Protokoll der Sitzung vom 03.05.2006

Zweitens. Bundesweit einzigartig entscheidet die Kommune im Vorfeld, wo sie PACT-Maßnahmen im Gemeindegebiet für sinnvoll hält und unterstützen will und kann damit entsprechend ihrer kommunalen Strategien eigene Schwerpunkte setzen.

Drittens. Aktiv werden können alle privaten Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer und Gewerbetreibenden in einem Quartier.

Viertens. Mittels einer Aufgabenträgerin oder eines Aufgabenträgers können sie einen Antrag auf Erlass einer PACT-Satzung stellen, um ihr Aufwertungskonzept mit einer gesicherten Finanzierung zu versehen.

Fünftens. Die Kommune prüft das Konzept. Sie führt die erforderliche Beteiligung der Behörden in der Öffentlichkeit durch. Diejenigen, die später abgabenpflichtig werden, werden schriftlich informiert, denn sie haben ein Widerspruchsrecht. Gibt es in einem Quartier keine ausreichende Zustimmung, kann die Kommune die Abgabensatzung nicht erlassen.

Sechstens. Durch den Erlass der PACT-Abgabensatzung werden die Privaten zur Finanzierung der Maßnahmen herangezogen, die sie selbst für erforderlich halten und von denen sie begünstigt sind. Wir gehen davon aus, dass es in der Regel Grundeigentümer und Gewerbetreibende sind. Aber es kann immer wieder auch einmal welche geben, die eben keine Vorteile haben, obwohl sie zu den Abgabepflichtigen gehören würden. Deshalb sind Ausnah

me- und Befreiungsmöglichkeiten aufgenommen worden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gemeinde kann von vornherein festlegen, dass auch nur Grundeigentümer dies tun.

Wenn Sie sich dies alles ansehen, stellen Sie fest: Die Freiheit ist unendlich. Der Landtag tut das, was er tut, damit Gebühren erhoben werden dürfen. Die, die von uns immer fordern: „Seid doch kommunalfreundlich! Lasst die Kommunen selbst entscheiden!“, kommen jetzt zu uns und sagen: Um Himmels willen, jetzt müssen wir die Konflikte selber lösen und können die Proteste nicht direkt vor den Landtag schicken. - Das, finde ich, ist kommunale Freiheit.

Die Wirtschaft, die zu Recht immer sagt: „Haltet euch daraus! Staat, regele nur das, was du regeln musst!“, sollte sich auch gefallen lassen, dass der Grundsatz gilt, dass in der Regel nur der, der von Dingen profitiert, auch dafür zahlen sollte. Das ist ein billiger Grundsatz. Sie können ja wählen.

Da wir kein Antragsquorum haben - da sind wir in der Anhörung denjenigen entgegengekommen, die das wollten -, sondern am Ende nur entschieden werden muss und die Kommune es selbst entscheidet - die Entscheidungen kommen also dahin, wo sie hingehören -, kann ich gar nicht verstehen, dass ich immer noch Briefe bekomme, die sagen: „Könnt ihr das nicht doch ein bisschen für uns mitregeln? Im Prinzip sind wir für kommunale Selbstverwaltung. Im Prinzip sind wir auch für freie Marktwirtschaft. Aber im konkreten Fall ist das so schwierig. Kann uns Vater Staat da nicht weiterhelfen?“

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Welchen Brief mei- nen Sie denn?)

Das ist nicht die Aufgabe dieses Landtages.

Konfliktpotenziale müssen gelöst werden. Das ist eine Stärke von Kommunen, dies zu tun. Wir sind übrigens auch nicht Hamburg. Wir sind keine Kommune, sondern wir sind ein Land. Wir haben Kommunen. Die sind stark. Sie können selbst entscheiden. Dahin gehören die Entscheidungen.

Insofern möchte ich mit einem schönen Wort des Athener Staatsmannes Perikles schließen: Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut. - Den wünsche ich denjenigen, die jetzt entscheiden können.

(Beifall bei der SPD)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zahlreiche Leerstände und häufiger Wechsel der Gewerbetreibenden sind in vielen Innenstädten signifikantes Zeichen für die Probleme des Einzelhandels. Unterstrichen wird dieser optische Eindruck leider auch von den statistischen Zahlen: Denn seit 1994 ist der Umsatz im Einzelhandel in den Innenstädten um jährlich 1,5 Milliarden € gesunken, die Besucherfrequenz um 25 % zurückgegangen und die Aufenthaltsdauer auf unter eine Stunde gesunken so die IHK-Vereinigung in einer Studie. Es besteht also dringender Handlungsbedarf für unsere Innenstadtquartiere.

