machen, denn woher sollen sonst die entsprechenden Finanzmittel kommen? Konsequent ist es auch, bei eigener Insolvenz durch eigenes Fehlverhalten von den Kommunen nicht eine bessere Haushaltspolitik zu verlangen, als man sie selbst betreibt.
Hinzu kommt, dass die Kreise nach dem SchlieBericht zusätzliche Aufgaben wahrnehmen sollen. Die Kosten hierfür werden dann über die Kreisumlage bei den Gemeinden abgeladen. Wir rechnen also damit, dass künftig das Volumen der Kassenkredite noch wesentlich weiter steigen wird. Das Land stiehlt sich hier aus der Verantwortung und lässt die Kommunen mit den Schulden allein.
Es bleibt dabei: Dieser Einstieg in die Verwaltungsstrukturreform ist inhaltlich in mehreren Punkten unzureichend und vom parlamentarischen Ablauf her mehr als misslungen. Wir können dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bewundere wirklich den Mut der Vertreter der großen Koalition. Landauf, landab wird immer wieder verkündet: Es wird keine Gebietsreform geben. Sie haben - die CDU insbesondere schon vor der Wahl sehr viele Versprechungen gemacht. Daran sollten Sie sich mal erinnern. Vorgestern haben wir darüber debattiert, was aus diesen Versprechungen geworden ist. Jetzt werden wieder Versprechungen gemacht. Jeder kennt die Finanzlage und jeder weiß, wie notwendig Strukturreformen sind.
In dieser Situation herumzulaufen mit der Gefahr, dass Sie das, was Sie hier erzählen, nächstes Jahr wieder einkassieren - ich bewundere wirklich Ihren Mut!
Es geht auch um die Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit des ländlichen Raumes. Wenn wir über eine Reform der Verwaltungsstrukturen diskutieren, müssen wir feststellen, wir brauchen handlungsfähige Strukturen, innerhalb derer man im ländlichen Raum in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und nicht Chaos und Zersplitterung, wie sie durch diesen Gesetzentwurf produziert werden. Dazu komme ich gleich.
Es geht unserer Meinung nach auch um eine radikale Dezentralisierung. Denn wenn wir größere Gemeinden schaffen, können wir einen großen Teil der Kreisaufgaben auf die Gemeinden verlagern. Das ist die Voraussetzung für die Auflösung der Kreise. Dann kämen wir tatsächlich zu erheblichen Einsparungen. Das ist eine der wesentlichen Rahmenbedingungen, über die wir im Rahmen dieser Verwaltungsstrukturreform diskutieren müssen.
Letztlich - da stimme ich mit allen Rednern überein; das gibt es auch - geht es um die Erhaltung des Ehrenamtes. Deswegen wollen wir - im Unterschied zum SSW - die ehrenamtlichen Strukturen in den Dörfern und in den kleinen Gemeinden erhalten.
Leistet der vorliegende Gesetzentwurf diese Reformaufgabe? - Nein, das tut er nicht. Er geht zwar einen Schritt, aber er geht einen halbherzigen Schritt und er schafft gleichzeitig Strukturen, die nichts Halbes und nichts Ganzes sind.
Vor allem sagt die Landesregierung den Menschen weiterhin nicht, welches ihre wirklichen Pläne sind, und tut so, als gehe es nur um größere Verwaltungen. Tatsächlich aber führt die Bildung größerer Ämter notwendig zur Verlagerung von zahlreichen Aufgaben von den Gemeinden und Kreisen auf die Ämter. Dabei handelt es sich eben nicht nur um Weisungsaufgaben, sondern auch um Selbstverwaltungsaufgaben.
Die Bürgermeisterin Susanne Leyk der Gemeinde Raisdorf hat den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn sie formuliert:
„Das Kernproblem der Verwaltungsstrukturreform ist, dass im jetzigen Verfahren ausschließlich die Pflichtaufgaben der Kommunen betrachtet werden … Völlig aus der Betrachtung ausgeblendet … werden die dort verbleibenden Selbstverwaltungsaufgaben …“
Im Folgenden führt sie aus, dass diese von einer größeren, rein ehrenamtlich geführten Gemeinde gar nicht mehr erledigt werden können.
Im Kreis Schleswig-Flensburg - er sollte einigen bekannt sein - ist schon jetzt die Zahl der auf die Ämter übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben in den vergangenen Jahren von ein bis zwei Aufgaben auf mittlerweile 11,5 Aufgaben pro Gemeinde angewachsen. In einem Gutachten des Gemeindetages wurde bereits vor zehn Jahren festgestellt - damals waren es fünf Aufgaben pro Gemeinde -, dass damit die verfassungsmäßig zulässige Grenze überschritten ist. Die Legitimationskette zwischen den einzelnen Gemeindevertretern und dem, was nachher im Amt gemacht wird, ist gebrochen. Das wird noch ausgebaut. Es wird sogar noch wesentlich ausgebaut.
Ich nehme einmal das Schreiben von Herrn Bülow vom Gemeindetag zum neuen Schulgesetz. Ich habe das neue Schulgesetz leider noch nicht vorliegen. Ich zitiere trotzdem einmal aus dem Schreiben von Herrn Bülow:
„Gleichwohl sollen dem Gesetzentwurf zufolge - § 55 - die Schulträgerschaft aller Gemeinden unter 8.000 Einwohnern zum 1. August 2009 automatisch auf das jeweilige Amt übergehen. Bei amtsfreien Gemeinden unter 8.000 Einwohnern soll ein Pflichtverband gebildet werden.“
Was bedeutet das? - Das bedeutet, dass eine weitere zentrale Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde dem Amt per Gesetz übertragen wird. Damit wird das Amt letztlich zu einer Gemeinde im Sinne unserer Verfassung. Damit ist die Notwendigkeit gegeben, den Amtsausschuss direkt zu wählen, weil sonst die Legitimationskette unterbrochen ist.