Für die CDU hat daher die Förderung des Einzelhandels und die Belebung der Innenstädte eine herausragende Bedeutung. Dies haben wir auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung so genannter Business-Improvement-Districts vereinbart. Ich danke der Landesregierung, dass mit dem Gesetz über die Einrichtungen von Partnerschaften zur Aktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen, dem so genannten PACTGesetz, jetzt eine rechtliche Grundlage vorliegt, auf der in Eigeninitiative der Wirtschaft neue Impulse für den innerstädtischen Einzelhandel gegeben werden können. Der Gesetzentwurf besticht nicht nur durch seine Kürze - in der Tat -, sondern auch durch die Tatsache, dass hiermit ein Höchstmaß an Flexibilität und örtlicher Verantwortung für die Ausgestaltung vor Ort gegeben werden. Wertvoll war dabei auch die Mitarbeit zahlreicher Verbände und Institutionen aus der Wirtschaft, die sich mit vielen Anregungen und Vorschlägen bereits im Vorfeld in diese Diskussion eingeschaltet haben und deren Hinweise bereits vielfach in dieses Gesetz eingearbeitet werden konnten.

(Beifall bei der CDU)

Der Gesetzentwurf bietet jetzt die Möglichkeit, dass sich in den Innenstädten private Partnerschaften zur Attraktivitätssteigerung dieser Bereiche bilden. Sie können Maßnahmen zur Stärkung der Innenstädte entwickeln, und zwar ohne dass dies an Negativkriterien gebunden wird und ohne dass eine Schwächung von Versorgungsfunktionen innerörtlicher Siedlungsbereiche zur Voraussetzung hierfür gemacht wird. Nicht nur Innenstädte mit Versorgungsproblemen müssen das Instrument des BID

zur Verbesserung ihrer Situation in die Hand bekommen können. Auch stärkere Innenstädte müssen die Chance haben, sich im Wettbewerb mit anderen Einzelhandelsstandorten neues Profil geben zu können.

Wir wollen allen Innenstädten, in denen sich auf freiwilliger Basis aus der Wirtschaft und der Reihe der Grundeigentümer heraus Initiativen zur Attraktivitätssteigerung bilden, auch tatsächlich die Chance hierfür geben.

Konsequent ist auch die vordringliche Beteiligung der Grundeigentümer an der Ausgestaltung und Finanzierung dieser Initiativen - was vor Ort so entschieden werden kann -, denn sie werden es sein, die langfristig mit ihren Immobilien von der gesteigerten Attraktivität der Innenstädte profitieren.

Mit der Regelung, dass die entsprechende Satzung nicht erlassen werden darf, wenn mehr als ein Drittel der betroffenen Personen widersprochen haben, ist eine größtmögliche Akzeptanz für diese Attraktivitätspartnerschaften gewährleistet.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Zu begrüßen ist ferner, dass der Tourismus als eines der wesentlichen Ziele bei der Bildung eines PACT berücksichtigt wird. Das ist gegenüber BID in Deutschland eine entscheidende Innovation. Dies stärkt nämlich auch die Stellung Schleswig-Holsteins als Tourismusdestination im Norden.

Wir werden im weiteren parlamentarischen Verfahren sicherlich noch über die eine oder andere Anregung betroffener Verbände zu diesem Gesetzentwurf reden. Im Grundsatz schafft er aber eine schlanke und weitgehend unbürokratische Basis für die Attraktivitätssteigerung unserer Innenstädte. Viele örtliche Initiativen, etwa in Flensburg, Elmshorn, Kiel, Itzehoe oder Schleswig, warten dringend auf diese Möglichkeit. Hier setzt die örtliche Wirtschaft darauf, dass mit der Einrichtung von BID Projekte umgesetzt werden können, durch die die Innenstädte attraktiver werden und wieder Kaufkraft in die Innenstädte geholt wird.

Wenn mit dem PACT-Gesetz der rechtliche Rahmen hierfür verabschiedet ist, liegt es an den örtlichen Kaufleuten, von diesen neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, und es liegt an den Gemeinden vor Ort, nach dem Votum der innerstädtischen Wirtschaft und der Grundeigentümer die entsprechenden Satzungen für die Einrichtung von Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen zu erlassen.

Lassen Sie uns im Wirtschaftsausschuss und im Innenausschuss sehr zügig über das PACT-Gesetz beraten, damit es noch vor der Sommerpause vom Landtag verabschiedet werden kann. Der Einzelhandel in Schleswig-Holstein, in den Innenstädten wartet darauf.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos an die Ausführungen des Kollegen Callsen anschließen. Wir haben am 29. September 2005 in diesem Haus über den Entwurf eines BID-Gesetzes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutiert. Damals haben wir auf rechtliche Bedenken hingewiesen, vor Schnellschüssen gewarnt und Vertrauen in die interministerielle Arbeitsgruppe gesetzt, damit wir im Frühjahr 2006 ein fundiertes Gesetz zur Beratung vorgelegt bekommen. Das ist heute auch eindrucksvoll geschehen.

Uns liegt nun der Entwurf vor. Damit haben wir, ebenso wie das der Kollege Callsen getan hat, ein Gesetz zu begrüßen, das sehr schlank und unbürokratisch ist, den Kommunen alle Freiheiten lassend. Mit anderen Worten: So viel Staat wie nötig und so wenig Staat wie möglich.

Schade, dass der Kollege Kubicki nicht hier ist.

(Zuruf von der CDU: Doch! Hier!)

- Wo ist er?

(Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Da, wo er hingehört!)

- Ach so. Er ist jetzt da, wo er vor einiger Zeit hin wollte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Weiterbildung!)

Kollege Kubicki, ein Gesetz, wie es jetzt vorgestellt wurde - so viel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich -, müsste Ihnen doch Freudentränen in die Augen treiben. Das ist doch das, was Sie immer gefordert haben.

Herr Präsident, es gibt selten ein Gesetzesvorhaben, das wie dieses von allen Beteiligten und Akteuren im Grundsatz begrüßt und mit getragen wird. Ob Industrie- und Handelskammern, Einzelhandelsver

band, die Kommunen mit ihren Spitzenverbänden oder Haus & Grund - alle warten auf dieses Gesetz als Grundlage für individuelle und flexible Satzungsregelungen vor Ort. Das PACT-Gesetz soll nur den rechtlich notwendigen Rahmen vorgeben, der in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und den Kommunen auf der Grundlage der jeweiligen Problemstellung intelligent ausgefüllt werden muss. Mehr Eigenständigkeit vor Ort kann zu flexiblen, den jeweiligen regionalen Bedingungen angepassten Lösungen führen. Die Verantwortung für die Ausgestaltung liegt dort, wo das Gesetz auch angewendet werden soll.

Gefragt ist eine praxisnahe gesetzliche Regelung, die bei völliger Freiheit der Kommunen dennoch zielführend sein muss. In der anstehenden Diskussion in den genannten Ausschüssen mit den beteiligten Kreisen der Wirtschaft sowie den Kommunen wird es in erster Linie darum gehen, diese praktikablen Lösungen zu erörtern.

Wir befinden uns auf einem guten Weg, den wir zügig zum Abschluss bringen sollten. Deshalb wollen wir den Gesetzentwurf federführend im Wirtschaftsausschuss und mitberatend im Innen- und Rechtsausschuss mit der gebotenen Gründlichkeit zeitnah beraten und dabei auch die Betroffenen vor Ort zu Wort kommen lassen.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und gehe davon aus, dass wir dieses Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet und auf den Weg gebracht haben werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob es dem Kollegen Kubicki die Tränen in die Augen getrieben hat, weiß ich nicht. Darüber haben wir nicht geredet. Nachdem der Innenminister schon über Briefe gesprochen hat: Ich weiß allerdings, dass es der Kieler Oberbürgermeisterin nicht vor Freude; aus welchem Grund auch immer offensichtlich die Tränen in die Augen getrieben hat. Diese konnten Sie heute offensichtlich nicht trocknen, Herr Minister.

Sieben Monate nach den Grünen hat es nun also die Landesregierung geschafft, den damals angekündigten Gesetzentwurf zu Business Improvement Districts vorzulegen, das Ganze selbstverständlich